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3. Prozesse der Abflussbildung – Stand der Forschung

4.2 Anwendung hydrologischer Modelle in tropischen Regionen

Während in den letzten Jahren in der feucht-gemäßigten Klimazone unzählige Arbeiten über Modellanwendungen aller Art veröffentlicht wurden, sind in den feucht-tropischen Gebieten nur wenige Studien zu Anwendungen von hydrologischen Modellen bekannt. Bonell & Balek (1993) begründen den Mangel an Modellanwendungen in den humiden Tropen mit der schlechten Datenverfügbarkeit. Meist fehlen nicht nur elementare Eingangsdaten wie DGM, Klimadaten, Bodenkarte etc., sondern auch Daten zur Modellvalidierung. So sind in ganz Af-rika insgesamt nur knapp 280 Pegelstellen registriert (Shahin 2002), während allein in Nord-rhein-Westfalen über 450 Pegel des staatlichen Umweltamtes vorhanden sind (schriftliche Mitteilung des staatlichen Umweltamtes).

Im Kontext der Global Change Forschung und durch das wachsende Bewusstsein bezüglich des überregionalen Einflusses des Wasserkreislaufes der Tropen auf das globale Klima wächst auch das Interesse an hydrologischen Untersuchungen und an Anwendungen von hyd-rologischen Modellen in diesen Regionen (Brasington et al. 1998). Hierbei handelt es sich aber meist um großskalige Anwendungen mit einem 0.5°-Raster, die - häufig gekoppelt mit meteorologischen Modellen - Wasserbilanzen über lange Zeiträume berechnen, wie die von Paturel et al. (2003) für Westafrika. In diesem Kontext sind auch die globalen Ansätze zur Modellierung der zukünftigen Wasserbilanz und Wasserverfügbarkeit von Döll et al. (2003) und Oki et al. (2003) auf der Basis von GCM-Szenarien zu nennen. Wie schon in Kapitel 3.2.3 erwähnt, finden hydrologische Modelle auch in den Tropen vermehrt Anwendung bei der Analyse der Landnutzungsänderung mittels Szenarien. Legesse et al. (2003) analysierten unter Verwendung des PRMS-Modells, das in das Modular Modelling System (MMS) (Lea-vesley et al. 1996) implementiert ist, mittels Szenarien den Einfluss von Klima- und Landnut-zungsänderung in Zentral-Äthiopien. Ihre Studien zeigen, dass die Veränderung der Klimapa-rameter einen deutlich größeren Einfluss auf die Abflussmenge hatte als die Veränderung der Landnutzung. So wurden durch eine 10 % Verringerung des Niederschlags 30 % weniger Abfluss simuliert, während eine Veränderung der Landnutzung von Weide in Wald nur zu einer achtprozentigen Abnahme des Abflusses führte. Für Westafrika wurde von Kunstmann

& Jung (2003) auch der Einfluss der Landnutzung und der Bodenfeuchte auf die Niederschlä-ge mit Hilfe des mesoskaliNiederschlä-gen meteorologischen Modells MM5 simuliert. Im Bereich der kleinskaligen Anwendung hydrologischer Modelle zur Analyse des Einflusses der Landnut-zungsänderung auf die hydrologischen Prozesse ist die Arbeit von Waterloo et al. (1997) zu nennen. Er verwendete das SWATRE Teilmodell des LISEM Modells (de Roo 1994), um

mittels Landnutzungsszenarien (bewaldet, abgeholzt) die Veränderung des Abflusses und der

Sedimentfracht in einem kleinen Einzugsgebiet in Kamerun zu simulieren. Jedoch wurde das Modell vorher nicht validiert und auch nur ein Niederschlagsereignis simuliert, so dass die Ergebnisse wenig aussagekräftig sind.

Aufgrund fehlender Studien mit detaillierten Feldmessungen von bodenphysikalischen, hyd-rologischen und meteohyd-rologischen Parametern in tropischen Einzugsgebieten wurde auch die Anwendung von physikalisch basierten Modellen in diesen Gebieten nur sehr vereinzelt durchgeführt.

