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L-Arginin/NO-Stoffwechselweg: Bestimmung der Normwerte für Frühgeborene

Bislang lagen für die einzelnen Mitglieder der NO-Familie keine hinreichenden Referenzwerte für das Frühgeborenenalter vor. Nur wenige Autoren haben sich mit dem L-Arginin/NO-System im Frühgeborenenalter beschäftigt. In den spärlichen Studien ist die Fallzahl sehr klein.

Abb. 7: Der L-Arginin/NO-Stoffwechselweg [nach Kielstein et al. 2002]

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Die Arbeitsgruppe um Tsukahara untersuchte 33 früh und reif geborene Säuglinge (11 FG und 22 reife Säuglinge) im Alter von 24.-41. SSW [Tsukahara et al. 2008]. Es wurden 14 männliche und 19 weibliche Patienten in die Studie eingeschlossen. Die ADMA-Konzentrationen wurden aus dem Nabelschnurblut bestimmt. Im Mittel wurden mit Hilfe Enzyme-Linked Immunosorbent Assay (ELISA) ADMA-Werte von 1710 + 470 nM gemessen. Vida et al. rekrutierten 20 Patienten mit einem Gestationsalter von 24.-29. SSW, zwischen weiblichen und männlichen Kindern wurde nicht differenziert [Vida et al. 2007]. Die ADMA-Werte wurden mit der Ultra Performance Liquid Chromatography (UPLC) gemessen. Die bestimmten ADMA-Konzentrationen lagen im Mittel zwischen 660 nM (am 7. Lebenstag) und 830 nM (am 14. Lebenstag). Die 15 Kontrollpatienten (7 männliche und 8 weibliche Frühgeborene) von Richir et al., mit dem Gestationsalter von 26.-31. SSW zeigten ADMA-Plasmawerte von 1370 + 140 nM auf. Diese wurden mittels High Performance Liquid Chromatography (HPLC) gemessen [Richir et al. 2008].

Im Vergleich zu den oben genannten Studien untersuchten wir in unserer Arbeit erstmalig das ADMA an einer größeren Zahl „gesunder“ Frühgeborener (N = 108 FG).

Die Messung der Werte erfolgte mittels GC-Tandem MS. Im Mittel wurden ADMA-Plasmakonzentrationen von 860 + 174 nM (409 nM – 1350 nM) detektiert (Abb. 3.1.1).

Somit lagen diese deutlich unterhalb der gemessenen Werte von Richir et al. und Tsukahara und waren ungefähr mit den Ergebnissen von Vida et al. zu vergleichen. Die unterschiedlichen Mittelwerte könnten durch Verwendung unterschiedlicher Messverfahren (ELISA, UPLC, HPLC) bedingt sein. Auch variierte die Anzahl der untersuchten Frühgeborenen in den unterschiedlichen Studien stark voneinander.

Teilweise zeigte sich eine sehr hohe Streubreite. Die GC-Tandem MS- als auch die UPLC-Methode weisen eine höhere Genauigkeit als das ELISA- oder das HPLC-Verfahren auf [Tsikas et al. 2003; Di Gangi et al. 2010]. Bislang gab es keine Studie von einem vergleichbaren großen Gesamtkollektiv an „gesunden“ Frühgeborenen. Eine große N-Zahl der Patienten geht bei sorgfältiger Durchführung der Studie mit einer ebenfalls höheren Genauigkeit der bestimmten Normwerte einher.

Im Gegensatz zur Mittermayers Hypothese [Mittermayer et al. 2006] bestand bei unseren Patienten keine geschlechtsspezifische Korrelation in Bezug auf die ADMA-Plasmakonzentrationen (Ergebnisse 3.3). Es zeigte sich aber bei unserem Gesamtkollektiv eine deutlich positive Korrelation zwischen ADMA im Plasma und dem Gestationsalter (p = 0,002). Die von uns bestimmten ADMA-Plasmawerte stiegen

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mit zunehmendem Gestationsalter an (Abb. 3.1.1 und Abb. 3.2.1) und glichen sich den Werten reifer gesunder Säuglinge an [Lücke et al. 2007]. Erhöhte ADMA-Plasmawerte können das Resultat einer gesteigerten Produktion oder aber eines geringen Abbaus sein: um eine Aussage über die ADMA-Synthese treffen zu können, wurde in der vorliegenden Arbeit auch das Substrat L-Arginin mittels GC-Tandem-MS bestimmt (Abb. 3.1.2). Mit 44,9 + 19,8 !M entsprachen die L-Arginin-Plasmakonzentrationen den Werten gesunder Kinder (63 !M) [Liappis et al. 1990; Lücke et al. 2007].

