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Ausprägung des Verhaltens bei den Mutterhündinnen

4. Tiere, Haltungsbedingungen und Methode 1. Tiere und Haltungsbedingungen

6.2. Diskussion der Ergebnisse

6.2.1 Ausprägung des Verhaltens

6.2.1.2. Ausprägung des Verhaltens bei den Mutterhündinnen

Zum biologischen Brutpflegeverhalten, welches häufig größtenteils das Muttertier übernimmt, gehören die Versorgung mit Nahrung, die soziale Körperpflege, die Nesthygiene, der Transport der Jungtiere an einen sicheren Ort und die Verteidigung der Jungtiere (IMMELMANN 1982).

Bei Wölfen sind generell alle Rudelmitglieder an der Welpenaufzucht beteiligt, neben der Alpha-Fähe vorrangig jedoch der Alpha-Rüde – dieser beteiligt sich an der Bauch- und Analmassage und der Futterbeschaffung sowie an den Sozialkontakten und dem Spiel mit den Welpen (FEDDERSEN-PETERSEN 1997).

Beide beobachteten Samojedenhündinnen erfüllen die Aufgaben der Welpenaufzucht, soweit sie in Obhut des Menschen überhaupt erforderlich sind. Bei Wuf A beteiligt sich ab Tag 6 der Bruder der Mutterhündin an der Aufzucht der Welpen: Er übernimmt häufig die Bauch- und Analmassage nach dem Säugen, hält sich ab dem 11. Lebenstag auch zeitweise im Wurfkorb auf und nimmt an den ersten Sozialkontakten teil – bis die Welpen im Alter von rund vier Wochen mehrmals an seinem Bauch offensichtlich nach Milch suchen, was ihm äußerstes Unbehagen bereitet und ihn größeren Abstand zu den Welpen halten lässt.

Eine Beteiligung der Rudelmitglieder an der Welpenaufzucht lässt sich beim Haushund nicht regelmäßig beobachten: Beispielweise registriert ZIMEN (1971) bei Pudeln, dass die Rüden bei dieser Aufgabe nicht mitwirken.

Die Würfe A und C werden bis zum Ende der Beobachtungen gesäugt. Bei Wurf B werden die Welpen am 48. Lebenstag durch die Züchter von der Mutter abgesetzt. Wenngleich die Hündinnen ab der 4. Lebenswoche zunehmend die drängenden Welpen abwehren, gestatten sie ihnen doch stets zumindest eine kurze Zeit des Saugens.

Wölfinnen säugen ihre Welpen zwischen sechs und zehn Wochen lang (MECH 1970;

OKARMA u. LANGWALD 2002).

Hündin BC würgt zudem ab dem 40. Lebenstag ihren Welpen vorverdautes Futter vor. Ein Zutragen von frischer Nahrung kann bei keiner der beiden Hündinnen beobachtet werden, allerdings sind auch die Voraussetzungen für diese Verhaltensweise nicht gegeben: Beide Hündinnen erhalten ihr Futter stets in Abwesenheit der Welpen, wobei es sich außerdem um Fertigfutter handelt, welches keine größeren tragbaren Stücke enthält.

ALTHAUS (1982) beobachtet das Vorwürgen von Futter bei allen seinen Husky-Hündinnen,

der Beginn liegt parallel zu einem Rückgang des Milchflusses meist in der 5. Lebenswoche.

Auch bei Pudel, Weimaraner, Bullterrier, Fila Brasileiro und Border Collie wird Futtererbrechen registriert (ZIMEN 1971; DÜRRE 1994; GEORGE 1995; GRAMM 1999;

HEINE 2000).

Ein Transport der Welpen durch die Mutter kann bei den Samojeden nicht beobachtet werden.

Das sogenannte Eintragen dient dazu, Jungtiere, welche das Nest verlassen haben, zurückzubringen oder aber – bei Gefahr – zur Verbringung des gesamten Wurfes an einen sicheren Ort (IMMELMANN 1982).

Die beobachteten Samojedenwelpen befinden sich jedoch von Anfang an bei der Mutter in einer sicheren Wurfbox in einem vertrauten, abgeschlossenen Raum, so dass für die Mütter zumindest kein äußerlich erkennbarer Grund besteht, sie an einen andereren Ort zu verbringen.

Spiel zwischen Welpen und Mutterhündinnen ist bei den untersuchten Samojeden selten zu verzeichnen. Die Aufforderung geht dabei häufiger von den Welpen aus. Die Hündinnen reagieren oft mit Ausweichen und werden dann teilweise durch die Züchter von den Welpen getrennt. HEINE (2000) vermerkt für Border Collies ebenfalls, dass Spiel zwischen Mutter-hündinnen und Welpen nicht besonders häufig beobachtet werden kann.

Agonistische Verhaltensweisen zeigen beide Hündinnen hauptsächlich in Zusammenhang mit der Abwehr ihrer Welpen vom Gesäuge. Dies spiegelt den klassischen Eltern-Nachkommen-Konflikt wider, der dadurch entsteht, dass mit zunehmendem Alter der Jungtiere der zur Aufzucht notwendige Aufwand für die Mutter immer größer wird. Gegen Ende der Aufzuchtphase, meist kurz vor der Entwöhnung, versuchen die Jungtiere schließlich, mehr Brutpflege-Leistungen, z.B. Fütterungen, zu erlangen, als die Mutter zu geben bereit ist; diese reagiert mitunter aggressiv oder ausweichend (IMMELMANN 1982).

