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Analyse Myelin-assoziierter Gentranskription und -expression sowie histopathologische Untersuchungen im Verlauf der Neurotoxokarose histopathologische Untersuchungen im Verlauf der Neurotoxokarose

Im Dokument ZNS-Schädigung durch Toxocara spp. (Seite 23-70)

Heuer, L.1, Beyerbach, M.2, Lühder, F.3, Beineke, A.4, Strube, C.1 (2015): Neurotoxocarosis alters myelin protein gene transcription and expression. Parasitology Research 114, 2175-2186

doi: 10.1007/s00436-015-4407-1

1Institut für Parasitologie, Tierärztliche Hochschule Hannover

2Institut für Biometrie, Epidemiologie und Informationsverarbeitung, Tierärztliche Hochschule Hannover

3Abteilung Neuroimmunologie, Institut für Multiple Sklerose Forschung, Hertie Stiftung;

Max Planck Institut für Experimentelle Medizin, Universitätsmedizin Göttingen

4Institut für Pathologie, Tierärztliche Hochschule Hannover

Abstract:

Neurotoxocarosis is an infection of the central nervous system (CNS) caused by migrating larvae of the common dog and cat roundworms (Toxocara canis and T. cati), which are zoonotic agents. As these parasites are prevalent worldwide and neuropathological and molecular investigations on neurotoxocarosis are scarce, this study aims to characterise nerve fibre demyelination associated with neurotoxocarosis on a molecular level. Transcription of eight myelin associated genes (Cnp, Mag, Mbp, Mog, Mrf-1, Nogo-A, Plp1, Olig2) was determined in the mouse model during six time points of the chronic phase of infection using qRT-PCR. Expression of selected proteins was analysed by Western Blotting or immunohistochemistry. Additionally, demyelination and neuronal damage were investigated histologically. Significant differences (p≤0.05) between transcription rates of T. canis-infected and uncanis-infected control mice were detected for all analysed genes while T. cati affected five of eight investigated genes. Interestingly, 2’, cyclic nucleotide 3’-phosphodiesterase (Cnp) and myelin oligodendrocyte glycoprotein (Mog) were up-regulated in both T. canis- and T. cati-infected mice preceding demyelination. Later CNPase expression was additionally enhanced. As expected, myelin basic protein (Mbp) was down-regulated in cerebra and cerebella of T. canis-infected mice when severe demyelination was present 120

to reflect direct traumatic and hypoxic effects of larval migration as well as secondary processes including host immune reactions, demyelination and attempts to remyelinate damaged areas.

Erklärung über den eigenen Anteil an der Publikation:

Konzept, Versuchsplanung: Christina Strube

Experimentelle Durchführung: Lea Heuer, Martin Beyerbach, Fred Lühder

Diskussion, Beratung: Lea Heuer, Martin Beyerbach, Andreas Beineke, Fred Lühder, Christina Strube

Manuskript, Korrespondenz: Lea Heuer, Christina Strube

auf murine ZNS-Zelllinien und Brain Slice-Kulturen

Heuer, L.1, Händel, S.1, Beineke, A.2, Strube, C.1 (2015): Effects of Toxocara larvae on brain cell survival by in vitro model assessment. Parasitology 142, 1326-1334

doi: 10.1017/S0031182015000694

1Institut für Parasitologie, Tierärztliche Hochschule Hannover

2Institut für Pathologie, Tierärztliche Hochschule Hannover

Abstract:

Neuroinvasive larvae of the common dog and cat roundworms, Toxocara canis and T. cati, may cause severe neurological and neuropsychological disturbances in humans. Despite their pathogenic potential and high prevalence worldwide, little is known about their cell-specific influences and cerebral host-pathogen interactions in neurotoxocarosis. To address this discrepancy, a co-culture system of viable larvae with murine neuronal (CAD), oligodendrocytal (BO-1) and microglial (BV-2) cell lines has been established. Additionally, murine adult brain slices have been co-cultured with Toxocara larvae to consider complex organotypic cell-cell interplay. Cytotoxicity of larval presence was measured enzymatically and microscopically. Microscopic evaluation using trypan blue exclusion assay revealed to be less reliable and sensitive than the lactate dehydrogenase (LDH) activity assay. Ultimately, even low numbers of both T. canis and T. cati larvae impaired survival in differentiated CAD cells, which morphologically resemble primary neurons. In contrast, viability of oligodendrocytal and microglial cells as well as brain slices was not impaired by larval presence. Therefore, immune-mediated mechanisms or trauma by migrating larvae presumably induce the in vivo pathology rather than acute cytotoxic effects. Conclusively, the helminthic larvae co-culture system presented here is a valuable in vitro tool to study cell specific effects of parasitic larvae and their products.

Erklärung über den eigenen Anteil an der Publikation:

Konzept, Versuchsplanung: Christina Strube, Andreas Beineke Experimentelle Durchführung: Lea Heuer, Sabine Händel

Diskussion, Beratung: Lea Heuer, Andreas Beineke, Christina Strube Manuskript, Korrespondenz: Lea Heuer, Christina Strube

Diskussion

Die Neurotoxokarose ist eine Erkrankung, die als Folge einer Infektion mit dem zoonotischen Hunde- bzw. Katzenspulwurm (Toxocara canis bzw. T. cati) auftreten kann. Als Konsequenz der Persistenz und Wandertätigkeit der dritten Larven im menschlichen Gehirn können Parenchymschäden und infolge dessen neurologische, neuromotorische sowie kognitive Ausfallserscheinungen auftreten. Histopathologisch ist die Demyelinisierung im Zuge chronischer, T. canis-induzierter Neurotoxokarose wiederholt im Mausmodell beschrieben worden (DOLINSKY et al. 1985; LOHMANN et al. 1989; EPE et al. 1994; JANECEK et al. 2014).

Darüber hinaus wird die ätiologische Beteiligung dieser Erkrankung bei neurodegenerativen Erkrankungen diskutiert (SÖNDERGAARD u. THEORELL 2004; LIAO et al. 2008b). Dennoch sind umfassende histopathologische und molekulare Untersuchungen, die sich nicht nur auf T. canis-induzierte Neurotoxokarose beschränken, sondern auch T. cati als möglichen Auslöser dieser Erkrankung berücksichtigen, bislang nur unzureichend erfolgt. Zur molekularen Charakterisierung der Demyelinisierung im Rahmen der T. canis- und T. cati-induzierten Neurotoxokarose wurden daher Transkriptions- und Expressionsmuster ausgewählter Myelingene im Infektionsverlauf ermittelt.

Molekulare Veränderungen und Demyelinisierung in vivo

Neben den zwei Haupt-Myelinproteinen myelin basic protein (MBP) und proteolipid protein (PLP), die zusammen etwa 80 % aller ZNS-Myelinproteine ausmachen (BAUMANN u.PHAM -DINH 2001), wurden in der vorliegenden Arbeit auch quantitativ untergeordnete Myelinkomponenten wie 2’, 3’-cyclic nucleotide 3’-phosphodiesterase (CNPase), myelin-associated glycoprotein (MAG) und myelin oligodendrocyte glycoprotein (MOG) analysiert.

Ermittelte Differenzen in Transkriptions- und Expressionsmustern der Infektions- und Kontrollgruppen erscheinen auf den ersten Blick gering. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass Gesamthemisphären und nicht nur veränderte Areale der Analyse zugeführt wurden. Da Neurotoxokarose-assoziierte Läsionen fokal oder multifokal auftreten, aber nicht das gesamte Hirngewebe in Mitleidenschaft ziehen, war der Anteil an unverändertem Hirngewebe im Vergleich zu den pathologisch veränderten Arealen überrepräsentiert. Auf Grund der ermittelten Transkriptions- und Expressionsmuster der Myelingene sollte in

