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1.B DIE KERAMIK

Im Dokument SIEDLUNGSBEFUNDE IN EPHESOS (Seite 46-200)

1.B.1 Forschungs- und Publikationsstand zur ostgriechischen Keramik archaischer Zeit Im Folgenden soll der aktuelle Forschungs- und Publikationsstand zur ostgriechischen Keramik archaischer Zeit skizziert werden. Eine detaillierte forschungsgeschichtliche Abhandlung ist nicht angestrebt. Das Hauptaugenmerk liegt vielmehr auf den jüngeren Entwicklungen besonders der letzten 40 Jahre, welche für die Keramikforschung bis heute von maßgeblicher Relevanz sind und die damit auch dieser Arbeit zugrunde liegen, sowie auf den für Ephesos vorliegenden Arbeiten.

Die Anfänge der über 150-jährigen Forschungsgeschichte zur Materie sollen hingegen nicht näher vertieft werden39. Ihr Wert für die jüngere Forschung liegt vornehmlich in umfangreichen Befund- und Materialvorlagen40 und ersten richtungsweisenden gattungsspezifischen Studien41 begründet.

Es ist das Verdienst R. M. Cooks, in »Greek Painted Pottery« auf Basis der älteren For-schungen und Publikationen eine erste Klassifizierung auch der ostgriechischen Keramik vor-genommen zu haben42, die am Anfang der jüngeren Auseinandersetzung mit dieser steht und auf die sich im Grunde bis heute alle Arbeiten zu diesem Thema in der einen oder anderen Form beziehen. J. N. Coldstream verdankt die Keramikforschung mit »Greek Geometric Pottery«

das richtungsweisende Überblickswerk zu der der Archaik vorangehenden und diese in ihren Anfängen stark prägenden Keramikproduktion geometrischer Zeit43. In den späten 1990er Jahren erschien, unter Berücksichtigung der fortgeschrittenen wissenschaftlichen Erkenntnisse, als wei-ter ausformulierte Version mit »East Greek Potwei-tery« ein Überblickswerk mit Handbuchcharakwei-ter zur ostgriechischen Keramik von R. M. Cook in Zusammenarbeit mit P. Dupont, dem eine erste Synthese zu den ostgriechischen Amphoren verdankt wird44.

Zwischen den Erscheinungsdaten dieser Standardwerke liegt neben einer Reihe wichtiger Materialvorlagen45 die endgültige Ablöse der lange Zeit vorherrschenden Annahme von Rhodos als Hauptproduktionszentrum ostgriechischer Keramik46 durch die von H. Walter und E. Walter-Karydi formulierte Idee mehrerer regionaler Produktionszentren47. Bis in die 1960er Jahre galt, wenn auch nicht unwidersprochen, das auf der damaligen Fundevidenz aus rhodischen Grabkon-texten beruhende ›panrhodische Konzept‹48, das erst mit den umfangreichen Keramikvorlagen aus dem Heraion von Samos der differenzierteren Vorstellung mehrerer, sich stilistisch vonei-nander unterscheidender Produktionszentren und -regionen abgelöst wurde. Innerhalb dieser

39 Ein forschungsgeschichtlicher Überblick seit den Anfängen der Beschäftigung mit ostgriechischer Keramik ist bei Cook 1992, 309−315 und Coulié 2013, 142–187 nachzulesen. Vgl. außerdem die ausführlichen forschungsge-schichtlichen Beiträge bei Kerschner 2002a, 28−36; Kerschner 2017a, 100–102.

40 s. etwa Salzmann 1875; Petrie 1886; Boehlau 1898; Dragendorff 1903; Kinch 1914; Dugas 1928; Jacopi 1929;

Technau 1929; Jacopi 1931; Jacopi 1932/1933; Eilmann 1933; Dugas − Rhomaios 1934; Dugas 1935; Laurenzi 1936; Lambrino 1938; Cook 1949; Walter 1957; Walter – Vierneisel 1959.

