• Keine Ergebnisse gefunden

EA BEL. = ll. ee

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "EA BEL. = ll. ee"

Copied!
64
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

EA BEL

ee 00—0—0——————

= ll

(2)

SEP'!ES

Southern California

SCHOOL OF THEOLOGY\

Claremont, Califomia

Aus de» Bibksthel von

\ a Iter Dauer

geboren I S 7 7

gestorben 1960

(3)

SEN

12 elisionsgeichictlihe

Volksbüdher &

2) za 2 herausgegeben von aa a a =

& St. Michael Schiele-Tübingen. 2 III. Reihe. 8. Reit.

& Chrijtentum und Islam 62

a za von Profefjor Dr.

C. 5. Becker-Beidelberg

aD T.C.B. Mohr

(Paul Siebeck)

Preis 50 Pf., kartoniert 75 Pf, Seine Ausgabe in Gefchenkband M. 1.50.

(4)

Die Religionsgeſchichtlichen Volksbücher find keine Tendenzjichriften. Vor, allem haben fie mit den mancherlei : Verjuchen, dem „Volk“ dur) tendenziöje Bejchwichtigung

„die Religion zu erhalten“, nicht das geringjte zu tun. Sie wollen Religion, Chriftentum ı und Rirche hiſtoriſch und kritiſch verſtehen lehren, aber nicht „verteidigen“. Das Verſtänd⸗

nis, das fie vermitteln, fuchen fie bei der ftrengjten Wiſſen⸗

fhaft von der Gejdhichte der Religion. Sie werden deshalb (ohne es zu wollen) im Volke vieles zerjtören, was heute zwar mit dem theologijchen Anſpruch auftritt, bewiefene Wabrbheit zu fein, in Wirklichkeit aber den Sorfchungen der. gelehrten Welt nicht ftandgehalten hat. Sie werden (ohne danach zu ftreben) im Volke das befejtigen, was durch ehrliche Wilfenfchaft und ihr gegenüber ſich als Wirk- lichkeit erwiefen hat. Die Abficht der Volksbücher ift lediglich die: aufoffene Sragen — offen und bejcheiden wiſſenſchaftlich begründete Antworten zu geben.

Solcher offenen Sragen giebt es heute viele. Denn heute wird im deutfchen Volke die Entfremdung von der Religion nicht mehr als „Sortfchritt“ empfunden. Religion ift wieder ein Lebensproblem für das Volk und feine Führer. Rlar und furchtlos wollen die Keligionsgefchichtlihen Volks- bücher die Sragejtellung, die ihnen hier entgegengebradt wird, zu der ihren machen. In den Volksbüchern follen die Sragenden, denen der Religionsunterricht und die offizielle Rirche die Antwort fchuldig geblieben find, eine gutdeutſche Antwort ohne Börner und Zähne finden. Wir erblicken die Volkstümlichkeit unferer Bücher in erjter Linie in der ihlichten und ehrlichen Rlarheit, mit der die Dinge fo ge- ichildert werden, wie fie heute die beften unter den vor- urteilslofen Sachkennern liegen fehen. 3u folcher Rlarheit rechnen wir, daß in den Daritellungen der Volksbücher genau an derjelben Stelle Sragezeiyen ftehen, wo die Wiffenfchaft welche jeßt. Sie jest oft welche.

Bervorragende Sachleute haben fih in großer Anzahl bereit gefunden, ihre Rräfte in den Dienjt unferes Planes zu ſtellen. Es foll ägrtan nicht, mehr heißen dürfen, Die führenden Theologen hätten kein Verftändnis für das Ver:

langen unferer gebildeten Laien.

Ob unfre Arbeit für die „Rirche“ unbequem iſt, haben wir nicht zu fragen. Wir denken aber doch: eine Kirche, die aus dem Eifer um das reine Wort Gottes geboren it und allein auf den Glauben fidy gründet, follte nicht Surcht, fondern Sreude über die Volksbücher haben. Denn

Fortsetzung auf der 3. Umschlagseite.

(5)

5) Chrijtentum und Islam 3

2) Von Profefjor Dr.

C. B. Becker-Beidelberg.

&

Be.

FR NEE

3 —

= x ASISTISTSTSLSTZ)

J— KH+F

ET Ag 1.- 10. Taufend.

AKA ST ST)

©

BAAASDADADDADAAAAATN Religionsgejchichtlihe Volks-

bücher für die deutfche chriftliche

Gegenwart. III. Reihe, 8. Reit. a &

222 Beraus@ägeben von £ic. theol.

Sriedrih Michael Schiele- Tübingen SASASAADDAOAEADADAADIDIAIAIAITIAIAIA ANA Tübingen 1907. Verlag von J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) SDAAEDATDDADAOTAEAEADITZIAIAIAIAAA AAAAIAIAIZIDI

(6)

Published März 23, 1907.

Privilege of copyright in the United States reserved under the Act approved March 3, 1905 by J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen.

Alle Rechte, einschliesslich des Uebersetzungsrechts, vorbehalten.

Druk von B. Laupp jr in Tübingen.

(7)

nie

Wenn wir das Chriftentum und den Islam oder irgend eine andere Religion einander gegenüberitellen, müjjen wir uns zunächſt darüber klar werden, was wir mit diejer Gegenüberitellung bezwecken; denn die Möglich:

keiten, die fich hier auftun, find zahlreih. Der Mifjionar zum Beijpiel wünjcht die Vergleichspunkte beider Reli- gionen kennen zu lernen, um in feiner Bekehrungstätig- keit bei ihnen wirkfam anjfegen zu können — alſo ein rein praktijher Zweck. Dem kirchlit gebundenen Chrijten

‚wird eine wijjenjchaftlihe Begründung der ihm von vorn=

herein fejtjftehenden Überlegenheit des Chrijtentums die Bauptjache fjcheinen; derartige apologetifche Vergleiche waren früher befonders beliebt und find es zum Teil noch heute. Etwas ganz anderes intereffiert den kirchlich freien, hijtoriijh denkenden Menfchen. Er will durch dieſe Gegenüberjtellung zu einer klaren Anjchauung der Einflüffe gelangen, die das Chrijtentum von der anderen Religion empfangen oder an fie ausgeteilt; oder aber - Durch einen Vergleich der Gejamtentwicklung der einzelnen Religionen fich die Entwicklung des Chrijtentums ver- lebendigen. Alſo direkte Einflüffe und analoge Entwick- lungen zu fuchen, durch die das Verjtändnis unfrer eignen oder der Religion überhaupt gefördert werden könnte — das it der Zweck ſolcher Gegenüberitellungen.

Wie kommt das komplizierte Gebäude einer Welt-

‚religion wie das Chriftentum zuftande? Das wird man leichter als am Chriftentum an einer Religion darjtellen

N

——

er hr De er ee Ze ce ln Sie BITTEN, k —* *

Pe! f:

v 1 1 1 \ —

225256 N

(8)

können, mit der man nicht von Rindheit auf durch zahl- loje Säden innerlich verknüpft iit. Bei einer fremden Reli gion fcheut man ſich nie vor den Ronfequenzen der hiftori- ihen Methode, beim Chriftentum fieht man oft gar nicht die falfchen Vorausfeßungen, mit denen man naturnotwendig an die Unterfuchung herantritt; denn die chrijtlihen An- jchauungen wirken in uns wie die Sunktionen unjrer Glieder

— unbewußt. Und doch haben wir es recht weit in der Renntnis von der Entwicklung des Chrijtentums gebradt, zum guten Teil mit Bilfe der Analogie. Bejonders lehrreich it hier der Vergleich mit dem Buddhismus. Aber auch die Entwicklung des Islam gibt äußerjt interefjante Aufſchlüſſe;

bier vollzieht fich die Entwicklung der Tradition vor den Augen der hijtorifchen Rritik. Der ſchlichte Menjh Mus hammed,der imOoran ausdrücklich bekennt, daß er keine Wunder tun kann, wird Schritt für Schritt zum Wunder:

täter, ja zum größten aller Wundertäter; er, der nie mehr als ein jterblicher Menjch hat fein wollen, wird zum mächtigen Sürfprecher bei Gott. Die jpärlichen Notizen feines Lebens werden zur voluminöfen Beiligenbiographie, die von Gene:

ration zu Generation wädhit.

Und merkwürdiger — feine Ausjprüche, feine Logia, wenn ich fo fagen darf, in einem kleinen Bruchteil gewiß echt, wachjen von Jahr zu Jahr an, werden jchlieglih zu gewaltigen Sammlungen, die kritifch gefichtet werden. Die juchende Menjchheit legt ihm Worte des neuen Tejtaments, der griechifchen Philofophen inden Mund, dieihr beſonders gefallen und feiner würdig zu fein fcheinen, fie faßt jchließlich jogar ihre Lehrmeinungen in die Sorm von Ausjprüchen Muhammeds;,, die alle von den heutigen Muslimen für authentijche Außerungen gehalten werden. So finden ih oft direkt entgegengefeßte Anfchauungen mit der Aus torität Muhammeds gedeckt.

