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nun nicht in der Ausbildung und Übung der Pflichten

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lehre, obwohl dieſes Gebiet in feiner eigentümlichen Ge- italtung troß aller Abhängigkeit von chriftlihen und jüs difchen Ideen feine originelljte Leijtung bleibt, Gedanken:

gänge, die weiter ausgeführt werden mußten, weil fie bei der Beurteilung des Verhältnijjes des Chrijtentums zum Islam häufig überfehen werden. Die Berührungen auf dem Gebiet der Myjtik und Dogmatik hingegen find längjt Gemeingut der Wiſſenſchaft. Sie brauche ich des halb bloß zu jkizzieren. Wenn fie uns im Rahmen dieſer Darijtellung auch nicht Selbjtzweck fein dürfen, fo find fie zur Abrundung des Gejamtbildes durchaus notwendig.

Unter Myftik verfteht man die religiöfe Aufzerung, die im Gegenſatz zu der gejeßerfüllenden Werkgerechtig- keit der Pflichtenlehre und der haarjpaltenden Spekulation der Dogmatik eine unmittelbare gefühlsmäßige Verei- nigung mit dem Göfttlichen erjtrebte. Von einer folchen Geijtesrichtung war im Ooran keine Spur zu finden. Als etwas abjolut Neues tritt fie in den Islam; die Anknüp-

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fungspunkte, die fie brauchte, um Bürgerrecht im Islam zu gewinnen, waren nur mit Mühe zu konftruieren.

Sreilih ift die islamifshe Myftik nicht ausſchließlich

&riftlih; fie geht in ihren Urfjprüngen ebenjo wie die

&rijtlihe auf den neuplatonifch-pantheiftiichen Schriften- kreis des Dionyfius Areopagita zurück), der ihr aber wohl ſchon aus chrijtliher Band geboten wird. Bierher ftammt der fruchtbare Begriff der myitifchen Liebe zu Gott. Da- zu kam der bejonders durch das Chrijtentum ausgebil- dete Gedanke jowie die Praxis der Askefe und, freilich _ erjt in jpäterer Seit, der unverkennbare Einfluß der in- dijchen Spekulation. Das find die Grundlagen dieſer Strömung. Mit dem Nirwana, dem arabifchen fana, löft ſich eigentlich der Islam auf. Aber die Orthodoxie hält die widerjtrebendjten Elemente zufammen. Zwar macht fie Sront gegen ein zu offenes Bekenntnis der legten Ronfe:

_ quenzen, die zu einer Verfchmelzung der Begriffe „Gott“

und „ich“ führen, aber in Praxis hat fie den in allem E (außer im Namen) pantheiftiichen Voritellungskreis in den

Islam aufgenommen und friedlich neben den jtarren Mo- notheismus des Oorans und der Dogmatik gejtellt. Jede zielbewußte Myjtik muß zur Auflöfung der pojitiven Religion führen. Der Islam hat diefer gefährlichen Ten- J denz durch Aufnahme in ſein Syſtem die Spitze abge—

brochen. Das Bekenntnis iſt alſo nicht mehr gefährdet;

die deenwelt iſt unter dieſer Vorausſetzung frei.

Die Vereinigung mit Gott vollzieht ſich auf dem Wege der Ekitafe und führt zum Enthufiasmus. Schon diefe Worte unſrer Sprache zeigen, wo wir die mächtigften Wurzeln diejer Strömung zu fuchen haben. Nicht die Worte, aber die _ Begriffe finden fi) nun auch im Islam, und zwar zweifel- los vermittelt durch das Chriftentum, und erleben hier : jene großartige Ausbildung, die uns im Derwijchtum, bei den Sakiren entgegentritt. Derwijch und Sakir find

das perfifche und das arabifche Wort für den Bettler; auch das Wort Sufi, der Mann im Wollhemd, wird im gleichen Sinn gebraucht. Schon diefe Worte zeigen, daß zu den 1) Vgl. Rudolf Rnopf: Die Zukunftshoffnungen des Ur:

chriftentums, S. 38 (Religionsgejh. Volksb. I, 13).

