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Anwendungsgebiete der Messung der Herzfrequenzvariabilität bei Tieren

2 LITERATURÜBERSICHT

2.7 Herzfrequenzvariabilität

2.7.5 Anwendungsgebiete der Messung der Herzfrequenzvariabilität bei Tieren

Während des letzten Jahrzehnts wurde die Analyse der Herzfrequenzvariabilität erfolgreich eingesetzt, um die autonome Regulation der Herzaktivität bei Tieren zu messen. Die gewonnenen Informationen wurden zum einen genutzt, um Stress und Wohlbefinden bei Tieren quantifizieren zu können, zum anderen um Trainingszustände, Verhaltensauffälligkeiten, Temperament und Coping-Strategien einzuordnen und zu beurteilen. Außerdem wird die Messung der HRV verwendet, um an der Herzregulation und

verschiedenen Krankheiten zu forschen (BORELL et al. 2007). Im Folgenden werden einige interessante Untersuchungen bezüglich der Anwendung der Herzfrequenzvariabilitätsanalyse bei Tieren aufgeführt.

OHMURA et al. (2006) untersuchten die Veränderungen der HRV von fünf Pferden während eines 21-stündigen Transportes in einem LKW. Sowohl HF als auch LF lagen während des Transportes deutlich unter den vorher unter Ruhebedingungen gewonnen Vergleichswerten und verringerten sich mit zunehmender Transportdauer weiter. Ein unter Ruhebedingungen deutlich erkennbarere diurnaler Rhythmus war unter der Belastung des Transportes nicht mehr zu erkennen. Die Herzfrequenz war am Anfang des Transportes deutlich erhöht, verringerte sich allerdings während des Transportes ebenfalls kontinuierlich. Während unter Ruhebedingungen die Herzfrequenz signifikant mit LF korreliert, kommt es unter der Stressbelastung zu einem deutlichen Einfluss von HF auf die Herzfrequenz. Dies lässt darauf schließen, dass unter Stressbelastungen der Anteil des parasympathischen Einflusses auf die Herzschlagfrequenz zunimmt. Bemerkenswert ist, dass sowohl HF als auch LF während der Stressbelastung auf ungefähr die Hälfte ihrer Ruhewerte abfallen. Die HRV scheint dementsprechend gut geeignet zu sein, um Stressbelastungen zu identifizieren und möglicherweise auch zu quantifizieren.

RIETMANN (2003) untersuchte ebenfalls, inwiefern die Bestimmung der Herzfrequenzvariabilität zur nicht-invasiven quantitativen Erfassung von Stress geeignet ist.

Sie ermittelte in ihren Versuchen eine deutliche Korrelation zwischen den HRV-Parametern und der visuell ermittelten ethologischen Stressantwort, nachdem die Pferde durch dreiminütiges Rückwärtslaufen einem mentalen Stress ausgesetzt wurden. Mit zunehmender Stressbelastung zeigten sich eine Abnahme der HF-Komponente und eine Zunahme der LF-Komponente. Des Weiteren wurde die Veränderung der HRV im Zusammenhang mit Schmerzen beim Pferd untersucht. Bei den an Hufrehe erkrankten Pferden konnte ebenfalls ein Zusammenhang zwischen der Ausprägung der klinischen Schmerzsymptome und dem Grad der Veränderung der HRV-Parameter hergestellt werden. In den Schlussfolgerungen dieser Studie wird betont, dass die HRV zwar gut geeignet ist, um Stress beim Pferd zu quantifizieren, eine simultane Verhaltensbeobachtung aber trotzdem unumgänglich ist, um intrinsische und extrinsische Einflüsse auf das autonome Nervensystem möglichst genau abschätzen zu können.