41 s. Cook 1933/1934; Cook 1952 zur Fikelluraware und der nordionisch-schwarzfigurigen Ware und in Anlehnung daran Cook 1965; Villard – Vallet 1955 zu den Knickrandschalen.

42 Cook 1960, 116–142.

43 s. Coldstream 1968, 262–301.

44 Cook – Dupont 1998.

45 Vgl. etwa Cook 1965; Hayes 1966; Condurachi 1966; Boardman 1967; Kleiner u. a. 1967; Coldstream 1968;

Kopcke 1968; Tuchelt 1971; Metzger 1972; Hayes 1973; Ploug 1973; von Graeve 1973/1974; von Graeve 1975;

Calvet – Yon 1977; Gjerstad 1977b; Thalmann 1977; Alexandrescu 1978; Isler 1978b; Kleine 1979; Schiering 1979; Furtwängler 1980; Voigtländer 1982; Schaus 1985; Furtwängler − Kienast 1989; Lemos 1991; Radt 1992;

Ersoy 1993; Boldrini 1994.

46 Vgl. den Überblick zu den rhodischen Grabungen bei Coulié 2013, 144–147; Coulié – Filimonos-Tsopotou 2014, 24–75 mit weiterführender Lit. Zur tatsächlich lokal rhodischen Keramik vgl. im Überblick Coulié 2013, 184–186;

Coulié – Filimonos-Tsopotou 2014, 104–121. 290–315.

47 s. Walter 1968; Walter-Karydi 1973. Einen guten Einblick bietet hierzu Kerschner 2002a, 28 – 36.

48 s. dazu im Überblick Kerschner 2002a, 29. Der erstmalige Eingang der ostgriechischen Keramik in die archäolo-gische Diskussion geht auf die Pionierarbeiten A. Salzmanns auf Rhodos zurück: Salzmann 1875. Zu der Keramik aus den Grabungen A. Salzmanns zuletzt auch Couliè 2014.

teils nur sehr summarisch charakterisierten, da unzureichend bekannten Produktionsregionen wurde Samos selbst das künstlerisch-innovative Primat eingeräumt, womit auch hier letztlich die Fundmenge vor Ort ähnlich wie zuvor in Rhodos zum Beurteilungskriterium der Relevanz des Fundplatzes für die Keramikproduktion wurde.

Als weitere zentrale Entwicklungen in der ostgriechischen Keramikforschung haben der Beginn der systematischen Amphorenforschung49 und die ab den 1970er Jahren initiierte Berück-sichtigung innovativer naturwissenschaftlicher Methoden in der Keramikanalyse50 zu gelten, mit denen erstmals die Resultate archäometrischer Analysen des Tonrohstoffes in die Herkunfts-frage der Gefäße einbezogen wurden und die in ihrer konsequenten Weiterführung seither einen wesentlichen Erkenntnissfortschritt erbracht haben. Zu den wichtigsten, da für den gesamten ioni-schen Kulturraum besonders relevanten Ergebnissen zählen neben einer Reihe anderer Herstel-lungsorte sicher die Identifizierung Milets als eines der richtungsweisenden Produktionszentren für Knickrandschalen, Tierfrieskeramik und Fikelluraware51, die Bestätigung einer orientalisie-renden Keramikproduktion in der Äolis52, die Verortung der späten Ausprägung des Tierfriesstils gemeinsam mit dem schon von J. N. Coldstream definierten und zunächst auf Rhodos lokalisier-ten ›Bird-kotyle-workshop‹53 in Teos im nördlichen Ionien54 sowie der Produktionsnachweis der chiotischen Keramik auf der Insel Chios und daran angelehnt am gegenüberliegenden Festland55.