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Grundlagen der Myſtik aud) die Askefe gehört; — Be aber war ja felbjt erjt in den Islam importiert. Die, E Derwifche zerfallen nun in verfjchiedene Rlafjen oder Orden, je nachdem fie die Mittel wählen, die zur Ekjtafe führen.

Der Tanz, die Rezitation — tanzende oder heulende Derwifche — und andre Mittel find in Übung. Bier liegt eine von unfrem Mönchtum zwar ſehr verfchiedene, aber zweifellos verwandte Entwicklung vor. €s jind jelbjtän- 4 dige Weiterbildungen gemeinfamer Grundlagen.

Aus dem Zweck der Ekitafe heraus hat fih in diefen islamifchen Verbänden eine fcharfe ſeeliſche Dis- ziplin entwickelt, durch die der Gläubige, der willenlos wie der Tote in der Zucht feines Meifters jtehen joll, allmählich zu immer höheren Graden der Erkenntnis, bis jchließlih zum Bewußtjein der abjoluten Wejenseinheit mit Gott geführt wird. Es ſcheint mir unzweifelhaft, daß ein Reflex dieſer Methode ſich in den exereitiis spiritualibus des Ignaz von Loyola, jenem Bauptwerkzeug jejuitijcher 3 Macht über die Geifter, erhalten hat. Wem die unge heure Nachwirkung arabifchen Geijtes im chriftlichen EB Spanien noch des 14. und 15. Jahrhunderts bekannt ift, dem wird dieſe Vermutung nicht wunderbar erjcheinen.

Wer durch Beruf oder Anlage verhindert war, per 3 ſönlich diefe Myftik zu üben, der befriedigte fein religiöjes Bedürfnis durch die Verehrung jener Gott nahejtehenden Perfjönlichkeiten, deren Sürfprache noch nach ihrem Tode und zum Teil dann erjt recht wirkfam ijt; jo entjtand der Beiligenkult, der dem Grunddogma des Islam ebenjo wejensfremd ijt wie die pantheiſtiſche Myftik. Die Ueber nahme des chrijtlichen Beiligenkults war aber erjt möglich, nachdem man die Perfjon Muhammeds über das Allge- meinmenjchliche erhoben hatte. Der junge Islam bemerkte, 3 daß der Stifter des Chrijtentums namentlich im populären Glauben ein unerreichter Wundertäter war; da durfte der Stifter des Islam nicht dahinter zurückbleiben. So er icheinen dann in der fich entwickelnden Biographie des Propheten — fchon im erjten Jahrhundert des Islam -—

die typifchen Wundergruppen der Evangelien, die Sper jungen, Beilungen, Erweckungen und fo fort. Wir können hier zwei Sormen der Übernahme unterjcheiden. Ein

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mal begegnen wir der direkten Entlehnung einzelner Züge, dann aber jehen wir den gleichen Prozeß fich vollziehen, a _ der das Beiligenwefen und die damit zufammenhängende Reliquienverehrung kurz vorher auch in das Chrijtentum gebracht hatte. Populäre Vorjtellungen natürlichreligiöfen _ Empfindens erben von Religion auf Religion. Sie wech - jeln Gewand und Motivierung, aber fie bleiben im Grunde _ unverändert als lebendiger Ausdruck der Stellung der nn Volksjeele zum Göftlichen in Natur und Leben. Böhere Sormen von Religion — das ift bedauerlich aber wahr —

fordern nicht nur Gemüts= ſondern Verjtandesbildung.

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So haben wir faft den ganzen Rreis religiöfen Lebens durchmefien, und überall war uns der Islam auf den - Spuren chriftlicher Ideengänge begegnet. Nur ein Gebiet haben wir noch zu betrachten, das von vornherein wenig Möglichkeit zu ſolchen Entlehnungen bot, die Dogmatik.

F: Wenn irgendwo fo mußte hier grade der Gegenjat der _ beiden Religionen zum Ausdruck Rommen. Bier war die Differenz von Anfang an jo eklatant, daß eine Über- 3 - nahme chriftliher Gedanken ausgeichloffen jcheinen Rönnte.

Und doch waren es grade die dogmatifchen Sragen, welche die Chrijtenheit diefer Jahrhunderte bewegten und die Gemüter damals ebenfo bejchäftigten wie uns die foziale 3 Srage. hier können wir am ſchärfſten beobachten, wie

nur die Srageſtellung übernommen wurde.

