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4 Diskussion

4.2 Aussagekraft der Zytologie

Die Aussagekraft von zytologischer und histologischer Untersuchung im Kontext der Diagnostik des Multiplen Myeloms wurde bereits im Rahmen vorheriger Studien evaluiert. So verglichen Buss et al. in einer 1987 publizierten Studie zytologische und histologische Befunde von Patienten mit klinischem Verdacht auf ein MM.55 Hierbei wurde die klinische Verdachtsdiagnose eines Multiplen Myeloms in 83% der Fälle entweder durch einen pathologischen Histologie- und/oder Zytologiebefund bestätigt. Jedoch zeigten sowohl die histologische als auch die zytologische Untersuchung übereinstimmend einen Myelombefund bei lediglich 59% der Patienten, während bei 17% der Patienten beide Methoden kongruent einen unauffälligen Befund erbrachten, sodass bei 76% beide Untersuchungsmodalitäten einen übereinstimmenden Befund erbrachten.55 Im Vergleich zur vorliegenden Studie (Übereinstimmung in 60% der Fälle zwischen Zytologie und Histologie) ist somit die Abweichung zwischen zytologischen und histologischen Befunden in der Studie von Buss et al. etwas geringer. Nichtsdestotrotz fanden sich bei 24% der von Buss et al.

untersuchten Patienten zwischen Histologie und Zytologie divergente Befunde (7% unauffällige Zytologie bei pathologischer Histologie, 17% pathologische Zytologie bei unauffälliger Histologie). Diese Ergebnisse sind somit mit dem Ergebnis der vorliegenden Arbeit, dass Histologie und Zytologie in einem relevanten Anteil der Fälle nicht kongruente Befunde liefern, übereinstimmend.

Die initiale Diagnosestellung in der Arbeit von Buss et al. erfolgte anhand klinischer Befunde, die innerhalb der Publikation jedoch nicht genau definiert wurden, sodass eine direkte

Vergleichbarkeit mit der in der vorliegenden Arbeit klar definierten Gruppe der MM-Patienten eingeschränkt ist.

Im vorliegenden Kollektiv hatte der histologische Befund einen ausschlaggebenden Einfluss in Bezug auf die abschließende Diagnosestellung, sodass daraus eine große Übereinstimmung von histologischem Befund und abschließender Diagnose resultiert, während Buss et al. keinen Bezug auf den Stellenwert der Histologie bei der initialen Diagnosestellung (anhand der Klinik) nehmen.

Obwohl Buss et al. bei der Bewertung der zytologischen und histologischen Befunde keinen Graubereich definierten, zeigten dennoch einige Patientin einen unklaren Befund: Von den Patienten, die einen übereinstimmenden histologischen und zytologischen Befund zeigten (n=160/

59%) sei nach Angaben der Autoren bei 17,5% (n=28) eine Diagnosestellung allein aufgrund des histologischen Befundes erschwert gewesen, sodass der histologische Befund nur unter Berücksichtigung der zytologischen Analyse eine Diagnosestellung ermöglicht hat. Umgekehrt war dies bei 10% (n=16) der Patienten in der zytologischen Untersuchung der Fall, sodass bei diesen Patienten nur eine Diagnosestellung unter Hinzuziehen der histologischen Analyse möglich war. Setzt man diese Anteile der Patienten mit dem in der vorliegenden Arbeit definierten Graubereich gleich, so zeigt die Histologie in der Arbeit von Buss et al. eine schlechtere Aussagekraft im Hinblick auf die Diagnosestellung eines MMs.

In der Gesamtbetrachtung der Arbeit von Buss et al. sind insbesondere die 17% der Patienten hervorzuheben, die einen pathologischen Zytologie- bei gleichzeitig unauffälligem Histologiebefund aufwiesen und bei denen somit der klinische Anhalt eines Multiplen Myeloms lediglich mittels Zytologie bestätigt wurde. In der vorliegenden Arbeit gab es im Gegensatz zu Buss et al. keinen Patienten mit pathologischem Befund in der Zytologie bei gleichzeitig unauffälligem histologischen Befund.

Eine Diagnosestellung allein auf dem Boden der zytologischen Ergebnisse, wie von Buss et al.

durchgeführt, scheint bei der Betrachtung weiterer im Rahmen der vorliegenden Arbeit erhobenen Ergebnisse jedoch problematisch. Dies wird insbesondere bei der Betrachtung der Ergebnisse deutlich, die zeigen, dass die Zytologie häufig keinen eindeutigen Befund im Hinblick auf eine Diagnosestellung liefert. So zeigte die Zytologie in der Gruppe der Gesunden bei 50% der Personen im Graubereich liegende Befunde, sodass bei der Hälfte der untersuchten gesunden Personen keine klare Aussage anhand der zytologischen Untersuchung getroffen werden kann.

Neben der mangelhaften Identifikation von Gesunden, konnten ebenfalls die an einem Multiplen Myelom erkrankten Patienten nur etwa zur Hälfte (55%) mittels Zytologie richtig zugeordnet

werden. Darüber hinaus hätte in der vorliegenden Untersuchung eine alleinige zytologische Untersuchung 15% der Patienten, bei denen ein MM vorlag, fälschlicherweise als gesund eingeordnet.

