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2.3.1 Klinische und soziodemographische Daten

Aus den in der nervenfachärztlichen Gemeinschaftspraxis geführten Patientenakten wurden folgende klinisch-behaviorale Parameter extrahiert:

→ EDSS (Expanded Disability Status Scale)

→ Alter bei Diagnosestellung

→ Erkrankungsdauer (Zeitspanne von Diagnosestellung bis OCT-Untersuchung)

→ Anzahl der Schübe bis zum Zeitpunkt der OCT-Untersuchung

→ Medikation zum Zeitpunkt der OCT-Untersuchung

2.3.1.1 Expanded Disability Status Scale (EDSS)

Die Expanded Disabilitiy Status Scale nach John F. Kurtzke aus dem Jahre 1983 ist eine Weiterentwicklung der Disability Status Scale (DSS) und stellt eine Skala zur Beurteilung des Ausmaßes der Behinderung durch Multiple Sklerose dar. Sie erfasst folgende sieben funktionellen Systeme, die jedes für sich während der neurologischen Untersuchung beurteilt werden: [63]

1. Pyramidenbahn (z.B. Lähmungen) 2. Kleinhirn (z.B. Ataxie, Tremor)

3. Hirnstamm (z.B. Sprach-/Schluckstörungen, Nystagmen) 4. Sensorium (z.B. Verminderung des Berührungssinnes)

5. Blasen- und Mastdarmfunktion (z.B. imperativer Harndrang, Inkontinenz) 6. Sehfunktion (z.B. Gesichtsfeldeinschränkung - Skotom, Visusverlust) 7. Zerebrale Funktionen (z.B. kognitive Störung, Depression)

Innerhalb der EDSS erfolgt die Einteilung der Schweregrade nach der in Tabelle 3 beschriebenen, von 0 (normal) bis 10 (Tod durch MS) reichenden Skala. Die EDSS wird zur Beurteilung der Krankheitsaktivität, zur Stadieneinteilung und zur Verlaufsbeurteilung genutzt. Weiterhin hat sie sich in der neurologischen Beurteilung, insbesondere im Hinblick auf Studien, etabliert, wird jedoch auch kontrovers diskutiert, da sie dem motorischen System eine überproportionale Priorität beimisst. [13]

Tabelle 3: Expanded Disability Status Scale (EDSS) nach Kurtzke (1983) [63]

Grad der Beeinträchtigung und definierende Beschreibung, mäßiggradige Behinderung ab EDSS ≥ 3 Grad Beschreibung

0.0 normaler neurologischer Untersuchungsbefund

1.0 keine Behinderung, geringfügige Störung in einem funktionellen System

1.5 keine Behinderung, geringfügige Störung in mehr als einem funktionellen System 2.0 leichte Behinderung in einem funktionellen System

2.5 leichte Behinderung in mehr als einem funktionellen System

3.0 mäßige Behinderung in einem funktionellen System, oder leichte Behinderung in drei oder vier funktionellen Systemen, aber volle Gehfähigkeit

3.5 mäßige Behinderung in zwei funktionellen Systemen, und leichte Behinderung in einem oder zwei funktionellen Systemen, aber volle Gehfähigkeit

4.0 gehfähig ohne Hilfe und Ruhepause für mindestens 500 Meter, am Tag während 12 Stunden aktiv trotz relativ schwerer Behinderung

4.5 gehfähig ohne Hilfe und Ruhepause für mindestens 300 Meter, ganztägig arbeitsfähig, aber mit gewissen Einschränkungen wegen relativ schwerer Behinderung

5.0 gehfähig ohne Hilfe und Ruhepause für mindestens 200 Meter, Behinderung schwer genug, um tägliche Aktivität zu beeinträchtigen

5.5 gehfähig ohne Hilfe und Ruhepause für mindestens 100 Meter, Behinderung schwer genug, um tägliche Aktivität zu verhindern

