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Auswahl von Unfällen mit Menschen- und Sachschäden

Im Dokument in den Schweizer Alpen (Seite 153-200)

2 Durch Lawinen verursachte Unfälle und Schäden im Gebiet der Schweizer Alpen

2.4 Auswahl von Unfällen mit Menschen- und Sachschäden

Nr. 1 9 Dezember 1995: Erste bekanntgewor dene Ganzverschüttung des Winters 95/96 im hinteren Val Maighels (GR endet glücklich

Ein Tourenleiter-Ausbildungskurs unter der Lei tung eines Bergführers und eines Bergführer-Aspi-ranten stieg von der SAC-Hütte Maighels Richtung Piz Borel auf. In einer steilen Rinne unterhalb des Maighels-Gletschers wurde auf Anweisung des Bergführers hin im ausgeblasenen, mit hartge presstem Schnee bedeckten Teil der Rinne hochge stiegen. Der am Schluss der Gruppe gehende Berg-führer wollte den anderen, mit Triebschnee gefüllten, Teil der Rinne bezüglich Stabilität «te stern). Dazu entfernte er sich alleine von der Auf-stiegsspur und löste auf einer Höhe von etwa 2470 m ü. M. ein Schneebrett aus, welches ihn mit-riss und etwa 1,5 m tief verschüttete. Durch die an-deren Gruppenteilnehmer konnte er nach kurzer Zeit unverletzt geborgen werden.

Schnee- und Wettersituation

Ein milder und sehr trockener Herbst hatte zur Folge, dass die ausserordentlichen Neuschneemen gen von Ende August 95 in Höhenlagen unterhalb von rund 3000 m zum grössten Teil wieder weg-schmolzen. Zwei Kaltluftschübe Anfang und Mitte November brachten der Alpennordseite und den Alpen die ersten Schneefälle des Winters; die Alpensüdseite erhielt vor allem in den letzten No-vembertagen mit einer mässigen Südstaulage die ersten grösseren Schneemengen. Anfang Dezem ber betrugen die Schneehöhen in den Schweizer Al pen auf 1500 m zwischen 5—40 cm, wobei im nörd lichen Tessin und am östlichen Alpennordhang die grössten Schneehöhen gemessen wurden. Die er-sten Dezembertage waren in den Bergen meist son nig und mild. Vom 7. auf den 8. Dezember erhielten der Alpensüdhang und die angrenzenden Gebiete des Alpenhauptkammes mit mässig starken Win den aus Süd bis Südwest 10—30 cm Neuschnee; die Temperaturen stiegen während dieser Periode vor allem in den Föhngebieten markant an.

Weil im hintersten Val Maighels die meisten Nieder-schläge aus Süden kommen, sind für die Beurteilung der Wetter- und Schneesituation dieses Gebietes die Verhältnisse der Alpensüdseite von grösserer Bedeu tung als diejenigen des Nordens. Rund 28 km südöst ich des Val Maighels befindet sich im Tessin die auto-matische ENET-Messstation Matro. Die Wind- und Lufttemperaturmessungen werden auf einer Höhe von 2173 m vorgenommen; das Schneemessfeld befindet sich auf einer Höhe von 1890 m. Der Schneepegel Ma tro stieg vom 7. auf den 8. Dezember um 18 cm von 28 auf 46 cm. Die Temperaturen betrugen am 7. Dezem ber mittags rund —7 °C; am 9. Dezember mittags waren sie auf+9 °C angestiegen. Bei den Winddaten wurden Spitzen von rund 60 km/h aus dem Sektor Süd regi striert. Unsere rund 12 km nordöstlich und nordwest-ich vom hinteren Val Maighels gelegenen Verglenordwest-ichs- Vergleichs-stationen Sedrun und Andermatt meldeten während dieser Zeit keine Niederschläge.

Unfalihergang und Rettungsaktion 17 Tourenleiter einer SAC-Sektion stiegen, aufge teilt in verschiedene Gruppen, unter der Leitung ei-nes Bergführers und eiei-nes Bergführer-Aspiranten am Freitag, dem 8. Dezember, vom Oberalppass zur SAC-Hütte Maighels (2309 m) auf, um dort zu Sai sonbeginn zwei Tage Ausbildung und Touren zu ma chen. Nachdem es am Freitag im Val Maighels, be gleitet von starken Winden, noch geschneit hatte, meldeten am Samstagmorgen alle Vergleichsstatio nen rund um das Val Maighels (Sedrun, Andermatt, Nante) schönes Wetter. Die Gruppe stieg an diesem Tag von der Maighels-Hütte Richtung Piz Borel (2952 m) auf. Dabei folgte sie zuerst dem flachen Talbo den, um später auf verschiedenen Varianten (Aus-bildung) zum Maighels-Gletscher hochzusteigen.