Analoges findet fi) auch in der Überlieferung von Jejus. So berichten unfere Evangelien die jchöne Er- zählung vom Abhrenraufen am Sabbat mit der berühm- ten Nutanwendung: „Der Menſch ift nicht um des Sab- bats willen“. Und nun hat fih ein chriftliher Papyrus gefunden, der die Sabbatheiligung im judenchriftlichen Sinn Jejus in den Mund legt. „Wenn Ihr den Sabbat nicht

4

(9)

‚haltet, werdet Ihr den Vater nicht fehen“ — ift die Auße- rung eines nicht-kanonijchen Evangeliums. Wir bejitzen alſo auch in der alten chrijtlihen Literatur Ausfprüche Jeju mit entgegengejeßter Tendenz. Das Erjte, Srühjte üt hier, wie in der islamifchen Tradition, zweifellos die Stage gewejen, wie ſoll ih mich zu diefer oder jener Bandlungsweije jtellen. Die Antwort lautet, nach der religiöfen Stellung des Sragers, jo oder fo; und Mus hammed und Jeſus erjcheinen als Zeugen der Lehrmei:

nung. Die überlieferte literariſche Sorm erjcheint dann den jpäteren Gläubigen als Gefchichte.

Die Beijpiele liegen fih ins Unendliche vermehren, aber diejes eine zeigt ſchon, wie manche zum Teil neue Gejichtspunkte für die Entwicklung der chriſtlichen Tradi- tion fih aus der auf dem gleichen Boden nur wenige Jahrhunderte danach entjtehenden, viel ausgedehnter er- haltenen islamijchen Tradition gewinnen ließen.

Doch nicht die Analogien, die man jchließlich in jeder Weltreligion finden wird, follen uns bier befjchäftigen, fondern die direkten Beeinflufjungen. Ja, hat denn der Islam, diefer Erbfeind des Chriftentums, von dieſem irgend etwas entlehnt oder gar ihm etwas gegeben? Beides ijt

der Sall. Zwar iſt der Islam — fchon durdh feine hiſto—

riſche Stellung — zunäcdjt durchweg der empfangende Teil; aber auf dem Gebiete der chriftliden Philofophie hat er manches zurückgezahlt. Natürlich find die Wir:

— kungen des Islam auf das Chrijtentum nicht entfernt mit denen des Griechentums oder des Judentums zu ver:

gleichen, aber immerhin jteht die philoſophiſch-theologiſche Weltanfchauung des Chriftentums vor Beginn der Refor- mation ftark unter dem Einfluß der Araber. Andrerjeits it der Einflug des Chriftentums auf den Islam — und auch fchon auf Muhammed, obwohl diefer mehr unter dem Einfluß jüdifcher Gedankenreihen ſtand — ein jo unge- heurer, daß man ftaunend die verblüffende Übereinftim- mung wichtigjter Sragen der Weltanjchauung fejtitellen kann.

Man glaubt heute noch in weiten Rreijen, daß der Islam etwas ganz Neues, daß die Religion und Rultur der islamijhen Welt dem abendländiichen Mittelalter

5

(10)

wejensfremd gewefen fei. Nichts iſt unrichtiger als das; . denn das abendländifche und islamifche Mittelalter find ein und diefelbe Rultur. Nur der Gegenjatz der beiden Reli gionen, deren Differenzen zu allen Seiten überjhäßt wurden, und die Verjchiedenheit der Sprachen und Völker haben dieſe Tatjache verfchleiert. Es wird die Aufgabe von Jahrzehnten fein, ſich zu einem wirklichen Verjtänd- nis diefer engjten Berührungen hindurchzuarbeiten, welche Chriftentum und Islam verbinden. Dem Plan Diejer Volksbücher entiprechend kann es unfre Aufgabe nur jein, die Berührungen auf dem Gebiete der religiöfen Welt und Lebensanjchauung fejtzuftellen. Pierin fehe ich den Bauptzweck der folgenden Darlegungen. Sie beginnen mit Muhammed, weil fein religiöfer Werdegang die Möge lichkeit der fpäteren Entwicklung erklärt.

Damit ift aber auch gejagt, was im folgenden unter Chrijtentum verjtanden wird. Mit dem Chrijtentum der

‚Reformation hat der Islam nichts zu tun; nur auf dem Tätigkeitsfeld der Miffion ftehen fie einander gegenüber.

Das aber find Sragen der Praxis, die unfer Thema, wie wir es eben fchilderten, nichts angehen. Uns intereffiert das Chrijtentum des kirchlichen Mittelalters, das erjt auf orientaliihem Boden mit feiner Ideenwelt den keimenden Islam allmächtig durchdringt, dann aber bald danady im K Abendland von dem früheren Schüler, der es raih zu größerer Meifterfchaft gebracht, wefentliche Bereicherungen feines Gedankenkreifes empfängt. Dieje eigentümlichen Beziehungen zu charakterifieren und Zu erklären — das fei unfre Aufgabe.

ar

Was man heute unter Islam verjteht, hat mit der Predigt Muhammeds fo viel und fo wenig zu fun, wie das katholijche oder proteftantifche Chriftentum unſrer Tage mit der Lehre Jeju. Eine gewaltige Entwicklung trennt den einfachen Islam der Prophetengenojjen von dem komplizierten religiöjen Gebilde, das uns heutzutage als Islam vielgeftaltig und doch einheitlich begegnet. Auf

6

ns

—— nn x

Alien

—— *

———

ET

KR EV

en

PL TUTTE a et,

a ale nalen

2 ‚#

——

a A en Lan ur

(11)

II Fern

% or De

al ee A in a nalen un null nal On a EZ u nn ln Lin EUER NEE

SE DR; - h * * SUTNE

dem Wege diefer Entwicklung hat der Islam die meijten Einflüffe von feiten des Chriftentums erfahren, aber fchon vorher wirkten chriſtliche Gedanken indem gärenden Seelen- leben Muhammeds. In die Piyhe Muhammeds müffen wir uns verjenken, wenn wir die urjprüngliche Stellung des Islam zum Chrijtentum verjtehen wollen. Dies ijt

uns bei Muhammed leichter wie bei andren Religions»

gründern, da uns wejentliche Bruchjtücke feiner Anfchauungs:

welt und bunte Prägungen feines Erlebens mit feinen eignen Worten erhalten find, die nicht erſt die umgeftal- tende Phantajie eines Zuhörers in bejtenfalls ähnliche Worte umgegojjen hat. Muhammed hatte eine unbe- jtimmte Vorjtellung von dem ihm aus anderen Religionen bekannten Gotteswort. Er konnte es fich nur in unmittel=

barer Offenbarung wirkfam voritellen und fo ließ er Gott im Ooran durchweg in erſter Derfon fprechen, fich felbjt aber als angeredet erjcheinen. Selbjt direkte Befehle an die Ge- meinde werden mit einem fchlieglich ftereotypen „Sprich“

eingeleitet; es joll eben immer fejtgehalten werden, daß der Qoran nicht Menfchen;, fondern Gottes-Wort fei. Diejer Umjtand trug viel zu feiner ziemlich guten Überlieferung bei, zumal er ſchon durh Muhammed felbjt fchriftlich fixiert worden zu fein fcheint. Sreilich macht die gewollte Dunkel⸗

heit des Ausdrucks die Unterfuchung fchwierig, aber im- merhin läßt fih doch aus dem Ooran jelbjt eine weit- gehende Erkenntnis des religiöfen Entwicklungsganges feines Verfafjers gewinnen. Wir ftehen hier auf fejterem Boden wie bei der Darjtellung feines äußeren Lebens:

ganges, über defjen erjte Kälfte fich wohl ebenjfowenig _ je der Schleier lüften wird, wie über die Jugendjahre des

Stifters unferer Religion.

