• Keine Ergebnisse gefunden

Ausgestaltung der RIS-Perimeter

Im Dokument Evaluation und RIS-Konzept 2020+ (Seite 44-47)

2. Wissenschaftliche Grundlagen

2.3. Ausgestaltung der RIS-Perimeter

Eine grundlegende Frage im Kontext der konkreten Anwendung des RIS-Konzepts zur staatlich induzierten Innovationsförderung, beispielsweise in Form konkreter Innovationsförderprogramme, betrifft die der ideale Ausgestaltung des Perimeters eines Innovationssystems. Daran angelehnt ist die Frage, welche Faktoren berück-sichtigt werden müssen, um innerhalb eines geographisch gefassten Perimeters die Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Akteuren zu optimieren (Stuck, Bro-ekel, & Revilla Diez, 2015). Dies kann sich auf die funktionalen Aspekte des RIS beziehen, beispielsweise wie bestehende Cluster ideal in ein RIS integriert werden können, oder auf Fragen der Governance, beispielsweise in welchem geographi-schen Raum eine effektive Koordination der Innovationsförderinstrumente mög-lich ist.

Zum Thema der (idealen) geographischen Ausdehnung von RIS unter Mitberück-sichtigung von pfadabhängigen Veränderungsprozessen und institutionellen Rah-menbedingungen gelangen Asheim, Smith, & Oughton (2011) zur Einsicht, dass eine klare geographische oder sektorale Ab- und Eingrenzung von RIS grundsätz-lich schwierig vorzunehmen ist. Vielmehr heben die Autoren hervor, dass funktio-nale Aspekte der jeweiligen Innovationssysteme, wie die Spezialisierung der regi-onalen Wirtschaft, die geographische Ausdehnung des Arbeitsmarktes, oder die Zulieferketten der Firmen im RIS herangezogen werden müssen, damit sinnvolle Aussagen über die ideale räumliche Ausdehnung eines RIS vorgenommen werden können.

Zur optimalen geographischen Ausdehnung eines RIS-Perimeters gibt es einige Untersuchungen, welche sich auf Daten von Patentanmeldungen stützen. Greunz (2003) und Moreno et al. (2005) kommen basierend auf zwei unterschiedlichen methodischen Ansätzen zu einem ähnlichen Resultat, was die räumlichen Effekte

von universitärer und privatwirtschaftlicher Forschungs- und Entwicklungstätigkeit angeht. So gibt es bis zu einer Distanz von rund 300 Kilometern einen starken kausalen Zusammenhang zwischen den Ausgaben für Forschungs- und Entwick-lungstätigkeiten in zentralen Wissensinstitutionen (Hochschulen, Forschungszen-tren und forschungsorientierten Betrieben) und der Anmeldung von Patenten aus der Privatwirtschaft. Bei einer grösseren Distanz nimmt dieser Effekt rasch ab.

In einem ähnlichen Ansatz, basierend auf der tatsächlichen Reisezeit zwischen Orten, kommen Rodriguez-Pose & Crescenzi (2008) zum Schluss, dass für die durch Patentanmeldungen registrierte Innovationstätigkeit positive Effekte der geographischen Nähe zu Forschungsinstitutionen und forschungsintensiven Be-trieben bis zu einer Obergrenze von rund 180 min Reisezeit auftreten. Danach nimmt der positive Effekt auch hier rasch ab, und es ist kein statistisch signifikan-ter Zusammenhang zwischen der Forschungszusammenarbeit und der Anzahl der Patentanmeldungen mehr erkennbar. Der positive Effekt von ortsgebundener Inno-vationstätigkeit auf Unternehmen im geographischen Umland ist dann besonders stark, wenn man den grenzüberschreitenden Austausch über Gebietskörperschaften hinweg anschaut. Empirisch kann folglich ein maximaler Radius von rund 300 km oder 180 Minuten Reisezeit ausgemacht werden, ab dem die positiven externen Effekte der geographisch eingegrenzten Wissensverbreitung (der sogenannten

„geographically-bound knowledge spillovers") rasch abnehmen.

Wenn wir diese Werte auf die Schweiz und die Ausgestaltung der RIS Perimeter übertragen, so können wir festhalten, dass alle RIS unter einem Radius von 300 km bleiben, dass andererseits in den grösseren RIS (insbesondere dem RIS West-schweiz und dem RIS OstWest-schweiz) auf Grund der Topographie durchaus Reisezei-ten von 180 MinuReisezei-ten und mehr zwischen den unterschiedlichen OrtschafReisezei-ten zu-rückzulegen sind. Insofern kann es als zweckdienlich bezeichnet werden, wenn in den grossen RIS mit einem dezentralen Coaching- und Veranstaltungskonzept gearbeitet wird.