6.0 mit einseitiger oder zeitweiliger Unterstützung ohne Ruhepause gehfähig für etwa 100 Meter 6.5 mit dauernder, beidseitiger Unterstützung ohne Ruhepause gehfähig für etwa 20 Meter 7.0 unfähig, auch mit Unterstützung, mehr als 5 Meter zu gehen; weitgehend an den Rollstuhl

gebunden, der ohne Hilfe benutzt werden kann

7.5 unfähig, mehr als ein paar Schritte zu gehen; an den Rollstuhl gebunden, der mit Hilfe benutzt wird 8.0 weitgehend an Bett oder Rollstuhl gebunden, pflegt sich weitgehend selbstständig mit meist gutem

Gebrauch der Arme

8.5 auch während des Tages weitgehend ans Bett gebunden, teilweise selbstständige Pflege mit teilweise nützlichem Gebrauch der Arme

9.0 Bettlägerigkeit, aber Nahrungsaufnahme und Verständigungsvermögen erhalten 9.5 Völlige Hilflosigkeit mit gestörter Nahrungsaufnahme und Verständigung

10.0 Tod durch MS

2.3.2 Neuropsychologische Testung

Die neuropsychologische Testung erfolgte zur differenzierten Prüfung kognitiver Dysfunktionen. Die erfassten Hirnleistungsdomänen, in denen mutmaßlich Defizite erwartet wurden, waren das Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnis, das planerische und problemlösende Denken (Exekutivfunktionen), sowie die allgemeine Gedächtnisleistung und Aufmerksamkeit. Die Leistungsbereiche verbale und non-verbale Merkspanne repräsentieren das Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnis und wurden durch die Tests Digit Span und Block-Tapping-Test abgebildet, die Exekutivfunktion durch den Turm von London (ToL) und die Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsleistung durch den computergestützten Merk- und Aufmerksamkeitstests (MAT). [4] Die Testbatterie wurde vorzugsweise am Vormittag durchgeführt, um circadiane Schwankungen der kognitiven Leistungsfähigkeit auf ein Minimum zu reduzieren. Die Reihenfolge der Tests war bei jedem Patienten identisch. Die Auflistung der nachfolgend beschriebenen Tests entspricht dabei der Testreihenfolge.

2.3.2.1 Leistungsdomäne „Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnis“

Die Leistungsdomäne „Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnis“ wurde durch die verbale und non-verbale Merkspanne abgebildet.

2.3.2.1.1 „Verbale Merkspanne“

Die „Verbale Merkspanne“ dient der Überprüfung des verbalen Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnis. Sie wurde durch den „Digit Span“ abgebildet; einem etablierten neuropsychologischen Test zur Erhebung der Verbalen Merkspanne (Zahlenspanne, ZS).

Der „Digit Span“ erfolgt in zwei Durchgängen gemäß Aufgabenblatt.

Im ersten Durchgang werden zur Testung des verbalen Kurzzeitgedächtnisses Zahlenreihen vorgesprochen, die vorwärts wiedergegeben werden sollen. Begonnen wird mit einer Sequenz von drei Zahlen. Jede Testsequenz wird zweimal abgeprüft, wobei sich die erste und zweite Testsequenz voneinander unterscheiden. Eine Steigerung der Testsequenzen erfolgt sukzessive auf bis zu acht Zahlen an. Der Durchgang endet, wenn beide Abfolgen einer Testsequenz nicht korrekt wiedergegeben werden. Anschließend wird mit dem zweiten Durchgang fortgefahren.

Im zweiten Durchgang sind zur Prüfung des verbalen Arbeitsgedächtnisses die vorgesprochenen Zahlenreihen rückwärts wiederzugeben. Die Testsequenz beginnt bei zwei Zahlen. Ebenfalls wird jede Testsequenz, die sich ebenfalls voneinander unterscheiden, zweimal abgerufen. Eine Steigerung erfolgt auf bis zu sieben Zahlen. Auch dieser Durchgang endet, wenn beide Abfolgen einer Testsequenz nicht korrekt wiedergegeben werden.