Betracht gezogen werden, dass die beobachteten Veränderungen auf Gen- und Proteinebene pathogenetisch eventuell nicht allein auf Prozesse der De- bzw. Remyelinisierung zurückgeführt werden können. Beispielsweise war die Cnp-Transkription in Groß- und Kleinhirnen T. canis- und T. cati-infizierter Mäuse an Tag 28 pi erhöht und ging damit der histologisch manifesten Demyelinisierung (Tag 70 pi) deutlich voraus. Zwar ist anzunehmen, dass die molekularen vor den histopathologischen Veränderungen evident werden, dennoch können diese Veränderungen auch in einem kausalen Zusammenhang mit anderen, der Demyelinisierung zeitlich vorangegangenen Ereignissen, stehen. Solche Ereignisse könnten multifokale Traumen, Hypoxien und die Akkumulation von Makrophagen darstellen, denn bereits circa zwei bis drei Tage nach oraler Infektion erreichen Toxocara-Larven durch Perforation von Gefäßwänden das Gehirn (KOLBEKOVÁ et al. 2011; JANECEK et al. 2014).

Infolge dessen auftretende Hämorrhagien und Migration der Larven im Gewebe führen zur Schädigung des Parenchyms (PEPPERSACK 1981; HORN 1983; LOHMANN et al. 1989;

CARDILLO et al. 2009; JANECEK et al. 2014). Zusätzlich ist die Blut-Hirn-Schranke über Wochen nach einer T. canis-Infektion geschädigt und hirnverletzungsassoziierte Biomarker sind auf mRNA und Proteinebene aufreguliert (LIAO et al. 2008a; LIAO et al. 2008b). Im Zusammenhang mit traumatischen Hirnverletzungen ist außerdem ein Anstieg der CNPase-Expression in Mikrogliazellen beschrieben worden (YANG et al. 2014). Es wird angenommen, dass CNPase das Neuroparenchym nach traumatischen Hirnverletzungen schützt, indem dieses Enzym das mitochondriale Toxin 2‘, 3‘-cAMP zu Adenosin, einem Neuroprotektor, umsetzt (VERRIER et al. 2013). Eine gesteigerte Cnp-Transkriptionsaktivität, wie hier für Neurotoxokarose beschrieben, ist auch bei Mäusen nach Infektion mit Angiostrongylus cantonensis - wie T. canis und T. cati ein zoonotischer, parasitischer Nematode - an Tag 20 und 25 pi beschrieben worden (LIN u. LAI 2009). Gleichzeitig trat dabei eine erhöhte CNPase-Expression im Liquor cerebrospinalis auf. Daher stellten die Autoren die Hypothese auf, dass CNPase nach Zerstörung der Myelinscheiden freigesetzt werde und infolge dessen vermehrt vorhanden sei. Ab Tag 70 pi ist die Demyelinisierung bei T. canis-infizierten Mäusen in der vorliegenden Arbeit histologisch nachweisbar. Initial tritt im Zuge von Demyelinisierungen ein starkes Absinken der mRNA-level von Myelinproteinen wie MBP und MAG (MORELL et al. 1998) sowie der Expressionslevel von MBP, PLP, CNPase und MOG auf (LINDNER et al.

2008). Gleichzeitig wurde gezeigt, dass die Expression von MBP, PLP und CNPase während der Remyelinisierung schnell wieder ansteigt (LINDNER et al. 2008). Eine Aufregulierung von

Mbp an Tag 70 pi mit gleichzeitiger Abregulierung von Plp1 und Mog in den Kleinhirnen T.

canis-infizierter Mäuse könnte daher Ausdruck einer Demyelinisierung mit beginnender Remyelinisierung sein. Remyelinisierungsprozesse könnten sich auch in den beobachteten Proteinexpressionsprofilen widerspiegeln. Diese Profile korrespondierten nicht direkt mit den entsprechenden Transkriptionsmessungen, da post-transkriptionale, translationale Regulationsvorgänge und Prozesse der Proteindegeneration ebenfalls die messbaren Proteinmengen beeinflussen (VOGEL u. MARCOTTE 2012). So war an Tag 98 und 120 pi, als Demyelinisierungen bei T. canis-, nicht aber bei T. cati-infizierten Mäusen histologisch evident waren, MBP in den Großhirnen T. canis- und T. cati-infizierter Mäuse angereichert.

