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Anwendbarkeit des Art. 14 GG auf den Staatswald

Im Dokument Naturschutz im Landeswald (Seite 41-44)

3 Gemeinwohlverpflichtung im Staatswald und Naturschutz

3.3 Verfassungsrechtliche Grundlagen

3.3.1 Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes

3.3.1.1 Anwendbarkeit des Art. 14 GG auf den Staatswald

Verfassungsrechtliche Aussagen zum Inhalt der Gemeinwohlverpflichtung des

BvR 518/62 und 308/64, BVerfGE 33, 125, 129.

7 Schuppert 2003, S. 242 f.; ders. in: Memmler & Ruppert, 2006, S. 25 (43 ff.); Uerpmann(-Wittzack) 1999, S. 270 ff.; Anderheiden 2006, S. 53 ff.; so schon Häberle 1970, S. 54 ff., 701 ff.

8 Dazu unten Ziff. 3.8.4.

9 Vgl. Memmler & Ruppert in: dies. 2006, S. 233 (237); Häberle 1970, S. 54 ff., 87 ff., 701 ff.

Staatswaldes können sich vor allem aus Art. 14 Abs. 2 und Abs. 3 S. 1 GG ergeben.

Allerdings ist der Staat nicht gleichzeitig aus Art. 14 GG gegenüber dem Bürger verpflichtet und selbst Grundrechtsträger. Daher können staatliche Behörden, unabhängig davon, ob sie hoheitlich oder fiskalisch handeln, im Verhältnis zu anderen Behörden den verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz (oder den Schutz anderer Grundrechte) nicht in Anspruch nehmen. Ein solcher „Insich-Schutz“ ist ausgeschlossen, da das Innenverhältnis des Staates grundsätzlich allein durch Zuständigkeits- und Kooperationsregeln und ergänzend durch gewisse allgemeine Verhaltenspflichten, insbesondere den Grundsatz des bundes- und länderfreundlichen Verhaltens, geordnet wird, während die Grundrechte der Wahrung eines menschlichen Freiheitsraums dienen.10 Dies gilt auch, soweit die Bundesländer im Rahmen der neueren Forstverwaltungsreformen die Bewirtschaftung des Staatswaldes in Form von Landesbetrieben oder unselbständigen oder selbständigen Anstalten des öffentlichen Rechts aus der allgemeinen Forstverwaltung ausgegliedert haben, ohne dass das Eigentum am Staatswald übertragen worden ist. Landesbetriebe oder unselbständige Anstalten dieser Art finden sich etwa in Baden-Württemberg, Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, im Saarland, in Sachsen und Sachsen-Anhalt, während Bayern eine rechtlich selbständige Anstalt des öffentlichen Rechts mit der Bewirtschaftung des Staatswaldes betraut hat. Im ersteren Fall ist es evident, dass die betreffenden Landesbetriebe oder Anstalten keine weitergehenden Rechte besitzen können als der Staat selbst. Im letzteren Fall gilt im Ergebnis das Gleiche, da die rechtsfähige Anstalt die Bewirtschaftung des Staatswaldes lediglich für den Staat durchführt, aber selbst über keinerlei eigene Eigentumsrechte verfügt.

Allerdings haben einige wenige Bundesländer (Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen) sowie der Bund rechtlich selbständigen Anstalten des öffentlichen Rechts nicht nur die Bewirtschaftung des Staatswalds anvertraut. Vielmehr haben sie ihnen durch Gesetz auch das Eigentum am Staatswald übertragen.11 Einher ging dies überwiegend mit einer Neudefinition des Begriffs des Staatswaldes in den meisten betroffenen Landesgesetzen und dem folgend auch im BWaldG, der Wald im Eigentum der selbständigen Anstalt öffentlichen Rechts zum Staatswald erklärt.12 Für diese Fälle stellt sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen solche Anstalten des öffentlichen Rechts das Grundrecht auf Schutz des Eigentums in Anspruch nehmen können.

Allgemein gilt, dass auch juristische Personen des öffentlichen Rechts wie Körperschaften oder (rechtlich selbständige) Anstalten nicht den Schutz der Eigentumsgarantie genießen, wenn sie öffentliche Aufgaben erfüllen. Sie gehören nicht zu den juristischen Personen, auf die die Grundrechte gemäß Art. 19 Abs. 3 GG ihrem Wesen nach anwendbar sind. Der Grund liegt darin, dass die Körperschaften des öffentlichen Rechts, wie insbesondere die Gemeinden, sowie die Anstalten des öffentlichen Rechts Teile des Staatsaufbaus sind und

10 BVerfG, Urt. v. 16. 12. 2014 – 1 BvR 2142/11, NVwZ 2015, 510 (Rn. 53 ff., 59); Rüfner in: Isensee

& Kirchhof 1992, § 116 Rn. 72; V. Mutius in: Bonner Kommentar, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 144;

Krebs in: v. Münch & Kunig, Art. 19 Rn. 47, 51; Dreier in: Dreier, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 57 ff.

11 Im Fall des Bundes ist dies die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, die die Aufgaben des früheren Bundesforstbetriebs übernommen hat; § 2 des Gesetzes über die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben.

12 So § 4 Abs. 1 S. 2 LWaldG MV; § 3 Abs. 1 NdsWaldG; § 4 Nr. 3 ThürWaldG; § 3 Abs. 1 BWaldG (seit 2010). Das LWaldG SH definiert den Staatswald nicht. Insoweit gilt § 3 Abs. 1 BWaldG unmittelbar.

