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Auswirkung der erlebnisbezogenen Künstlichkeit auf die Erholung Nach dem das Differenzierungskonzept erläutert wurde, folgt nun die Darstellung

Im Dokument Die Natur als Erholungs(t)raum (Seite 57-61)

3 Die Erholung in der Natur oder in Natursimulationen

3.3 Was einen Unterschied ausmacht: Künstlichkeit/Natürlichkeit als Schlüsselkonzept

3.3.2 Die erlebnisbezogene Künstlichkeit/Natürlichkeit

3.3.2.3 Auswirkung der erlebnisbezogenen Künstlichkeit auf die Erholung Nach dem das Differenzierungskonzept erläutert wurde, folgt nun die Darstellung

3.3.2.3 Auswirkung der erlebnisbezogenen Künstlichkeit auf die Erholung

Zusammen-spiel unterschiedlicher Sinneserfahrungen maßgeblich oder nur der visuelle Sinn für die Erholung, wie Ulrich (1983) postulierte? Ist stereoskopisches Sehen für die Erholung bedeutsam? Ist räumliches Hören bedeutsam? Welchen Einfluss hat der haptische, welchen der taktile Sinn?

Da die Naturerholungstheorien auf dieser Ebene nur wenig Anhaltspunkte bieten, wird für die Ableitung möglicher Reaktionen zusätzlich auf angrenzende For-schungsbereiche zurückgegriffen. Hierbei handelt es sich um die Forschungsberei-che zu Umweltsimulationen, zur Virtuellen Realität und Naturpräferenzen. Aller-dings ist auch hier der Kenntnisstand, welche Merkmale der physischen Natur eine Natursimulation unbedingt abdecken sollte, um ökologisch valide zu sein, sehr ge-ring. Somit wird die empirische und theoretische Fundierung der angenommenen Wirkrichtung eher dünn und vereinzelt ausfallen.

In vorliegender Arbeit wird postuliert, dass die erlebnisbezogene Künstlichkeit (re-duzierte Erlebnisqualität) von Natursimulationen dazu führt, dass diese weniger erholsam sind als die physische Natur. Hierbei ist zu beachten, dass hier nicht an-genommen wird, dass Natursimulationen nicht erholsam sind. Denn dass sie trotz eines hohen Maßes an erlebnisbezogener Künstlichkeit auf affektiver (bspw. Hartig et al., 1996; Korpela et al., 2002), kognitiver (Berto, 2005) und physiologischer Ebene (bspw. Laumann et al., 2003; Ulrich et al., 1991) erholsam sein können, ist empirisch belegt. Die postulierte Auswirkung von Natursimulationen auf die Erho-lung soll im Folgenden begründet werden. Grundsätzlich wird die NaturerhoErho-lung als eine ganzheitliche Naturerfahrung aufgefasst, d.h. dass alle Merkmale der physi-schen Natur die Erholung im Zusammenspiel bedingen. Es wird angenommen, dass die erlebnisbezogene Künstlichkeit/Natürlichkeit sowohl indirekt, d.h. über die Bewertung des Erlebten, als auch direkt auf die Erholung Einfluss nehmen kann (s.u.).

Die indirekte Wirkung

Die reduzierte Erlebnisqualität, wie die fehlende Ansprache des haptischen Sinns, eingeschränkte Handlungsmöglichkeiten oder die unbelebte virtuelle Natur, kann als störend empfunden und negativ bewertet werden. Die Erklärung für die Wirkung der negativen Bewertung ist die gleiche, wie bei der genetischen Künstlich-keit/Natürlichkeit: Erholungstheorien entsprechend, ist eine positive Empfindung, im Sinne von Gefallen, eine Voraussetzung für die Erholung (Kaplan et al., 1989;

Ul-rich, 1983). Somit könnte die negative Bewertung bzw. das Missfallen zu einer ge-ringeren Erholung in den Natursimulationen führen. Die negative Bewertung be-rührt auch eine andere für die Erholung bedeutsame Komponente und zwar die Kompatibilität. Die Kompatibilität ist eins der vier Merkmale, die nach Kaplan und Kaplan (1989) erfüllt sein müssen, damit eine erholsame Person-Umwelt-Interaktion stattfinden kann. Ein Erholungsort, der störende Komponenten enthält, ist nicht mit den Bedürfnissen der Person kompatibel und damit auch weniger zur Erholung geeignet.