Einbettung (Embededdness & Cluster)

In der jüngeren Literatur wird immer stärker darauf hingewiesen, dass zwecks eines besseren Verständnisses regionaler Innovationsprozesse und der Definition sinnvoller RIS-Perimeter die historische Pfadentwicklung der entsprechenden RIS beachtet werden muss (Asheim et al., 2017). Unter der Pfadentwicklung wird dabei verstanden, wie das spezifische sozio-ökonomische System (Institutionen, Firmen, Organisationsstrukturen) sich über die Zeit entwickelt hat. Dies ist vor allem im Hinblick auf die folgenden beiden Aspekte von Relevanz:

• Die Entstehung von standortgebundenen Faktoren, welche die spezifische Cha-rakteristik eines RIS ausmachen (Institutionen, Netzwerke, regionalökonomi-sche Spezialisierungen), sowie die funktionale Beziehung dieser Faktoren zuei-nander (Coenen et al., 2017).

• Die sozio-politische Steuerung der Entwicklung des jeweiligen RIS über die Zeit, um die Rahmenbedingungen für Wirtschaftswachstum und Innovation im regionalen Kontext zu optimieren und so für eine Region möglichst vorteilhafte wirtschaftliche Effekte zu erzielen (Coenen et al., 2017; Stuck et al., 2015).

Wie bereits angedeutet gibt es in der Literatur vielfältige Hinweise darauf, dass die Konzentration von Firmen, welche in der gleichen oder in ähnlichen Branchen tätig sind, zu positiven externen Effekten in Form von Wissensspillovern und überbetrieblichen regionalen Skaleneffekten führen (Delgado et al. 2015). Um in einem RIS Kontext solche Effekte nutzen zu können, ist es entscheidend, dass die Vernetzung zwischen Akteuren in den Regionen basierend auf den bestehenden Spezialisierungen und Stärken der Region geschieht (OECD 2017a). Dabei sollten die Unternehmen, welche in der Region ansässig sind, bedürfnisbezogen unter-stützt werden, um mit Wissensinstitutionen und Technologieführern in ihrem Feld projektbezogen in Kontakt treten zu können (McCann & Ortega-Argiles 2015).

In empirischen Untersuchungen hat sich gezeigt, dass ein zentrales Element für die Wirksamkeit solcher Kollaborationen zwischen Firmen und zwischen Firmen und Hochschulen in einem regionalen Kontext die technologische Basis ist, auf wel-cher die Zusammenarbeit stattfindet (siehe Boschma et al. 2012). Dabei sind für den Erfolg von Innovationen jene Strategien am aussichtsreichsten, die auf beste-hendem Wissen und Erfahrung in der Region aufbauen, um beispielsweise die Spezialisierungen im regionalen Arbeitsmarkt abschöpfen zu können. Die Grün-dung neuer Firmen (Start-Ups), die Ansiedlung von Firmen von ausserhalb der Region sowie der Erfolg dieser beiden Unternehmensgruppen über die Zeit sind höher in Regionen, welche ihre Innovationsstrategien auf bestehenden Spezialisie-rungen aufbauen (Neffke et al. 2011).

Politisch initiierte Initiativen sollten für einen positiven regionalwirtschaftlichen Effekt nicht auf die Erhaltung bestehender Strukturen setzen, sondern sich viel-mehr auf innovationsfördernde Rahmenbedingungen konzentrieren, beispielsweise im Steuerbereich oder im Bereich der Unterstützung der öffentlichen Forschung und dem Schutz von geistigem Eigentum (McCann & Ortega-Argiles 2015). In diesem Kontext ist auch der empirische Vergleich interessant zwischen jenen Re-gionen, denen es gelungen ist, ihre Wirtschaftsstruktur auf Grund von technologi-schen und sozialen Innovationen an neue Marktbedürfnisse und veränderte

makro-ökonomische Bedingungen anzupassen (Kah, 2016), versus jenen, die in sogenann-te Lock-In Situationen gerasogenann-ten sind12. Dies gilt es in RIS zu verhindern. Innerhalb von RIS sollten nicht in erster Linie bestehende Strukturen erhalten werden. Die Politik sollte vielmehr unterstützend wirken, um Veränderungen in Gang zu setzen, auch wenn dabei kurz- bis mittelfristig einschneidende Anpassungen der regiona-len Wirtschaftsstrukturen hingenommen werden müssen (Boschma, 2004; Foray, Goddard, Beldarrain, & et. al., 2012). Veränderung des reglementarischen Umfelds sowie spezifische Unterstützung von innovativen Firmen – beispielsweise in der Form einer staatlichen Unterstützung im Bereich der Finanzierung von Büroräum-lichkeiten und Produktionsbetriebe für Start-Up-Unternehmungen, oder steuerliche Anreize für Investitionen in neue Unternehmen – können dabei helfen, die entspre-chenden Anreize für Veränderungen zu setzen. Solche Massnahmen können auch helfen im Übergangsprozess von einer alten (längerfristig nicht zu haltenden) Struktur zu einem neuen, zukunftsorientierten regionalen Wirtschaftssystem.

Im Dokument Evaluation und RIS-Konzept 2020+ (Seite 44-47)