1.b.1.1 Typologieund chronologie 1.B.1.1.1 Relative Chronologie

Das relative Chronologiegerüst der ostgriechischen Keramik archaischer Zeit beruht im Wesent-lichen auf dem Verständnis der form- und dekortypologischen Entwicklung der Feinkeramik, welches sich aus geschlossenen Befunden in Ionien56 und im weiteren Verbreitungsradius ostgriechischer Keramik57 erschließt. Das von R. M. Cook auf Basis stilistischer Grundlagen

49 Vgl. dazu besonders die Materialvorlagen und Diskussionen spezieller Fragestellungen bei Zeest 1960; Grace 1971; Clinkenbeard 1982; Dupont 1982; Clinkenbeard 1986; Doğer 1986; Jones 1986a; di Sandro 1986; Johnston 1990; Ruban 1991; Grandjean 1992; Lawall 1995; Whitbread 1995; Cook – Dupont 1998; Monachov 1999; Sez-gin 2004; Dupont 2005a; Kerschner – Mommsen 2005; Naso 2005; Bȋrzescu 2009; Fantalkin − Tal 2010; Tzochev 2011b; Bȋrzescu 2012a; Sezgin 2012.

50 Vgl. für die ostgriechische Keramik Dupont 1983; Dupont 1986. s. auch Jones 1986b. Erstmals wird die archäo-metrische Methode bei Boardman – Schweizer 1973, 267 – 283 thematisiert. Ein allgemeiner Überblick ist bei Kerschner 2017a nachzulesen, bes. die Literaturverweise Anm. 16.

51 Zu der nunmehr gesicherten Produktion in Milet vgl. Dupont 1983, 37−39; Dupont 1986; Kerschner 2002b, 37−47. Zuletzt hat Coulié 2014, 48–62 den Versuch unternommen, einzelne Malerhände innerhalb der milesischen Tierfriesproduktion zu scheiden.

52 Kerschner 2002e, 84 – 92; Kerschner 2006c; Posamentir – Solovyov 2006, 106 – 110.

53 Zum ›Bird-kotyle-workshop‹ vgl. Coldstream 1968, 277−279. s. auch Coulié 2013, 172–175.

54 Eine Lokalisierung des ›Bird-kotyle-workshop‹ im nördlichen Ionien wurde erstmals von Dupont 1983, 40. 41 vorgeschlagen und von Kerschner – Mommsen 1997 bestätigt. Die aktuelle Auflage Coldstream 2008, 479 berück-sichtigt diese neuen Ergebnisse bereits. Zuletzt gelang die nachweisliche Lokalisierung der Vogelschalenwerkstatt in Teos. s. dazu Kerschner 2014a, 109. 115; Kadioğlu u. a. 2015, 349–353; Kerschner 2017a, 107 f. Vgl. dazu auch schon die archäologische Argumentation bei Kerschner 2002e, 72−92. Zu der Verortung des späten Tierfriesstils vgl. Dupont 1983, 39 f.; Dupont 1986, 67 f.; Kerschner 2002e, 72−92.

55 Zu Chios vgl. Dupont 1983, 30 f. 41; Jones 1986b, 282 – 288. Zu Erythrai vgl. Bayburtluoğlu 1978, 30; s. auch Dupont 1983, 24 f. 41. Zu Klazomenai s. Hürmüzlü 2008. Zusammenfassend vgl. Kerschner – Mommsen 2009, 133 – 136.

56 Für das Heraion von Samos s. Walter 1957; Walter – Vierneisel 1959; Furtwängler 1980; Furtwängler − Kienast 1989. Für Milet vgl. von Graeve 1973/1974; von Graeve 1975; Kerschner 1999. Für Assesos s. Kalaitzoglou 2008. Für Iasos s. Ibba 2004; Donati 2013. Für Ephesos s. Langmann 1967; Kerschner 1997a. Für Klazomenai vgl. Ersoy 1993; Ersoy 2004. Für Smyrna vgl. Akurgal 1983. Für Chios vgl. Boardman 1967.

57 s. dazu Alexandrescu 1978 und Alexandrescu 2005b zu Istros; Hayes 1966 und Hayes 1973 zu Taucheira; Utili 1999 zu Assos; Jacopi 1929, Jacopi 1931 und Jacopi 1932/1933 zu den Nekropolen von Rhodos; Waldbaum 2011 zu Ashkelon; Villard – Vallet 1955 und Villard – Vallet 1964 zu Megara Hyblaea.