Die direkte Wirkung

Die reduzierte Erlebnisqualität kann auch direkt auf die Erholung wirken. Sie kann z.B. dazu führen, dass Natursimulationen weniger stimulierend sind oder, dass die Aufmerksamkeit weniger stark auf die Inhalte der Simulation gelenkt wird, da z.B.

nicht alle Sinnesmodalitäten angesprochen werden. Im Kontext von Virtueller Reali-tät würde man hier von einer geringen Immersionsfähigkeit sprechen, d.h. die Per-sonen können nicht vollständig in die Simulation eintauchen. Dies würde sich wie-derum negativ auf die Wachheit bzw. die Wiederherstellung verbrauchter Aufmerk-samkeitskapazität auswirken. Allerdings ist die Wiederherstellung verbrauchter Aufmerksamkeitskapazität nach Kaplan und Kaplan (1989) der wesentliche Erho-lungsfaktor. Somit müsste hier mit einer geringeren Erholung gerechnet werden.

Diese allgemeinen Aussagen lassen sich, wenn auch nur für das Merkmal Qualität und Quantität der Sinnesansprache, empirisch und theoretisch untermauern. Aller-dings stammen die empirischen Befunde – aus Mangel an Studien im Erholungsbe-reich – aus Präferenz- und Umweltsimulationsforschung.

Zunächst zum Aspekt der Quantität der Sinnesansprache: Ulrich (1983) postuliert, dass die erholsame Wirkung der physischen Natur vornehmlich über die visuelle Wahrnehmung abläuft, da seiner Meinung nach die meiste Umweltinformation über den visuellen Sinn aufgenommen wird (siehe Kapitel 2.2). Die Bedeutung des visu-ellen Sinns soll hier nicht in Frage gestellt, sondern die mögliche Bedeutsamkeit der anderen Sinne in Kombination mit dem visuellen Sinn hervorgehoben werden.

Die Bedeutsamkeit anderer Sinnesmodalitäten für die Erholung lässt sich ebenso aus einer evolutionären Perspektive begründen wie die erholsame Wirkung der Natur über den visuellen Sinn (Ulrich). Danach können auch andere Sinne, neben dem visuellen, während der Phylogenese für das Überleben bedeutsam gewesen sein. So hat das Hören eine Signalfunktion (Carles et al., 1992; Ritter, 2002) und

der Geruchssinn eine Torwächterfunktion (Ritter), d.h. es gilt Dinge zu entdecken, die dem Menschen schaden können, sowie Dinge, die ihm zuträglich sind. Somit könnten – ebenso wie bestimmte visuelle Stimuli – auch bestimmte akustische oder olfaktorische Stimuli der Natur mit positiven oder beruhigenden Erlebnissen assozi-iert sein, die erholend wirken. Der Geruchssinn ist z.B. eng mit emotionalen Reak-tionen verknüpft. Dies liegt daran, dass sowohl bei emotionalen ReakReak-tionen als auch bei der neuronalen Verarbeitung von Gerüchen das limbische System maß-geblich beteiligt ist (Ritter). Gerüche, die zusammen mit bestimmten Ereignissen auftraten, sind durchaus in der Lage die Erinnerung an diese Ereignisse und die damit zusammenhängenden emotionalen Reaktionen wieder zu aktivieren. So zeigte sich, dass Gerüche bestimmte Erinnerungen und Gefühle aus der Kindheit aktivieren können (Ritter). Empirische Belege für die Bedeutsamkeit anderer Sin-nesmodalitäten sind in der Präferenzforschung zu finden. Hier zeigte sich, dass die Ansprache des auditiven Sinns für die Präferenz bedeutsam ist (Anderson et al., 1983; Carles et al., 1992; Hetherington et al., 1993). Kroh et al. (1992) konnten zeigen, dass Menschen auch den haptischen Sinn für die Bestimmung der Präfe-renzen heranziehen. Ein anderer empirischer Beleg für die Bedeutsamkeit anderer Sinnesmodalitäten entstammt der Umweltsimulationsforschung.

