Nach Proposotion (1.68) gilt also genau dannCol( A b
) = Col(A), wenndim Col( A b
) = dim Col(A)ist, d.h. wennrk A b
= rkAist. Dies zeigt die Äquivalenz von Bedingung (c) und Bedingung (d).
Insgesamt sind Bedingung (a), Bedingung (b), Bedingung (c) und Bedingung (d) äquivalent.
(3.42) Bemerkung (Eindeutigkeitskriterium für Lösungen linearer Gleichungssysteme). Es seien m, n∈N0
undA∈Km×n gegeben. Die folgenden Bedingungen sind äquivalent.
(a) Für jedesb∈Km×1 hat das lineare Gleichungssystem zur erweiterten Koeffizientenmatrix A b höchs-tens eine Lösung.
(b) Das homogene lineare Gleichungssystem zur KoeffizientenmatrixAhat nur die Lösung 0.
(c) Es gibt einb∈Km×1derart, dass das lineare Gleichungssystem zur erweiterten Koeffizientenmatrix A b genau eine Lösung hat.
(d) Es istrkKA=n.
Beweis. Nach Bemerkung (3.35) istSol(A, b) =ϕ−1A ({b})fürb∈Km×1. Somit gilt genau dann Bedingung (a), d.h. für jedes b ∈Km×1 hat das lineare Gleichungssystem zur erweiterten Koeffizientenmatrix A b
genau dann höchstens eine Lösung, wenn jede Faser von ϕA:Kn×1 → Km×1 höchstens ein Element besitzt, nach Satz (A.49)(a) also genau dann, wennϕA injektiv ist.
Ferner istSol(A,0) = KerϕA nach Korollar (3.36). Folglich gilt genau dann Bedingung (b), d.h. das homogene lineare Gleichungssystem zur KoeffizientenmatrixAhat genau dann nur die Lösung0, wennKerϕA={0} ist.
Schließlich gilt genau dann Bedingung (c), d.h. es gibt genau dann ein b ∈ Km×1 derart, dass das lineare Gleichungssystem zur erweiterten Koeffizientenmatrix A b
genau eine Lösung hat, wenn es ein b ∈Km×1 derart gibt, dassϕ−1A ({b})einelementig ist.
Die Äquivalenz von Bedingung (a), Bedingung (b) und Bedingung (c) folgt daher aus Korollar (2.16).
Ferner gilt genau dann Sol(A,0) = {0}, wenn dim Sol(A,0) = 0 ist. Nach Korollar (3.36) ist jedoch dim Sol(A,0) = n−rkA, so dass dim Sol(A,0) = 0 äquivalent zu rkA = n ist. Dies zeigt die Äquivalenz von Bedingung (b) und Bedingung (d).
Insgesamt sind Bedingung (a), Bedingung (b), Bedingung (c) und Bedingung (d) äquivalent.
Anwendung: Interpolationen
Als Anwendung des Matrixkalküls studieren wir das sogenannte Interpolationsproblem: Zu gegebenen Paa-ren (a1, b1), . . . , (am, bm) wird eine Abbildung f derart gesucht, dass {a1, . . . , am} eine (in der Regel echte) Teilmenge vonSourcef ist und f(ai) =bi füri ∈[1, m] gilt. Hierbei interessiert man sich üblicherweise nicht für alle möglichen Abbildungen, sondern nur für solche mit gewissen Zusatzeigenschaften, welche aus dem An-wendungsproblem naheliegend sind. So wäre etwa Stetigkeit oder Differenzierbarkeit eine sinnvolle Forderung.
Oft betrachtet man sogar noch speziellere Teilmengen von Abbildungen wie etwa Polynomfunktionen oder trigonometrische Funktionen.
Zum Studium von linearen Gleichungssystemen hat es sich als fruchtbar erwiesen, mit der Spalteninterpretation einen geeigneten Vektorraumhomomorphismus zu betrachten und die aus Abschnitt 2 bekannten Konzepte und Resultate anzuwenden. Bei Interpolationen gehen wir analog vor und betrachten die folgende naheliegende Abbildung:
(3.43) Notation. Es seien eine MengeX,m∈N0unda∈Xmgegeben. Wir schreiben εa: Map(X, K)→Km,f 7→(f(a1), . . . , f(am)).