Eine mögliche Erklärung für die oben beschriebenen Abweichungen in der Bewertung von histologischen und zytologischen Befunden in der vorliegenden Arbeit sowie der von Buss et al.

liefern weitere Arbeiten, die deutliche Abweichungen bei der Quantifizierung der Plasmazellmenge in beiden Methoden feststellten.

So untersuchte eine Arbeit von Terpstra et al. die PZ-Anteile in zytologischem Aspirat und Knochenmarksbiopsie von 54 MM-Patienten, um die in anderen Studien dargestellten Abweichungen der beiden diagnostischen Methoden zu beleuchten.56 In dieser Untersuchung fand sich eine Übereinstimmung des Plasmazellgehaltes in der zytologischen und histologischen Untersuchung in lediglich 48% der Fälle, während weitere 48% der Patienten einen deutlich größeren PZ-Anteil im histologischen als im zytologischen Befund aufwiesen. Vor allem bei fokalem Knochenmarksbefall wies die Zytologie eine Unterschätzung des Plasmazellanteils im Knochenmark auf. Die Autoren schlussfolgerten, dass die Tumormasse bei Patienten mit MM valider mittels Histologie im Vergleich zur zytologischen Untersuchung ermittelt werden kann.56

Auch im in der vorliegenden Studie untersuchten Kollektiv zeigten die histologischen Befunde der MM-Patienten insgesamt betrachtet mit im Median 30% einen größeren Plasmazellanteil als die zytologischen Befunde mit im Median 25% Plasmazellanteil (Ergebnisse nicht dargestellt).

Hierbei wiesen ca. 67% der MM-Patienten in der histologischen Untersuchung einen größeren Plasmazellanteil auf, während 23% einen größeren Plasmazellanteil in der zytologischen Untersuchung erbrachten. Lediglich 10% der betrachteten MM-Patienten zeigten einen übereinstimmenden Plasmazellanteil in den Befunden der beiden diagnostischen Methoden.

Hieraus wird deutlich, dass die Zytologie den Plasmazellanteil tendenziell unterschätzt und somit auch bei der initialen Diagnosestellung niedrigere Plasmazellanzahlen liefert.

Weitere Untersuchungen anderer Gruppen postulierten ebenfalls in anderen Zusammenhängen, dass die Ergebnisse von zytologischer und histologischer Untersuchung beim Myelompatienten, wie auch in der vorliegenden Arbeit nachgewiesen, häufig divergieren. Stifter et al. korrelierten den PZ-Anteil von 59 MM-Patienten, mittels zytologischer und histologischer Untersuchung (CD138 markierte Zellen) bestimmt, mit dem Gesamtüberleben der untersuchten Patienten.57

Während die zytologischen Befunde im Median 29% Plasmazellen zeigten, lag der PZ-Anteil der histologischen Befunde mit im Median 50% deutlich höher. Die größten Unterschiede wurden hier

analog zu Terpstra et al. bei mikroskopisch ermitteltem nodulärem Knochenmarksbefall beobachtet, welcher im von Stifter et al. untersuchten Kollektiv bei 20% der untersuchten MM-Patienten vorlag. Die Autoren erläuterten, dass ein fokaler Prozess, wie er beim MM häufig beobachtet werden kann, negativen Einfluss auf die Genauigkeit und Verlässlichkeit der Plasmazellanalyse mittels Zytologie haben kann. Weiterhin folgerten sie, dass die Histologie auch im Hinblick auf die Tumormasse im Vergleich zur Zytologie die überlegene diagnostische Methode ist. Sie beschrieben außerdem eine Verminderung der Gesamtüberlebenszeit von Patientin mit einem PZ-Infiltrationsanteil >50% in der Histologie sowie mit einem Anteil atypischer PZ >25% in der zytologischen Diagnostik.57 Die vorliegende Arbeit liefert durch den retrospektiven Charakter der Analyse bedingt weder Aussagen bezüglich des Infiltrationsmusters des Knochenmarks durch Plasmazellen noch hinsichtlich der Überlebenszeit der einzelnen Patienten.

Neben den bereits genannten Untersuchungen berichteten auch weitere Studien, dass die zytologische Untersuchung den PZ-Anteil im Knochenmark häufig unterschätzt. Bei der Untersuchung von Adhäsionsmolekülen auf Osteoblasten und Plasmazellen im Kontext der Osteolysenentstehung von MM-Patienten beschrieben Ely et al. nebenbefundlich, dass die Histologiebefunde in 44% der 352 untersuchten Fälle einen höheren PZ-Anteil darstellten als die der Zytologie. In diesen Fällen lag die durchschnittliche Abweichung des PZ-Anteils bei über 20%.58 Auch Veillon et al. kamen im Rahmen ihrer Übersichtsarbeit zu dem Schluss, dass der PZ-Anteil im Aspirat im Vergleich zur Knochenmarkbiopsie deutlich unterschätzt wird.59