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1.B.1 Forschungs- und Publikationsstand zur ostgriechischen Keramik archaischer Zeit

erstellte Chronologiesystem für die bemalte Feinkeramik58 wurde zuletzt von M. Kerschner und U. Schlotzhauer unter Einbeziehung der Herkunftsfrage terminologisch und inhaltlich modifiziert (Abb. 1)59.

Für die Trinkgefäße als zweite große Gruppe innerhalb der Feinkeramik liegen mehrere chronologische Typenreihen vor. Für die ionischen Knickrandschalen60 wurde die erste rich-tungsweisende Typologie von F. Villard und G. Vallet auf Basis der Funde aus Megara Hyblaea61

58 Vgl. dazu Cook – Dupont 1998, 32−70. 77−107.

59 s. Kerschner − Schlotzhauer 2005; Kerschner − Schlotzhauer 2007. Speziell mit dem Verhältnis der Tierfrieskera-mik zu der beginnenden Fikelluraware hat sich U. Schlotzhauer auseinandergesetzt: Schlotzhauer 2001, 119 – 122;

Schlotzhauer 2006a, bes. 135 – 141; Schlotzhauer 2007. Zu der Chronologie der Gattung vgl. auch Schlotzhauer 2012, 44.

60 Der Begriff der Knickrandschale wurde von Schlotzhauer 2000, 413 mit überzeugender Argumentation in die Lit.

eingeführt.

61 s. Villard – Vallet 1955, 14−34.

Abb. 1 Typologie der ionischen Feinkeramik nach Kerschner – Schlotzhauer 2005

vorgelegt, welche auch der Typologie von J. Hayes für die Schalen aus Taucheira62, derjenigen von G. Ploug für die Schalen von Tell Sukas63 und derjenigen von S. Boldrini für die Schalen aus Gravisca64 zugrunde liegt. U. Schlotzhauer hat zuletzt auf Basis der Knickrandschalen aus Milet und Samos das chronologische Typensystem entworfen, an welchem sich auch die vor-liegende Arbeit orientiert65. Die ostgriechischen Kotylen und Kalottenschalen66 wurden unter Berücksichtigung von Exemplaren aus geschlossenen Befunden im gesamten Mittelmeerraum von M. Kerschner in eine typologische und chronologische Reihung gebracht67. Um die Ein-ordnung chiotischer Feinkeramik haben sich J. Boardman und A. Lemos maßgeblich verdient gemacht68.

Der Feinkeramik steht das vielfältige Gefäßrepertoire der gröberen Warenqualitäten gegen-über, welches neben den bemalten und nichtbemalten Alltagswaren sowie den Vorrats- und Transportgefäßen auch die Küchenwaren einschließt. Eine Einordnung dieser Gefäßgattungen erfolgt mit Ausnahme der mittlerweile recht gut erfassten Transportamphoren meist anhand der vergesellschafteten Feinwaren; eine eigenständige typologische Reihung mit chronologischen Implikationen ist nur in Ausnahmefällen gegeben, was neben dem über lange Zeit geringeren Interesse an diesen künstlerisch unspektakulären und in ihrer Menge schwerer zu handhaben-den Gefäßen mit geringerem Wiedererkennungswert auch der Befundsituation geschuldet sein mag, bleibt eine dichte Reihe geschlossener Befunde mit ausreichend Vergleichsmaterial jen-seits stilistischer Interpretationsmöglichkeiten doch die einzige Option, relativchronologische Abfolgen zu fassen.

Die wenigen in den archaischen Siedlungsbefunden vergesellschafteten korinthischen und attischen Importgefäße dienen als chronologisch gut bekannte Gattungen im Rahmen der kon-textuellen Befundvorlage vor allem der Absicherung der relativen Phasenabfolge der Agora-Siedlung69. Diese ruht auf zwei argumentativen Säulen: der Siedlungsstratigrafie und dem kera-mischen Gefäßensemble.