Der betroffene Bergführer schilderte die Ereignis-se und Ereignis-seine Eindrücke wie folgt:

«Bereits am Freitag zeigte sich, dass die Lawinensitua tion gefährlicher war, als das Lawinenbulletin berichtete.

(Anmerkung: Gefahrenstufen Bulletin 8. Dezember:

fNordliches Tessin, ...sowie anschliessender zentraler Al penhauptkamm: Mässige Schneebrettgefahr. Ubrige Re-gionen: Geringe Lawinengefahr.). Diverse Wummgeräu sche und Risse an der Schneeoberfläche zeigten uns die Schwäche der Schneedecke auf. Starker SW-Wind begün stigte die Lage keineswegs. Am Samstag lag der Schwerpunkt der Ausbildung bei (Orientierung im Gelän de. Selbstverständlich wurde auf die verschärfte Lawi nengefahr hingewiesen. Nachdem die Routenwahl disku tiert und meine Anweisungen befolgt worden waren, dass nur im harten, ausgeblasenen Teil der Rinne hochgestie gen werden darf, plagte mich die Neugier: (Wie weit hält es wohl?) Bereits zwei Meter neben der Aufstiegsspur brach die Schneedecke unter mir. Dieses erste Schnee-brett hatte eine Anrisshöhe von etwa 15 cm und Ausmas se von rund15 auf 20 Meter. Ich wurde nur etwa zwei Me ter weit mitgerissen und war im Couloir liegend in Kürze ungefähr 20 cm tief verschüttet. Das erste Schneebrett löste einen weiteren Rutsch aus, der mich mit mindestens einem Meter zusätzlichem Lawinenschnee überdeckte.

Der zweite Anriss war gegen 50 cm hoch, und das Schnee-brett erreichte eine Anrissbreite von etwa 100 Metern und eine Länge von 70 Metern. Während meiner Verschüt tung war ich immer bei vollem Bewusstsein. Ich hatte genügend Hohlraum und keinen Schnee vor meinem Ge sicht. Trotzdem fühlte ich beim Luftholen den immer stär ker werdenden Sauerstoffmangel. Dadurch beschleunigte sich meine Atmung unwillkürlich, und ich musste mich zwingen, langsamer zu atmen. Ich hörte nur meine eige nen Atemgeräusche; sämtliche Geräusche der Suchen-den wurSuchen-den davon übertönt. Nach nur 5—10 Minuten Ver schüttungszeit konnten mich die Gruppenteilnehmer mittels Lawinenverschütteten-Suchgeräten (LVS) orten und mit Hilfe der mitgeführten Lawinenschaufeln ausgra ben. Die Verschüttung blieb glücklicherweise folgenlos, und ich konnte meine Arbeit fortsetzen.Der Grund mei ner Verschüttung liegt nicht bei einer zu tiefen Gefah renstufe des Lawinenbulletins, sondern bei meiner Neu-gier.))

Bemerkungen

An diesem Wochenende sind uns weitere Lawi nenauslösungen durch Skitouristen sowie weitere, gl ückl icherweise ebenfal Is gli mpflich verlaufene 151

Verschüttungen (Nr. 2) gemeldet worden. Diese Fäl le zeigen, wie heikel der frühwinterliche Schnee-deckenaufbau in der Regel ist und wie schnell sich die Verhältnisse durch Windeinfluss, selbst bei ge ringen Neuschneemengen, ändern können. Die offi zielle Warnung mit dem Lawinenbulletin kann besonders in solchen Situationen (schnelle Verän derungen, grosse lokale Unterschiede) wegen feh lenden Informationen und Grundlagen oft nur ge nerelle Hinweise liefern. Die lokale Beurteilung der Verhältnisse und der Lawinensituation kann nur im Gelände erfolgen und ist unter Umständen sehr schwierig. Eine Schwierigkeit dieses schneearmen Frühwinters war, dass sich die Kuppen und Rippen wegen starken Winden oft schneefrei präsentierten, und dass es dort, wo genügend Schnee lag (Mul den, Couloirs), oft heikel war.

