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Barriereneigenschaften

Im Dokument TECHNISCHER BERICHT 05-02 (Seite 34-37)

4.2 Kristallines Grundgebirge

4.2.2 Barriereneigenschaften

Ungestörte Kristallingesteine sind generell sehr gering durchlässig. Als Folge tektonischer Beanspruchung kommen in diesen Gesteinen jedoch häufig Störungs- und Kluftzonen vor, welche bevorzugte Wasserfliesswege darstellen. Daneben können auch lithologische Inhomo-genitäten (Ganggesteine, Mineral- und Erzadern) erhöhte Wasserwegsamkeiten bewirken.

Das kristalline Grundgebirge der Nordschweiz besteht vorwiegend aus Graniten und Gneisen.

Es ist von mächtigen, tektonisch deformierten Permokarbon-Sedimenttrögen durchsetzt, die im Verlauf des Tiefbohrprogramms und der seismischen Untersuchungen der Nagra entdeckt wur-den und zumindest lokal Kohleflöze enthalten (Thury et al. 1994). Die strukturelle Ausbildung des Grundgebirges, d.h. das komplexe Muster der tektonischen Störungs- und Kluftzonen und der Verlauf der Permokarbontröge, ist das Resultat einer mehrphasigen geologischen Entwick-lung, welche sich über mehr als 400 Millionen Jahre zurückverfolgen lässt (Fig. 4-2; Diebold et al. 1991, Thury et al. 1994). Die meisten Störungssysteme wurden während älterer, prä-mesozo-ischer Deformationsphasen angelegt. Diese Störungen bilden – neben anderen potenziell wasserführenden Systemen wie geklüftete aplitische Ganggesteine (Fig. 4-2, Bild F), vererzte Mineraladern und Kluftzonen in Graniten und Gneisen – die bevorzugten Wasserfliesswege (Thury et al. 1994, Mazurek 1998, HSK 2004). Innerhalb dieser Systeme wird oft eine röhren-artige Verteilung der Wasserfliesswege (so genannte channels) beobachtet, welche mit der Genese der Systeme in engem Zusammenhang steht (Mazurek 1998). Ein grosser Teil dieser Fliesswege entstand während der spätvariskischen hydrothermalen Phase bei der Mineral-aderbildung vor rund 290 Millionen Jahren und ist heute noch hydraulisch aktiv (Bsp. Fig. 4-2, Bild E).

Aufgrund der allgemeinen Erfahrung aus Untersuchungen in der Nordschweiz und im Süd-schwarzwald kann man davon ausgehen, dass die Störungen im kristallinen Grundgebirge vorwiegend steil verlaufen und ein Netzwerk bilden, in dem wenig deformierte, geringdurch-lässige Blöcke mit lateraler Ausdehnung von bis zu mehreren hundert Metern auftreten, welche für die Platzierung von Lagerstollen potenziell geeignet wären (Thury et al. 1994). Wenig deformierte Blöcke mit einer lateralen Ausdehnung > 1 km2 werden zwar erwartet, sind aber von der Oberfläche aus nur schwierig lokalisierbar. Ein Tiefenlager müsste voraussichtlich in verschiedene Kompartimente aufgeteilt werden.

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Fig. 4-2: Schematische Darstellung verschiedener geologisch-tektonischer Entwicklungs-phasen der Nordschweiz mit Bildung und Reaktivierung von Störungszonen im Grundgebirge. Detaillierte Beschreibung in Diebold et al. (1991).

Hydraulische Eigenschaften, Transporteigenschaften und Selbstabdichtungsvermögen Wie auch in anderen Gebieten beobachtet (z.B. in Finnland, TVO 1992), ist im Kristallin der Nordschweiz tendenziell eine Abnahme der mittleren Gebirgsdurchlässigkeit mit der Tiefe erkennbar (Thury et al. 1994), wobei in der Nordschweiz etwa 500 m des oberen Kristallins

786.63 787.60 786.63 788.48 789.70

787.60 786.63 788.48 789.70 790.60 [m]

1504.7 1505.5 1506.1 1507.1 1508.0 1508.98

1505.5 1506.1 1507.1 1508.0 1508.98 1509.9 [m]

D Vor 300 Mio. Jahren:

Beginn der Grabenbildung im Kristallin

Vor 65 Mio. Jahren:

Ablagerung der mesozoischen Sediment-bedeckung des Grundgebirges

Vor 260 Mio. Jahren:

Zerscherung des Kristallins mit Deformation der Trogfüllung

Gegenwart:

Faltung des Juragebirges und Hebung des Schwarzwaldes

Beispiel einer wasserführenden Störungszone (4. und 5. Bohrkern von links) mit offenen Quarzadern

im Granit der Bohrung Böttstein

Beispiel eines wasserführenden Aplitgangs (1. bis 3. Bohrkern von links) im Granit der Bohrung Siblingen

E F

A B

C

Kristallin Störungszonen

Permokarbon-sedimente

Mesozoisches Deckgebirge

Offene Quarzadern

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generell stärker durchlässig sind, mit einem durchschnittlichen K-Wert in der Grössenordnung von 10-7 m/s. Unterhalb des durchlässigeren oberen Kristallins wurden mehrere hundert Meter mächtige, geringdurchlässige Blöcke durchbohrt, deren laterale Ausdehnung zur Zeit aber nicht genau bekannt ist und wohl nur anhand von geneigten Bohrungen oder von untertage weiter exploriert werden könnte. Die Gebirgsdurchlässigkeit dieser Blöcke ist kleiner als 10-10 m/s; die geringe Wasserführung ist an die vorne beschriebenen wasserführenden Systeme gebunden.

Zwischen diesen geringdurchlässigen Blöcken treten auch in grosser Tiefe immer wieder höher durchlässige Zonen auf. Gemäss dem konzeptuellen Modell der Nagra (Thury et al. 1994) sind diese an grössere Störungen gebunden, welche nur bis zu einen gewissen Grad von der Ober-fläche her explorierbar sind. Nach Ansicht der HSK (2004) müssen auch alternative Konzepte, in welchen Systeme mit kleineren Einzelklüften und Mineraladern ausserhalb grösserer Störun-gen hydrogeologisch aktiv sind, in Betracht gezoStörun-gen werden.

Aufgrund eines Datensatzes von Stober (1995, 1996) aus dem Schwarzwald gibt es Hinweise, dass die Durchlässigkeit der Gneise rund eine Grössenordnung geringer ist als diejenige von Graniten. Die meisten Daten stammen aber aus relativ oberflächennahen Bereichen (< 300 m) und sind nicht ohne Vorbehalt auf grössere Tiefen übertragbar. In den Tiefbohrungen der Nagra wurden zwischen Graniten und Gneisen in der Nordschweiz keine generell unterschiedlichen Durchlässigkeiten beobachtet, wobei aber die Datenbasis zu gering ist für eine abschliessende Aussage.

Das Radionuklidrückhaltungsvermögen der wasserführenden Systeme hängt – neben der Trans-missivität – stark von der Verteilung der Kanäle innerhalb der wasserführenden Systeme ab (Nagra 1994a). Bei gleicher Transmissivität haben Systeme mit breiten, nahe beieinander liegenden channels ein bedeutend grösseres Rückhaltevermögen als enge, weit auseinander liegende (Kap. 5.3 in Nagra 1994a). Das hydrothermal veränderte, tonig-poröse Umfeld der wasserführenden Systeme wirkt sich positiv auf die Radionuklidrückhaltung aus, weil dort die Radionuklide beim Transport in stagnierende Porenwässer hineindiffundieren können (so genannte Matrixdiffusion). Betreffend Verteilung der channels im Kristallin der Nordschweiz sind noch erhebliche Unsicherheiten vorhanden. In den Sicherheitsanalysen wird aber gezeigt, dass die behördlichen Schutzziele (HSK/R-21) auch bei pessimistischen Annahmen über die Verteilung und Eigenschaften der channels in den geringdurchlässigen Blöcken noch einge-halten werden kann (Nagra 1994a, Schneider et al. 1997, HSK 2004).

Die wasserführenden Systeme im kristallinen Grundgebirge haben praktisch kein Selbst-heilungs- oder Selbstabdichtungsvermögen. Zwar sind in einer frühen Phase der geologischen Entwicklung des Kristallins zahlreiche offene Klüfte durch hydrothermale Tonmineralbildungen und Karbonatausfällungen aus der Zersetzung von Ca-Feldspäten und Biotit im Nebengestein abgedichtet worden (Mazurek 1998). Diese Prozesse erfolgten aber bei Temperaturen > 100 oC.