1.B.1.1.2 Absolute Chronologie

Die absolute Datierung all dieser relativchronologischen Systeme baut auf zwei Fundamenten auf.Zum einen sind dies die wenigen, aus der literarischen Überlieferung erschlossenen und teil-weise kontrovers diskutierten Daten für historische Ereignisse, welche sich im archäologischen Befund widerspiegeln und die damit wichtige Indizien zum Vorkommen bestimmter Gefäßtypen und Typenvarianten in eingrenzbaren Zeiträumen liefern. Zu den für die ostgriechisch-archaische Keramikforschung wesentlichen Daten gehören die Verwüstung Ashkelons durch die Babylonier

62 Hayes 1966, 111−134; Hayes 1973, 55−58.

63 Ploug 1973, 27−38.

64 Boldrini 1994, 137−235.

65 s. Schlotzhauer 1995; Schlotzhauer 2000; Schlotzhauer 2014. Speziell zur Forschungsgeschichte der Knickrand-schalen und den verschiedenen in der Literatur vertretenen Klassifizierungsmodellen vgl. die zusammenfassende Darstellung bei Schlotzhauer 2014, 11 – 65.

66 Der Begriff der Kalottenschale wurde von Kerschner 2002d, 63 in die Literatur eingeführt.

67 Vgl. Kerschner 1995; Kerschner 2002d, 63−72.

68 Boardman 1967; Lemos 1991. Vgl. auch Hayes 1966, 57−63 und zusammenfassend Cook – Dupont 1998, 71−76.

69 Die Analyse der korinthischen und attischen Gefäßfragmente stützt sich auf die einschlägige Fachliteratur und auf Arbeiten, die sich speziell mit den korinthischen und attischen Importen in Ionien und in Ephesos auseinander-gesetzt haben. Die Diskussion einzelner Detailfragen wird hierbei nicht angestrebt, sondern das Hauptaugenmerk liegt auf der chronologischen Einordnung der Gefäßfragmente, die für die Interpretation der Fundkontexte von unmittelbarem Interesse ist. Grundlage der chronologischen Auswertung für die korinthische Keramik bilden die Chronologiesysteme von H. G. G. Payne und D. A. Amyx; im Speziellen werden die Arbeiten von C. W.

Neeft berücksichtigt. Vgl. Amyx 1988, 399. 428; Neeft 1975; Neeft 1987. Die Interpretation der attischen und attisierenden Stücke fußt auf der Arbeit von B. A. Sparkes und L. Talcott zu den Funden von der Athener Agora:

Sparkes – Talcott 1970.

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1.B.1 Forschungs- und Publikationsstand zur ostgriechischen Keramik archaischer Zeit

und die Aufgabe der Befestigung von Mezad Hashavyahu wahrscheinlich im Zusammenhang derselben Operation, die Brandzerstörung des Athenaheiligtums in Assesos und die Zerstörung Smyrnas durch den Lyderkönig Alyattes, dessen Tod und damit zusammenhängend seine Bestat-tung, der Bau des sog. Kroisostempels bzw. die Stiftung seiner Säulen im ephesischen Artemision durch Alyattes‘ Sohn und Nachfolger Kroisos, die Einnahme der lydischen Hauptstadt Sardeis durch die Perser und die bei Herodot tradierte Perserzerstörung Milets in Folge des Ionischen Aufstands.

Die Einnahme Ashkelons ist in der Babylonischen Chronik (Inv. B.M. 21946), dem Tatenbe-richt des Nebuchadnezar II, überliefert und wird einhellig in die Wintermonate des Jahres 604 datiert70. Für die ostgriechische Keramikchronologie liefern die wenigen Gefäße aus den Zerstö-rungsniveaus und vor allem die zahlreichen Gefäße aus den vor 604 datierten Verfüllschichten einen sicheren terminus ante quem bzw. terminus ad quem71, der sich durch den auf die baby-lonische Zerstörung folgenden Hiatus bis zur persischen Wiederbesiedlung im ausgehenden 6. Jahrhundert sehr klar lesen lässt.