Erfreulich ist die schnelle Rettung des verschütte-ten Bergführers durch seine Gruppenteilnehmer mittels LVS und Lawinenschaufeln. Eine schnelle Reaktion und optimale Arbeit mit VS-Geräten kann im Ernstfall nur funktionieren, wenn mit den Gerä ten unter möglichst realistischen Randbedingungen immer wieder geübt wird. Der Bergführer hatte am Vortag intensive Ubungen mit den VS-Geräten durchgeführt und dabei vor allem dem Zeitfaktor grosse Beachtung geschenkt. Dies ist ihm schon am nächsten Tag zugute gekommen.

Nr. 4 17. Dezember 1995: Fünf Berggänger werden von einem kleinen Schneebrett ober-halb von Vals (GR) mitgerissen und erleiden leichte Verletzungen

Eine Gruppe erfahrener Bergsteiger einer SAC Sektion beschloss, wegen des ausgeprägten Schneemangels in der Region von Vals, eine Tour in Richtung Fuorcla da Patnaul ohne Skiausrüstung zu unternehmen. Südlich des Piz Aul lösten fünf Grup penmitglleder ein kleines Schneebrett aus, welches alle Beteiligten mit sich riss und zum Teil verschüt tete. Wegen der vielen aus dem Schnee herausra genden Steine erlitten alle leichte Verletzungen (Schürfungen und Prellungen).

Schnee- und Wettersituation

In derWochevom 11. bis 17. Dezemberfiel in den Schweizer Alpen immer wieder etwas Schnee. Da-bei erhielten die nördlichen Voralpen und der Al pensüdhang am meisten Neuschnee. In den inne-ren Alpentälern war der Schneezuwachs minim.

Auf unserer Vergleichsstation Zervreila (1735 m), rund 4,5 km südlich der Unfallstelle am Piz AuI ge legen, wurde vom 13. bis 17. Dezember eine Neu-schneesumme von lediglich 8 cm und am Sonntag, dem 17. Dezember, eine Gesamtschneehöhe von nur 18 cm gemessen. Während die Temperaturen anfangs Woche im ganzen Schweizerischen Alpen-gebiet um 1O°—15 °C gefallen waren, stiegen sie, vor allem in den Föhngebieten, am 15. und 16. Dezem ber wieder markant an. Teilweise starke Winde, zu-erst aus nordöstlichen, später aus südlichen Rich tungen, hatten oberhalb von rund 2000m neue Schneeumlagerungen zur Folge.

Oberhalb von 2000 m lag auch in der Gegend von Vals noch wenig Schnee. Dabei war allgemein ein

ungünstiger Schneedeckenaufbau vorhanden. Der häufige Wechsel zwischen warmer und kalter Witte-rung der ersten Winterwochen hatte zu einer Um-wandlung der gesamten Schneedecke geführt. Es waren einige lockere Zwischenschichten und, be dingt durch die zeitweise starken Winde, auch viele spröde Triebschneeansammlungen vorhanden.

Unfalihergang

Ein Mitglied der betroffenen Gruppe hat uns eine Schilderung und seine persönlichen Eindrücke des Geschehens zukommen lassen:

«Am späteren Sonntagmorgen (etwa um 11 Uhr) bra chen wir vom Ausgangspunkt <Matta> in Richtung Falt schonhorn auf. Wir waren eine Gruppe mit anfangs 11 Personen. Da es zu wenig Schnee hatte, liessen wir die ge samte Skitourenausrüstung schon zum voraus zu Hause.

Unsere Ausrüstung bestand aus Bergschuhen, Gama schen, Skistöcken, Rucksack mit warmer Kleidung und Notfunkgeräten.

Ab Stafelti trennten sich drei Personen, die mit Schnee-schuhen ausgerüstet waren, von uns. Sie wollten den Schnee suchen, während wir über den teilweise schnee-freien Sommerweg aufsteigen wollten. Bis auf etwa 2300 m bewegten wir uns in praktisch schneefreiem Ge biet. Von da an legte sich der Hang etwas zurück, und gleichzeitig kamen wir, obschon wir uns auf dem schwach ausgeprägten Grat des Sommerweges bewegten, in tiefe-ren Schnee. Da unsere Kondition und Moral hoch war, be schlossen wir, uns trotz des Schnees bis etwa zur Fuorcla da Patnaul hinaufzuarbeiten.