HOFFMANN (2008) versuchte mittels der Messung der Herzfrequenzvariabilität (Parameter HF und SD2) die Stressbelastung bei Pferden in Auslaufhaltungssystemen mit verschiedenen Bewegungsangeboten (keine zusätzliche Bewegung, 1 Std./Tag Freilaufanlage, 2 Std./Tag unbegrünte Koppel, 2 Std./Tag Weide) zu ermitteln. Die Auswertungen ergaben eine geringere Stressbelastung der Pferde in den Varianten mit zweistündigem Weidegang und der einstündigen Bewegung in der Freilaufanlage als in den Varianten ohne zusätzliches Bewegungsangebot zur Auslaufhaltung und mit zweistündigem Auslauf auf einer unbegrünten Koppel. Auch in dieser Arbeit wird betont, dass die Erfassung der Herzfrequenzvariabilität gut geeignet ist, um Stress bei Pferden zu messen, jedoch die Ermittlung zusätzlicher Parameter unumgänglich ist, um den Einfluss externer Umweltfaktoren einordnen zu können.

In einer anderen Studie wurde versucht mittels der Herzfrequenz- und der HRV-Analyse Aussagen bezüglich des Temperamentes von Pferden zu machen. Gleichzeitig wurde der Einfluss von frühem Handling bei jungen Pferden in Bezug auf ein eventuell gelasseneres Verhalten in unbekannten Situationen untersucht. Die jungen Pferde wurden mit zwei ihnen unbekannten Situationen konfrontiert. Im ersten Test wurde ein Regenschirm von der Decke heruntergelassen, während das Pferd frei herumlief. In der zweiten Situation wurden die Pferde über eine hölzerne Brücke geführt. Die Ergebnisse der Studie zeigten einen deutlichen Anstieg der Herzfrequenz und eine deutliche Abnahme der HRV (untersuchte Parameter:

SDNN, RMSSD). Dieses Ergebnis ist bei den noch nicht „gehändelten“ Tieren deutlich ausgeprägter als bei den vorher schon trainierten Pferden. Zu beobachten war außerdem, dass Pferde mit höheren Ruhewerten in den dem Parasympathikus zugeordneten HRV-Parametern sich in den Tests gelassener zeigten. Die Autoren folgerten, dass die Bestimmung der HRV gut geeignet ist, um bestimmte Aspekte des Temperamentes zu quantifizieren (VISSER et al.

2002).

HOHMANN et al. (2006) verglichen mittels der Analyse der Herzfrequenzvariabilität die Stressbelastung bei Pferden im Rahmen der manuellen Kraftfutterfütterung mit der Stressbelastung bei der Kraftfutterzuteilung durch computergesteuerte Futterautomaten. Dabei wurde eine Stressbelastung bei der Fütterung durch das Stallpersonal gemessen, die umso höher war, je länger die Wartezeit andauerte. Die Autoren folgerten, dass die Stressbelastung von Pferden in der Einzelhaltung durch Futterautomaten und der damit verbundenen Möglichkeit der Verabreichung der Futterration in vielen kleinen Portionen reduziert wird und

somit eine Verbesserung der Haltungsbedingungen bezüglich der Gesunderhaltung der Pferde erreicht werden kann. Die Erfassung der Herzfrequenzvariabilität überzeugte in dieser Untersuchung durch ihre Objektivität und Nicht-Invasivität.

KATO et al. (2003) untersuchten den Einfluss einer Berieselung mit warmen Quellwasser im Rahmen der Rehabilitation von verletzten Rennpferden auf die Aktivität des autonomen Nervensystems. Da die Pferde während der Behandlung mit dem warmen Wasser deutliche optische Anzeichen der Entspannung und des Wohlbefindens zeigten, sollte durch die Messung der HRV-Parameter im Frequenzbereich die These überprüft werden, dass die Quellwasserbehandlung einen Einfluss auf das vegetative Nervensystem ausübt. Durch signifikant erhöhte Werte im HF-Bereich während der Berieselung im Vergleich zu vorher ermittelten Ruhewerten zeigten die Tiere eine erhöhte parasympathische Aktivität und bewiesen damit die entspannende Wirkung der Quellwasserberieselung.