(3.44) Bemerkung. Es seien eine MengeX,m∈N0 unda∈Xm gegeben. Die Abbildung εa: Map(X, K)→Km,f 7→(f(a1), . . . , f(am))
ist einK-Vektorraumhomomorphismus.
Beweis. Dies sei dem Leser zur Übung überlassen.
(3.45) Definition (Interpolation). Es seien eine Menge X, eine Teilmenge S von Map(X, K), m ∈ N0
unda∈Xm,b∈Kmgegeben. DieMenge der Interpolationen zu(a, b)inS ist definiert als IntpolS(a, b) := (εa|S)−1({b}).
Ein Element vonIntpolS(a, b)wirdInterpolation (oder Interpolationsfunktion) zu(a, b)inS genannt.
(3.46) Bemerkung. Es seien eine MengeX, eine TeilmengeS vonMap(X, K),m∈N0 unda∈Xm,b∈Km gegeben. Die Menge der Interpolationen zu(a, b)in S ist gegeben durch
IntpolS(a, b) ={f ∈S|f(ai) =bi füri∈[1, m]}.
Beweis. Dies sei dem Leser zur Übung überlassen.
(3.47) Beispiel. Es sind R → R, x 7→ x2−3x+ 2 und R → R, x 7→ x3−2x2−x+ 2 Interpolationen zu((0,1,2),(2,0,0))in{R→R,x7→f(x)|f ∈R[X]}.
Beweis. Wegen
02−3·0 + 2 = 2, 12−3·1 + 2 = 0, 22−3·2 + 2 = 0
istR→R,x7→x2−3x+ 2 eine Interpolation zu((0,1,2),(2,0,0))in {R→R,x7→f(x)|f ∈R[X]}.
Wegen
03−2·02−0 + 2 = 2, 13−2·12−1 + 2 = 0, 23−2·22−2 + 2 = 0
istR→R,x7→x3−2x2−x+ 2eine Interpolation zu((0,1,2),(2,0,0))in{R→R, x7→f(x)|f ∈R[X]}.
(3.48) Beispiel. Es seiS⊆Map(R,R)gegeben durch
S ={x7→x+ 1,x7→x2+x+ 2,x7→2x,x7→2x+1,x7→sin(x)}
Dann ist
IntpolS((0,1,2),(2,4,8)) ={x7→x2+x+ 2, x7→2x+1}.
Beweis. Wegen 1 + 1 = 26= 4
istR→R,x7→x+ 1 keine Interpolation zu((0,1,2),(2,4,8))inS.
Wegen
02+ 0 + 2 = 2, 12+ 1 + 2 = 4,
22+ 2 + 2 = 8
istR→R,x7→x2+x+ 2eine Interpolation zu((0,1,2),(2,4,8))inS.
Wegen
20= 16= 2
istR→R,x7→2x keine Interpolation zu((0,1,2),(2,4,8))inS.
Wegen
20+1= 2, 21+1= 4, 22+1= 8
istR→R,x7→2x+1 eine Interpolation zu((0,1,2),(2,4,8))in S.
Wegen
sin(0) = 06= 2
istR→R,x7→sin(x)keine Interpolation zu((0,1,2),(2,4,8))in S.
Insgesamt ist
IntpolS((0,1,2),(2,4,8)) ={x7→x2+x+ 2, x7→2x+1}.
(3.49) Bemerkung. Es seien eine MengeX, einK-UntervektorraumU vonMap(X, K),m∈N0unda∈Xm gegeben. Dann ist
IntpolU(a,0) = Kerεa|U.
Insbesondere istIntpolU(a,0)einK-Untervektorraum vonU.
Beweis. Dies sei dem Leser zur Übung überlassen.
(3.50) Bemerkung. Es seien eine Menge X, einK-Untervektorraum U von Map(X, K), m ∈N0, a∈ Xm, b∈Km undf ∈IntpolU(a, b)gegeben. Dann ist
IntpolU(a,0)→IntpolU(a, b),u7→f+u eine wohldefinierte Bijektion. Insbesondere ist
IntpolU(a, b) =f + IntpolU(a,0).
Beweis. Dies sei dem Leser zur Übung überlassen.