Bei 2500 m hörten wir mehrmals das von Skitouren her bestens bekannte Gefahrensignal <WUMM>. Dort lösten wir an einem etwa 25 Grad steilen Hangaufschwung am Grat einen kleinen Schneerutsch aus, der uns aber nicht aus dem Stand warf. Da das Gelände aber gleich danach wieder hundertprozentig sicher wurde, dachten wir nicht an eine Umkehr oder an eine Gefährdung.

Bei 2700 m war wieder ein Aufschwung, diesmal steiler, etwa 35 Grad, nach Osten exponiert und mit Schnee ge füllt. Wir wühlten uns am linken, mehr nach Süden expo nierten Rand hoch. Wir blieben alle zusammen, das heisst, auch hier dachten wir nicht an eine Gefahr, eher daran, dass sich ein kleiner, ungefährlicher Rutsch lösen könnte. Weiter oben wurden wir durch das Gelände mehr in die Mitte der Mulde gedrängt. Einzig ich muss an die Möglichkeit einer Schneebrettauslösung gedacht haben, denn gerade als ich den Vorsteiger warnte, dass ich be fürchte, es könnte etwas passieren, wenn er noch weiter in den Hang quere, löste sich das Schneebrett.

Plötzlich war alles in Bewegung. Zuerst rutschte ich, dann flog ich durch die Luft (Fall über einen Felskopf) und dann ging es wieder rutschend weiter mit viel Schnee um mich herum. Weil ich bei Skistöcken mit den Händen nie in die Schlaufen hineinschlüpfe, hatte ich meine Hände frei und versuchte, so gut es eben ging, das Gesicht frei zu halten. Ich blieb immer oben, bäuchlings mit dem Gesicht nach vorne und unten. Als die Masse zum Stillstand kam, war ich nur leicht verschüttet. Anfangs hatte ich grosse Atemnot. Ich vermute, dass das Ereignis meinen Atem zeitweise blockiert haben muss. Alle fünf Personen wur den mitgerissen, zwei davon wurden noch vor dem Still-stand der Lawine an den Rand geschwemmt und blieben unverschüttet. Eine weitere Person wurde bis zum Kopf hinauf verschüttet, und die fünfte Person wurde, wie ich, nur leicht verschüttet. Ausser Schürfungen an den Hän den und einer kleinen Prellung bei mir an der rechten Schläfe waren keine Verletzungen zu beobachten.

Selbstkritik: Unser Verhalten war absolut falsch. Die Alarmzeichen (Wumm usw.) hätten zur Umkehr führen sollen, oder zumindest hätte bei der Querung des Unfall-hanges ein Lawinenabstand eingehalten werden müssen.

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Sich in dieser Jahreszeit ohne Lawinenverschütteten Suchgerät und ohne Lawinenschaufel zu bewegen, muss im nachhinein als Fehlverhalten beurteilt werden. Beson ders gravierend finde ich, dass alle Beteiligten ausgebil dete und erfahrene SAC-Tourenleiter sind, zwei davon Wintertourenleiter. Vier der Teilnehmer haben schon ei-nen SAC-Lawiei-nenkurs für Tourenleiter besucht. Ich kann mir unser Verhalten nur so erklären, dass wir kollektiv die als Skitourengeher eingeübten Verhaltensweisen nicht auf das Verhalten von Bergfussgängern übertragen ha-ben. Die Möglichkeit, verschüttet zu werden, wurde, bei insgesamt so wenig Schnee, einfach nicht für möglich ge halten. Das Energiepotential eines so kleinen Hanges, an-gefüllt mit Triebschnee, wurde krass unterschätzt. Ausser-dem war die Lawinengefahr wesentlich grösser als angenommen.»

Das Schneebrett hatte eine Anrisshöhe von 10cm bis 50 cm, war etwa 30 Meter breit und 50 Meter lang. Es war südlich des Piz Aul auf einer Höhe von 2745 m an einem ungefähr 35 Grad steilen Ostsüd osthang unter der Belastung der zu Fuss und ohne Abstände aufsteigenden Gruppe losgebrochen.