Ein Beispiel für eine makroskalige Anwendung eines physikalisch-basierten Modells in den westafrikanischen Tropen stellt die Untersuchung von Andersen et al. (2001) dar. Sie führten eine hydrologische Modellierung im 375000 km² großen Senegal-Einzugsgebiet auf der Grundlage allgemein verfügbarer Daten mit einer modifizierten Version des MIKE SHE Mo-dells (Refsgaard & Storm 1995) durch. Die Wasserflüsse des Interflows und des Grundwas-sers wurden in dieser Version durch einfache lineare Speicher dargestellt. Trotz der Verwen-dung globaler Datensätze (FAO Soil Map, USGS DGM, USGS NOAA Land Cover) konnten nach der Kalibrierung sehr gute Modellergebnisse für mehrjährige Simulationen erzielt wer-den. Jedoch weisen die Autoren darauf hin, dass v.a. die fehlenden Informationen über Bo-denmächtigkeiten zu großen Unsicherheiten im Modellierungsprozess führen.

Das in den gemäßigten Breiten zahlreich validierte TOPMODEL (Beven & Kirkby 1979) wurde auch in den Tropen in drei Studien auf der Mesoskala und Mikroskala getestet.

In Westafrika wendeten Campling et al. (2002) eine modifizierte Version des TOMODELS in einem 379 km² großen Einzugsgebiet im Süden Nigerias an. Die Modellstruktur wurde in der Form verändert, dass in den oberen Hangbereichen ein Grundwasserspiegel angenommen werden kann, der einen größeren Abstand zur Geländeoberfläche hat, als der des Unterhangs.

Das verhindert eine Ausbreitung der gesättigten Flächen in die oberen Hangbereiche und vergrößert das effektive Speicherdefizit für Bereiche mit großem Topographischem Index.

Mittels Durchführung einer Unsicherheitsanalyse nach der GLUE-Methode (Beven 2001) wurde ein Parametersatz ermittelt, der für die beiden simulierten Jahre die besten Ergebnisse (model efficiency 0.849 und 0.943) erzeugte. Die simulierte Abflussganglinie zeigt die beste Übereinstimmung mit dem gemessenen Abfluss in der Mitte der Regenzeit, während es zu Beginn und am Ende der Regenzeit meist zu Unterschätzungen kommt. Eine weitere Anwendung von TOPMODEL in Westafrika wurde von Quinn et al. (1991) in dem schon in Kapitel 3.2 erwähnten Booro-Borotou-Einzugsgebiet an der Elfenbeinküste zur Ermittlung der Fließwege durchgeführt. Jedoch handelt es sich hier um eine Verwendung des Modells

zur digitalen Reliefanalyse und nicht um eine klassische Anwendung als Niederschlags-Abfluss-Modell. Somit wurde auch keine Validierung der Abflusssimulation durchgeführt.

Außerhalb Westafrikas wendeten Molicova et al. (1997) TOPMODEL in einem mikroskali-gen Remikroskali-genwald-Einzugsgebiet (1 ha) in Französisch Guyana an. Die ‚erfolgreiche Anwen-dung’ bezieht sich jedoch nur auf zwei Abflussereignisse bei völlig freier Wahl der Eingabe-parameter. Zur Erzeugung eines guten Ergebnisses erfolgte beim zweiten untersuchten Peak sogar eine Anpassung der Niederschlagswerte, so dass diese Untersuchung nach Auffassung von Vertessy & Elsenbeer (1999) nicht als ‚erfolgreiche Anwendung’ des TOPMODELS in den Tropen bewertet werden kann.