Da auch die CNPase-Expression an Tag 98 pi in den Kleinhirnen T. cati-, nicht aber T. canis-infizierter Mäuse erhöht war, kann vermutet werden, dass T. cati-induzierte Prozesse zwar stattfinden, jedoch in den untersuchten Gewebeschnitten histologisch noch nicht nachweisbar waren. An Tag 150 pi war das CNPase-Expressionsniveau deutlich erhöht, während gleichzeitig in beiden Infektionsgruppen histologisch eine Myelinzerstörung bestätigt wurde.

Neben De- und Remyelinisierung könnte eine erhöhte Mbp-Transkription und -Expression auch durch multifokale Ischämien, bedingt durch migrierende Larven oder immunvermittelte Mechanismen, hervorgerufen werden. So ist der Verschluss zerebraler Gefäße bei humaner Toxokarose beschrieben worden (SOMMER et al. 1994) und MBP wird in Peri-Infarkt-Regionen während fokaler zerebraler Ischämien nachweislich aufreguliert (GREGERSEN et al.

2001). Myelingene sind zudem während der Mikroglia-Makrophagen-Aktivierung und deren Akkumulation in Peri-Infarkt-Regionen maximal exprimiert. Entzündungszellen und Mediatoren stimulieren daher möglicherweise die Transkription von Myelingenen (GREGERSEN et al. 2001). Im Einzelnen wurde die Ansammlung von Mikroglia und Makrophagen mit einer Aufregulierung von Mbp- und Mag-mRNA assoziiert (MORELL et al.

1998). Auch im Zuge der Neurotoxokarose wurden in der vorliegenden Arbeit solche Ansammlungen von Makrophagen (Gitterzellen) bei T. canis-infizierten Mäusen ab Tag 70 pi beobachtet und waren von erhöhten Mbp- und Mag-Transkriptionsraten begleitet. In Assoziation mit Gitterzell-Ansammlungen wurden hier immunhistologisch auch β-APP-positive Axone detektiert, wodurch Ergebnisse von LIAO et al. (2008b) bestätigt werden konnten. Die Autoren hatten nach T. canis-Infektion bei B6-Mäusen einen Anstieg von β-APP auf mRNA- und Proteinebene nachgewiesen. Solche intraaxonalen β-APP-Akkumulationen sind etablierte Marker zur Frühdiagnostik von Axonopathien. Sie werden beispielsweise bei