Hündinnen verweisen ihre Welpen nach FEDDERSEN-PETERSEN (1997) generell ab der 5. Lebenswoche in deren „hierarchische Grenzen“; dies geschieht reaktiv auf Saugbemühungen oder auch bei Annäherung der Welpen an die ruhende Mutter. SCHROLL und DEHASSE (2007) geben „erzwungene Unterwerfung“ der Welpen durch die Mutter als Normalverhalten an.

Dabei ist entscheidend, welche Ausweichmöglichkeiten der Hündin zur Verfügung stehen: Erst

wenn es der Mutter nicht mehr möglich ist, sich den Welpen zu entziehen, verschafft sie sich durch agonistisches Verhalten Distanz und vor allem auch „Respekt“, das heißt soziale Dominanz (ALTHAUS 1982).

Exakt dies ist bei den Samojeden zu verzeichnen: In den ersten fünf Wochen beschränkt sich das agonistische Verhalten der Mutterhündinnen auf passive Verhaltensweisen: Die Mütter entfernen sich bei Bedrängung von ihren Welpen oder legen sich, wenn kein Ausweichen möglich ist, auf ihr Gesäuge, wodurch dieses für die Welpen unerreichbar wird. Aktiv agonistisches Verhalten wird hier, von einer einmaligen Ausnahme abgesehen, erst ab der 6. Lebenswoche registriert.

ZIMEN (2000) weist darauf hin, dass Wolfswelpen die Bedeutung der Drohsignale erst erlernen müssen, wenngleich sie selbst diese schon arttypisch aussenden können. Auch die Samojedenwelpen ignorieren anfangs das Knurren der Mutter, woraufhin diese massivere Signale gibt. Erst nach einigen Wiederholungen erfassen die Welpen die Bedeutung des abwehrenden Knurrens.

Das agonistische Verhalten der Samojedenhündinnen gegenüber ihren Welpen ist insgesamt schwach ausgeprägt und selten.

Auffallend ist auch, dass nur in wenigen Situationen und nur von Hündin A die Welpen bis in die 3. Lebenswoche gegen andere Hunde verteidigt werden. Bis auf diese Situationen dulden beide Muttertiere generell andere Hunde in unmittelbarer Nähe ihrer Welpen; Hündin A gestattet, wie beschrieben, ihrem Bruder sogar Mithilfe bei der Pflege der Welpen.

Bei den Würfen B und C kommen allerdings bis zur 4. Lebenswoche nur die Hunde des eigenen Haushalts in Kontakt mit der Mutter und ihren Jungen.

GRAMM (1999) beschreibt, dass eine der Fila Brasileiro Mutterhündinnen sich erst allmählich während der Datenaufnahme an die Anwesenheit der Beobachterin gewöhnen konnte, da mit der Untersuchung erst einen Tag vor der Geburt der Welpen begonnen wurde.

Dies stellte bei der Beobachtung der Samojeden kein Problem dar:

Hündin A, die an meine Anwesenheit im Haus schon lange vor der Geburt gewöhnt war, duldete bereits wenige Tage nach dem Werfen die Anwesenheit völlig fremder Menschen; sie ließ sich von diesen sogar problemlos ihre Welpen wegnehmen. Hündin BC hatte mich einige Wochen vor der Geburt nur einmal kurz gesehen. Dennoch konnte ich nur wenige Stunden

nach der Geburt ohne jeden Protest ihrerseits die Welpen anfassen und aus dem Korb nehmen.

Sie ließ sich durch meine Anwesenheit in keiner Weise in ihrem Verhalten stören.

Beide Züchter bestätigten auch für ihre vorausgegangenen insgesamt zwölf Samojedenwürfe, dass die Mutterhündinnen niemals die Absicht gezeigt hätten, Menschen abzuwehren oder ihre Welpen gegen sie zu verteidigen, egal ob diese Menschen ihnen bekannt waren oder nicht, ob es sich um Kinder oder Erwachsene handelte und unabhängig davon, wie alt die Welpen waren.

Es ist somit zu konstatieren, dass die säugenden Samojedenhündinnen sowohl gegen ihre eigenen Welpen als auch gegen andere Hunde nur sehr gering ausgeprägtes bzw. überhaupt kein aggressives Verhalten zeigen. Auch gegen bekannte sowie fremde Menschen zeigen sie keinerlei Aggression.

Allerdings muss hier in Bezug auf das Verhalten den Welpen gegenüber einschränkend festgestellt werden, dass die Hündinnen im Laufe der Beobachtungen immer seltener der Notwendigkeit ausgesetzt sind, sich ihrem Nachwuchs stellen zu müssen. Zu der Frage, ob bei weniger häufiger Trennung das aggressive Verhalten der Mütter gegenüber ihren Welpen tatsächlich stärker ausgeprägt wäre, kann jedoch anhand der erhobenen Daten keine Aussage gemacht werden.