Die Zeitgenofjen Muhammeds lebten in religiöjer Gleichgültigkeit. Die meijten Araber waren Beiden, deren Religiofität fi) in unbedeutenden Lokalkulten altjemi- tiichen Charakters erjchöpfte; in wie weit in ihnen reli- giöje Übungen der großen, damals bereits verfallenen füdarabifchen Rultur noch lebendig waren, wie viel über- haupt vom Voritellungsleben dieſes (erft allmählich fich der Sorfchung erjchliegenden) Rulturkreifes die Anfänge des Islam beeinflußt hat, das bleibt einjtweilen eine offene

7

(12)

Srage. Die ſüdarabiſche Rultur war zweifellos nicht auf den Süden lokalifiert, und eine ftädtifche Bildung wie Mekka konnte nicht unabhängig von ihr fein; aber was uns an religiöfer Betätigung der vorislamifchen Araber überliefert ift — es ift wenig genug — könnte ſich auch aus analoger Entwicklung erklären. Jedenfalls hält man hier am bejten mit dem Urteil zurück, bis gejicherte Do—

kumente und nicht bloß jcharfjinnige Rombinationen vor⸗

liegen. Außerjt fceywierig wird das Problem dadurd, daß aus dem Süden nun auch jüdische und bejonders chrüjt- lihe Ideen eindringen und wir nicht wijfen können, wie ftark fie das Vorgefundene beeinflußt haben. Sür uns

‚ift hier das Wichtigfte das Vorkommen des Chrijtentums _ in Südarabien in vorislamifcher Seit. Aber der Süden war nicht feine einzige Einfallspforte. Auch vom Norden, von Syrien her, und aus Babylonien waren chrijtliche Lehren nady Arabien gekommen, und zahlreiche, wohl meift ftammweije Bekehrungen hatten jtattgefunden. Auch kamen die arabifchen Raufleute an den Grenzen überall mit dem Chriftentum in Berührung, und ausländifche chrijt- liche Raufleute waren durch ganz Arabien zu finden. Es kann kein Zweifel darüber bejtehen, daß ohne die ara- bijche Wanderung und die gleichzeitige Gründung der neuen arabijchen Religion die ganze Balbinfel binnen kurzem chrijtianifiert gewefen wäre.

Der wefentliche Ronkurrent des Chriftentums war das Judentum, das im Norden wie im Süden Arabiens durch jtarke jüdifche Rolonien vertreten war, die wohl

Profelyten machten, deren ritueller Zwang aber doch dem arabijchen Geift weniger entſprach wie ein (natürlich rein formelles) Bekenntnis zum Chrijtentum.

®

Neben jüdifchen, chriftlihden und altjemitifchen Ele menten waren in Arabien auch zoroaftrijche Ideen und Gebräuche bekannt, wie bei der großen Nähe des perji- ihen Weltreiches nicht zu verwundern ift.

Aus allen diefen Elementen erwuchs in Muhammeds Ropf eine zunächſt unbeftimmte Idee vom Religiöfen. Es erging ihm ähnlich wie den Theologen des 18. Jahr- hunderts, die plößlich bemerkend, daß das Chriftentum nur eine von vielen ganz ähnlichen, verjtändigen Religions»

8

(13)

ii ie ad Sa

DIR

ENTER

an a —

formen iſt, zum Begriff einer allen zu Grunde liegenden reinen und natürlichen Religion kommen mußten. Be- wußt auseinandergejeßt hat fih Muhammed nur mit Juden- und Chrijtentum, die ihm ihren allgemeinjten Ge- danken nach bekannt waren. Ein neu= oder altteftament:

lihes Buch hat er nie gelefen; vielmehr zeigen alle feine Erwähnungen, daß er nur aus Börenfagen fchöpfte und zwar nicht einmal aus dem Gefpräch mit Vertretern der bekannten großen Sekten; was Muhammed im Ooran von Jefus und feinem Auftreten zu berichten weiß, ſtammt aus pfeudepigraphiihen Wucherungen.

Eu an

Was Muhammed am meijten auffiel, wenn er die großen Religionen des alten und neuen Tejtamentes ver:

glich mit der oberflächlichen Religiofität feiner Landsleute, das war der religiöfe Ernft, der in ftarkem Rontraft zu der Indifferenz der Araber jtand. Der Begriff eines über allem waltenden Gottes war dem Araber neben feinem Baum>, Stein, Stern und Seuerkult nicht fremd, aber er hatte.bloß eine ziemlich unperfönliche Ehrfurcht vor ihm, ohne Bedürfnis, ihm zu nahen, ohne für fih etwas zu hoffen und zu fürchten. Der Gedanke einer Rechenschaft lag ihm fern. In diefem Punkt fett nun chrijtlich-Jüdifcher Einflug bei Muhammed ein. Die Idee des Gerichts- tages, der treffenden, jchlagenden Stunde, da Rechen- - jchaft verlangt wird für das irdijche Tun und Laffen, da fih dem Guten die Paradiejesfreuden erjchliegen und der Böſe in den feurigen Schlund ftürzt — das ijt die ge- waltige Idee, die Muhammed plötzlich überfällt und aus dem gleichgültigen Getriebe des Tages aufjchreckt zu innerer Arbeit.

Mit der Ronzeption Gottes als des oberjten, ge- rechten, aber doch barmherzigen Richters war ein Poly- theismus unvereinbar. So war der Monotheismus un- trennbar mit Muhammeds erjten religiöfen Regungen verknüpft, anfangs noch ohne die polemiſche Sorm, die diefes Dogma im Rampf gegen den altarabijchen und

9

(14)

chriſtlichen Glauben jpäter gewann. Aber vom religiös erwachten Menfchen bis zum Propheten ijt ein weiter Weg, den menfchliches Erkennen nur ahnend nadhtajten kann. Chriftentum und Judentum hatten je ein heiliges Bud, das ihnen die Stifter ihrer Religionen gebragt hatten. Aljo Gottes Wort, das Gott durch Mojes an die Juden, durch Jefus an die Chriften gejandt hatte.

Jejus und Mofes waren Gottes Gejandte an ihre Völker gewejen. Wer aber würde den Arabern die frohe Bot—

ichaft bringen, die fie zur wafferreichen Au der Paradiejes- freuden führen würde? Nun ift der Weg von Menſch zu Gott bei primitiven Völkern nicht weit. So gab es auch in Arabien Wahrjager und Zeichendeuter, die Loje warfen vor dem Gott und feinen Willen in dunklen rhyth—

mifhen Satgebilden äußerten. Diejem Rreis der alt- arabifchen Wahrfjager ſtand Muhammed anfangs näher als man gemeinhin glaubt. Der beſte Beweis ijt die Schärfe, mit der er gegen einen jolcyen Vergleich pole

‚mijiert, genau fo fcharf wie das junge Chrijtentum in feiner Apologetik und Polemik ſich immer wieder gerade gegen die fpätantiken Ronkurrenzkulte wendete, die wefentliche jfakramentale Sormen mit ihm gemein hatten.

Im altarabijhen Wahrjagertum liegen die natürlichen pſychologiſchen Wurzeln, aus denen unter dem befruch—

tenden Einfluß chriftliher und jüdifcher Ideen in der Seele Muhammeds jener ftarke Trieb zum Prophetentum er- wuchs, der ihn plößlich zwang, vor alles Volk hinzus treten, es aufzurütteln aus feiner Gleichgültigkeit: Be—

kehrt Euch, denn der Gerichtstag Rommt, Gott hat es mir offenbart wie einft Mofe und Jeju. Ich bin der Ge- jandte Gottes an Euch Araber. Rettung ift nur möglich, wenn Ihr Euch dem von mir gepredigten Willen Gottes unterwerft! — Diefe Unterwerfung nennt Muhammed Islam. So ſteht ſchon in der Geburtsitunde des Islam, da er noch im Ropfe feines Gründers fchlummert, der Einfluß chriftlicher Gedanken außer Zweifel. Erft die hrife lihe Ideenwelt macht aus dem altarabifchen begeijterten Seher und Propheten den Gefandten Gottes. —

Muhammed faßte Judentum und Chrijtentum als religiöfe und nationale Gemeinfchaften. Gott hatte in

10

SE

a

EEE

N ne

UNDE N N

EN? ah TE *

u EA

(15)

u Lahn ZI SI ee

4⸗⸗

——

a nn ie ae da nn

u

* J

feiner Beilsabficht verſchiedenen Völkern durch Propheten feinen Willen Rundgetan. So gab es eine chriftliche und eine jüdische Safjung des Gotteswortes, fo follte es durch ihn auch eine arabifche geben. Ganz naturgemäß waren fie in ihrem Wefen identifch, nur zeitlich und örtlich ver- ihieden. Nun hatte er von der jüdischen Mefjiasidee und vom chrijtlihen Parakleten, den er aber nicht mit dem hl. Geijt identifiziert, gehört und diefe Anfpielungen auf einen nah Moſes und Jejus kommenden Gefandten und damit auf Sich felber bezogen. So lefen wir im Qoran 61,6: „Jejus, der Sohn der Maria, ſprach: O Ihr Rinder Israel! Ich bin der Gefandte Gottes an Euch. Ich be- ftätige die Thora (das Gejet) in Euren Bänden und verkünde das Rommen eines andren Gefandten nach mir, des Name iſt Ahmed.“ Ahmed ift gleichbedeutend mit Muhammed. Bieran hat man zahlreiche Vermutungen geknüpft und gar den ganzen Vers für eine Interpolation erklärt. Dies fcheint mir unwabhrfcheinlich, da er zu der ganzen Auffafjung Muhammeds vortrefflich paßt.

Die genaue Entwicklung feiner Stellung zum Chrijten=

tum läßt fich fchwerer verfolgen wie die zum Judentum, aber fie mag analog verlaufen fein. Dann hat er zuerft eine Identität der beiden Religionen unter einander und mit feiner Lehre, dann aber bald eine Reihenfolge an- genommen. Adam, Abraham, Mojes, Jefus, Muhammed

— das waren die hauptfächlichiten Etappen der göttlichen Beilsabficht. Sie wurden jeweils durch die folgende Offen- barung beftätigt und überwunden, wobei ihn nicht ftört, daß fie ja an verfchiedene Völker gerichtet waren. Er fieht alle früheren Propheten im Spiegel jeiner Perfon.