Die Aufgabe der Befestigung von Mezad Hashavyhu72, dem zweiten wichtigen Fundort ost-griechischer Keramik in der Levante, wird in einem unmittelbaren Zusammenhang mit derselben militärischen Aktion der Babylonier gegen Ashkelon gesehen, wenngleich hier keine Hinweise auf eine gewaltsame Zerstörung gegeben sind73.

Für die absolute Datierung der chronologischen Fixpunkte im westlichen Kleinasien, zu denen vor allem Herodot die ereignisgeschichtlichen Informationen überliefert74, ist die lydische Herrscherchronologie maßgebend. Diese stellt gleichzeitig aber auch die Achillesferse dar in dem Versuch, die im archäologischen Befund fassbaren und historisch überlieferten Ereignisse absolut zu datieren75. Die Problematik soll im Folgenden kurz in zusammenfassender Weise referiert werden.

Im Grunde beschränkt sich das einzige verlässliche, da an die assyrischen Annalen angebun-dene Datum innerhalb der Herrscherdynastie auf die Regierungszeit des ersten Mermnadenherr-schers Gyges; dennoch herrscht auch über dessen Regierungszeit keine letzte Übereinstimmung in der Forschung76. Deutlich scheint allemal, dass die bei Herodot überlieferten Herrschaftsjahre nicht der Realität entsprechen können, weil sie sich als unvereinbar mit den assyrischen, babylo-nischen und ägyptischen Quellen erwiesen haben. Ein zentrales Dokument in der Frage nach dem Zeitpunkt des Niedergangs der Mermnaden und ihres letzten Königs Kroisos durch die persische Eroberung der Lyderhauptstadt Sardeis unter Kyros77 liegt in der Stele des Nabonid vor78. Für das Jahr 547/546, dem neunten Regierungsjahr des Nabonid, wird hier von einem Feldzug des Kyros jenseits des Tigris gegen einen Ort berichtet, dessen Name, obwohl nicht sicher lesbar, lange mit den Lyderreich bzw. mit Sardeis identifiziert wurde; in einer neuen Lesung wurde

70 Für eine zusammenfassende Darstellung der historischen Ereignisse vgl. den Beitrag von Stager 2011a, 3−11. Zur Geschichte des Platzes allgemein s. Stager 2008, 7 – 10. Vgl. außerdem Waldbaum – Magness 1997, 37. Die Ereig-nisse sind innerhalb der den babylonischen Königslisten zu entnehmenden Regierungszeit des Nabuchadnezar II (605 – 562) sicher zu verorten. Vgl. dazu Oelsner 2004, 18. 21.

71 Vgl. dazu Waldbaum 2011, 127 – 132.

72 Die von Fantalkin 2001, 137 – 147 in Anlehnung an den ersten Ausgräber J. Naveh vorgeschlagene Interpretation der Anlage als Stützpunkt griechischer Söldner ist auf breite Anerkennung gestoßen, wenngleich Waldbaum 2011, 133 Anm. 16 nicht unwesentliche Argumente anführt, welche die Sicherheit einer solchen Interpretation relativie-ren. Vgl. dazu auch Fantalkin 2003; Fantalkin 2006, 202 f.

73 Vgl. Fantalkin 2001, bes. 49. 128 – 136; Waldbaum 2011, 135. s. außerdem Waldbaum – Magness 1997, 38 – 40.

74 Die Überlieferungslage vor allem zu den Ereignissen unter Kroisos ist bei Ehrhardt 2005, 102 – 110 in einem kritischen und mit umfassenden Anmerkungen versehenen Überblick nachzulesen.

75 s. zur Problematik allgemein Haider 2004.

76 Vgl. dazu Haider 2004, 84. 87. 89 und Kalaitzoglou 2008, 53 – 63.

77 Vgl. die Überlieferung bei Hdt. 1, 46 – 89.

78 Dieser Tatenbericht des letzten babylonischen Königs dürfte erst im frühen Hellenismus auf Grundlage älterer Zeugnisse niedergeschrieben worden sein. Vgl. dazu Cahill – Kroll 2005, 606.

zuletzt hingegen die Identifikation mit dem ebenfalls jenseits des Tigris gelegenen Urartu vorge-schlagen79. Für das Jahr 546/545 ist auf der Stele des Nabonid keine Militäraktion verzeichnet.