forensischen Fällen von diffusen Axonverletzungen im Rahmen des sogenannten „shaken baby“-Syndroms detektiert (GLECKMAN et al. 1999; BLENNOW et al. 2012). Darüber hinaus ist eine vermehrte Expression von β-APP funktionell in die posttraumatische Regeneration involviert (BLENNOW et al. 2012). Interessanterweise ist bei T. canis-infizierten Mäusen auch Tgfβ-1, der die Neuritenregeneration in vitro fördert (KNÖFERLE et al. 2010) und während der Rekrutierungsphase der Remyelinisierung ansteigt (HINKS u. FRANKLIN 1999), aufreguliert (LIAO et al. 2008b; JANECEK et al. 2015). Bemerkenswert ist auch, dass in der vorliegenden Arbeit oligodendrocyte transcription factor 2 (Olig2), ein Marker von Oligodendrozyten-Vorläuferzellen [oligodendrocyte precursor cells (OPCs)], in Kleinhirnen T. cati-infizierter Mäuse an Tag 70 pi auf-, in den Großhirnen beider Infektionsgruppen hingegen an Tag 98 pi ab- und schließlich an Tag 120 pi in Kleinhirnen T. canis-infizierter Mäuse (2000 Eier) wieder aufreguliert war. An Zeitpunkt 120 pi zeigten Mäuse, die mit nur 1000 embryonierten T. canis-Eiern infiziert worden waren, eine signifikant geringere Olig2-Transkriptionsrate als solche, die mit der höheren Dosis von 2000 Eiern infiziert worden waren. Dies könnte das Resultat einer möglichen, untenstehend näher diskutierten, „Dosisabhängigkeit“ Toxocara-vermittelter Hirnschädigung sein. Alternierende Auf- und Abregulierungen der Olig2-Transkription bei infizierten Mäusen illustrieren möglicherweise De- und Remyelinisierung im Verlauf der Neurotoxokarose, denn eine Aufregulation von Olig2 könnte auf eine vermehrte Proliferation der OPCs im Gehirn oder auf ein gesteigertes Transkriptionsniveau dieses Markers in OPCs hindeuten. Dies wurde häufig in Tiermodellen der Demyelinisierung beobachtet, in denen die Anzahl der OPCs und die Expression von Olig2-mRNA als Konsequenz der Demyelinisierung massiv ansteigt und während der Remyelinisierung wieder abfällt, was auf die Reifung der OPCs zu myelinisierenden Oligodendrozyten zurückgeführt wird (BLAKEMORE u. KEIRSTEAD 1999; KUHLMANN u. BRÜCK 2010; ZHAO et al. 2005). An Tag 98 pi ist gleichzeitig auch der myelin gene regulatory factor-1 (Mrf-1), ein Regulator der MBP-Expression in Oligodendrozyten (HAQUE et al. 1994), in Großhirnen aufreguliert.

Zusammengenommen scheinen diese Ergebnisse eine fortwährende Rekrutierung und Differenzierung von OPCs in reife Oligodendrozyten während der Demyelinisierungsphase der Neurotoxokarose widerzuspiegeln. Überraschenderweise wurden erste Veränderungen der Olig2-Transkription in Kleinhirnen T. cati-infizierter Mäuse beobachtet, während klinisch und histologisch T. canis-infizierte Mäuse deutlich stärker von Demyelinisierungen betroffen zu sein schienen. Eine mögliche Erklärung für diesen frühen Effekt auf OPCs im Kleinhirn

T. cati-infizierter Tiere, könnte die kürzlich beschriebene zerebellare Migrationspräferenz T. catis sein (JANECEK et al. 2014). Darüber hinaus könnte eine frühere Aktivierung der OPCs während der T. cati-Infektion histologische oder klinische Zeichen einer Demyelinisierung reduzieren oder ihnen vorbeugen, wodurch zu erklären wäre, warum diese Tiere im Vergleich zu T. canis-infizierten Tieren erst später im Infektionsverlauf klinische Symptome und histologisch nachweisbare Demyelinisierungen entwickeln. Eine andere, naheliegende Begründung für diese Unterschiede zwischen den Infektionsgruppen könnte die geringere Anzahl von T. cati-Larven im Gehirn der Mäuse sein, da die Larven hauptsächlich in der Muskulatur akkumulieren (SPRENT 1955; SPRENT 1956; SPRENT 1958; CARDILLO et al. 2009;

JANECEK et al. 2014). Hieraus resultieren im Vergleich zu T. canis weniger ausgeprägte neuropathologische Effekte. Andere Gene, wie Mag, sind ausschließlich in Groß- und Kleinhirnen T. canis-infizierter Mäusen differentiell transkribiert. Aufregulierungen von Mag wurden sieben Tage nach traumatischen Hirnverletzungen nachgewiesen (ISRAELSSON et al.

2014). Da MAG eine Tyrosinkinase namens Fyn aktiviert, die in Myelinsynthese und Oligodendrozytendifferenzierung involviert ist (UMEMORI et al. 1994; OSTERHOUT et al.