® Es find eigentlich nur drei Sragen, welche die islami- ſche Dogmatik bejchäftigt haben, die Srage nad) der Srei- J heit des Willens, nach den Eigenſchaften Gottes und der Ewigkeit und Unerſchaffenheit des Gotteswortes. Man brraucht dieſe Probleme nur zu nennen, jo treten einem die großen dogmatijchen Rämpfe der Srühzeit des Chrijtentums

= vor die Erinnerung. Wohl nie und nirgends ijt jo heftig - über die Sreiheit des Willens und die Eigenfchaften Gottes geſtritten worden wie im chrijtologijchen Streit und den darauffolgenden Auseinanderjegungen. Im Ooran konnten - die Vertreter der Sreiheit und der Unfreiheit des Men- ſchen alle beide reichlihe Stütpunkte finden; denn in

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Muhammeds undogmatifchem Ropf waren die Verant- Gottes anerkannte, die Verantwortlichkeit des Menjchen aber dadurch rettete, daß man ihm die Sreiheit gab, dem von Gott in ihm Gewirkten feine Zuſtimmung zu erteilen oder zu verjagen. Dieſe KLöfung follte das Ge- rechtigkeitsbedürfnis denkender Röpfe mit dem blinden Satalismus der Maſſe verjöhnen, der auch wieder nicht dem Islam feine Entjtehung verdankt, fondern der Aus—

druck orientalifcher Religiofität überhaupt ift.

Ebenfo fpißfindig löjte man auch die Srage nad) den Eigenfchaften Gottes, die mit feiner Einheit unvereinbar . erfchien. Schon die bloße Voritellung, daß eine Vielheit von Eigenfchaften unmöglich ſich mit der abjoluten Einheit verträgt, ift nur möglich in einem Rreis, dejjen krampf- haftes Bemühen feit Jahrhunderten gewejen war, eine konitruierte göttliche Dreiheit mit der abjoluten Einheit des Gottesbegriffes zu verjöhnen.

Und das dritte Problem endlich: „Ijt das Gottes- wort, der Ooran, erjchaffen oder nicht?“ ift der durch jihtige Reflex des Logosproblems, des Rampfes um die Anerkennung der Ewigkeit und Unerfchaffenheit des Logos neben Gott. Bier fand der Islam die Löfung, zwiichen einem ewigen und unerfchaffenen Ooran bei Gott und dem offenbarten erjchaffenen Ooran zu unterfcheiden. Daß mit der Ewigkeit des Oorans aber ein dem ftrengen Monotheismus des Islam durchaus heterogenes Dogma konftruiert war — das hat man nie begriffen, ebenjo wenig, daß hier der Triumph fpitfindigen griechijch-chrift- lihen Denkens vorliegt. Einen ſchlagenderen Beweis für die Stärke der chriftlichen Einflüffe gibt es nicht; fie haben aljo fogar vermocht, das Grunddogma des Islam aufzu=

löſen — feinen Bekennern unbewußt.

In allen diefen dogmatifchen Sragen des Islam tritt uns ein Geijt entgegen, dem wir bisher nicht begegnet find, ich meine die begriffliche Spekulation, die Dialektik.

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Sie hat der Islam nicht etwa direkt aus dem Griechen- tum, ſondern aus dem Chriftentum; und er ftellt fih an- fänglich zu diefer Methode genau wie das Chrijtentum auch zu allen nicht religiöfen Wiffenfchaften. Er nimmt jie nur auf, um fein Rüftzeug im Rampf gegen die Reter zu vermehren. Bald wird fie ihm aber ein lieber und trauter Gefährte, der fein ganzes philofophifches Denken beherrſcht. Bier begegnen wir einem chriſtlichen Einfluß, der — einmal aufgenommen — fo unendlich viel dazu bei- getragen hat, die mittelalterliche Gedankenwelt des Chriften- tums wie des Islam einander ähnlich zu geftalten. Ich meine den gewaltigen Begriff der Scholaftik, der fich mit Naturnotwendigkeit aus der Übernahme der griechifchen Dialektik und ihres philofophifchen Gefolges ergab. Ich brauche den Geijt jener unfruchtbaren und doch fo geiſtes—

fcharfen Spekulation auf dem Boden kirchlich geheiligter Vorausſetzungen nicht erjt zu fchildern. Es genügt, darauf hinzuweiſen, daß griechifhes Erbe hier wie dort die Geijter beherrichte. Auf beiden Seiten rankt fih aus den Begriffen eine ganz rejpektable DPhilofophie empor