Sie werden alle an Völker gefchickt, die ihnen zunächft nicht glauben. Strafgerichte treten ein, und der Prophet findet anderswo eine gläubige Gemeinde. Das momentane Strafgericht und das jüngjte Gericht gehen in einander über; es fehlt überhaupt ein klar durchdachtes Schema.

Der Prophet ift jeweils nur ein Menfd), der am Ende feiner Laufbahn Erfolg haben muß; drum iſt der Rreuzes- tod Jeſu eine böswillige Erfindung der Juden. Sie haben einen andern gekreuzigt, während Jejus in Berrlichkeit zu Gott eingegangen ift. Muhammed hat aljo keine Ahnung

11

(16)

von der Bedeutung des Rreuzestodes für die chriftliche Gemeinde, wenn er diefe Nachricht für. eine jüdijche Säl- ihung hält. Überhaupt gewöhnt er fich daran, nament- li dem Judentum gegenüber, das er ja viel genauer kennen lernt, alles, was feinen Vorjtellungen widerfpricht, für Sälfchung zu erklären. Anfänglich hatte er die Zweifler

“immer wieder “auf chriftlihe und jüdische Bejtätigungen hingewiefen. Die Tatjache, daß er, ohne die hl. Schriften diejer Religionen zu kennen, wefentlich ähnliche Gedanken predigte, ja daß auf ihn in diefen Schriften hingewiejen war — das war Beweis für feine göttliche Injpiration gegenüber jedem Zweifler. Bei näherer Bekanntichaft merkt er die ungeheuren Differenzen, die er nun als Sälfehungen bekämpft.

[I SS)

Um feine Stellung zum Chrijtentum zu begreifen, jehen wir uns einmal näher an, wie er ſich diefe Religion voritellt, was er annimmt und was er als Sälfchung ab- leugnet. Zunächſt muß ihm die Trinität als Widerfinn erjcheinen. Ihm bejteht die chrijtliche Trinität aus Gott- Vater, Maria-Göttin-Mutter und Jefus-Gott-Sohn. „Bait- Du, o Jefus — fo jagt Gott im Qoran — den Menfchen gejagt: Nehmt mich und meine Mutter als Götter neben Gott?“ Worauf dann Jefus antwortet: Ich werde doch nichts Unwahres fagen. Ich habe nur gepredigt: Betet Gott an, meinen Berrn und Euren Berrn 5, 116 f.). — Man hat hieraus fchliegen wollen, dag Muhammeds Renntnijfe vom Chrijtentum von einer Sekte diejes Glau—

bens ftammen; man hat dabei an die Tritheiften und an die tatjächlich arabifche Srauenfekte der Rollyridianerinnen gedacht, die einen gejteigerten Marienkultus bejaßen und der Maria göttliche Ehren erwiefen. Zu erwägen bliebe auh, ob hier nicht die Nachwirkung einer gnojitijchen Vorjtellung vorliegt, die den Beiligen Geijt ſemitiſch als weiblich und damit als Mutter faßt!), wie wir es in dem 1) Das Wort für „Geift“ hat in den femitifchen Sprachen weibliches Gefchlecht.

12

ET FOREN:

a

A h

|

m

a a * a

are u

Er

(17)

Rn gern ine

—e— AR

—R *

——

F—

berühmten Bymnus von der Seele in den Thomasakten, im Agypterevangelium und fonjt ausgedrückt finden. Wahr:

jheinlicher aber fcheint mir, daß Muhammed von der Marienverehrung und dem damals alle Welt erfüllenden Schlagwort der Gottgebärerin gehört hatte, daß ihm ferner die Vergöttlichung Jeſu und dem Namen nach das Dogma der Trinität bekannt war. Mäheres wußte er nicht da—

von; denn, obwohl er den hl. Geift kennt und mit Jejus identifiziert, hat er doch als Naturmenfch unter Anleh- nung an jo manchen alten Götterglauben die geheimnis=- volle Trias der Trinität als Mann, Stau und Sohn ge- faßt. Dieje Tatſache beweijt, daß er feine Anfchauung vom Chrijtentum aus einzelnen Indizien felbjt kombiniert hat, daß ihm Direkte Unterweifung durch einen halbwegs orientierten Chrijten gefehlt haben muß.

Daß Muhammed ferner die Gottheit Chrijti ablehnen muß, ergibt jih klar aus dem gefchilderten Entwicklungs:

gang jeiner Ideen und aus feiner fpezififch femitifchen Gottesanfchauung. Gott ift ihm nur einer, der nicht ge=

zeugt hat und nicht erzeugt if. Mit der Gottheit Jeju lehnt Muhammed naturgemäß auch die Erlöfung durd) den Rreuzestod, ja diefen felber ab. Merkwürdigerweife aber acceptiert er die übernatürliche Geburt. Das wider- ftrebt ihm nicht, den menfchlichen Gefandten mit allem Wunderbaren auszujtatten; dadurch ließ fih ja deſſen göttliche Sendung erweifen; außerdem interefjierten jo wunderbare Einzelheiten die Körer.

Maria, die Schweiter Ahrons — eine offenkundige Verwechslung mit der altteftamentlichen Mirjam — durch ein Gelübde ihrer Mutter Gott geweiht, wohnt im Tempel unter der Obhut des Zacharias, dem auf fein Gebet ein ſpäter Erbe, Johannes, der Vorläufer des hl. Geijtes, geboren wird. Der Maria wird die Geburt verkündet, und fie gebiert Jefum unter einem Palmenbaum, dejjen Datteln fie nähren, und neben dem Wajjer quillt. heim—

gekehrt wird fie von ihren Leuten mit Vorwürfen em—

pfangen, fie deutet aber nur auf den eben geborenen Rnaben, der in feiner Wiege plößlich jagt, er jei der Prophet Gottes. Später tut Jefus allerlei Wunder, macht Vögel aus Lehm und läßt fie fliegen, heilt Blinde und

13

(18)

Ausjätige, erweckt Tote und anderes mehr, ja läßt jogar einmal einen gedeckten Ciſch vom Bimmel herabkommen.

Die Juden glaubten ihm nicht, aber die Jünger folgten ihm. Er wird nicht getötet, jondern zu Gott genommen.

Ueber fein Ende find die Chriften uneins, die Juden haben den Rreuzestod erfunden.

Alfo vereinzelte apokryphe, vereinzelte kanonijche Züge, durchaus unklare Vorjtellung der wejentlichyen dog—

matifchen Gedanken — das iſt alles, was Muhammed vom Chriftentum weiß. Die Einflüffe des Chriftentums find aljo durchaus indirekt. Nicht das wirkliche zeitgenöſſiſche Chrijtentum, fondern das von Muhammed vorausgejetzte und in einzelnen Zügen kritifierte Chriftentum haben die Anfänge des Islam beeinflußt. Vor allem aber hat die Tatjache des Vorhandenfeins des Chrijtentums als Offen- barungsreligion mit einem Stifter Muhammeds Phantajie beeinflußt. Einige Züge des Chriftene und Judentums wie Gebet, Wajchungen, feiertäglicher Bauptgottesdienft, heiliges Bud), Engel, Propheten und ähnliches fchienen ihm, weil fie bei beiden vorkamen, zu den notwendigen Requifiten einer religiöfen Gemeinde zu gehören. So hat er alle diefe Dinge oder bejjer gejagt, die Anregung hierzu, übernommen.

In feiner Medinenfifchen Zeit hat ſich Muhammed von den urjprünglichen Vorjtellungen losgelöft, die gleiche Lehre wie Jejus und Mojes zu predigen. Dieje Entwick- lung hat fih im Rampfe mit dem Judentum nad) fehl- gejhlagenem Rompromiß vollzogen. Da Chriftentum und Judentum tatfächlich unter einander und von feiner Pre—

digt fehr verfchieden waren, ſah er nun auf die Dauer immer mehr in Abraham, der vor Mofes und Jejus ge—

lebt hatte, aber als Mann’Gottes von beiden Religionen verehrt wurde, feinen Vorgänger par excellence Diejen Abraham fette er dann in Beziehung zu dem altmek

kanifchen Ra badienft — die Ra ba, d.h. der Würfel, war

ein heiliges Baus aus Stein, in deſſen eine Ecke der

„Ihwarze Stein“ eingemauert war; fie wurde von den heidnifchen Arabern und wird jetzt von den Muhamme- danern verehrt —; und fo entwickelte fich der Islam immer mehr zu einer arabifchen Religion, die aber mit ihren

14

Be £

—*

4

m

a ET

PET, ,

— a han er in de

* 4*

Re BEA BETEN)

(19)

Erfolgen univerfaliftijche Tendenzen annahm. Damit mußte Muhammed in der Skala der Propheten der letzte, der höchite werden. Er war das Siegel der Propheten; mit dem Islam waren alle früheren von Gott offenbarten Re- ligionen abgejchafft.