Jede korrekt wiedergegebene Sequenz wird mit einem Punkt bewertet. Insgesamt können 24 Punkte erlangt werden.

In Tabelle 4 sind normative Werte des Digit Span aus der deutschen Version der revidierten Fassung des Wechsler Gedächtnistest (Wechsler Memory Scale – Revised Edition; WMS-R) in entsprechenden Altersgruppen gezeigt. [47]

Tabelle 4: Rohwerttabelle Digit Span nach Härting et al. (2000) [47]

Mittelwerte (mean) und Standardabweichung (SD) der Rohwerte des Digit Span der verschiedenen Altersgruppen aus dem Normkollektiv der deutschen Version der revidierten Fassung des Wechsler Gedächtnistest

Fallzahl n, Zahlenspanne (ZS) Altersgruppen

15-19 Jahre 20-25 Jahre 26-34 Jahre 35-44 Jahre 45-54 Jahre 55-64 Jahre 65-74 Jahre

n=30 n=29 n=30 n=30 n=31 n=30 n=30

mean SD mean SD mean SD mean SD mean SD mean SD mean SD

ZS vorwärts 7,47 1,53 8,03 1,86 8,10 1,69 7,7 1,8 8,0 1,73 7,47 1,72 6,96 1,71 ZS rückwärts 6,87 1,85 7,17 2,21 6,50 1,61 7,13 2,08 7,06 1,88 6,60 1,69 5,93 1,74 ZS gesamt 14,33 2,54 15,21 3,53 14,60 2,75 14,83 3,50 15,06 3,19 14,07 3,03 12,83 2,84

Der errechnete gemittelte Mittelwert (± SD) beträgt für die ZS vorwärts 7,68 (± 1,72), für die ZS rückwärts 6,75 (± 1,86) und für die ZS gesamt 14,12 (± 3,05).

2.3.2.1.2 „Non-verbale Merkspanne”

Der „Block-Tapping-Test“ (auch „Corsi Blocks“) stellt ein zuverlässiges und validiertes Verfahren dar und dient der Überprüfung des visuell-räumlichen, sprich des non-verbalen Kurzzeitgedächtnisses. Die Ermittlung der visuell-räumlichen Merkspanne (VRM;

=Unmittelbare Blockspanne; UBS) erfolgte mittels zweifarbig gestalteten Block-Board (Abbildung 4). Es befinden sich neun schwarze Kunststoffwürfel mit einer Kantenlänge von 25 mm auf einem 6*275*228 mm großem grauem Kunststoffbrett. Die Anordnung der Würfel ist standardisiert. Die Abfolgen werden den Patienten gemäß Aufgabenblatt. zunächst vorgetippt und sollen anschließend tippenderweise wiederholt werden. Im ersten Durchgang wird mit einer Abfolge von drei Blöcken begonnen. Jeder Durchgang enthält drei Abfolgen.

Ein Durchgang gilt bei einer Wiedergabe von zwei oder mehr Abfolgen als bestanden und die nächsthöhere Testsequenz wird präsentiert. Der höchst mögliche Durchgang enthält neun wiederzugebene Blöcke. Als normwertig gilt gemäß Testmanual eine UBS ab 5. [95]

Abbildung 4: Schematische Darstellung des Block-Boards nach Fischetti et al. (2012) [77]

2.3.2.2 Leistungsdomäne „Exekutivfunktionen“

Zur Erfassung „frontaler“ Hirnleistungen (insbesondere Planungsfähigkeit, strategisches Denken) wurde der Turm von London (Tower of London, ToL) (Abbildung 5) nach Shallice (1983) in der 2004 überarbeiteten, deutschsprachigen Version von Tucha und Lange verwendet. Dieser Test dient der Beurteilung des konvergenten, problemlösenden Denkens und deckt dabei den Leistungsbereich der „Exekutivfunktionen“ ab. [42, 99, 110]

Auf drei nebeneinander angeordneten Stäben unterschiedlicher Länge, auf denen eine, zwei oder drei Kugeln platziert werden können, befinden sich drei verschiedenfarbige Kugeln gleicher Größe, die in einer angegebenen Anzahl von Zügen von einer Start- in eine Zielkonfiguration überführt werden sollen. Bei jedem Zug darf lediglich eine Kugel umplatziert werden. Die jeweilige Zielkonfiguration stellt die Startkonfiguration der nachfolgenden Aufgabe dar.