— im Geijte durchaus kirhlih, wenn auch hie und da tatjächlich die kirchlihen Grundlagen auflöfend. Und auf diefem Gebiet hat der Islam einen Teil jeiner Schuld an - das Chrijtentum zurückgezahlt; denn hier waren die

Araber die geiftigen Sührer des Mittelalters.

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Damit kommen wir zum le&ten Teil unferer Aufgabe.

_ Aber ehe wir uns ihm widmen, müſſen wir zwei Vor fragen erledigen: Wie war es denn möglih, daß der Islam, der doch auf allen Gebieten vom chrijtlihen Geiſt gelernt hatte, nach wenig Jahrhunderten dem doch eben- falls aufjtrebenden Chrijtentum plößlich überlegen war?

Und zweitens: Wodurch wurde troß der uns überlieferten Gegenfätlichkeit der chrijtlichen und islamijchen Welt eine ſolche Übernahme wejentliher Gedanken überhaupt möglich ?

Die zweite Srage beantwortet fich für jeden, der 45

unferem Gedankengang aufmerkfam gefolgt ift, von ſelbſt.

Der Umkreis des geijtigen und religiöfen Lebens war in beiden Religionen fo ähnlich, die Srageitellungen derart identifch, daß die im Oſten vollzogene Weiterbildung chriftlicher Anregungen ohne Schwierigkeit übernommen werden konnte. Die bloße Tatjache, daß das Abendland philofophifchtheologifche Gedanken des Islam aufnehmen, daß eine lebendige Wechjfelwirkung bejtehen konnte, ift der beite Beweis für die Richtigkeit unfrer Theje, daß das islamifche religiöfe Syſtem in chrijtlihen Gedanken wurzelt. Ebenfo wie der junge Islam nur deshalb fo viel vom Chrijtentum aufnehmen konnte, weil ſchon Muham—

med von chriftlichen Ideen erfüllt war, ebenjo konnte das Chriftentum nur deshalb arabifches Gut verwerten, weil diefes in feinen Grundlagen auf chrijtlicde Anregung zu—

rückging. In leßter Linie wurzeln eben beide Religionen im Orient und feiner Gedankenwelt.

Das Gleiche gilt nun auch von dem ebenfalls ſcho—

lajtijch ausgebildeten Judentum jener Jahrhunderte, das grade Durch feine Internationalität berufen war, den Mittelsmann zu fpielen. Befonders die Spanischen Juden wären hier zu nennen; fie haben aber nicht nur ver- mittelt, fondern mitausbauen helfen, was nur angedeutet werden kann. Wichtiger als die jüdische Vermittlung war aber zweifellos der direkte Gedankenaustaujch, der ſich literarifch durch Überjeßungen, befonders aber mündlich durch das Zujammenleben von Chrijten und Muhamme- danern in Süditalien, Sizilien und Spanien und auf dem Wege des Bandelsverkehrs vollzog.

Die andre Srage berührt das Grundproblem unfres Mittelalters überhaupt. Wenn wir gefehen haben, daß die gejamte Srageftellung unjres Mittelalters, ja feine Weltanfchauung mit Ausnahme der fjpeziellen Dogmen identifch ift mit der islamifchen, wenn wir uns ferner bewußt find, daß die Übernahme durch den Islam nur im Orient erfolgt fein kann, dann liegen eben wejent- liche Wurzeln auch des chriftlichen Mittelalters im Orient.