Lawinenunfälle in der oft schneearmen Vorwin terzeit haben meist eine markante Gemeinsamkeit, nämlich eine häufige Unterschätzung der Lawinen-gefahr wegen des wenigen Schnees. Diesem Trug-schluss sind schon öfters auch erfahrene Personen zum Opfer gefallen. Als weiteren Gedankenanstoss möchten wir auf das Problem der Führung unter gleichwertigen Personen hinweisen. In einer Grup pe mit erfahrenen Leuten und fehlender klarer Führungsstruktur werden, bedingt durch ein falsches kollektives Sicherheitsgefühl und fehlende Verantwortlichkeiten, oft grössere Risiken einge gangen. Unter Bergführern geht das geflügelte Wort (an dem wohl ein Körnchen Wahrheit dran ist) um: «Es gibt kaum etwas Gefährlicheres als eine Gruppe von Bergführern, welche zum eigenen Vergnügen miteinander bergsteigen.»

Von diesem und auch von weiteren glimpflich verlaufenen Lawinenunfällen haben wir nur Kennt-nis, weil uns diese Unfälle meist von den Beteiligten selbst gemeldet worden sind. Wenn wir bei fehlen-den Polizei- und Rettungsrapporten Näheres über Unfälle erfahren wollen, sind wir darauf angewie sen, dass Unfallbeteiligte oder Unfallzeugen uns freiwillig einen schriftlichen Bericht liefern. Für die-se persönlichen Schilderungen von Unfällen sind wir sehr dankbar. Meist sind auch folgenlose Unfäl le sehr lehrreich und bieten die Möglichkeit, aus oft gefährlichen Erfahrungen anderer zu lernen.

Nr. 7 25. Dezember 1995: Beim ersten tödli chen Lawinenunfall des Winters kommen zwei junge Burschen in der Region von Mon tana (VS) auf tragische Weise ums Leben

Auf der Suche nach abenteuerlichen Abfahrten abseits der Pisten fuhren zwei ortsunkundige Bur schen, der eine mit Ski, der andere mit einem Snow board, trotz der gut sichtbaren Warntafeln, einen nach unten immer steiler werdenden Hang in Rich tung der Schlucht des Baches «L‘Ertentse» hinunter.

Vor einem mehrere hundert Meter hohen Felsab sturz bemerkten sie ihre gefährliche Lage und woll

ten zu Fuss wieder zur Piste zurücksteigen. Dabei lösten sie bei der Querung eines Couloirs ein klei nes Schneebrett aus, welches beide erfasste und über das felsige Gelände hinunterschleuderte. Bei diesem Absturz zogen sie sich tödliche Verletzun gen zu. Die beiden Leichen konnten wegen des schlechten Wetters erst am 27. Dezember lokalisiert und geborgen werden.

Schnee- und Wettersituation

In den Tagen vor Weihnachten wurden mit stür mischen Westwinden immer wieder Niederschläge gegen die Alpen geführt. Die Temperaturen waren überdurchschnittlich hoch, und so lag die Schnee-fallgrenze meist oberhalb von 1500 m. Die festge stellten Neuschneemengen dieser Niederschlags periode waren jedoch auch in hochgelegenen Regionen eher gering. Die Schneehöhen waren im allgemeinen i m mer noch u nterdu rchsch nittlich.

Oberhalb von 2000 m war die Schneeverteilung in-folge der starken Winde sehr ungleichmässig, und es waren gefährliche Triebschneeansammlungen entstanden. Der Schneedeckenaufbau musste ge samthaft gesehen als kritisch beurteilt werden.

In der Gegend von Montana lag um diese Jahres-zeit besonders wenig Schnee. Unser Beobachter in Montana meldete vom 23. Dezember an Regen, der am 25. mässig stark und an den anderen Tagen leicht war. Das auf 1600 m liegende Versuchsfeld war schneefrei, und die Lufttemperatur betrug am Morgen des 25. Dezembers um 08.00 Uhr +2 °C.