Ist der Untervektorraum, in welchem wir Interpolationen betrachten, endlichdimensional, so lassen sich Eigen-schaften von Interpolationen aus EigenEigen-schaften von Darstellungsmatrizen herleiten, wie wir im Folgenden sehen werden. Sind Interpolationen eindeutig, so ist die Endlichdimensionalität eine notwendige Eigenschaft, siehe das Eindeutigkeitskriterium für Interpolationen (3.55).
(3.51) Bemerkung. Es seien eine Menge X, ein K-Untervektorraum U von Map(X, K), m, n ∈ N0, eine Basiss= (s1, . . . , sn)vonU unda∈Xmgegeben. Die Darstellungsmatrix vonεa|U:U →Kmzu den Basens undeist gegeben durch
Me,s(εa|U) =
s1(a1) . . . sn(a1)
... ...
s1(am) . . . sn(am)
. Beweis. Dies sei dem Leser zur Übung überlassen.
(3.52) Korollar. Es seien eine MengeX, einK-UntervektorraumU vonMap(X, K),m, n∈N0, eine Basiss= (s1, . . . , sn)vonU unda∈Xm gegeben. Dann istIntpolU(a,0)endlichdimensional mit
dimKIntpolU(a,0) =n−rkK
s1(a1) . . . sn(a1)
... ...
s1(am) . . . sn(am)
Beweis. Dies sei dem Leser zur Übung überlassen.
(3.53) Korollar. Es seien eine MengeX, einK-UntervektorraumU vonMap(X, K),m, n∈N0, eine Basiss= (s1, . . . , sn)vonU,a∈Xmundb∈Km gegeben. Dann gilt
κs(IntpolU(a, b)) = Sol(
s1(a1) . . . sn(a1)
... ...
s1(am) . . . sn(am)
,
b1
... bm
) und
IntpolU(a, b) ={ X
j∈[1,n]
cjsj |c∈Sol(
s1(a1) . . . sn(a1)
... ...
s1(am) . . . sn(am)
,
b1
... bm
)}.
Beweis. Dies sei dem Leser zur Übung überlassen.
(3.54) Korollar(Interpolationskriterium). Es seien eine MengeX, einK-UntervektorraumUvonMap(X, K), m, n∈N0, eine Basiss= (s1, . . . , sn)von U,a∈Xm undb∈Km gegeben. Die folgenden Bedingungen sind äquivalent.
(a) Es gibt eine Interpolation zu(a, b)in U.
(b) Das lineare Gleichungssystem zur erweiterten Koeffizientenmatrix
s1(a1) . . . sn(a1) b1 ... ... ... s1(am) . . . sn(am) bm
besitzt eine Lösung.
(c) Es istb eine Linearkombination von((s1(a1), . . . , s1(am)), . . . ,(sn(a1), . . . , sn(am))).
(d) Es ist
h(s1(a1), . . . , s1(am)), . . . ,(sn(a1), . . . , sn(am)), bi
=h(s1(a1), . . . , s1(am)), . . . ,(sn(a1), . . . , sn(am))i.
(e) Es ist
rkK
s1(a1) . . . sn(a1) b1
... ... ... s1(am) . . . sn(am) bm
= rkK
s1(a1) . . . sn(a1)
... ...
s1(am) . . . sn(am)
.
Beweis. Dies sei dem Leser zur Übung überlassen.
(3.55) Proposition(Eindeutigkeitskriterium für Interpolationen). Es seien eine MengeX, ein K-Untervektor-raumU vonMap(X, K),m∈N0unda∈Xmgegeben. Die folgenden Bedingungen sind äquivalent.
(a) Für jedesb∈Kmgibt es höchstens eine Interpolation zu(a, b)inU.
(b) Für jedesf ∈U gilt: Wenna1, . . . ,amNullstellen (2) vonf sind, dann istf = 0.
(c) Es gibt einb∈Kmderart, dass es genau eine Interpolation zu(a, b)inU gibt.
(d) Der K-UntervektorraumU ist endlichdimensional und für jedesn∈ N0 und jede Basis s= (s1, . . . , sn) von U ist
rkK
s1(a1) . . . sn(a1)
... ...
s1(am) . . . sn(am)
=n.