Insgesamt bestand eine statistisch hoch signifikante Korrelation (p < 0,01) zwischen ADMA und L-Arginin in Plasma (Abb. 3.4.1). Im Allgemeinen stehen die erhöhten ADMA-Werte in Plasma im Zusammenhang zu einem gesteigerten Substratangebot.

Die L-Arginin-Konzentration im Plasma korrelierte nicht mit dem Gestationsalter des Gesamtkollektivs (p = 0,623) (Abb. 3.1.3). Es zeigten sich also keine alterspezifischen Veränderungen der L-Arginin-Konzentrationen bei Frühgeborenen, so dass der Anstieg der ADMA-Plasmakonzentrationen mit zunehmenden Gestationsalter unabhängig von dem Substratangebot an L-Arginin zustande kommt.

Die Dimethylarginin-Synthese erfolgt zu 85-90% unter Mitwirkung von PRMT I, eines Enzyms, das die Methylierung von Arginin katalysiert [Garlick et al. 1976; Obianyo et al. 2011; Tang et al. 2000]. Interessanterweise ist die PRMT-Aktivität bei Herzerkrankungen und malignen Prozessen hoch reguliert [Obianyo et al. 2011] und korreliert positiv mit den erhöhten ADMA-Plasmawerten bei Erwachsenen. Auch bei Frühgeborenen könnte eine gesteigerte Aktivität des PRTM I-Enzyms zu einer vermehrten Bildung von ADMA und somit zu erhöhten ADMA-Konzentrationen im Plasma der Frühgeborenen führen. Da sich unser Untersuchungskollektiv aus

„gesunden“ Frühgeborenen zusammensetzte und das Outcome nicht in diese Untersuchung einging, bleibt die Frage der Entstehung oder Begünstigung kardiovaskulärer Erkrankungen bei Frühgeborenen durch erhöhte ADMA-Konzentrationen unbeantwortet.

In der vorliegenden Arbeit wurde auch der ADMA-Abbau bei Frühgeborenen untersucht. Überprüft werden sollte, ob ein verminderter Abbau von ADMA dessen erhöhte Plasmakonzentrationen erklären könnte. Um die Abbau-Rate von ADMA darzustellen, wurde mittels GC-MS-System die DMA-Konzentrationen im Urin bestimmt [Ripley et al. 1982; Tsikas et al. 2007]. Dabei lag die mittlere Ausscheidungsrate von DMA bei 255 + 40 !mol/mmol Kreatinin.

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Das NOS-hemmende ADMA wird überwiegend zu DMA und Citrullin abgebaut bzw.

renal eliminiert. Eine Unreife der Nierenfunktion aufgrund der Frühgeburtlichkeit wäre eine mögliche Erklärung für die erhöhten ADMA-Werte im Plasma. Interessanterweise besitzen extrem unreife Frühgeborene (23.-29. SSW) niedrigere ADMA-Plasmakonzentrationen als Frühgeborene mit höherem Gestationsalter (30.-36. SSW) (774 + 164 nM vs. 895 + 166 nM; p = 0,001) (Abb. 3.2.1). Diese Tatsache spricht eher gegen die Hypothese einer ADMA-Akkumulation aufgrund der Unreife der kindlichen Nieren. Zusätzlich bestimmten wir die ADMA-Konzentrationen im Urin der Frühgeborenen. Dabei blieb die renale ADMA-Ausscheidung mit zunehmendem Alter durchgehend konstant (Abb. 3.1.2). Um den Hydratationszustand des Kindes zu berücksichtigen, wurden die gemessenen NO-Metabolite aus dem Urin auf das Kreatinin bezogen [Tsikas et al. 2010]. Im Spontanurin der Frühgeborenen wurden ADMA-Urinwerte von 12,7 + 3,9 !mol/mmol Kreatinin ermittelt. Im Vergleich dazu lagen die ADMA-Referenzwerte im Urin bei gesunden Kindern bei 13 + 18 !mol/mmol Kreatinin [Lücke et al. 2007]. In beiden Studien korrelierte das Alter nicht mit den ADMA-Konzentrationen im Urin, was gegen eine gesteigerte ADMA-Elimination bei Frühgeborenen spricht.