Die Untersuchungen von Vertessy & Elsenbeer (1999) und Vertessy et al. (2000) im 0.75 ha großen La Cuenca-Einzugebiet im westlichen Amazonasgebiet stellen für die humiden Tro-pen eins der wenigen Beispiele für die erfolgreiche Anwendung eines physikalisch basierten Modells zur Analyse der Abflussbildungsprozesse auf der lokalen Skala dar. Das betrachtete Einzugsgebiet wurde, wie in Kapitel 3.2.1 dargestellt, von Elsenbeer et al. (1992) und Elsen-beer & Lack (1996) detailliert auf physikalische Bodeneigenschaften und Abflussbildungs-prozesse untersucht. Hier wurde, aufbauend auf den Messergebnissen, das TOPOG_SBM-Modell verwendet, was eine modifizierte Version des CSIRO TOPOG_dynamic-TOPOG_SBM-Modells (Vertessy et al. 1993) darstellt. Im Vergleich zum TOPOG_dynamic wurde für die Beschrei-bung der Bodenwasserflüsse in TOPOG_SBM anstelle des Darcy-Ansatzes ein einfacher Speicheransatz verwendet (Vertessy & Elsenbeer 1999). Die Wasserflüsse (oberirdisch wie auch unterirdisch) wurden wie bei allen TOPOG-Anwendungen auf der Grundlage eines so-genannten streamtube-Netzwerkes mit Hilfe des eindimensionalen Kinematische-Welle-Ansatzes simuliert. Zur Analyse des Einflusses der Qualität bodenphysikalischer Eingangsda-ten verwendeEingangsda-ten Vertessy & Elsenbeer (1999) verschiedene DaEingangsda-tensätze zur Parametrisierung des Ksat-Wertes im Modell (1: ein Mittelwert für das gesamte Gebiet, 2: ein Wert pro Land-schaftseinheit, 3: zufällige Verteilung der Ksat-Werte der Verteilungsfunktion über das gesam-te Gebiet, 4: zufällige Vergesam-teilung innerhalb der Landschaftseinheigesam-ten). Da das Modell keine Evapotranspiration simuliert, konnten nur Einzelereignisse mit vorher angepasster Boden-feuchte simuliert werden. Nach Kalibrierung des Modells für ein Abflussereignis wurden 34 weitere Ereignisse mit dem gleichen Parametersatz, jedoch mit veränderter Anfangsboden-feuchte simuliert. Es zeigten sich sehr gute Modellergebnisse bei allen Parametersätzen für die Gesamtabflussmenge der Ereignisse (r² von 0.95 bis 0.97). Für die anderen Parameter

(Spitzenabfluss und Anstiegszeit des Abflusspeaks) wurden die besten

Validierungsergebnisse mit dem Eingangsparametersatz 4 (zufällige Verteilung über den Landschaftseinheiten) erzielt.

Abraham & Tiwari (1999) entwickelten für ein 3.64 ha großes, stark reliefiertes Einzugsge-biet in Indien ein Modell, das die vertikale Simulation der Wasserflüsse einzelner Bodensäu-len durch laterale Flüsse koppelt. Die Validierung des Modells erfolgte v.a. mit Grundwasser-standsdaten, während der simulierte und gemessene Abfluss nur für wenige Tage verglichen wurde.

Als weiteres Beispiel im Bereich der Modellanwendung zur Analyse der hydrologischen Pro-zesse in den humiden Tropen sei die Untersuchung von Brasington et al. (1998) genannt. Sie entwickelten ein räumlich verteiltes, konzeptionelles Modell, das in einem 4.2 km² großen Einzugsgebiet in Nepal getestet wurde. Die Wiedergabe des Abflusses war zufrieden stellend, jedoch wurde trotz durchgeführter Kalibrierung keine Trennung in Kalibrierungs- und Vali-dierungsergebnisse dargestellt.

Zusammenfassend kann man feststellen, dass bisher kaum Anwendungen von physikalisch basierten Modellen auf der lokalen Skala in den Tropen veröffentlicht wurden. Die aufgeführ-ten Beispiele zeigen, dass es sich bei den kleinskaligen Untersuchungen um Modellierungen von Einzelereignissen handelt oder andere Fragestellungen (Grundwasserstände, Reliefanaly-se) im Vordergrund der Modellanwendung standen.