1999), scheint seine Aufregulierung zu verstärkter Myelinproduktion beizutragen. Außerdem hemmt MAG das Auswachsen von Neuriten nach ZNS-Läsionen (BAUMANN u. PHAM-DINH

2001). Gemeinsam mit der Aufregulierungen der Cnp-Transkription und -Expression unterstützt die Aufregulierung von Mag die Annahme, dass Traumata eine Rolle im Prozess der chronischen Neurotoxokarose spielen könnten. Die Transkription des neurite outgrowth inhibitor-A (NOGO-A), eines weiteren wichtigen Neuriten-Auswuchsinhibitors, war nur zu einem Zeitpunkt, nämlich an Tag 98 pi, in Kleinhirnen T. canis-infizierter Mäuse abreguliert.

Da NOGO-A ein verlässlicher Marker für reife Oligodendrozyten ist (KUHLMANN et al.

2007), könnte diese verminderte Transkription das Resultat einer Depletion dieser Zellen im Zuge der Demyelinisierung sein. Eine solche Depletion von reifen Oligodendrozyten konnte parallel zur Transkriptionsänderung immunhistologisch in Demyelinisierungsherden bestätigt werden. Zur Ätiologie dieser fortschreitenden Demyelinisierung lassen sich verschiedene Hypothesen formulieren: Da Larven jahrelang im Wirtsgewebe vital sind, nicht vom Immunsystem eliminiert werden und mobil bleiben (SPRENT 1955; BEAVER 1956; HORN

1983; PEPPERSACK 1981;LOHMANN et al. 1989; KAYES 1997), könnte sich die Gesamtfläche, die von Primärläsionen, nachfolgenden Immunreaktionen und Demyelinisierung betroffen ist, mit der Zeit progressiv ausweiten. Andererseits wäre auch das eigentliche Ausmaß der

Demyelinisierungen, die als Folge initialer Prozesse wie Gefäßwandzerstörungen beim Eindringen der Larven ins ZNS entstehen könnten, erst später im histologischen Schnitt sichtbar. Ungeachtet dessen scheint die Abregulierung von Cnp, Mbp und Mog zum Zeitpunkt 120 pi bei T. canis-infizierten Mäusen die Folge ausgedehnter Demyelinisierungen zu sein. In Klein- und Großhirnen T. cati-infizierter Mäuse ist Cnp später, nämlich an Tag 150 pi, abreguliert. Da T. cati-Larven hauptsächlich in der Muskulatur und nur zu geringen Anteilen im Gehirn akkumulieren (CARDILLO et al. 2009; JANECEK et al. 2014), kann davon ausgegangen werden, dass histologische und klinische Zeichen der Demyelinisierung erst später im Verlauf der Infektion evident werden. Ausmaß und zeitlicher Verlauf der Hirnschäden scheinen also direkt mit der Anzahl der Larven im ZNS zu korrelieren. Diese

„Dosis-Wirkungsbeziehung“ konnte in der Vergangenheit bereits mit verschiedenen Infektionsdosen von T. canis in Mäusen demonstriert werden (LOHMANN et al. 1989) und zeigt sich auch darin, dass die Neurotoxokarose bei T. canis-infizierten Mäusen deutlich schneller voranschreitet als bei T. cati-infizierten. Denn T. canis-Larven migrieren erwiesenermaßen in größerer Zahl in das murine Gehirn (SPRENT 1955; JANECEK et al. 2014).

Andere Autoren konnten die Dosisabhängigkeit klinischer Symptome im Rahmen der Neurotoxokarose nicht bestätigen, da im Vergleich verschiedener In- und Auszuchtstämme von Mäusen, derjenige Stamm mit der größten Larvenbelastung im Gehirn die niedrigste Morbidität und Mortalität aufwies (EPE et al. 1994). Der Einfluss stammabhängiger immunassoziierter Mechanismen ist somit evident, die Autoren führten jedoch keine graduellen Dosis-Versuche innerhalb eines Stammes analog zu LOHMANN et al. (1989) durch.