öffentliche Aufgaben wahrnehmen.13 Dass die Selbstverwaltungsautonomie der Gemeinden durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG geschützt ist, steht dem nicht entgegen. Uneinig ist man sich allerdings hinsichtlich der fiskalischen oder erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit solcher juristischen Personen. Überwiegend wird auch hier generell die Unanwendbarkeit der Grundrechte angenommen. Es wird jedoch auch die Auffassung vertreten, dass es auf die Funktion der juristischen Person oder auf den Bezug zum Freiheitsraum natürlicher Personen ankommt.14

Würde man in der Funktion der juristischen Person des öffentlichen Rechts das entscheidende Abgrenzungsmerkmal sehen, so würden sich allerdings hinsichtlich des Staatswaldes schwierige Abgrenzungsprobleme stellen. Die als selbständige Anstalt des öffentlichen Rechts organisierte Forstverwaltung einzelner Länder im Bereich des Staatswaldes nimmt vielfach insofern hoheitliche Aufgaben wahr, als sie auch als Forstbehörde tätig wird. Neben dieser Zuständigkeitszuweisung steht die Bewirtschaftung des Staatswaldes, die man als eine separate erwerbswirtschaftliche Tätigkeit ansehen kann. Denkbar wäre es, bei derart gemischter Tätigkeit danach zu fragen, welche Tätigkeit überwiegt. Richtigerweise wäre aber darauf abzustellen, in welcher Funktion die Anstalt öffentlichen Rechts tätig wird.15

Auch wenn man die Bewirtschaftung des Staatswaldes als eine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit ansieht, ist zu berücksichtigen, dass die betreffenden Anstalten des öffentlichen Rechts bei der Bewirtschaftung auch öffentliche Aufgaben wahrnehmen, weil sie einer besonderen Gemeinwohlverpflichtung unterliegen, die über die Gemeinwohlbindung aller Waldeigentümer hinausgeht. Die Wahrnehmung des Gemeinwohls erfolgt in untrennbarer Verknüpfung mit der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit. Schon aufgrund dieser Verknüpfung wird man davon auszugehen haben, dass die Bewirtschaftung des Staatswaldes nicht den Schutz von Artikel 14 GG genießt. Eine Parallele bilden die Sparkassen, die ebenfalls eine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit mit Gemeinwohlbindung ausüben.

Letztlich kann man die Frage aber wohl offenlassen. Nach den Kriterien der Verfassungsrechtsprechung, wie sie insbesondere zur Einordnung der Tätigkeit von

13- BVerfG Beschl. v. 8. 7. 1982 – 2 BvR 1187/80, BVerfGE 61, 82 (100 f., 104 ff.); BVerfG Beschl.

v. 14. 4. 1987 – 1 BvR 775/84, BVerfGE 75, 192 (196); BVerfG-K Beschl. v. 21. 2. 2008 – 1 BvR 198/07, NVwZ 2008, 778 (Rn. 9); BVerfG Beschl. v. 3. 11. 2015 – 1 BvR 1766/15, NVwZ-RR 2016, 242 (Rn. 6); Remmert in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 45 f.; Krebs in: v. Münch &

andererseits BVerfG Beschl. v. 14. 4. 1987 – 1 BvR 775/84, BVerfGE 75, 192 (196;) BVerfG-K Beschl. v. 16. 5. 1989 – 1 BvR 705/88, NJW 1990, 1783 (1784); Beschl. v. 15.8. 1994 – 2 BvR 1430/94, NJW 1995, 582 (583); Beschl. v. 11. 12. 2008 – 1 BvR 1665/09, NVwZ-RR 2009, 361;

für generellen Grundrechtsschutz: VerfGH Bayern Entsch. v. 23. 10. 1991 – Vf. 1-VII-91, VerfGHE 44, 149 (152) = NVwZ-RR 1992, 523; ebenso, aber einschränkend: Wieland in: Dreier, GG, Art.

14 Rn. 70.

15 So wohl BVerfG Beschl. v. 31. 10. 1984 – 1 BvR 35/82 u. a., BVerfGE 68, 193 (206); BVerfG Beschl. v. 14. 5. 1985, 1 BvR 449/82 u. a., BVerfGE 70, 1 (15 ff.); aus der Literatur etwa Krebs in: v. Münch & Kunig, GG, Art. 19 Rn. 51; Dreier in: Dreier, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 72; Remmert in: Maunz & Dürig, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 55.

Sparkassen entwickelt worden sind, kommt auch bei prägender fiskalischer Tätigkeit ein Grundrechtsschutz nur in Betracht, wenn ein direkter Bezug zum Freiheitsraum natürlicher Personen besteht.16 Bei Anstalten des öffentlichen Rechts dürfte ein Rückgriff auf die hinter der Anstalt stehenden Personen schon nach der Natur der Sache von vornherein ausscheiden, da Anstalten keine Mitglieder besitzen. Auch wenn man einen mittelbaren Bezug auf Individuen ausreichen ließe, erscheint der Nexus zu den Personen, die durch gemeinwohlorientierte Bewirtschaftung des Staatswaldes faktisch begünstigt werden, nicht eng genug, um einen Grundrechtsschutz zu rechtfertigen. Praktisch liefen derartige Überlegungen darauf hinaus, die Allgemeinheit als Kollektiv aller Individuen zu schützen.

Daher scheidet auch in den Ländern und im Bund, die im Bereich der Forstverwaltung selbständige Anstalten öffentlichen Recht begründet und diesen das Eigentum am Staatswald übertragen haben, ein verfassungsrechtlicher Eigentumsschutz aus.

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