Unter den heutigen Temperaturverhältnissen sind diese Reaktionen extrem langsam und im Hinblick auf die Selbstabdichtung irrelevant.

Sedimentgesteinsbedeckung

In den sedimentären Deckschichten des Grundgebirges treten über dem basalen Buntsandstein, welcher ein Verwitterungsprodukt des Grundgebirges darstellt, verschiedene sehr geringdurch-lässige ton- und evaporitreiche Formationen auf (gebietsweise auch Steinsalz), welche das Grundgebirge gegen Einflüsse von der Oberfläche aus abschirmen. Der Buntsandstein ist hydraulisch mit dem Grundgebirge verbunden, die stratigraphisch höheren Aquifere (Muschel-kalk, Malm) haben wegen den dazwischenliegenden geringdurchlässigen Formationen keine hydraulische Verbindung zum kristallinen Grundgebirge, und es besteht ein ausgeprägter Grundwasserstockwerkbau (Pearson et al. 1991). Einzig im Gebiet der

Jura-Hauptüberschie-25 NAGRA NTB 05-02

bung (Thermalquellen von Baden) und im Einflussbereich des Oberrheingrabens (Pratteln) liegen aufgrund von Isotopenuntersuchungen Hinweise auf hydraulische Kurzschlüsse zwischen Muschelkalkaquifer und Grundgebirge vor (Biehler et al. 1993).

Die Sedimentgesteinsbedeckung würde ein Tiefenlager im kristallinen Grundgebirge gegen Oberflächeneinflüsse (z.B. Effekte von Vergletscherungen) gut schützen, sie beeinträchtigt aber die Explorierbarkeit des Kristallins von der Oberfläche aus (siehe unten).

Geochemische Verhältnisse

Die Tiefengrundwässer im kristallinen Grundgebirge der zentralen Nordschweiz sind meist vom Na-SO4-Typ, relativ schwach mineralisiert (gelöste Stoffe 0.9 – 1.4 g/l), reduzierend und mit kleinem Kolloidgehalt (Thury et al. 1994). In geringdurchlässigen Blöcken können auch etwas höher mineralisierte saline Wässer vom Na-Cl-Typ auftreten. Die höchste in der Nordschweiz gemessene Konzentration von gelösten Stoffen beträgt 13 g/l. Das kristalline Grundgebirge zeigt aufgrund von hydrothermalen Veränderungen vor allem im Bereich von Kluft- und Störungszonen signifikante Tonmineralgehalte, welche für die Radionuklidsorption günstig sind (Mazurek 1998). Für ein geologisches Tiefenlager sind die geochemischen Verhältnisse in der Nordschweiz wegen der geringeren Salinität – auch verglichen mit anderen weltweit unter-suchten Kristallingesteinsvorkommen – günstig.

Lagerbedingte Einflüsse

Eine Beeinträchtigung der Barriereneigenschaften von geringdurchlässigen Kristallinblöcken ist durch die Auflockerungszone entlang der Lagerstollen möglich, wo ein erhöhter Wasserfluss auftreten kann. Die Charakteristika der Auflockerungszone hängen einerseits von den Gesteins-eigenschaften, eventuell vorhandenen natürlichen Störungen und dem Spannungsfeld ab, andererseits aber auch vom verwendeten Ausbruchverfahren. Aufgrund weltweiter Erfahrungen in Kristallingesteinen (z.B. Marschall et al. 1999, Chandler 2003) ist die Bildung von irreversiblen Diskontinuitäten in der Auflockerungszone auf das unmittelbare Stollenumfeld (meist < 1 m, sehr selten bis 2 m) beschränkt und in manchen Fällen kaum nachweisbar (Auflockerungszone < 0.01 m im Bereich des intakten Gebirges im FEBEX-Experiment im Felslabor Grimsel, Sabet et al. 2003). Mit geeigneter Ausrichtung der Lagerstollen bezüglich des Gebirgsspannungsfelds können die negativen Effekte minimiert und durch geeignete Massnahmen bei der Versiegelung weitgehend beseitigt werden. Kristallingesteine reagieren in der Regel wenig empfindlich auf lagerbedingte Temperaturerhöhungen (Read et al. 1997, Sabet et al. 2003). Die Freisetzung von im Lager gebildeten Gasen wird im Allgemeinen als wenig problematisch eingestuft; in extrem geringdurchlässigen Blöcken bestehen diesbezüglich allerdings noch offene Fragen (Rodwell 2001).

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