Die Bestimmung von Nitrat und Nitrit in Plasma und Urin diente der Abschätzung der Ganzkörper-NO-Produktion, da NO ein inertes Gas und schwer messbar ist. Weder in Plasma noch im Urin konnte ein Zusammenhang zwischen der NO-Metabolite Nitrat und Nitrit und dem Gestationsalter des Gesamtkollektivs beobachtet werden (Abb.

3.1.4- 3.1.7). Für Nitrit im Plasma der Frühgeborenen ergab sich ein Mittelwert von 2,9 + 2,1 !M, welcher über den Werten von gesunden Kindern und Jugendlichen lag (1,8

!M) [Lücke et al. 2007]. Das Nitrit im Urin lag bei unseren Patienten im Mittel bei 4,3 + 10,7 !mol/mmol Kreatinin. Dies entsprach den von Tsikas et al. definierten Referenzwerten (0,49 + 0,25 !mol/mmol Kreatinin) [Tsikas et al. 1994]. Werte für das Nitrat im Plasma betrugen 46,1 + 19,5 !M. Im Vergleich zu den von anderen Arbeitsgruppen bestimmten Werten bei Kindern, waren diese höher [Elli et al. 2005;

Tsikas et al. 1994]. Auch die Nitratwerte im Urin waren bei unseren Patienten im Durchschnitt mit 283 + 85 !mol/mmol Kreatinin etwas höher als die Konzentrationen, die von Elli et al. (0,147 !mol/mmol Kreatinin) und Tsikas et al. (109 + 61,7

!mol/mmol Kreatinin) gemessen wurden. Insgesamt scheint es aufgrund unserer Ergebnisse keine eindeutigen Korrelationen zwischen der Ganzkörper-NO-Produktion,

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repräsentiert durch Nitrit und Nitrat, und ADMA im Plasma bzw. Urin sowie dem Gestationsalter der Frühgeborenen zu geben (Tab. 2). Die relative Konstanz der direkten Metabolite Nitrit und Nitrat, spricht für eine (ADMA- und) altersunabhängige NO-Synthese.

Im Gegensatz zu den Werten im Urin waren die Konzentrationen von Nitrit und Nitrat im Plasma bei den Frühgeborenen etwas höher im Vergleich zu älteren Kindern [Lücke et al. 2007]. Dies könnte auf einen höheren Substratumsatz der Kinder unabhängig von ADMA hindeuten: es müssten das Gewicht und die Art der Ernährung (parenteral oder enteral mit Spezial-Frühgeborenenmilch) der Kinder mit berücksichtigt werden, um diese Aussage valide treffen zu können. In unserer Studie wurden die Frühgeborenen mit einer Mixtur aus Muttermilch und Nahrungssupplement FM85 („Frühchennahrung“) ernährt. 10 der 108 Frühgeborenen wurden noch zusätzlich parenteral ernährt (Anhang Tab. 7.5.2). Der orale Nahrungsaufbau wurde ab dem 7.

Lebenstag begonnen und gestaltete sich bei allen Frühgeborenen komplikationslos.

Auch der tägliche Nahrungsgehalt an Proteinen, Fett und Kohlenhydraten (g/kg KG pro Tag) sowie der Kalorienanteil (kcal und kJ/kg KG pro Tag) wurden für jedes Frühgeborene berechnet (Anhang Tab. 7.5.2). Tatsächlich ist es schwierig in unserem Fall eine Aussage über den Zusammenhang zwischen der verabreichten Nahrung und der Ganzkörper-NO-Produktion treffen zu können, da wir einen Zeitpunkt und keine Zeitspanne dokumentierten. Auch die Zusammensetzung der Nahrung als Mischung von Muttermilch und „Frühchennahrung“ ist ein limitierender Faktor. Insgesamt darf aber angenommen werden, dass die Ernährung der Kinder mit einem reichlichen Angebot an zusätzlichen Proteinen auch zu erhöhten Nitrit- und Nitrat-Konzentrationen im Plasma und Urin führt, obwohl das Substratangebot an L-Arginin unabhängig vom Gestationsalter der Frühgeborenen eher konstant bleibt (Abb. 3.1.3).