Der Test wird gemäß Durchführungsmanual bis zum Ende komplett durchgeführt. Eine einzelne Aufgabe wird bei einer Planungszeit von über 90 Sekunden als fehlerhaft gewertet und der Test mit der darauffolgenden Aufgabe fortgesetzt. Gestartet wird mit zwei Übungsdurchgängen, denen sich die eigentlichen Testaufgaben gemäß Vorlagenmappe anschließen. Pro Durchgang existieren 5 Aufgaben, die jeweils in aufsteigender Schwierigkeit eine Anzahl von drei bis hin zu sechs Zügen erforderlich machen.

Auf einem gesonderten Protokollblatt während der Testdurchführung dokumentiert, ob in der Mindestanzahl an Zügen die korrekte Zielkonfiguration erreicht werden konnte, ob in der Ausführung Pausen eingelegt wurden, und die mit einer Stoppuhr erfasste Zeit der Planung notiert. Anschließend erfolgt eine Auswertung auf einem separaten Bogen.

Abbildung 5: Turm von London, fotografiert von C. Behrens (2019)

Für ein gesundes Kontrollkollektiv gelten gemäß Handbuch des ToL-Testmanuals die normierten Prozentränge wie in Tabelle 5 dargestellt.

Tabelle 5: Rohwerttabelle Turm von London nach Tucha et al. (2004) [110]

Normtabelle für die Gesamtstichprobe (Fallzahl n=1263), Prozentränge der Anzahl der insgesamt gelösten Probleme (Rohwert)

Gesamt n=1263

Rohwert 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

Prozentrang - 1 2 3 7 13 21 34 50 67 83 95 99

2.3.2.3 Leistungsdomäne „Aufmerksamkeit und Gedächtnis“

Die neuropsychologische Testung wurde durch den computergestützten Merk- und Aufmerksamkeitstest (MAT) komplettiert. Der alters-, geschlechts- und bildungsnormierte und validierte MAT stellt ein Testverfahren zur Früherkennung kognitiver Beeinträchtigungen dar. Die nachstehenden kognitiven Leistungsbereiche wurden im Rahmen des MAT in der folgenden Reihenfolge erfasst:

1.) Verbales Arbeitsgedächtnis

2.) Verbales Kurzzeitgedächtnis (Präsentation) 3.) Visuelles Arbeitsgedächtnis

4.) Verbales Kurzzeitgedächtnis (Abfrage) 5.) Visuelles Kurzzeitgedächtnis (Präsentation) 6.) Episodisches Arbeitsgedächtnis

7.) Visuelles Kurzzeitgedächtnis (Abfrage)

8.) Episodisches Kurzzeitgedächtnis (Präsentation) 9.) Aufmerksamkeit

10.) Episodisches Kurzzeitgedächtnis (Abfrage)

Der MAT adressiert damit folgende neuropsychologische Kategorien:

- Verbales Arbeits- und Kurzzeitgedächtnis - Visuelles Arbeits- und Kurzzeitgedächtnis - Episodisches Arbeits- und Kurzzeitgedächtnis - Aufmerksamkeit

Die Kategorien werden durch eine innovative Testkonstruktion, die eine differenzierte, unkonfundierte Testung beinhaltet, erfasst. Der Test ist selbsterklärend und für Erwachsene jeden Alters geeignet.