Eine Dosis-Wirkungsbeziehung innerhalb einer immunologisch identischen Population bleibt somit durchaus wahrscheinlich. Histologisch sind Demyelinisierungen im Zuge der Neurotoxokarose ab Tag 42 pi beschrieben worden (JANECEK et al. 2014). In der vorliegenden Studie waren Demyelinisierungen im Kleinhirn und im Corpus callosum an Tag 70 pi nachweisbar. Die Dosisabhängigkeit der Toxocara-induzierten ZNS-Pathologie zeigt sich in der vorliegenden Arbeit auch in Unterschieden der Myelinprotein-Expression zwischen den Gruppen, die mit 2000 und jenen, die mit 1000 infektiösen T. canis-Eiern infiziert worden sind. In der mit der höheren Dosis infizierten Gruppe war die Transkription von Mog im Großhirn, der Prädilektionsstelle der T. canis-Larven (JANECEK et al. 2014), an Tag 120 pi geringer. Dies deutet auf einen stärkeren Verlust reifer Oligodendrozyten hin. Gleichzeitig ist die Transkription von Olig2 in Groß- und Kleinhirnen dieser Gruppe im Vergleich zu allen

anderen Gruppen inklusive jener mit der geringeren T. canis-Infektionsdosis aufreguliert.

Vermutlich ist dies Ausdruck der verstärkten Rekrutierung von OPCs parallel zur fortschreitenden Demyelinisierung. Eine allgemeine, gleichsinnige Auf- oder Abregulierung aller untersuchten Myelingene kann zu keinem Zeitpunkt erwartet werden, da die Neurotoxokarose eine chronische Erkrankung mit multifokalen Mikroläsionen unterschiedlicher Entstehungszeitpunkte darstellt. De- und Remyelinisierungen laufen somit zeitlich parallel ab. Zusätzlich sind die in der vorliegenden Arbeit erhobenen Daten vermutlich auch Ausdruck anderer, unbekannter Funktionen der Myelinproteine, die mehr als nur bloße Bausteine der Myelinscheiden sind. So wurde kürzlich ein möglicher ätiologischer Zusammenhang zwischen einer abnormalen Myelinexpression von Cnp und Olig2 und neuropsychiatrischen Erkrankungen wie Depression und Schizophrenie hergestellt (GEORGIEVA et al. 2006; HUANG et al. 2008; HAGEMEYER et al. 2012). Da sowohl T. canis als auch T. cati die Transkription und Expression dieser Gene beeinflussen, bleibt Raum für Hypothesen bezüglich der Rolle dieser Parasiten im Hinblick auf psychiatrische Erkrankungen. Ein solcher möglicher Zusammenhang wurde bereits in verschiedenen Arbeiten diskutiert (vgl. RICHARTZ u. BUCHKREMER 2002; MARMOR et al. 1987).

Jedoch sind nicht nur die Folgen der Toxocara-induzierten Demyelinisierungen und ZNS-Schädigungen, sondern auch ihre genauen Ursachen noch immer unklar. Mechanische Effekte der larvalen Migration durch das Parenchym spielen dabei sicherlich ebenso eine Rolle wie immunvermittelte Prozesse (PEPPERSACK 1981; HORN 1983; LOHMANN et al. 1989; JANECEK

et al. 2015). Mögliche Auswirkungen larvaler exkretorisch/sekretorischer (TES) Produkte auf Zellen des ZNS wurden in diesem Zusammenhang bislang jedoch vernachlässigt. Zwar stellten schon DOLINSKY et al. (1985) Spekulationen über die Produktion neurotoxischer Substanzen durch Toxocara-Larven an, Untersuchungen hierzu sind allerdings bis heute nur marginal existent. Durch Etablierung einer Ko-Kultur lebender Toxocara-Larven mit verschiedenen murinen ZNS-Zelllinien und Brain Slices wurde im zweiten Teil dieser Arbeit die Grundlage zur Beurteilung zytotoxischer und anderer zellspezifischer Effekte dieser Nematoden geschaffen. Tatsächlich verdichteten sich bei Vitalitätsprüfung der ko-kultivierten Zellen die Hinweise auf mögliche neurotoxische Effekte des larvalen ES-Antigens, was nachfolgend ausgeführt werden soll.