In einer Studie von Bishop et al. (2003) wurde die ökologische Validität einer Com-putersimulation (computergenerierte urbaner Park, Länge 3 Minuten) ermittelt. Die-se Studie bezieht sich allerdings nicht auf Erholung, sondern überprüft die Ver-gleichbarkeit von anderen Reaktionen, wie Orientierung, Verstehen der Landschaft, wahrgenommener Realismus und Bewertung. Hier zeigt sich, dass die Ansprache des auditiven Sinns die wahrgenommene Übereinstimmung zwischen der Simulati-on und dem „Realwelt“ Ausschnitt erhöht. Auch wenn in Frage gestellt werden kann, ob diese Ergebnisse auf den Naturerholungskontext zu übertragen sind, wei-sen sie doch auf eine mögliche Bedeutsamkeit anderer Sinnesmodalitäten für das Ausmaß der Erholung hin. Wenn eine Übertragung der Ergebnisse zulässig ist, dann würde das Fehlen dieser erholungsinduzierenden Sinnesmodalitäten das Ausmaß der Erholung reduzieren.

Bezüglich der Qualität der Sinnesansprache weisen bestehende empirische Stu-dien allerdings nur tendenziell in die postulierte Richtung bzw. weisen sie darauf-hin, dass der Zusammenhang zwischen erlebnisbezogener Künstlich-keit/Natürlichkeit und dem Ausmaß der Erholung komplizierter sein könnte. Die empirischen Studien beziehen sich allerdings nur auf die fotorealistische

Dar-stellung (Merkmalbereich: der „Realwelt“ entsprechende DarDar-stellung der Inhalte;

hier visuell). Sie zeigen zunächst, dass Vegetation einer fotorealistischeren Darstel-lung bedarf als andere visuelle Inhalte, wie Gebäude oder der Himmel (Appleton et al., 2003; Kaplan, 1993). Des Weiteren zeigte sich in der Studie von Appleton et al.

(2003), dass fotorealistischere Natursimulationen eher dafür geeignet sind, sich die Naturlandschaft in Realität vorstellen zu können. Der von den Autorinnen ge-wünschte Schwellenwert, ab dem eine Simulation als ausreichend fotorealistisch bezeichnet werden kann, konnte nicht ermittelt werden. In einer Studie von Daniel et al. (2001) zeigte sich allerdings genau das Gegenteil: Hier führten weniger foto-realistische Natursimulationen (Variation in Farbtiefe und Auflösung) zu ähnlichen Schönheitsurteilen, wie ein fotorealistischer Standard. Zu beachten ist, dass beide Studien computergenerierte Fotos verwendet haben, also diesbezüglich vergleich-bar sind. Auch wenn hier ebenfalls ungewiss ist, ob sich die Ergebnisse auf den Erholungskontext übertragen lassen, so sollte aufgrund der unklaren Ergebnislage bei zukünftigen Studien auf eine möglichst fotorealistische Darstellung geachtet werden. Bei diesem geringen Kenntnisstand wäre man bezüglich der ökologischen Validität auf der sicheren Seite. Die Konvention in den Forschungsbereichen der Umweltsimulation und der Virtuellen Realität lautet, dass eine realistischere Dar-stellung wahrscheinlich ökologisch valider ist, als eine weniger realistische Darstel-lung.

3.3.2.4 Die erlebnisbezogene Künstlichkeit/Natürlichkeit aus subjektiver

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