Für die darauffolgenden Jahre bis zur Eroberung Babylons um 539 fehlen an dem Dokument die entsprechenden Passagen, obwohl gerade die Jahre 545/544 – 541/540 wiederum interessant wären, da die Synchronisierung der Herodot-Angaben mit babylonischen Quellen dieses Datum für das Ende des Lyderreichs als weitere Möglichkeit aufzeigte80. Während die kontrovers dis-kutierten Angaben 547/546, 545/544 und 541/540 letztlich unsicher bleiben, gilt indessen das Todesjahr des Kyros um 530 als ein sicherer, wenn auch in dieser Frage wenig zufriedenstellender terminus ante quem für die persische Eroberung von Sardeis und damit für das Regierungsende des letzten Mermnadenherrschers Kroisos81. Wenn man Herodot Glauben schenken darf, wird man den terminus ante quem aber auf das Jahr 539 zurückverlegen können, für welches die Eroberung Babylons verbürgt ist, die erst nach dem Sturz des Lyderreichs stattgefunden haben soll82. Jenseits der auf schriftlichen Zeugnissen beruhenden Argumentation um die Eroberung von Sardeis konnten N. Cahill und J. H. Kroll mit der Publikation eines Zerstörungsbefundes aus Sardeis einen wertvollen archäologischen Beitrag zu dieser Debatte leisten. Die Zerstörung der Befestigungsanlage und das keramische Fundensemble der entsprechenden Horizonte, das nicht über die Mitte des 6. Jahrhunderts hinauszureichen scheint, wird in überzeugender Weise mit der historisch bezeugten Eroberung von Sardeis verknüpft83.

Das erste Ereignis, dessen Datierung an die Chronologie der lydischen Herrscherdynas-tie der Mermnaden geknüpft ist, ist die Zerstörung des Heiligtums der Athena Assesia, die G. Kalaitzoglou in einem Zerstörungsschutt am Mengerev Tepe greifbar zu machen glaubt84. Die Brandzerstörung des Heiligtums fand gemäß dem Bericht Herodots im 12. Jahr der kriegerischen Auseinandersetzung Milets mit dem Lyderreich statt, welches mit dem 5. Regierungsjahr des Alyattes übereinstimmt85. G. Kalaitzoglou hat ausgehend von seiner Analyse der Mermnaden-chronologie den Regierungsbeginn des Alyattes mit 612 festgesetzt und erschließt damit für die Brandzerstörung des Athenaheiligtums bei Assesos das Jahr 60886. Der vorgelegte keramische Befund ist damit durchaus vereinbar, gleichwohl die Frage der lydischen Chronologie ange-sichts der oben angeführten Widersprüche keinesfalls als endgültig geklärt und daher auch der vorgeschlagene Datierungszeitpunkt für den assesischen Befund nicht als gesichert gelten kann.

Das zweite, mit Alyattes verknüpfte Ereignis, das sich deutlich im archäologischen Befund abzeichnet, stellt die Eroberung Smyrnas dar87. Die Datierung dieses Ereignisses, das Herodot nicht näher eingrenzt, beruht auf der stratigrafischen Fundevidenz. J. M. Cook kommt in seinen grundlegenden Aufsätzen zu dem Schluss, dass die Eroberung Smyrnas um 600 stattgefunden haben muss88. Das Fehlen attischer Importkeramik sowie korinthischer Importkeramik des mittel-korinthischen und spätmittel-korinthischen Stils in den Zerstörungshorizonten sind für diese Datierung

79 Vgl. dazu die zusammenfassenden Ausführungen bei Cahill – Kroll 2005, 606 – 608; Kalaitzoglou 2008, 46 – 48.

Haider 2004, 86 schließt in Anlehnung an die Urartu-Lesung die Möglichkeit einer Identifikation mit Sardeis überhaupt aus.