2m u]

Aber eine wichtige Ronzefjion machte Muhammed und feine Nachfolger feiner urjprünglihen Anfchauung von der gottgewollten Gründung der früheren Offen-

U

barungsreligionen; ihre Bekenner wurden nicht zum Islam gezwungen. Sie behielten freie Religionsübung, wenn fie ohne Schwertjtreich kapitulierten, fie wurden fogar gegen alle Seinde bejchütt, wofür fie eine kopfjteuerartige Entjhädigung an ihre muslimifchen Berren zu zahlen hatten. So lefen wir im Qoran (9, 29), daß die „Schrift- beſitzer“, d. h. eben die Juden und Chriften, die nicht den Islam annehmen, bekämpft werden follen, bis fie die gizja, d.h. den Tribut zahlen. Der Glaubenskrieg gegen die Chrijten trägt alfo nicht die Parole: „Tod oder Islam“, fondern er will bloß die Anerkennung der islamifchen Berrichaft erzwingen, während freie Religionsübung ge—

itattet it. Man jtellt fi überhaupt die aus Arabien ausbrechenden Scharen meijt fehr unrichtig als religiös erregte Banden vor und jetzt hier ſchon jenen religiöjen Sanatismus voraus, den erit die Rreuzzüge und aud) fie noch nicht jo jtark wie die fpäteren Türkenkriege ent- fachten. Die von den Nachgeborenen jo gefeierten is- lamifchen Glaubenskämpfer der Eroberungskriege waren nur zum geringjten Teile religiös interefjiert, fie zeigten

EEE

5 re er ——

ſogar ſtellenweiſe eine Unkenntnis der Grundforderungen des Islam, die man ſich kaum zu groß vorſtellen kann.

Das hängt zujammen mit den Motiven der arabijchen Völkerwanderung; wirtfchaftlihe Momente haben die Bewegung erzeugt; die neue Religion aber hat bloß als einigendes Schlagwort gedient — was nicht hindert, daß dieſe Religion in Muhammed und bei feinen erjten Ge-

noſſen ein innerliches Erlebnis war.

*

15

(20)

Alfo von Sanatismus gegen das Chrijtentum ift Reine Rede. Bat man doch fogar in den erjten Jahrzehnten kein Bedenken getragen, im gleihen Gebäude mit den Chriften Gottesdienft abzuhalten. Die mancherlei Mag nahmen jchimpfliher Art, die fih die Chrijten — wie überliefert wird — gefallen lafjen mußten, richteten ſich weniger gegen die Bekenner einer anderen Religion als gegen die geduldeten Bewohner eines unterjochten Staates.

Zwar lafjen ſich diefe Qualitäten des Chriften oft ſchwer

icheiden, zumal doch Religion und Staatsangehörigkeit

für die Muhammedaner ein und diejfelbe Sache waren.

Aber immerhin war der religiöfe Gegenja nur eine Begleiterfcheinung. Er hat fich erjt allmählich, in Anſätzen

vielleicht ſchon im erften Jahrhundert, wie mir fceint,

grade unter dem Einfluß übernommener chrijtliher Ideen EB entwickelt. So paradox es klingen mag, daß erjt hrift- licher Einfluß im Islam den Gegenjfat gegen das Chrijten- tum auf das religiöje Gebiet übergejpielt, daß erſt er ihm feine Schärfe verliehen habe, jo wahricheinlich wird dieſe Mutmaßung, wenn man fich die Unreligiojität der is—

lamijchen Eroberer vergegenwärtigt. Alle folgenden Aus- führungen werden zeigen, wie jie auf allen Gebieten des geiltigen Lebens von den Unterworfenen lernen. Nun it wohl nie die Intoleranz gegen religiös Andersdenkende jo groß gewejen wie in der damaligen Chrijtenheit.

Alfo wird fie wohl auch hierin die Lehrmeifterin ges wejen fein. Immerhin haben die Chriften zu allen Zeiten und bejonders in den erjten Jahrhunderten eine recht erträgliche Pofition befejfen, wenn fie von den

B 1 N Se A

Muslimen aud bloß als Menfchen zweiter Rlafje ge wertet wurden. Das hinderte aber nicht, daß Chriften bis zu den höchſten Staatsitellen, ja bis zum Vezirat emporjtiegen, ohne ihren Glauben verleugnen zu müljfen.

Selbjt in der Zeit der Rreuzzüge, als ſich der religiöje Gegenjag — auch wieder durch das Vorgehen der Chrijten veranlaßt — fo ungemein verjchärfte, müjjen: chriftlicye Beamte keine Seltenheit gewejen fein; denn fonjt hätten nicht muslimifche Theoretiker immer und immer wieder gegen die Verwendung von Chrijten in der Staatsver- waltung polemifiert. Natürli hat es zu allen Zeiten

b 4

16

(21)

e

ma Be

u Re

k

In TEE DS TE

= ee nn

——

nr

ag Sa

auch auf islamifcher Seite Eiferer gegeben, und ſelbſt Be- drückungen haben vereinzelt ftattgehabt; aber das waren _ vorübergehende Erjcheinungen. Noch im 11. Jahrhundert konnten fi in Bagdad kirchliche Leichenzüge mit allen Emblemen chrütlichen Gottesdienjtes durch die Straßen bewegen, und Störungen werden von den Chronijten als Ausnahmen gebucht. In Agypten waren fogar die chrift- lichen Sejte zum Teil Sreudentage auch für die islamifche Bevölkerung. Man verfuche nur einmal, fih das Um- gekehrte in einem chrijtlihen Reiche des frühen Mittel- alters vorzujftellen, und man wird die Wahrficheinlichkeit meiner Theſe verjtehen.

Die Chrijten des Orients, die ja zum großen Teil mit der orthodoxen Rirche zerfallen waren, jahen ja aud ihrerjfeits im Islam das kleinere Übel gegenüber der byzantinifchen Staatskirhe. Dazu kam nun noch, daß der Islam als jtaatlihe und zugleich kirchliche Organi—

jation auch die chriftlihe Rirche als Staat im Staate an- erkannte, ihr eigene Jurisdiktion und anfangs ſogar eigene Verwaltung lieg. Man hielt fich an die Bijchöfe, wenn man etwas von der Gemeinde erlangen wollte, und in den Rirchen wurden die Steuerbureaus aufgefchlagen.

Das alles lag durchaus im Intereffe des Rlerus, dem hier ein alter Anſpruch ji verwirklichte. Natürlich hat fich dies Verhältnis im Laufe der Jahrhunderte verfchoben;

die Rreuzzüge, die Türkenkriege, die gewaltige Expanfion Europas haben den Riß zwijchen Chrijtentum und Islam vergrößert, auch der Orient bat mit feiner allmählichen Verkirchlichung den Gegenfatz immer religiöjer gefaßt;

aber die Vorftellung von dem fanatijchen Chrijtenhaß der - muhammedanifhhen Eroberer und ihrer Nachfolger. ift

eine chriftlide Erfindung.

Dod) jehen wir uns nun dieſe Entwicklung des jungen Islam einmal etwas näher an. PBierfür ein Verjtändnis auch in weiteren Rreifen zu wecken, ijt ja der Zweck dieſer ganzen Darlegung.

au

Becker, Chriftentum und Islam,

1 17

(22)

Der Ooran, defjen Stellung zum Chrijtentum wir kennen gelernt haben, enthielt eine Predigt aber keine Lehre; er gab vereinzelte Geſetze aber kein Syitem. Islam war ein einfaches, klares Rampfwort und bedeutete An- erkennung der arabifchen Berrjchaft, der Einheit Gottes und der prophetifchen Sendung Muhammeds — das war alles. Nach wenigen Jahrhunderten aber ijt Islam ein gewaltiges religiöjes Gedankengebäude, in dem griechijche Philofophie fich tummelt und römiſches Recht fich breit madt, durch das alle Gebiete des Lebens vom höchſten Sittengejeß bis zum Gebrauche des Zahnjtodhers, bis zur Ordnung der Rleider- und Baartracht genau geregelt find. Diefen Wandel von der religiöfen Predigt des Gründers bis zu dem oft völlig davon verfchiedenen reli- giöfen Welt: und Sittenfyjtem haben alle großen Welt- religionen durchgemadt. Die Stifter haben das rein Religiöfe im Menjchen in der Tiefe zu erwecken gewußt.