Ebenso untersuchten Matsue et al. die PZ-Quantität mittels verschiedener diagnostischer Methoden.60 Es zeigte sich ein deutlich höherer medianer PZ-Anteil in der histologischen Untersuchung (13,3%) im Vergleich zur zytologischen (3,7%) und durchflusszytometrischen (2,4%) Analyse. Die Autoren betonen deutlich die Überlegenheit der histologischen Untersuchung gegenüber der Zytologie und empfehlen somit die Diagnosestellung eines MM anhand der CD138-markierten Knochenmarkstanze und nicht anhand zytologischer Befunde.60

Tabelle 14 zeigt zusammenfassend, dass der histologisch bestimmte PZ-Anteil in der vorliegenden Arbeit sowie in der Literatur beschrieben, in einem Großteil der Fälle über dem zytologisch bestimmten PZ-Anteil liegt.

Tabelle 14: Übersicht der Ergebnisse der Arbeitsgruppen in Bezug auf den PZ-Anteil der histologischen (Histo) und zytologischen (Zyto) Untersuchungen (in % der Fälle), sowie den medianen durch die jeweilige Methode

bestimmten PZ-Anteil56-58,60

Studie Histo =

Zyto Histo > Zyto Medianer PZ-Anteil Histo

Medianer PZ-Anteil Zyto

vorliegende Arbeit 10% 69% 30% 25%

Stifter et al. 50% 29%

Terpstra et al. 48% 48%

Ely et al. 44%

Matsue et al. 13% 4%

Die oben diskutierten abweichenden prozentualen PZ-Anteile und die daraus resultierenden ebenfalls divergierenden histologischen und zytologischen Bewertungen im Hinblick auf die Diagnosestellung stellen die Histologie als der Zytologie überlegene diagnostische Methode dar.

Allerdings lässt die im Rahmen der vorliegenden Arbeit durchgeführte Sensitivitäts- und Spezifitätsanalyse die Zytologie entgegen dieser Aussage als sehr verlässliche Methode erscheinen. Eine Sensitivität von 79% und eine Spezifität von 100% ergibt sich jedoch nur dadurch, dass lediglich 56 der 99 Patienten einen Befund mit klarer Zuordnung zeigten. Somit gibt die zytologische Untersuchung im Vergleich zu den anderen diagnostischen Methoden deutlich seltener eine klare Aussage über eine mögliche Erkrankung. Wenn sie jedoch ein Ergebnis liefert sollte dieses durchaus im Kontext der Diagnosestellung in Betracht gezogen werden.

Während einige Autoren eine kombinierte histologische sowie zytologische Untersuchung empfehlen55,57, stellen andere klar die Histologie als der Zytologie überlegene Methode dar, bzw.

betonen die Rolle der Histologie als wesentlichen Bestandteil der Diagnosestellung sowie der Überwachung eines Multiplen Myeloms.56,61-63

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sowohl anhand der vorliegenden als auch anhand bereits veröffentlichter Ergebnisse anderer Arbeitsgruppen eine Diagnosestellung solitär auf dem Boden der Zytologie nur in Einzelfällen möglich und sinnvoll erscheint. Bei ca. einem Drittel der Patienten liefert die zytologische Untersuchung in der vorliegenden Untersuchung keine klaren

Ergebnisse und ist bei geringerer Aussagekraft im Vergleich zur Histologie als deutlich weniger verlässliche Methode im Kontext der Diagnostik des Multiplen Myeloms zu werten. Dies kann unter anderem darauf zurückgeführt werden, dass das Multiple Myelom häufig einen fokalen Krankheitsprozess darstellt, welcher die Genauigkeit und Reproduzierbarkeit der Bestimmung von Plasmazellanteilen in Knochenmarkaspiraten beeinflusst. Ein weiterer Grund für den niedrigeren Plasmazellgehalt im zytologischen Präparat im Vergleich zum histologischen könnte darin bestehen, dass sich Plasmazellen unter Umständen schwerer aspirieren lassen als die übrigen Zellen des Knochenmarks und somit eine nicht repräsentative Probe gewonnen wird.

Nichtsdestotrotz sollte eine zytologische Untersuchung im Rahmen der Diagnostik des Multiplen Myeloms durchgeführt werden, insbesondere da deren Befunde deutlich schneller vorliegen als die der histologischen Untersuchung. Außerdem sollte die zytologische Untersuchung ergänzend zur Histologie hinzugezogen werden, wenn der histologische Befund einen nicht eindeutigen Befund zeigt. In der vorliegenden Arbeit stimmte der zytologische Befund von drei der vier Patienten mit im Graubereich liegendem histologischem Befund mit der abschließenden Diagnose überein, sodass eine gemeinsame Betrachtung von histologischen und zytologischen Befunden sinnvoll ist. Unter Berücksichtigung der großen Übereinstimmung der histologischen Befunde mit der abschließenden Diagnose sollte die Histologie dennoch weiterhin den Goldstandard in der Diagnostik des MM darstellen.

4.3 Aussagekraft der Durchflusszytometrie im Vergleich zu den anderen