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2. Literaturübersicht

2.3 Orale Antiseptika

2.3.5 Antiseptische Wirkstoffe der dritten Generation

Chemotherapeutika der dritten Generation haben Eigenschaften zur Adhäsionsminderung der oralen Mikroflora auf der Schmelzoberfläche (LANG NP et al. 1998). Es wird sich jedoch erst in Zukunft zeigen, inwieweit man ihre Eigenschaften nutzen kann. Die ersten Präparate sind derzeit neu im Handel erhältlich. Beispiele für diese Substanzgruppe sind Octenidol® und Delmopinol®.

Die oberflächenaktiven Substanzen werden bevorzugt als Netzmittel in Zahnpasten eingesetzt und führen durch Reduktion der Oberflächenspannung zu einer Verringerung der mikrobiellen Kohäsion und somit zu einer Auflösung der Bakterienverbände (CIANCIO 1992). Die oberflächenaktiven Substanzen sind Detergenzien wie Stearat und

Natriumlaurylsulfat, die seit Langem Anwendung als Zusätze in Zahnpasten finden.

Natriumlaurylsulfat gehört zu den oberflächenaktiven anionischen Substanzen. In-vitro-Studien haben die Wirksamkeit gegenüber S. mutans und S. sobrinus gezeigt. Eine Hemmung der Plaqueentwicklung konnte ebenfalls nachgewiesen werden. Verschiedene Faktoren scheinen dafür verantwortlich zu sein: Störung bestimmter Enzymreaktionen, Denaturierung von Proteinen sowie Verhinderung der Adsorption von Bakterien auf der Zahnoberfläche. In Kombination mit Zinksalzen erhöht sich die Wirkung. Natriumlaurylsulfat bewirkt das Aufschäumen beim Zähneputzen (VAN DYKE 1992), inaktiviert auch bakterielle Enzyme und erreicht somit eine Bakteriostase (SCHACHTELE 1975). Da es aufgrund seiner Proteinaffinität nicht nur Bakterienenzyme denaturiert, sondern auch interzelluläre Verbindungen in der Mundschleimhaut angreift, ist eine möglichst geringe Konzentration anzustreben, um eine verstärkte Desquamation oberflächlicher Epithelzellen zu vermeiden (FLORES-DE-JACOBY et al. 1975).

Auch oxigenierende Substanzen wie H2O2 und Perborate als oberflächenaktive Substanzen sind in Mundspüllösungen und Zahnpasten enthalten. Sie werden durch gewebe- bzw.

bakteriengebundene Enzyme aktiviert und hinterlassen Sauerstoff in Kombination mit einem aufschäumenden Effekt. Als Desinfizientien besitzen sie entzündungshemmende Eigenschaften und bewirken vorübergehend eine geringere Blutungsneigung des Gewebes.

Die eigentliche bakterielle Ursache des Krankheitsprozesses wird jedoch nicht reduziert (CIANCIO 1992). Klinische Kurzzeitstudien liefern widersprüchliche Ergebnisse bezüglich der Effektivität von Peroxiden, jedoch scheint eine ausreichende Reduktion des Biofilms und der Bakterien nicht möglich (GREENWELL et al. 1983, PHILSTROM et al. 1987).

Außerdem zeigte sich, dass die Anwendung einer 3-prozentigen H2O2-Lösung den Heilungsprozess bereits vorhandener Wunden in der Mundschleimhaut stört (REES und ORTH 1986). Delmopinol (Propylheptyl-morpholinethanol-hydrochloride) ist eine oberflächenaktive Substanz mit einem breiten antibakteriellen Wirkungsspektrum, die in Mundspüllösungen enthalten ist. Zum einen wird durch die Herabsetzung der Oberflächenspannung eine Verringerung der Kohäsion von Biofilm und Bakterien erreicht (RUNDEGREN et al. 1992), zum anderen konnte in vitro eine Inhibierung des bakteriellen Glukosestoffwechsels nachgewiesen werden (SIMONSSON et al. 1991). Dies konnte in klinischen Kurzzeitstudien bestätigt werden, da im Vergleich zu Chlorhexidin eine fast äquivalente antimikrobielle Wirksamkeit und eine gute Gingivitis- und Biofilmreduktion vorlagen (COLLAERT et al. 1992 und 1993, RUNDEGREN et al. 1992).

In einer Metaanalyse konnte herausgestellt werden, dass Delmopinol mit seiner biofilminhibitorischen Wirkung und seiner Gingivitisreduktion in Form einer 0,2-prozentigen Mundspüllösung eine Alternative zum Chlorhexidin für viele Patienten darstellt (ADDY et al.

2007). Dagegen konnte in klinischen Langzeitstudien zwar eine Biofilmreduktion erreicht werden, jedoch führte dies nicht zu einer signifikanten Gingivititisreduktion (ABBOTT et al.

1994, HASE et al. 1995). Es wurde vermutet, dass eine negative Beeinflussung zwischen Delmopinol und der im Speichel enthaltenen antimikrobiell wirksamen Peroxidase vorliegt und diese Hemmung zu einer verminderten Konzentration des Speichelenzyms und somit zu einer reduzierten lokalen Abwehrreaktion führt (TENOVUO et al. 1995). Als Nebenwirkung ist einzelnen Berichten zufolge beim Gebrauch von Mundspüllösungen mit Delmopinol eine vorübergehende Anästhesie der Mundschleimhaut beobachtet worden (HASE et al. 1995).

