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5. Privatklinik Thallwitz

5.1 Die Begegnung Rosenthals mit Prinz Reuß

die Kellerräume ausbreitete, zudem noch die Ausgänge durch Trümmer und Feuer verlegt waren, ließ Rosenthal dem Kommando Mitte Meldung machen, dass die Rettungsstelle umgehend verlassen werden musste. Die Zivilpersonen wurden durch das Hilfskommando aus dem brennenden Grundstück geleitet und Sanitätsmannschaft und -material sollte über die Universitätsstrasse in Sicherheit gebracht werden. Um 6.15 Uhr fuhr Rosenthal mit dem beladenen Sanitätskraftwagen, besetzt mit einem Fahrer, 2 Mann und einer Schwester in Richtung Gutenberghaus, wo sie auf Anweisung eine Sanitätsstelle eröffnen sollten.

„Die Fahrt durch die brennende Stadt über Trümmer, unter Leitungsdrähten hinweg und an einstürzenden Fassaden vorbei im Funkenregen und Glutsturm war ein Wagnis. Wir stell-ten fest, dass die Gebäude am Gustell-tenberghaus längst in Flammen standen und fanden end-lich in der Breitenstrasse 10 bei Dr. Siegert in dessen Praxis eine willkommene Mögend-lich- Möglich-keit unser Sanitätsmaterial unterzubringen und eingebrachte Verletzte zu behandeln. Es gelang mit Mühe und Not alle Mannschaften und Helferinnen aus der Rettungsstelle zum Sammelplatz hinzubringen, ebenso das gesamte bewegliche Material.“138

Trotz unbefriedigender Rehabilitation rettete das „Geheimnis von Ostrometzko“ Rosenthal das Leben und wurde zur Voraussetzung für die Gründung der Schloßklinik Thallwitz.

Dabei besprach er mit Martin Paetz, dem Oberforstmeister von Fürst Reuß, seine Sorgen, die ihn mit der Verstärkung der Bombenangriffe auf Leipzig zunehmend beschäftigten.

Rosenthal hatte den Wunsch, seine klinischen Patienten, aber auch die Kinder aus dem Kinderheim der Inneren Mission mit den betreuenden Diakonissen, unter Leitung von Frieda Fritsche und dem Kinderarzt Dr. Ranft aufs Land zu evakuieren.140

Paetz riet ihm, den Prinzen um eine Verpachtung des alten Jagdschlosses Thallwitz zwi-schen Eilenburg und Wurzen zu ersuchen. Nach einer Unterredung mit dem Prinzen war dieser mit der Absicht, die klinische Tätigkeit und die Kinder aus Sicherheitsgründen auf das Land nach Thallwitz zu evakuieren, sehr einverstanden.

Am 18. August 1943 besuchte Rosenthal zum ersten Mal das Schloß Thallwitz. In seiner Begleitung befand sich der Direktor der evangelischen Mission in Leipzig, Pfarrer Mieth.

Es folgte ein reger Briefwechsel mit Kammerdirektor Grimm der Reußischen Vermögens-verwaltung. Er schrieb am 20. August 1943: „(…) habe ich zu meiner außerordentlichen Freude entnommen, dass die Besichtigung des Schlosses Thallwitz durch Sie und ihre Mit-arbeiter die Eignung des Schlosses für Ihre Zwecke ergeben hat. In der Überzeugung, dass die Sicherstellung der Kinder das Gebot der Stunde ist, hat Prinz Reuß sich bereit gefun-den, die hierfür infrage kommenden Räume des Schlosses Thallwitz dem bekannten Leip-ziger Kinderchirurgen Professor Dr. Wolfgang Rosenthal zur Verfügung zu stellen, der dorthin seine Kinderklinik verlegen will. Es handelt sich um mindestens 50 Kinder und ca.

15 Personen Pflegepersonal.“ Der Prinz, „ (…) ist gern damit einverstanden, dass Ihnen die gewünschten Räume im 2. Stock und Dachgeschoß, sowie Telefonzimmer und Küche zur Verfügung gestellt werden“. Für die Evakuierung der Kinder musste Rosenthal sowohl die Genehmigung des Kreisleiters der NSDAP und die Zustimmung des Landrates von Meißen einholen, als auch die Zustimmung des Missionsdirektors Pfarrer Mieth. Rosenthal legte vorausschauend der fürstlichen Vermögensverwaltung seinen Standpunkt dar, dass die Verlegung der Klinik nach Thallwitz jede weitere Belegung des Schlosses ausschließt.