Die Religionen felber find das Produkt der Auseinander- jegung der hierdurch angeregten Bewegung mit den vorge 4 fundenen Rulturelementen. Auch die höchſte Lebenserkennt- nis bleibt an die Zeitumftände gebunden, ja das Milieu wirkt auf die Dauer oft noch mächtiger als der fchöpferifche Gedanke. In die griechifch=orientaliihe Mijchkultur des jpäten Bellenismus trat das Wort Jeju und wäre fajt darin untergegangen. Noch heute geht jener tiefe Riß durch unfer Volk, weil fo viele Millionen das menschlich Religiöfe nicht von den Ausdrucksformen einer längjt untergegangenen Rultur zu trennen wifjfen. Den gleichen Entwiklungsgang hat der Islam durchgemacht. Auch er hat ſich den Panzer des vorgefundenen Geijteslebens umgetan. Bier wie dort war dieſer Panzer eine Notwendigkeit in der Zeit des Rampfes, eine drückende Laft in der Zeit des Ruhens nad) dem Sieg; denn man hatte fich gewöhnt, den Panzer - als zum Weſen feines Trägers gehörig zu behandeln.

Schon die Parallele mit dem Chrijtentum würde diefen Teil unfrer Betrachtungen zu einem bejonders bedeutungs=

vollen gejtalten, aber es ift mehr als eine Parallele;

denn was der antik=orientalifche Bellenismus für das Chrijtentum war, das ift der hriftlich-orientalifche Relle- nismus wenige Jahrhunderte jpäter für den Islam. —

18

(23)

u A

——

Vergegenwärtigen wir uns einmal diejen weltgefchicht- lihen Vorgang. Ein frijch geeintes Wüjtenvolk, nicht ohne materielle Rultur, aber mit bejchränkter Gedanken:

welt, wird plößlich zur Berrichaft über gewaltige, jtark bevölkerte Gebiete uralter Rultur berufen. Noch ijt es jih felbft kaum feiner politijchen Einheit bewußt, noch Itreben in ihm die einzelnen Stämme partikulariftiich aus—

einander, und jofort joll es maßgebend eingreifen in den komplizierten jtaatlichen Aufbau von Ländern wie Ba- bylonien, wie Agypten, in denen die natürliche Befchaffen:

heit des Bodens und des Rlimas und eine Jahrtaufende alte Arbeit von Rulturnationen ein kompliziertes Ver- waltungsjyjtem gejchaffen hatten, das für einen Neuling kaum zu verjtehen war, gejchweige denn von ihm hätte neu gejtaltet werden können. Und troßdem hat man lange - geglaubt, daß die Araber hier eine ganz neue ftaatliche

‚Organifation eingeführt haben. Man hatte fich nämlich auf die Ausjagen der arabifchen Schriftiteller felber ver:

lajjen, für die natürlich alles mit dem Islam beginnt.

Ihnen war für die Praxis des Lebens in allem und jedem das Vorbild des Propheten oder feiner Genojjen maß gebend; und folgerichtig dachten fie dann, daß auch diefe jtaatliche Praxis von ihnen erfunden fein müſſe. Und nun war ja auch tatjächli die Organijation der Eroberer:

fehicht in ihrer ftammweifen Gliederung rein arabijch. Ja man jchien fich zunächft jo wenig den vorgefundenen Ver:

hältniffen anzupafjen, daß man übertretende Nichtaraber nur als Rlienten der verfchiedenen arabifchen Stämme in den islamijchen Staatsverband aufnahm. Das war aber nur die Äußere Sorm. Die gefamte innere Ver:

waltung blieb wie fie war, mußte jo bleiben, wenn nicht ein wildes Chaos eintreten ſollte. Man hat jogar jo fehr die alten Verwaltungsformen beibehalten, daß man ganz gegen den Geijt des einheitlichen islamijchen Reiches innerhalb desjelben die alten Zollſchranken an den frühe- ren Landesgrenzen bejtehen lieg. Auch kennen Die is- lamifchen Schriftiteller, die uns die Verwaltung daritellen, nur die gejetlich-islamifchen Steuern, alles darüber hinaus E- ift ihnen fpäter eingeriffener Mißbrauch. Merkwürdiger- weife ftimmt nun diefer fjogenannte ſpätere Mißbrauch mit

11%. 39

(24)

der byzantinifchen und perfifchen Praxis vor der Eroberung i überein; die Tradition will nur nicht Wort haben, daß ich nichts verändert hat. Wie in der Verwaltung, jo war es in der gejamten materiellen Rultur. Die Araber führenüberell die großen wirtjchaftlichen und kulturellen Probleme der ausgehenden Antike weiter. Diefe konnten ſich au) ohne völlige Umwälzung der bejtehenden Verhältniffe gar nicht.

ändern, und eine tiefgreifende Umwälzung hat eben nicht ftattgefunden. Das war in der abendländifchen Welt etwas ganz anderes. Die Germanen haben die vorge- fundene Welt zerjtört, freilich auch zahlreiche Rulturele=

mente der chriftlihen Antike übernommen und lange genug als Sefjeln ihrer Eigenart empfunden, die Araber haben die vorgefundene Rultur der ausgehenden Antike einfah weitergelebt.

Was auf wirtjchaftlihem Gebiet natürlich ie mag, braucht auf geiftigem nicht notwendig zu fein. Bier aber iſt es troßdem der Sall, wie uns eine ruhige Bes trachtung lehrt. Der junge keimende Islam, noch mehr erlebt als durchdacht, tritt mit dem Anſpruch der herr ihenden Religion dem Chrijtentum gegenüber, das ihm die ganze vorgefundene geijtige Rultur repräfentierte. Er muß fich mit diefer Rultur auseinanderjegen. So ijt fein Sieg mit den Waffen nur das Vorjpiel einer ungeheuren geijtigen Auseinanderfezung. Dieſe vollzieht ſich haupte jächlich mit dem Chriftentum. Allerdings jpielt auch das Judentum eine große Rolle, doch will mir fcheinen, dag jüdifche Weiterbildungen qoraniſcher Säte häufig durch das Chrijtentum vermittelt find. Daß Muhammed in Medina ganz außerordentlich ftarke, direkte jüdische Einflüffe empfangen hat, fteht außer Zweifel. Schon das mals mögen nicht nur im Ooran, fondern auch in der mündlichen, fpäter fixierten Tradition jüdifche Ideen Um:

lauf gehabt haben, aber Muhammeds Sprade gegen»

über den Juden wird doch auf die Dauer in Medina aus politifchen Gründen fo jcharf, daß es mir kaum denkbar icheint, die Ausgeftalter der Tradition feien grade bei Juden in die Schule gegangen. Mit übergetretenen Juden it das freilich eine andre Sache. Aber auch im Chriftentum war damals noch viel jüdifche Weisheit zu holen; und es

20

a

——— Lt RER ——— OHR en BE ERRRTE nat ER Da VE ER NEN Be nun Kirn z

2)

au

Li EEE T Fr

PP

—— N‘ 4 ar

* * Pen! rien a Ba he u in ae

— 3

*

(25)

"4

ı®

E

ift bekannt, daß grade die orientalifchen Rirchen zahlreiche, felbft rituelle Vorfchriften des Alten Teftamentes für bindend erachteten. Jedenfalls weht auch jüdischer Geiſt — jei es direkt, fei es durch das Chriftentum wirkend — durch die Rreife, in denen fich diefe Auseinanderjezung des Islam _ mit dem vorgefundenen Geijtesleben vollzog. Daß ſich

dieſe Auseinanderjegung bis auf die kleinjten Details des Lebens ausdehnte, daß auch hier die religiöfe Durch

*

% —

dringung bis zur CLächerlichkeit ausgebildet wurde, — das jcheint mir das Erbe jüdifchen Geijtes, der damals, wie ge:

jagt, auch im orientalifchen Chriftentum zu Baufe war. Daß neben jüdifchen Ideen ganz befonders griechifche und über:

haupt antike, aber auch perfifche und andere altorienta-=

liijche Vorjtellungen durch das Chrijtentum an den Islam vermittelt werden, ijt felbjtverjtändlich, aber ich nenne alle diefe Einflüffe chrijtli, weil die ganze fpätantike Ge- dankenwelt damals vom Chrijtentum aufgenommen war und weil fie zunächſt hauptjächlich durch das Chriftentum auf den Islam wirkte.

Diefe Übernahme in den Islam fcheint zunächſt da—

durch erjchwert, daß wejentliche Gedanken nicht nur in eine andre Sprache, jondern in einen ganz andren Sprach- ſtamm übertragen werden mußten. Sie wurde dem Islam

J

dadurch erleichtert, daß ihm das Chriſtentum auch in Perſien nicht in fremdem Idiom entgegentrat, ſondern meiſt in einem anderen ſemitiſchen Dialekt, dem Aramäiſchen, das ſchon vor dem Islam den Vermittler der perſiſchen und griedhifhen Rultur an die Araber gejpielt hatte, Bier ift wie fo häufig Sprachgejchichte Rulturgefchichte.