Die Übertragung dieſer Weltanjchauung auf die nicht orientalifjhen Völker des Wejtens brachte nun zunädhit einen Stilljtand hervor, jchuf dann allerdings mit dem

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achen dieſer Völker etwa vom 13. und 14. Jahrhundert

ab eine neue Geiſteswelt. In der ganzen Zwiſchenzeit aber zwijchen dem 7. und 13. Jahrhundert mußte die politiſch erjtarkte Welt des Oſtens dem durch die Ger:

manenjtürme politifch und kulturell gebrochenen Abend- land überlegen fein, weil im Ojten eine organifche Ver:

bindung der ethnifchen Rräfte mit den geiftigen Idealen und Begriffen jtatthatte, weil hier der Saden der Ent:

wicklung nicht abriß. Der ganze vordere Orient veränderte bloß das Bekenntnis einiger Dogmen, die ganze Welt:

anſchauung blieb bejtehen. So konnte der junge Islam, - anpajjungsfähig wie er war, fofort das Erbe der helle- nijtifch-orientalifchen Mifchkultur des Oftens antreten und mußte damit fofort dem Abendland, in dem mühjam die orientaliſchen Ideen Boden gewannen, überlegen fein.

2 Das Übergewicht der islamifchen Welt wurde nun

> auch noch dadurch erhöht, daß im Islam die Verfchmel- zung altorientalifcher jpeziell perfifcher und griechifcher Elemente fich vollzog, die fich in den vorangehenden - Jahrhunderten in der immer jtärkeren Orientalifierung des Bellenismus vorbereitet hatte. In Perjien lag aber ſpäteſtens feit der Safjanidenzeit die Bauptkulturquelle des ganzen Ojtens; es ijt bekannt, wie viel die Byzan- tiner grade von Perfien übernommen haben. Leider find

‚alle diefe wichtigen kulturellen Verjchiebungen noch nicht gründlich durchforfcht, aber foviel ift Klar, daß bejonders die materielle Rultur Perfiens erjt vor dem Islam direkt und dann durch ihn indirekt bis weit in den Weiten wirkt.

Aber auch für die geiftige Rultur gilt ähnliches. In wie weit perfifche Vorjtellungen auf die Entwicklung der is- _ lamifchen und auch fchon der chriftlichen Eschatologie ge—

wirkt haben mögen, bleibe hier unentfchieden; aber un—

geheuer war der Einfluß der großen griechifch-chrijtlichen - Schulen Perfiens, durch welche die Araber mit den be—

deutendſten Produkten der griechifchen wie der perfijchen - Literatur bekannt wurden. Daher jener gewaltige kulturelle - Einfluß der islamifchen Welt auf die chriftliche, der fich noch heute in den zahllofen arabijchen Sremdwörtern

unferer Sprachen ausdrückt und den man fich gar nicht

‚groß genug vorjtellen kann. Nicht nur materielle Pro- 47

dukte des Oftens, fondern wefentlihe Sormen des wirt ſchaftlichen Lebens, ideale Außerungen unjeres jo euro päifch erjcheinenden Rittertums bis in die Minnepoefie hinein, die Grundlagen unfrer gefamten naturwiffenjchaft- ; lihen Bildung, ja ſelbſt einflußreiche philoſ —— theo- logifche Ideen find uns damals aus dem Islam zuteil geworden. Die Solgen der Rreuzzüge find der deutlihite Beweis für die ungeheure Überlegenheit der islamijchen = Welt, die wir von Tag zu Tag mehr erkennen. —

Uns dürfen hier nur die Einflüſſe der islamifchen E Philoſophie beſchäftigen. Ic} fage der islamijchen Philoe ſophie; ich fagte beffer der jpätantiken. Aber ebenfo wie ich vorhin von Einflüffen des Chriftentums auf den Islam gefprochen, muß ich jet von folcyen des Islams auf das Chrijtentum reden. Beidemale ijt es nur das Erbe der aus gehenden Antike, jener dunklen orientalifch-hellenijtijchen Miſchkultur, die im chriſtlichen Rleide zunächſt auf den Islam wirkt. Diejer vermag in vielen Sällen das vom Chrijtentum Übernommene aus den alten Quellen zu er gänzen und zu vertiefen und gibt es dann in teils reiner, » teils islamifierter Gestalt an das Chrijtentum zurück. a