80 Dazu Cahill – Kroll 2005, 607; Kalaitzoglou 2008, 48 – 53.

81 Vgl. dazu Haider 2004, 89.

82 Vgl. Hdt. 1, 178; 1, 189. Dem schließen sich auch Cahill – Kroll 2005, 605 und Kalaitzoglou 2008, 49 an.

83 s. Cahill – Kroll 2005; Cahill 2010e. Vgl. außerdem den Beitrag von M. Kerschner in Kap. 2.B.2.11.1b in diesem Band.

84 Die Argumente für die letztendlich nicht absolut gesicherte Identifikation sind bei Kalaitzoglou 2008, 5 – 20 nach-zulesen. Dazu auch Lohmann 1995, 311–322. Kritisch zu Datierung und vor allem zur Interpretation des Befundes zuletzt Schlotzhauer 2014, 324.

85 Hdt. 1, 19.

86 Vgl. Kalaitzoglou 2008, 41 – 65.

87 Zur literarischen Überlieferung vgl. Hdt. 1, 16. s. dazu auch Cook 1958/1959, 23−27; Cook 1985, 28; Cook – Dupont 1998, 9.

88 Vgl. Cook 1958/1959, 25 – 27; Cook 1985. Vgl. auch Cook – Nicholls 1998, 134 f.

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1.B.1 Forschungs- und Publikationsstand zur ostgriechischen Keramik archaischer Zeit

ausschlaggebend, der sich auch E. Akurgal anschließt89. Während aber J. M. Cook von einem längeren Hiatus zwischen der Zerstörung und dem Wiederaufbau etwa ab dem zweiten Viertel des 6. Jahrhunderts ausgeht, vertritt E. Akurgal die Ansicht, dass der Wiederaufbau oder die Repa-ratur der zerstörten Häuser unmittelbar im Anschluss an die Eroberungszerstörung erfolgte90. Zu betonen ist in diesem Fall, dass die Datierung des historischen Ereignisses sich nicht allein aus der schriftlichen Überlieferung, sondern auch aus der archäologischen Interpretation der Befunde erschließt.

Das Ende der Regierungszeit des Alyattes91 wird zu einem weiteren Fixpunkt in der Chronolo-gie, denn mit seiner Grabstätte, die mit dem Tumulus B in Tepe bei Sardeis identifiziert wurde92, ist wiederum die Möglichkeit gegeben, sich über die archäologische Analyse des Fundinventars der Datierung eines historischen Ereignisses anzunähern, das in der schriftlichen Überlieferung aufgrund der oben dargestellten Schwierigkeiten nur schwer zu greifen ist. Bereits J. M. Cook hat darauf hingewiesen, dass das aus dem Tumulus publizierte Material in etwa jenem Zeithorizont des mittleren 6. Jahrhunderts entspricht, das in Smyrna die Wiederaufbauphase nach der lydi-schen Eroberung bezeichnet93. Das aus der Überlieferung bei Herodot erschlossene Todesdatum des Alyattes, wie es sich in der Literatur häufig mit »um 560«94 angegeben findet, steht damit zumindest in keinem Widerspruch.

Nach dem Tod des Alyattes folgte sein Sohn Kroisos auf den lydischen Thron. Für seine Regierungszeit ist neben einer Reihe von Weihungen in griechischen Heiligtümern auch die Stiftung eines Tempels und dessen Säulen im Artemision von Ephesos überliefert95. Obwohl diese literarisch bezeugte Architekturstiftung aufgrund einiger dem archaischen Dipteros zugehörigen

Nach dem Tod des Alyattes folgte sein Sohn Kroisos auf den lydischen Thron. Für seine Regierungszeit ist neben einer Reihe von Weihungen in griechischen Heiligtümern auch die Stiftung eines Tempels und dessen Säulen im Artemision von Ephesos überliefert95. Obwohl diese literarisch bezeugte Architekturstiftung aufgrund einiger dem archaischen Dipteros zugehörigen

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