Der MAT selbst besteht aus sieben Subtests, die jeweils in drei Schwierigkeitsstufen untergliedert sind. Dabei passt sich der Test in Abhängigkeit von der erbrachten Leistung an das Leistungsniveau des Probanden an.

Nach Beendigung des MAT erfolgt die Auswertung vollautomatisch durch das Programm selbst. Im Gesamtergebnis sind die Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsleistung zusammenfassend dargestellt. Nachfolgend wird jedoch das Arbeitsgedächtnis (AG) und das Kurzzeitgedächtnis (KG) jeweils in den verbalen, figuralen und episodischen Anteil unterteilt. Grundsätzlich wird zu jedem Parameter ein Punktwert, sowie ein Prozentrang ausgegeben. Mit Blick auf die Auswertung der Studie werden sowohl Punktwert wie auch Prozentrang dargestellt, wenngleich für die Beurteilung hinsichtlich einer möglichen kognitiven Einschränkung dem Prozentrang, anhand dessen ein Vergleich zur gesunden Population möglich ist, die entscheidende Rolle beigemessen wird. [3, 4]

2.3.2.3.1 Leistungsbereich „Merkfähigkeit“

Die Merkfähigkeit klassifiziert sich in inhaltliche und zeitliche Kriterien. Durch die separate Testung von Arbeits- und Kurzzeitgedächtnis ist die zeitliche Komponente gewährleistet.

Das Arbeitsgedächtnis wird innerhalb von maximal 90 Sekunden getestet, wohingegen das Kurzzeitgedächtnis erst nach einigen Minuten getestet wird.

Die inhaltliche Komponente bezieht sich auf verbale, visuelle, sowie episodische Inhalte.

Dabei werden verbale Inhalte durch Worte, visuelle Inhalte durch geometrische Formen und episodische Inhalte durch zusammenhängende verbale Informationen geprüft.

2.3.2.3.2 Leistungsbereich „Aufmerksamkeit“

„Die Aufmerksamkeitsleistung wurde über den beständigen Abgleich einfacher visueller Vorlagen erfasst.“ (http://www.dynamikos.de/index.php/leistungstests/mat)

2.3.2.4 Unterdurchschnittliche neuropsychologische Testung

Im Rahmen der Auswertung wurde zur Beurteilung, bei wie vielen Patienten aus neuropsychologischer Testperspektive eine kognitive Beeinträchtigung zu vermuten ist, ein Blick auf all jene MS-Patienten geworfen, die in mehr als drei Leistungsbereichen ein unterdurchschnittliches Ergebnis erzielt haben. Die Bewertung hinsichtlich eines unterdurchschnittlichen Ergebnisses orientiert sich dabei an den Leitlinien zur Klassifikation

und Interpretation neuropsychologischer Testergebnisse der Schweizerische Vereinigung der Neuropsychologen (SVNP). [97]

Ein Testergebnis wird als unterdurchschnittlich gewertet, wenn folgendes gilt:

- Patienten, die im Digit Span oder im Turm von London ein Ergebnis erzielt haben, das mehr als eine Standardabweichung unterhalb des Mittelwertes liegt.

- Für den Block-Tapping-Test betrifft dies alle Patienten, die eine VRM haben die kleiner-gleich 3 ist.

- Beim MAT betrifft dies jene Patienten, die gleich oder unterhalb der 16. Perzentile des normierten Prozentranges liegen.

2.3.3 Optische Kohärenztomographie

Die OCT-Messungen fanden am „SPECTRALIS Spektral Domänen (SD)-OCT“ der Firma Heidelberg Engineering GmbH (HE) am Bwk Ulm statt. Das Gerät verfügt über ein TruTrack Aktives Eye Tracking, die Heidelberg Rauschunterdrückung sowie eine Auto-ReScan Funktion, die insb. für eine Follow Up-Untersuchung genutzt werden kann. Von weiterer Bedeutung ist die Automatic Real Time (ART) Mean-Funktion des OCT zur Mittelung finaler Bilder besonders hoher Qualität, bei der die Bildqualität durch Rauschunterdrückung verbessert wird. Die Anzahl der Scans, die übereinandergelegt werden, ist abhängig von der jeweiligen Messsequenz, kann jedoch eine Toleranz von bis zu 10% aufweisen. [48]