Waren fchon vor Muhammed viele aramäifche Worte für Gegenjtände des Rulturlandes ins Arabijche einge- Orungen, jo beginnt diefer Vorgang mit dem Übertritt der Araber ins Rulturgebiet größere Dimenjionen ans zunehmen und dehnt fich befonders auch auf geiltige Begriffe aus. Selbjt griechifche Worte find oft erjt durch, Vermittlung des Aramäifchen ins Arabifche gedrungen, Die ſprachgeſchichtlich natürliche Anlehnung an das Ara- mäifche, diefe dem Griedhifchen als chriftliche Rulturjprache jener Gebiete ebenbürtige Sprache, bedingt ſchon an jich einen direkten chriftlihen Einfluß!

21

(26)

Dazu kommt aber noch, daß der Ooran jelber, wie wir fahen, die Chriften im Beſitz göttlicher Weisheit gelten läßt, jo daß eine Anlehnung an fie, wie an die Juden, namentlich in der Erklärung des vielen unverjtändlichen Oorans als etwas ganz jelbftverjtändliches erjcheint. Da waren Anjpielungen auf Sagen und Berichte der Thora und des Evangeliums, da berief fih Gott immerfort auf diefe feine früheren Offenbarungen. Was war da na—

türlicher, als diefe Schriften zu ftudieren und bei ihren Be E jigern fi Rat zu erholen. Das Wichtigste aber war, daß die Beſitzer diefer Schriften, Chriften und Juden, meijtens erjtere, zu Taujenden den Islam annahmen, jodaß eine bis vor kurzem chriftlihe, nun muhammedanifche, geijtige Oberjchicht entjtand, deren Mitglieder den alten Muslimen an geijtiger Regjamkeit unendlich überlegen waren und als Lehrer grade die beften arabifchen Elemente an fich zogen.

Ebenfowenig wie nun die wirtjchaftlichen Verhältnifje plöß- lich andre Sragen bieten konnten, ebenjowenig konnten dieje früheren Chriften aus ihrer Gedankenwelt heraus.

Es war eine Naturnotwendigkeit, daß fie ihre bisher chrijt- lichen Srageftellungen an Gott und Welt nunmehr isla=

miſch wandten, daß fie den großen Prozeß der Anpajfung der jungen Wüftenreligion vollzogen. Die chrijtlichen Elemente waren teils direkt teils als Lehrer an diejem Prozeß beteiligt, und die Vorbildlichkeit der überlegenen hriftlihen Rultur war auf wirtfchaftlihem wie geijtigem Gebiet eine Selbjtverjtändlichkeit. So haben die Muham- medaner ihre gejamte Sragejtellung von den Chrijten übernehmen müffen. Das aber bedeutet Idendität der Wurzeln-der ganzen Rultur.

Ich fagte mit Abficht: ihre Sragejftellung, nicht immer die Antwort; denn die mußte in allen den Sällen anders ausfallen, in denen der Qoran mit klaren Worten der rijtlichen Auffaffung des betreffenden Rultur- oder Sitten- problemes widerjprach. Aber felbjt hier haben chriftliche Ideen in die Tradition eindringen und gegen den Wort- laut des Oorans praktifche Bedeutung erlangen können.

Sreilich jind fie dann nicht ohne Widerſpruch geblieben.

Auch bei⸗ gleichgültigen Dingen-hat ſich die Übernahme häufig mit einer gewijjen Polemik vollzogen. Man über-

22

(27)

nahm wohl die Idee des Sonntags, aber man nahm nicht den gleichen Wochentag, man wählte den Sreitag; man hielt wohl, wie die Chrijten, eine große gottesdienftliche Verjammlung ab, man verbot aber die Beiligung des Tages und polemifierte gegen die Sonntagsruhe; nad vollzogenem Gottesdienit jei der Sreitag ein gewöhnlicher Wochentag wie jeder andere. — Wenn aber die gora- nijche Denkweife den geringjten Anklang bot, dann ift bei der Ausbildung folcher Gedanken die zeitgenöffifche chriſtliche Auffafjung bis auf den Wortlaut genau einge- gliedert worden. Das zeigt fi nun nicht nur in Einzel- heiten, fondern in der geſamten Grundauffaffung von Welt und Leben.

ae u

Muhamme?, der religiöfe Bußprediger, war in Me dina zu einem weltlichen Sürjten geworden, defjen welt:

lihe Ordnung der Rechtsverhältniffe gleichzeitig kirchlichen Charakter hatte. Das lag in feiner Stellung als Ge jandter Gottes, dejjen Gemeinde zugleich ein Staat war.

Diefer Tatbejtand führte in feiner theoretifchen Ausbil- dung unmerklich in die Bahnen chrijtlich-kirchlicher Bindung des gefamten Lebens, zu jener Welt: und Lebensanjchaus ung, die wir die mittelalterliche nennen. Man fucht die theologijhe Ausbildung des Syjtems meijt in jenen frommen Rreijen in Medina, die, mit der Verlegung der Rejidenz von Medina nach Damaskus aus dem politischen Leben verdrängt, dort in der Stille ihre Theorie vom is- lamifchen Gottesjtaate ausbilden. Gewiß jind dieſe Rreije maßgebend; aber ebenjo wichtig, wenn nicht wichtiger, find die Profelyten in den eroberten Ländern, die eben zum größten Teil Chriften waren und fchon dadurch ihre arabijchen Rollegen an Bildung und geijtiger Schulung bedeutend überragten. Wenn man nun jieht, wie alle

Detail- und Grundfragen der Einzelgebiete, Recht, Dog- matik, Mvitik, aus chriftliher Anregung fi erklären, wird man wohl nicht zu weit gehen, wenn man die konſe—

- quente Ausbildung der Anjchauungen Muhammeds den- 23

(28)

1) —— a ee 9 — u a —— 4 Te ee er

e \ ; . l Gl SEN — — TE Ar I RA

x She yo k = 3 aleRT ee

3 &

jenigen zufchreibt, die in der Entfaltung des islamifhen Gottesjtaates die Verwirklichung eines von dem Chrijten- tum bis dahin ftets vergebens angejtrebten Ideales er- . blikten. Diefes Ideal aber war die herrſchaft der Re- ligion über das ganze Leben, über alle feine Auße- rungen, über den Staat wie über das Individuum. Die Religion war aber eine Jenfeitsreligion. Alle wirklichen Werte lagen in einer anderen Welt. Das irdifche Dafein war etwas, das überwunden werden mußte. Irdifche Rück- fihten fpielten keine Rolle gegenüber den himmlijchen Die ganze antike Lebensfreudigkeit, der Genuß, die Runit

‚die Mufik, die weltliche Bildung — fie alle waren ver- neint, fie Ronnten nur als Schmuck der Religion gewertet werden. Jede Bandlung des Menfchen wurde nur von dem Gefichtspunkt aus betrachtet, wie fie ihm im Jenjeits angerechnet werden könne. Es war der Geilt der Askefe, der die chriftlihe Welt gefangen hielt, jener Grundge- danke der Weltverneinung, der alle die eigentümlihen Außerungen mittelalterlicher Weltanfchauung erklärt.

Diefer chriftliche Geift hat die Welt als folche nicht aus den Angeln gehoben. Er hat den natürlichen Sort=

pflanzungstrieb des (Menfchen wohl verneinen, aber nicht ausrotten können; er hat die wirtjchaftlihen Rräfte wohl in Seſſeln legen, aber nicht zu vernichten vermodt. Er hat überall fchlieglih zum Rompromiß geführt, aber er hat Jahrhunderte lang als Ideal die Gemüter und in wejentlichen Anſätzen auch die Praxis beherricht.

In diefe Atmofphäre trat nun der junge Islam, deſſen tieffte Wurzeln von chriftlichen Gedanken befruchtet waren, der aber jelbjt troß aller Bußpredigt Muhammeds in jeinen bedeutendften Außerungen etwas Weltfreund- liches, etwas Unasketijches hatte. „Es gibt kein Mönd)- tum im Islam“ lautet ein Wort der Tradition, das aus diefer Tendenz heraus entjtanden. Der Islam hatte den wichtigften Rompromiß, den mit dem Leben, den das Chrijtentum erft ganz allmählich vollzog, bereits in Mu- hammeds Entwicklung jelber geſchloſſen. Dadurh, dag nun der Islam hineintrat in die chriftliche Welt, mußte er dieje Entwicklung zum zweiten Mal durchmachen. Zu—

nächjt wurde er durchfetst von den Gedanken chriftlicher 24

—— ——— —— 2 ENTER —— TE naar BE EN ee u Be a +

ON EN

ae ee

EN 2) PER

Dr ee N SEHON

3 BEER RE ba

a SE Ts aha RR ST Tal a a

(29)

Askeſe; eine unvermeidliche Oppojition erhob ji gegen fie, die fich in Ausjprüche wie den zitierten kleidete. Aber die Predigt Muhammeds hatte doch fo offenkundig diefe Welt zu Ehren der jenfeitigen in den dunkelſten Sarben gemalt, daß troß aller Lebensfreudigkeit der weltlichen Rreije, die asketijchen Gedanken des Chriftentums in allen religiös interefjierten Bevölkerungsjchichten Boden

gewannen. Dadurch ift jene überrafchende Ähnlichkeit der

Weltanſchauung entjtanden, die hier fkizziert werden foll.