In einem anderen Versuch wurde untersucht, in wie weit die Parameter der Herzfrequenzvariabilität geeignet sind, um die Stressbelastung bei Kälbern zu ermitteln. 52 Kälber wurden in drei Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe wurde nicht durch zusätzlichen Stress belastet, eine Gruppe wurde einem externen Stressor ausgesetzt (hohe Außentemperatur und Belästigung durch Insekten) und eine Gruppe wurde während eines internen Stressgeschehens beobachtet (Diarrhöe). Alle ermittelten HRV-Parameter des Zeit- und Frequenzbereiches nahmen von Gruppe 1 zu Gruppe 3 ab. Auffällig war, dass die der vagalen Aktivität zugeordneten Parameter (RMSSD und HF) am deutlichsten zwischen Gruppe 1 und Gruppe 2 abnahmen, während sich die anderen Parameter erst zwischen Gruppe 2 und Gruppe 3 deutlich verringerten. Zusätzlich wurden auch nicht-lineare Parameter bestimmt, auch diese eigneten sich gut, um den Stress der Tiere zu quantifizieren (MOHR et al. 2002).

Untersuchungen an Hausschweinen zum Einfluss von Änderungen der sozialen Umwelt auf die Herzfrequenz und die HRV zeigten, dass beide gut geeignet sind, um Aspekte der Haltungsumwelt zu beurteilen. Um sowohl kurz- als auch längerfristige Stresssituationen zu erfassen, hat sich im Rahmen dieser Versuche die Analyse des SD1-Wertes aus dem Poincaré-Plot als Maß für die Aktivität des Parasympathikus bewährt. Der SD1 verringerte sich signifikant nach Umstallung der Tiere aus der Einzelhaltung in eine Gruppenhaltung im Vergleich zu den Kontrolltieren. Innerhalb einer Zeit von Fünf Wochen stieg der SD1 wieder auf das Niveau der Kontrolltierwerte. Im Zusammenhang mit diesen Untersuchungen wurde

die Notwendigkeit betont, die Messungen unter gleich bleibenden Bedingungen und mit möglichst vielen Wiederholungen durchzuführen, um interpretierbare Ergebnisse zu erhalten.

Außerdem sollten Veränderungen der HRV immer im Zusammenhang mit dem Verhalten der Tiere und anderer physiologischer Parameter interpretiert werden (HANSEN 2000).

NORDMANN (2005) untersuchte den Einfluss von Belastung und Training auf die Veränderung der Herzfrequenzvariabilität bei Pferden. Alle analysierten HRV-Parameter waren am Kontrolltag nach Ablauf der 4-wöchigen Trainingsperiode in Ruhe und in der letzten Schrittphase höher als zu Beginn des Trainings. Während der Belastung war die HRV erniedrigt, was am deutlichsten bei den dem Parasympathikus zugeordneten Parametern (RMSSD, HF) zu erkennen war. Die Ermittlung der Parameter des Frequenzbereiches zeigte eine Verschiebung der sympatho-vagalen Balance nach Ablauf der Trainingsperiode zugunsten des Parasympathikus. Ein besserer Trainingszustand führt dementsprechend zu einer erhöhten vagalen Aktivität. Auch THAYER et al. (1997) beobachteten eine Abnahme der Herzfrequenzvariabilität unter zunehmender Belastung im Vergleich zu den Ruhewerten.

Während auch in anderen Studien die zu erwartende Abnahme des HF-Parameters bei Bewegung zu erkennen war, kommt es paradoxerweise unter sehr starken Belastungen (Herzfrequenz ca. 200 Schläge/min) zu einer Abnahme der LF und einer deutlichen Zunahme des HF-Wertes. Dies ist jedoch nicht auf eine erhöhte Aktivität des vegetativen Nervensystems, sondern auf mechano-elektrische Vorgänge durch die belastungsbedingte Hyperpnoe zurückzuführen (PHYSICK-SHEARD et al. 2000; COTTIN et al. 2005).

VOß (2001) untersuchte die Veränderung der HRV-Parameter bei Pferden unter Belastung in einem Aquatrainer. Die Messungen ergaben eine signifikante Abnahme aller gemessenen HRV-Parameter während der Belastung im Vergleich zum Ruhewert, mit Ausnahme des LF-Wertes. Dieser nahm, bedingt durch eine erhöhte sympathische und erniedrigte parasympathische Aktivität, im Vergleich zum Ruhewert zu.

3 Material und Methoden