Die Bestimmung der Normwerte für die Vertreter der NO-Familie L-Arginin, ADMA, Nitrat und Nitrit sowie DMA bei den Frühgeborenen erlaubt folgende Rückschlüsse: es besteht kein geschlechtsspezifischer Unterschied innerhalb der Vertreter der NO-Familie. Die gemessenen ADMA-Plasmakonzentrationen korrelieren positiv mit dem Gestationsalter der Frühgeborenen. Zusätzlich überprüften wir durch die Bestimmung der L-Arginin/ ADMA-Ratio die indirekte NOS-Aktivität (Abb. 3.1.10) der Frühgeborenen. Diese korreliert invers (p = 0,015) mit dem Gestationsalter der Patienten (Abb. 3.1.10). Diese Beobachtung ist vereinbar mit der Funktion von ADMA

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als endogener NOS-Inhibitor. Das ADMA-Abbauprodukt DMA korreliert negativ mit steigendem Gestationsalter der Frühgeborenen, während die restlichen Metabolite keinen eindeutigen Zusammenhang zu dem Alter der Patienten aufweisen. Hohe DMA-Konzentrationen im Vergleich zu niedrigen ADMA-Plasmawerten könnten auf einen gesteigerten ADMA-Abbau bei unreiferen Frühgeborenen und somit für einen möglichen protektiven Faktor während der Postnatalperiode extrem unreifer Säuglinge mit niedrigem Gestationsalter hindeuten. Die niedrigeren ADMA-Plasmakonzentrationen bei Frühgeborenen mit niedrigem Gestationsalter sprechen gegen eine problematische renale Elimination aufgrund der Unreife der kindlichen Nieren bei Frühgeborenen.

Die konstante L-Arginin-Konzentration im Plasma in unserer Untersuchung spricht eher gegen eine substratbedingte gesteigerte ADMA-Synthese. Die dazu inverse Konzentration des Abbauprodukts DMA könnt aber auf eine mit dem Gestationsalter abnehmende DDAH-Aktivität hindeuten. Passend hierzu nimmt auch die Ganzkörper-NO-Produktion mit steigendem Gestationsalter der Frühgeborenen ab.

Die im Gegensatz zu älteren Kindern insgesamt höheren Referenzwerte für Nitrit und Nitrat bei Frühgeborenen sind vermutlich mit einer insgesamt gesteigerten NO-Synthese, einem potentiellen Schutzmechanismus bei Frühgeborenen, zu erklären. Um weitere mögliche Einflusse auf das L-Arginin/NO-System (wie z.B. Ernährung, postpartale Adaptation, Beatmung etc.) besser einordnen zu können, müssen weitere Untersuchungen folgen.

In vorherigen Studien unserer Arbeitsgruppe konnte gezeigt werden, dass Veränderungen in der Aktivität der Atmungskette einen adaptiven Prozess darstellen, um den metabolischen Stress während der postnatalen Periode zu minimieren [Illsinger et al. 2011]. Unsere Arbeitsgruppe untersuchte die mitochondriale und glykolytische Enzymaktivität in humanen Endothelzellen aus der Umbilicalvene von Frühgeborenen und reif geborenen Kindern. Der mitochondriale Energiestoffwechsel spielt eine wichtige Rolle bei der Regulation der mitochondrialen NOS (mNOS) und fördert somit die NO-Produktion. Es wurde eine Down-Regulation der mNOS und somit eine schlechtere metabolische Adaptation in Bezug auf perinatalen metabolischen Stress der Frühgeborenen diskutiert, der wiederum zu postnatalen Komplikationen und höherer Morbidität führen kann [Illsinger et al. 2011]. Die Daten der vorliegenden Arbeit konnten eine verminderte NOS-Inhibierung durch relativ niedrige

ADMA-Diskussion

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Konzentrationen bei sehr unreifen Frühgeborenen (23.-29. SSW) zeigen. Dieser Effekt könnte bei den unreifen Frühgeborenen eine natürliche Protektion in Bezug auf endotheliale Dysfunktion darstellen. Eine Störung im ADMA-Abbau bzw. eine Steigerung der ADMA-Synthese könnte mögliche postnatale pathologische Effekte (pulmonale Hypertonie, Retinopathie etc.), die mit der Frühgeburtlichkeit assoziiert sind, bedingen.