Eee a

an in

De

———

TRIER

ao u 1 De dr a 5

N) Er Bunde ee El 2 — J

Im einzelnen herrſcht in den Sormen große Verſchieden⸗

heit. Das Chriftentum hatte einen Rlerus, der Islam nicht;

und troßdem hat der Druck chriftlichen Geiftes auch im Is=

lam einen Rlerikerjtand gejchaffen, der zwar nicht durch Sakramente und Myjterien zwifchen Gott und dem Laien vermittelt, der aber als fittliches Vorbild und Renner des Gejetzes eine ebenjo große Rolle fpielt, wie im Judentum die Schriftgelehrten. Die Einjtimmigkeit diefer Gelehrten hat ebenjo bindende Rraft wie die Beichlüffe des chrijt- lihen Rlerus auf den Ronzilien. Sie find die Vertreter der Gemeinde, die „Reine Übereinjftimmung hat, die ein Irrtum wäre“. Natürli wird im Islam nicht auf Ver- fammlungen abgeftimmt, fondern ſtillſchweigende Einjtim- migkeit angenommen. Tatſächlich ift man damit in der Ausbildung einer Orthodoxie ebenfo weit gekommen, wie im Chriftentum. Alle Dinge, über die fich die ftillfchwei- gende Arbeit der Gelehrten einmal geeinigt hat, find damit von Gott gebilligt, alfo unveränderlich gültig für alle Zeiten. So iſt es 3. B. völlig ausgejchlojfen, mit neuen Gedanken über die Auslegung des Oorans oder der Tradition vor die Gläubigen zu treten; die Gelehrten

— der Rlerus — hat in feiner Einigkeit die Gewißheit, daß die übliche traditionelle Auslegung die gottge=

wollte ift. Wer dächte bei ſolchen Gedankenreihen nicht an die katholifche Rirhe! Es ift auch ganz zweifellos der Geift des orientalifchen Chrijtentums, der hier auf den Islam wirkt. Einen Rlerus im Rultus konnte diefer Geift gegen die frühislamifche Praxis nicht jchaffen, wohl - aber einen Rlerus als Vormund für religiöfes, — und das heißt bei der damaligen Ausdehnung des Religiöjen

— für jegliches Denken.

25

(30)

Das Chriftentum hat ferner die Ehe verneint und erjt im Rompromiß fie geheiligt, der Islam hingegen ſchon im Qoran das Gotteswort vorgefunden: „Verheiratet die von Euch, die unverheiratet find“ (24, 32). Gegen diejen klaren Wortlaut war natürlich eine Verneinung der Ehe, zu der auch der ganze Geijt des Oorans nicht gepaßt hätte, nit zu Ronftruieren. Es finden ſich aljo auch zahlreiche ehefreundlihe Ausfprüche in der Tradition:

„Ein Baus ohne Rinder birgt keinen Segen“. „Der Bauch eines Sohnes ijt wie der Bauch) des Paradiefes.“

„Wenn ein Mann fein Weib (in Fiebe) anblicket und fie ihn, fchaut Gott voll Erbarmen auf jie beide.“ „Zwei Gebete eines Verheirateten find mehr wert als fiebzig eines Unverheirateten“ und wie die zahlreichen Varia=

tionen lauten mögen, mit denen Muhammed die Ehe den Gläubigen empfohlen haben foll. Daneben gibt es nun aber eine faft ebenjo große Anzahl von Worten Mu- hammeds, welche vor der Ehe warnen. Ein direktes Eheverbot ift mir zwar nicht bekannt, wohl aber ernite Warnungen, welche jich dann meift in die Sorm von Ver unglimpfungen des weiblichen Gejchlechtes Rleiden, aber ſchon von der Tradition als folhe Warnungen verstanden werden: „Sürchtet Euch vor der Welt und vor den Wei- bern“. „Deine fchlimmiten Seinde find Dein Weib, das neben Dir ruht, und Deine Ronkubine.“ „Die wenigjten Paradiesbewohner find Weiber.“ „Die Weiber find das Brennholz der Hölle.“ „Sromme Weiber find (felten) wie Raben mit weißen oder roten Beinen und mit rotem Schnabel.“ „Ohne die Weiber ginge der Mann ins Para- dies ein.“ Wir begegnen hier durchaus chrijtlichen Ge- danken. Muhammed hatte die Befriedigung des Ge:

ihlechtstriebes als etwas fo natürlihes und gutes em- pfunden, daß er fie niemandem vorenthalten wiſſen wollte;

die chriftliche .Askefe aber ſah hier die größte Gefahr für das Seelenleben des Gläubigen; und als Ausdruck diefer Auffaffung dürfen wir ſolche Ausfprüche anjehen.

Darunter hatte natürlich das Anjehen der Srau zu leiden.

Ihre Stellung ift in der Tradition eine jo wejentlic) jchlechtere wie im Ooran, daß diefe Anderung nur auf die vor- gefundene Rultur zurückgeführt werden kann. Gewiß

26

Ns E

= a *

ind: Tas

ne Nana hr He an

(31)

>

wurzelt dieſe Vorſtellung von der Minderwertigkeit der Stau im alten Orient, aber fie naht dem Islam im chrift-

— lichen Gewand und verklärt durch die religiöſe Begrün—

dung der chriftlichen Ehefeindichaft.

Wahrſcheinlich hängt mit der chriftlicden Ehefeind- ihaft auch das Verbot des Nackten zujammen; in der alten Rircye durften bloß Geficht, Bände und Süße ficht- bar fein; damit hat man wohl fündigen Gedanken vor:

beugen wollen; zum Teil äußert fich darin auch eine Oppojition gegen die Nacktheit der antiken Welt. Die gleiche Angjt vor dem Nackten herricht oft mit wörtlichen Entjprechungen in der islamifchen Tradition. Pier könnte man zwar an konjequente Weiterbildungen goranijcher - Befehle denken, aber m. €. find dieſe Ausfprühe Mus hammeds ebenfalls von chrijtlicher Weltanfchauung diktiert.

Sie treten häufig auf im Zufammenhang mit Warnungen vor den Öffentlichen Bädern — das ift wohl der bejte Beweis für ihre chrijtlihe Rerkunft: „Ein übles Baus iſt das Bad; man macht in ihm viel Gefchrei und zeigt feine Nacktheit.“ „Sürchtet Euch vor einem Baufe, das Bad- haus heißt; und wenn einer hineingeht, fo foll er fich verhüllen.“ „Wer an Gott glaubt und das jüngjte Gericht, der betritt das Bad nur mit einer Badehofe.“ „Die Nactheit ift uns verboten.“ Auch eine Gejchichte vom Propheten wird erzählt, der bei der Arbeit einmal zufällig nackt war, bis ihn eine himmlijhe Stimme aufforderte, feine Blöße zu bedecken.

LI I 5)

Wir jehen, daß felbjt bei grundverjchiedenen Aus»

gangspunkten eine erjtaunliche Ahnlichkeit ſich zeigt. Eine gewiffe Verjchiedenheit bleibt freilich beftehen. Aber was bedeuten folche Unterjchiede gegenüber der Gleichheit der gejamten Weltanfchauung ? Unjer Urteil über die chrijt- liche Weltanjchauung dgs Mittelalters paßt wörtli auf den Islam. Bier wie dort die Empfindung, in diefer Welt nur als Gaft zu leben. €s lohnt nicht, ſich wohnlich ein- zurichten. Es ift auch Bochmut, für feine Privatwohnung

27

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

o Prüfe Grund- und Aufriss auf Richtigkeit; korrigiere bzw.. ergänze die Risse bei

noch immer, dass auf dem Boden Palästinas unter Garantie der Grossmächte eine solche öffentlich rechtlich gesicherte Heimstätte geschaffen werden kann. Wir aber

Selbstverantwortung: Dies bedeutet, für sich und die eigenen Bedürfnisse Ziele, Werte und Grenzen im Spannungsfeld von Selbstbestim- mung und Fremdbestimmung einzustehen und

Sie stellen Durchschnittswerte dar, die sich auf typische Qualitätsmerkmale von Miet- wohnungen mit einer Wohnungsgröße von 60 m² - 90 m² sowie verschiede- ner Altersklassen

Januar 2007 beschlossenen Fassung (im Folgenden kurz PCGK} sollen die Geschäftsführung und der Aufsichtsrat jeweils jährlich über die Corporate Governance des

Iolauge dumuach wichb Milk gefunden sonduw div has wicht.. schwesiloha Dr we kill vv MWeiry wirdv

auf je A000 Sedo Gdeno.... druckt Yanob., Ware dugo vom d De ob leEs abaenogew, hai ala Het dev Gelendlauge a Fola eu. Urderlagaplatten AU. auf |

[r]