Ratte die chriftliche Scholaftik anfangs auf Brudhftüken des Arijtoteles gefußt und zumeift von neuplatonijfchen Ideen gelebt, jo wird ihr durch die Araber allmählich fajt der ganze Arijtoteles und zugleich die eigentümliche Art ber kannt, wie die Araber jich zu feinen Problemen ftellten. © Diejen Einflug genau zu fchildern, würde bedeuten, die Gejchichte der mittelalterlichen Philofophie in ihrem Ver:

hältnis zur kirchlihen Lehre zu entrollen, eine Aufgabe, der ich mid) nicht gewachfen fühle. So verfuche ich, fußend a auf dem, was kompetente Männer hierüber gejchrieben haben, aus der Sülle des Einzelnen das Wefentlihe zu abjtrahieren; da fjcheint fin mir diefe Wirkung in der erjten Periode aus dem Reichtum des neuen durch die Araber übermittelten griechifhen Stoffes zu erklären.

Es waren die naturwifjenfchaftlichen und logijhen Rennt=

nijje des Bellenismus, welche zu einer Erweiterung der begonnenen Dialektik und auch zu einer intellektualifti- ihen Metaphyfik führten; und dieje ließ fih in Über einftimmung mit den kirchlihen Dogmen und der grie

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chiſchen Naturerkenntnis zu einem Syjtem ausbilden, wie es uns in der Summa des Thomas von Aquino vor-

iegt. Die Philojfophie blieb die dienende Magd der Religion, und die erjten arabifchen Einflüffe dienten alfo

wur zum Ausbau der kirchlichen Weltanjchauung.

Auf die Dauer aber gewann immer mehr die fpezi- fiſch arabijche Srageftellung und Ausbildung der arifto- teliſchen Lehre neben dem Stoff als ſolchem Bedeutung.

Dieſe Sragejtellung jtammte aus einer im Islam lange _ vorbereiteten Betonung des Wiljens, der vernünftigen _ Erkenntnis. Die Tradition ift voll vom Preije des Wilfens, auch hier urjprüngli gedacht zur Unterftügung der Re _ ligion. Aber allmählich erwuchs die Vernunft zu einer ſelbſtändigen Größe, die der Orthodoxe nicht verwarf, wenn jie mit der Tradition übereinjtimmte, die aber unter dem Einfluß des Ariftotelismus befonders durch Averroes - zu einer dem Glauben feindlichen Macht ausgebildet - wurde. Die Quintejjenz diejer Lehre war: es gibt eine - Doppelte Wahrheit, eine nach dem Glauben, eine nad) - der Vernunft. Indem man jpitfindig beide anerkannte, - Konnte man orthodox bleiben; aber immerhin lag hier

eine ungeheure Gefahr, welche die chrijtliche Rirche ſofort erfaßte. In dieſem Streite verknüpfen ſich arabijche Ideen - vielfach mit den bunten Außerungen chrijtlich-religiöfen Lebens und fie verknüpfen fich weiter mit jenen Anfängen einer neuen Seit, die in den Vorläufern der Renaiſſance die abendländiiche Welt befreien von den Banden einer kirchlich⸗helleniſtiſchen Antike, einer kirchlich-orientalifchen Weltanſchauung, und allmählich — fehr allmählich — die germaniſche, von echt antiken Gedanken getragene neue Welt einleiten. Jetzt erjt durchbricht die abendländifche Rraft die hiftorifchen Bande des Orientalismus.

2 Nod jtehen fich Chrijtentum und Islam geijtig und materiell gleih. Aber je mehr das Abendland heraus:

tritt aus den dämmernden Schatten des Mittelalters, deſto ſicherer wird feine Überlegenheit gegenüber dem

Orient. Die abendländifchen Völker werden ſich bewußt,

\ daß die mittelalterliche Rutte, die fie getragen, im Oriente gewirkt war; und, von ihr fich befreiend, entdecken fie die Rraft und Schönheit ihrer Glieder und ihres Geijtes.

Becker, Chrijtentum und Islam,

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Sie gehen hin und fchaffen eine neue Welt, der das Orientalifche nur noch in dürftigen Reften anhaftet.

Der Orient aber konnte die in ihm erwachfene Welt-

Der Orient aber konnte die in ihm erwachfene Welt-

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