Ein anderer Vertreter der oralen Antiseptika der dritten Generation ist Octenidin.

Octenidin(dihydrochlorid) ist ein oberflächenaktiver Wirkstoff (kationaktives Bispyridin), der für die Antiseptik in Kombination mit 2-prozentigen Phenoxyethanol eingesetzt wird. Das Wirkungsspektrum umfasst grampositive und gramnegative Bakterien, Pilze sowie eine Reihe von Virusarten. Bei der Anwendung auf Wunden war keine Resorption nachweisbar, sodass nach derzeitigem Stand des Wissens resorptiv-toxische Risiken auszuschließen sind. Noch nicht vollständig geklärt ist die Frage einer im Vergleich zu den Jodophoren oder zu Polihexanid erhöhten Zytotoxizität. Gute klinische Erfahrungen liegen vor bei der Erstversorgung von Schürf-, Biss- und Schnittwunden sowie mit 1:1 verdünnter Lösung bei Verbrennungswunden. Kontraindikationen sind Spülungen der Bauchhöhle und der Harnblase sowie die Anwendung am Trommelfell. Die Kontraindikation der Anwendung bei Kindern unter acht Jahren wurde 2003 von der Zulassungsbehörde zurückgenommen.

Octenidin besitzt ein breites antimikrobielles Wirkspektrum und eine geringe systemische Toxizität, eine gute lokale Verträglichkeit an Haut und Schleimhäuten. Dieses Antiseptikum ist seit 1995 als Octenisept® in Deutschland für die Schleimhautdesinfektion zugelassen. Es zeichnete sich bisher besonders in der Gynäkologie und Urologie durch sehr gute Verträglichkeit und Wirksamkeit aus (ENZELSBERGER et al. 1995). In-vitro-Versuche zeigten die abtötende Wirkung von Octenisept® auf grampositive und gramnegative Bakterien innerhalb von 30 Sekunden (GORONCY-BERMES 1990). Dabei hat der Wirkstoff Octenidinhydrochlorid keinen negativen Einfluss auf die Wundheilung (HARKE et al. 1997).

Von KALTEIS et al. (2003) wurde Octenidin in einer In-vivo-Studie ebenfalls eine geringe Toxizität bestätigt.

Seit 2008 ist eine neue Mundspüllösung auf der Basis von Octenidin (Octenidol®) im Handel erhältlich. Diese Lösung wird zur Regeneration von entzündlichen Erkrankungen im Mundraum, bei eingeschränkter Mundhygienefähigkeit, zur unterstützenden Behandlung von MRSA-Patienten, bei Parodontitis und Gingivitis, in der (Kinder-)Onkologie, in der Intensivpflege von beatmeten Patienten und begleitend zur Strahlentherapie angewendet.

Octenidol® ist hochwirksam gegenüber den Leitkeimen der infektiösen Erkrankungen aus dem Formkreis der Parodontitis und Gingivitis (odontogene Infektionen). Das Präparat erreicht bereits bei einer Einwirkzeit von 30 Sekunden eine Keimreduktion um 4,7 bis 8 lg-Stufen. Da die tatsächliche Keimzahl der geprüften gramnegativen und grampositiven anaeroben und microaerophilen Erregerarten bei einer aggressiven oder chronischen Form der Parodontitis in einem Bereich zwischen 102 und 105 liegt, im Fall von P. micros in einem Bereich von 104, ist eine sichere Keimreduktion erreichbar (MUTTERS et al. 2007).

In einem Suspensionsversuch gegen Aggregatibacter actinomycetemcomitans und Micromonas micros konnte bei einer Ausgangskeimzahl von 108 KBE/ml eine vollständige Abtötung der Testorganismen bereits nach 30 Sekunden Einwirkzeit erzielt werden (KAMMA et al. 2006).

In einem quantitativen Suspensionsversuch unter „dirty conditions“ gemäß DGHM-Methodenbuch 2001 wurde die antimikrobielle Wirkung des Präparates Octenidol® -Mundspüllösung gegen multiresistente Staphylococcus-aureus-Isolate geprüft. Als Einwirkzeiten wurden 10, 20 und 30 Sekunden gewählt. Bereits nach einer Einwirkzeit von zehn Sekunden wurde eine ausreichende Wirkung gegen alle verwendeten MRSA-Isolate erreicht. Unter Zugrundelegung der ermittelten Ergebnisse ist das Präparat Octenidol® -Mundspüllösung zur Sanierung von MRSA-besiedelten Patienten im Mund-Rachen-Raum geeignet (AL-DOORI et al. 2007).

Die Wirkung von Octenidol® auf die Zellen der Munschleimhaut und des Knochens ist bis jetzt nicht untersucht worden, sodass die Frage nach der Vorbeugung der Parodontitiden durch die Octenidin-Mundspüllösung bzw. eine eventuelle Komplikation der Wundheilungsstörung im Sinne einer Nebenwirkung bei der Anwendung dieses Präparates noch völlig offen ist.