(e) Es gibt einn∈[0, m]und eine Basiss= (s1, . . . , sn)vonU mit
rkK
s1(a1) . . . sn(a1)
... ...
s1(am) . . . sn(am)
=n.
Beweis. Dies sei dem Leser zur Übung überlassen.
(3.56) Korollar. Es seien eine MengeX, ein K-UntervektorraumU von Map(X, K), m ∈N0 und a ∈Xm gegeben. Die folgenden Bedingungen sind äquivalent.
(a) Für jedesb∈Kmgibt es genau eine Interpolation zu(a, b)inU.
(b) (i) Für jedesf ∈U gilt: Wenna1, . . . ,amNullstellen vonf sind, dann istf = 0.
(ii) Es istU endlichdimensional mitdimKU =m.
Beweis. Dies sei dem Leser zur Übung überlassen.
Als Illustration wenden wir unsere Theorie auf Polynomfunktionen an:
(3.57) Notation. Fürn∈N0 sei
Pol<n(K, K) :={K→K,x7→f(x)|f ∈K[X]<n}.
(3.58) Definition(Vandermondematrix). Es seienm, n∈N0und einm-Tupela= (a1, . . . , am)inKgegeben.
Wir nennen
V(a) = V<n(a) = V<n(a1, . . . , am) := (aj−1i )i∈[1,m],j∈[1,n] =
1 a1 . . . an−11 ... ... ... 1 am . . . an−1m
dieVandermondematrix zua.
(3.59) Beispiel (Polynominterpolation mittels Vandermondematrix). Es sei n∈N0 gegeben und es habe K mindestensnElemente.
(a) Es seis= (s1, . . . , sn)inPol<n(K, K)gegeben durch sj:K→K,x7→xj−1
fürj∈[1, n].
(i) Dasn-Tupelsist eine Basis vonPol<n(K, K).
(ii) Für m ∈ N0, a ∈ Km ist die Darstellungsmatrix von εa|Pol<n(K,K): Pol<n(K, K) → Km zu den Basensundegegeben durch
Me,s(εa|Pol<n(K,K)) = V<n(a).
2Einc∈KwirdNullstellevonf genannt, fallsf(c) = 0ist.
(b) Fürm∈N0,a, b∈Km ist
IntpolPol<n(K,K)(a, b) ={K→K,x7→ X
j∈[1,n]
cjxj−1|c∈Sol(V<n(a),
b1
... bm
)}.
(c) Es seien m ∈ N0 und a, b ∈ Km so gegeben, dass die Einträge von a verschieden sind. Die folgenden Bedingungen sind äquivalent.
(i) Es gibt eine Interpolation zu(a, b)in Pol<n(K, K).
(ii) Das lineare Gleichungssystem zur erweiterten Koeffizientenmatrix
b1
V<n(a) ... bm
besitzt eine Lösung.
(iii) Es istb eine Linearkombination von((a01, . . . , a0m), . . . ,(an−11 , . . . , an−1m )).
(iv) Es isth(a01, . . . , a0m), . . . ,(an−11 , . . . , an−1m ), bi=h(a01, . . . , a0m), . . . ,(an−11 , . . . , an−1m )i.
(v) Es ist
rkK
b1
V<n(a) ... bm
= rkKV<n(a).
(d) Es seien m ∈ N0 und a ∈ Km so gegeben, dass die Einträge von a verschieden sind. Die folgenden Bedingungen sind äquivalent.
(i) Für jedesb∈Kmgibt es höchtens eine Interpolation zu(a, b)in Pol<n(K, K).
(ii) Für jedesf ∈Pol<n(K, K)gilt: Wenna1, . . . ,amNullstellen vonf sind, dann istf = 0.
(iii) Es gibt einb∈Kmderart, dass es genau eine Interpolation zu(a, b)in Pol<n(K, K)gibt.
(iv) Es ist
rkKV<n(a) =n.
(v) Es istm≥n.
(e) Es seien m∈N0 unda ∈Km so gegeben, dass die Einträge von a verschieden sind. Für jedes b∈ Km gibt es genau dann genau eine Interpolation zu(a, b)inPol<n(K, K), wennm=nist.
Beweis. Dies sei dem Leser zur Übung überlassen.