Unfalihergang

Am 24. Dezember waren zwei 16- und l8jährige Brüder zusammen mit ihrer Mutter von Deutschland nach Montana angereist. Am folgenden Tag verlies sen die beiden nach dem Frühstück ihre Fe rienwohnung um etwa 9.00 Uhr, um sich ins Skige biet von Grand-Signal und Crans-Cry-d‘Er zu be geben. Sie weilten zum ersten Mal in Montana und kannten darum die Skiregion noch nicht. Um späte-stens 17.00 Uhr wollten sie wieder bei ihrer Mutter in der Ferienwohnung sein. Laut Aussagen der Mutter liebten beide das Abenteuer und das Risiko und schätzten das Fahren mit Ski und Snowboard abseits der gesicherten Pisten sehr. Trotz viersprachigen Tafeln, welche ausdrücklich vor den Gefahren der Schluchten zwischen Cry-d‘Er und Chetseron in Rich tung des Vallon de l‘Ertentse warnten, verliessen die zwei Brüder auf der Suche nach einer «sensationel len» Abfahrt die markierte Piste. Die Markierungen und Absperrungen dieser Piste würden laut Ret tungsprotokoll auch bei dichtem Nebel verhindern, dass jemand ungewollt von der Piste abkommen kann. Am Unfalltag herrschte wohl schlechtes Wet ter, aber es hatte keinen dichten Nebel im Skigebiet.

Auf Grund der später aufgefundenen Spuren ha-ben die beiden Brüder kurz oberhalb der Felswände bemerkt, dass es unmöglich ist, weiter in das Vallon de l‘Ertentse abzufahren. Zu Fuss aufsteigend woll ten sie wieder die Piste erreichen. Bei der Querung eines Couloirs lösten sie auf einer Höhe von etwa 2040 m ü. M. ein kleines, aus windverfrachtetem Schnee bestehendes, Brett aus, welches beide mit-riss. Ihre Leichen wurden später auf 1560 m ü. M., in der Nähe des alten Wasserkanals «Bisse du Ro» ge 153 Bemerkungen

funden. Beim Absturz über das sehr steile, mit Fels-bändern durchsetzte Gelände hatten sie sich tödll che Verletzungen zugezogen.

Such- und Rettungsaktion

Nachdem ihre beiden Söhne nicht wie vereinbart um 17.00 Uhr in das Ferienappartement zurückge kehrt waren, alarmierte die Mutter um 21.30 Uhr die Kantonspolizei Wallis. Um 21.45 Uhr informierte die Polizei den RettungschefderSAC-Sektion Montana Vermala. Dieser veranlasste als erstes Abklärungen in den Restaurants, Bars, Nachtlokalen, Bergrestau rants und Hütten der Umgebung und nahm Kontakt mit den Verantwortlichen der Bergbahnen, mit den Patrouilleuren und mit dem Bergbahnpersonal auf.

Eine Polizei-Patrouille suchte alle Wege und Berg-bahnstationen nach den Skiern und dem Snow board der beiden Vermissten ab. Alle Nachfor schungen blieben jedoch erfolglos. Die Auswertung aller gesammelten Informationen durch den Ret tungschef liess die Vermutung aufkommen, dass die zwei Brüder die Pisten in der Region zwischen Cry-d‘Er und Chetseron verlassen hatten und in Richtung Vallon de l‘Ertentse abgefahren waren.

Um 2.45 Uhr wurden die Aktionen vorübergehend unterbrochen, und man entschied, am folgenden Morgen weiterzumachen.

Weil sich die Wettersituation weiter verschlech tert hatte, war der Einsatz eines Helikopters

während des ganzen nächsten Tages unmöglich.

Um 11.00 Uhr wurden drei Gruppen von Bergfüh rem beauftragt, an verschiedenen Orten terre strisch nach Spuren der beiden Vermissten zu su chen. Eine Gruppe fand abseits der markierten Pisten nach langem Suchen nur noch schwach er-kennbare Spuren, welche von einem Skifahrer und einem Snowboardfahrer herrühren mussten. Diese windverblasenen Spuren führten in Richtung Vallon de l‘Ertentse. Auf ihrer weiteren Suche fanden die

Um 11.00 Uhr wurden drei Gruppen von Bergfüh rem beauftragt, an verschiedenen Orten terre strisch nach Spuren der beiden Vermissten zu su chen. Eine Gruppe fand abseits der markierten Pisten nach langem Suchen nur noch schwach er-kennbare Spuren, welche von einem Skifahrer und einem Snowboardfahrer herrühren mussten. Diese windverblasenen Spuren führten in Richtung Vallon de l‘Ertentse. Auf ihrer weiteren Suche fanden die

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