Darauf hin legte Fürst Reuß fest, dass eine weitere Belegung des Schlosses nicht mehr in Frage kommt und die Übersiedlung der Kinder jederzeit erfolgen kann.141 Das Schloß Thallwitz sollte Rosenthal mit Garten und Park, Gemüseland und Auwald, Scheunen, Stal-lungen und 12 ha Land zur Einrichtung und zum Betrieb einer ländlichen Ausweichklinik

140 Krause, M.: Erinnerungen einer Kindergärtnerin aus dem Kinderheim Connewitz, 20. August 1989, Archiv J. Koch, Greifenstein

141 Reußische Vermögensverwaltung, Thüringisches Staatsarchiv Greiz, Akte Nr. 327 Schreiben Fürst Reuß an W. Rosenthal, 20. August 1943, Bl. 6,7

solange dienen, wie der Krieg und seine Auswirkungen die Rückführung der Patienten unmöglich machten.142

Bereits am 7. April 1943 war es zu einem Ortstermin zwischen Vertretern der Reußischen Verwaltung und dem Landesbaurat in Sachsen, Neubert, gekommen, bei dem das Schloß auf allen Etagen besichtigt wurde. Dabei wurde ein genaues Protokoll über Fußbodenart, vorhandene Öfen und Raumgrößen angelegt und zu jedem Raum eine Zusatzbemerkung über eventuelle Nutzungsmöglichkeiten angeführt.

Die Besichtigung fand unter drei Gesichtpunkten statt. Zum einen gab es Räume, die für den Besitzer und seine Verwaltung unentbehrlich und zeitweise bzw. ständig bewohnt wa-ren, andererseits waren Räume bereits mit Kunstgut aus dem Städtischen Museum der bil-denden Künste in Leipzig belegt. In einigen Räumen im Erdgeschoß waren lediglich Steinplatten vorhanden und kamen wegen Fußbodenkälte für die Belegung nicht in Frage.

Die Zimmer waren entweder mit Kachel- bzw. Eisenöfen bestückt, viele hatten gar keine Öfen. Etliche Räume waren durch schmale Gänge, wenige Türen und verwobene Treppen miteinander verbunden. Sanitäre Einrichtungen und Kanalisation waren nur unzureichend vorhanden. Somit kamen lediglich ein Teil der Erdgeschoßräume im Westflügel und der größte Teil der Räume im 2. Stock und im Dachgeschoß in Frage. Die elektrische Beleuch-tung war funktionstüchtig. Die Wasserversorgung wurde von der großen Küche vom Erd-geschoß aus für den Gemeinschaftsbetrieb gesichert, während dieselbe im DachErd-geschoß für die Schlafräume im Winter wegen Frost gefährdet war. Alles in allem kam eine Ge-samtfläche von rund 180 qm für die Belegung in Frage.143 Die monatliche Miete betrug 250,00 RM. Zusätzlich wurden vom Mieter die Kosten für Wasser, Heizung und elektri-schen Strom übernommen, ebenso für die Fernsprechanlage. Ein Schreiben des Landrates von Grimma vom 29. Januar 1944 bestätigt, dass das Schloß Thallwitz ausschließlich zu Gunsten der Kinderklinik von Rosenthal in Anspruch genommen wurde (s. Anlage, Bl.

35).144

Im Folgenden werden zum besseren Verständnis die Zimmernummern in den einzelnen Stockwerken angegeben. Im Grundriß (s. Anlage, Bl. 36 ff.) werden diese in einer Über-sicht veranschaulicht.

142 Rosenthal, W.: „Aus meinen Lebenstagen“ (unveröffentlicht), S. 1, Archiv J. Koch, Greifenstein

143 Reußische Vermögensverwaltung, Thüringisches Staatsarchiv Greiz, Akte Nr. 327 Niederschrift über den Ortstermin, 7. April 1943, Schloß Thallwitz, Bl. 21-23

144 Verwaltungsarchiv Osterstein, Ochsensaal- Thallwitz, Akte Nr. 245

Schreiben des Landrates des Kreises Grimma an die Reußische Vermögensverwaltung, 29. Januar 1944