Die Grundlage hochqualitativer OCT-Bilder sind die OSCAR-IB Kriterien, die als Qualitätskriterien dem Untersucher bei der Messung helfen sollen. Es handelt sich dabei um ein Akronym, dass Tewarie et al. (2012) [104] wie folgt definierten:

O Offensichtliche Probleme S Signalstärke

C Zentrum korrekt ausgerichtet A Algorithmusfehler

R Retinale Pathologie

I Illumination (Ausleuchtung)

B Beam placement (Strahlplatzierung)

Die Extraktion der Messdaten und deren Auswertung erfolgte vollautomatisch am Gerät mit Hilfe der Software von Heidelberg Engineering. Zuvor musste jedoch mit Blick auf die OSCAR-IB Kriterien zwingend eine Durchsicht der Untersuchungen erfolgen, um

vermeintliche Fehler (bspw. falsche Schichtung, Zentralisierung) im Vorfeld der Auswertung zu korrigieren.

Die Dicke der peripapillären Retinanervenfaserschicht (peripapillary retinal nerve fiber layer, pRNFL) ist vom OCT-Gerätehersteller Heidelberg Engineering GmbH für ein Normkollektiv (Durchschnittsalter 51,5 Jahre (zwischen 20 und 87 Jahren)) mit 218 betrachteten Augen mit einer Dicke von 97,8 µm (± 8,6) angegeben [49]. Für das TMV liegt kein vergleichbarer Normwert seitens HE vor. In einer vergleichbaren Studien wurde das TMV für Kontrollgruppen mit 8,75 mm³ (± 0,34) angegeben [78].

2.3.3.1 OCT-Messprotokoll

Das Messprotokoll der Optischen Kohärenztomographie umfasste im Rahmen dieser Studie einen Scan der Sehnervenkopfregion-NSite (Optic Nerve Head Region-NSite, ONHR-N), einen Scan des Hinteren Augenpols-NSite (Posterior Pole-NSite, PPoleN) und einen Volumenscan des Sehnervenkopfs (Optic Nerve Head, ONH). Die detaillierte Darstellung der Messsequenzen ist in Tabelle 6 gezeigt.

Tabelle 6: Messprotokoll der Optischen Kohärenztomographie

Darstellung der Scansequenzen Sehnervenkopfregion-NSite (Optic Nerve Head Region-NSite, ONHR-N), Hinterer Augenpol-NSite (Posterior Pole-Augenpol-NSite, PPoleN) und Volumenscan der Sehnervenkopf (Optical Nerve Head, ONH) und der dazugehörigen

Geräteeinstellung; Automatic Real Time (ART)

Messsequenz Geräteeinstellung

ONHR-N Scan Star scan: 24 B-scans ART: 25 frames

High resolution modus: 768 A-scans, 15°

Focusing the optic nerve head Circle scans:

3 scans with diameter 12°, 14° and 16° (ART 100) PPoleN Scan Macular High-resolution:19 B-scans

ART: 25 frames

2.3.3.2 Messparameter der OCT

Im Fokus der OCT-Untersuchung stand insbesondere die „Peripapilläre Retinanervenfaserschicht“ (pRNFL), sowie darüber hinaus das „Totale Makulavolumen“

(TMV) als auswertungsrelevante Parameter.

2.3.3.2.1 Peripapilläre Retinanervenfaserschicht

Die Dicke der peripapillären Retinanervenfaserschicht (peripapillary retinal nerve fiber layer, pRNFL) wurde mittels Circle Scan im Rahmen des ONHR-N Scans bestimmt. Sie stellt einen zirkulären Netzhautabschnitt um den Nervus opticus (Sehnerv), der durch den Untersucher als Kreismittelpunkt manuell zentriert wird, dar. Die pRNFL wird aus bis zu 100 ART-Bildern generiert. In Abbildung 6 ist der Circle Scan exemplarisch gezeigt.