Effekte lebender Toxocara-Larven auf ZNS-Zellen und Brain Slices in vitro Im Verlauf der Neurotoxokarose entwickeln insbesondere T. canis-infizierte Mäuse zentralnervöse Ausfallerscheinungen und schwerwiegende pathohistologische Veränderungen des Gehirns (PEPPERSACK 1981; HORN 1983; LOHMANN et al. 1989; EPE et al. 1994). Obwohl Läsionen überwiegend in der weißen Substanz nachgewiesen (SUMMERS et al. 1983;

DOLINSKY et al. 1985) und sowohl Demyelinisierungen als auch Neuronenschädigungen bei T. canis-infizierten Mäusen beobachtet wurden (LOHMANN et al. 1989), gibt es kaum Informationen bezüglich der Sensitivität einzelner ZNS-Zelltypen gegenüber Toxocara-Larven bzw. deren freigesetzten Produkten. Umfassende Zellkultur-basierte Verfahren zur Untersuchung der durch Larven von Toxocara spp. induzierten Neuropathologie sind bisher nicht beschrieben worden. Die einzigen ZNS-Zellen, die in diesem Zusammenhang bislang untersucht wurden, sind Astrozyten. Hier löste die Zugabe von T. canis-TES Apoptose aus (HSIAO et al. 2013). Dahingegen ist der Effekt von T. cati-TES ebenso wie die Reaktion andere ZNS-Zellpopulationen auf TES oder Toxocara-Larven selbst völlig unbekannt. Unter Berücksichtigung der oben geschilderten pathohistologischen Veränderungen wurden im Rahmen der vorliegenden Arbeit oligodendrozytäre (BO-1), neuronale (CAD) und mikrogliale (BV-2) Zelllinien sowie Brain Slice-Kulturen zur Ko-Kultivierung mit lebenden Toxocara-Larven ausgewählt. Mit der erfolgreichen Etablierung einer Ko-Kultur aus lebenden T. canis- bzw. T. cati-Larven mit murinen ZNS-Zelllinien oder Brain Slices wurde

DOLINSKY et al. 1985) und sowohl Demyelinisierungen als auch Neuronenschädigungen bei T. canis-infizierten Mäusen beobachtet wurden (LOHMANN et al. 1989), gibt es kaum Informationen bezüglich der Sensitivität einzelner ZNS-Zelltypen gegenüber Toxocara-Larven bzw. deren freigesetzten Produkten. Umfassende Zellkultur-basierte Verfahren zur Untersuchung der durch Larven von Toxocara spp. induzierten Neuropathologie sind bisher nicht beschrieben worden. Die einzigen ZNS-Zellen, die in diesem Zusammenhang bislang untersucht wurden, sind Astrozyten. Hier löste die Zugabe von T. canis-TES Apoptose aus (HSIAO et al. 2013). Dahingegen ist der Effekt von T. cati-TES ebenso wie die Reaktion andere ZNS-Zellpopulationen auf TES oder Toxocara-Larven selbst völlig unbekannt. Unter Berücksichtigung der oben geschilderten pathohistologischen Veränderungen wurden im Rahmen der vorliegenden Arbeit oligodendrozytäre (BO-1), neuronale (CAD) und mikrogliale (BV-2) Zelllinien sowie Brain Slice-Kulturen zur Ko-Kultivierung mit lebenden Toxocara-Larven ausgewählt. Mit der erfolgreichen Etablierung einer Ko-Kultur aus lebenden T. canis- bzw. T. cati-Larven mit murinen ZNS-Zelllinien oder Brain Slices wurde

Im Dokument ZNS-Schädigung durch Toxocara spp. (Seite 23-70)