Grundsätzlich ist die Dicke, wenn von der pRNFL gesprochen wird, gemeint. Abweichungen hiervon werden gesondert erwähnt.

Abbildung 6: Übersicht einer exemplarischen Auswertung eines 12°Circle Scans

der peripapillären Retinanervenfaserschicht (pRNFL) des rechten (R) und linken (L) Auges erstellt von C. Behrens (2015) Infrarot-Reflexion (IR), Automatic Real Time (ART), High Resolution (HR, hohe Auflösung), Q-Wert (Q), Optische Kohärenztomographie (OCT), internal limiting membrane (ILM, innere Grenzmembran), retinal nerve fiber layer (RNFL, Retinanervenfaserschicht), Superior (S; SUP), Nasal (N; NAS), Temporal (T; TMP), Inferior (I; INF), nasal-superior (NS), temporal-superior (TS), nasal-inferior (NI), temporal-inferior (TI), Gesamtklassifizierung (G), Papillomakuläres Bündel (PMB),

Signifikanzniveau (p)

2.3.3.2.2 Totales Makulavolumen

Das Totale Makulavolumen (TMV) beschreibt ein durch das OCT berechnete Volumen im Bereich der Makula. Dieses wurde durch die Macular high-speed Sequenz im PPole-Scan gemessen. In Abbildung 7 ist eine exemplarische Auswertung des TMV gezeigt. Zur Auswertung ist zunächst eine Zentrierung des Rasters auf die Fovea centralis erforderlich.

Das Volumen der Makula wird letztlich durch Summation der Einzelfelder der zugrunde gelegten Karte der Early Treatment Diabetic Retinopathy Study (ETDRS) bestimmt [11].

Abbildung 7: Übersicht einer exemplarischen Auswertung des Totalen Makulavolumens (TMV) des rechten und linken Auges erstellt von C. Behrens (2015)

Querschnitt bds. zwischen Makula und Sehnerv, Ausrichtung auf Fovea centralis

Infrarot-Reflexion (IR), Automatic Real Time (ART), High Speed (HS, hohe Geschwindigkeit), Q-Wert (Q), Optische Kohärenztomographie (OCT), Early Treatment Diabetic Retinopathy Study (ETDRS)

2.3.4 Magnetresonanztomographie

Die Magnetresonanztomographie (MRT) wurde im Rahmen dieser Studie mit einem 3 Tesla Kernspintomograph Siemens Magnetom Verio, der an einem Qualifizierungsprozess seitens der Firma jung diagnostics GmbH teilgenommen hatte, durchgeführt. Die MRT-Routineuntersuchung beinhaltete die Sequenzen T1, T2 und FLAIR (Fluid attenuated Inversion Recovery) und wurde um eine 1*1*1 mm MP-RAGE erweitert.

Die Auswertung einschließlich Standardisierung (z-Werte) des MRT-Rohdatenmaterials zur Bestimmung des Hirnvolumens und der Läsionslast erfolgte durch Biometrica MS® der Firma jung diagnostics GmbH. Die Bestimmung des gesamten Hirnparenchyms, sowie der grauen und weißen Substanz ist alters- und kopfgrößenkorrigiert und fand anhand der MP-RAGE-Untersuchung statt. Die Läsionslastbestimmung -sowohl das Volumen als auch die

Anzahl der Läsionen- im Sinne von Hyperintensitäten fand hingegen semi-automatisch auf Grundlage der FLAIR-Sequenz statt. (www.jung-diagnostics.de/index_eng.php)

Die Anzahl der Hyperintensitäten in der weißen Substanz stellen das MR-morphologische Korrelat der MS im Sinne einer Läsion dar.