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3. Theorie der Organisationskultur

3.1 Ansätze zur Organisationskultur

Grundsätzlich werden in der Literatur zwei unterschiedliche Herangehens-weisen dargestellt, wie man Organisationskulturen begegnen kann. Das ist zum einen die positivistische Sichtweise11 und zum anderen die phänome-nologische. Diese Ansätze sollen hier überblicksartig dargestellt werden um den organisationstheoretischen Rahmen für diese Arbeit abzustecken.12

3.1.1 Der positivistische Ansatz

Als Begründer dieses Ansatzes wird Auguste Comte (1798-1857) genannt (vgl. Hillmann 1994). Der positivistische Ansatz steht für die Annahme, dass es eine objektive Wahrheit in der Welt gibt, die mit wissenschaftlichen (quantitativen) Methoden festgestellt werden kann. Dabei werden die Be-ziehungen zwischen Variablen systematisch und statistisch erfasst (z.B.

Cassell und Symon 1994:2).

Hillmann (1994:681) merkt an, dass der Positivismus auf umfassende In-terpretationen und Deutungsversuche verzichtet, da nur beobachtbare und erfahrbare Tatsachen zu berücksichtigen sind. Oberste Prinzipien sind die Werturteilsfreiheit und die Orientierung an naturwissenschaftlichen Metho-den. Es sollen Methoden zur Falsifikation oder Verifikation von Hypothesen entwickelt werden.

11 Es sei an dieser Stelle auf den so genannten Positivismusstreit hingewiesen. Zur weite-ren Lektüre z.B. Theodor W. Adorno (Hrsg): Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie. Darmstadt 1969.

12 Es sei darauf hingewiesen, dass eine Vielzahl von theoretischen Ansätze zur Organisa-tionskultur in der Literatur verfügbar ist. Einen guten Überblick liefert Smircich (1983).

22 Der phänomenologische Ansatz

3.1.2 Der phänomenologische Ansatz

Die Grundannahme in diesem Ansatz besteht darin, dass es keine objektive Wahrheit oder Realität gibt. „Social life emerges from the shared creativity of individuals“ (Cassell und Symon 1994:2).

Nach Hillmann (1994:665) ist diese Richtung durch Alfred Schütz begrün-det worden. Es werden hierzu auch die Ethnomethodologie und mitunter auch der Symbolische Interaktionismus gerechnet. Bevor eine theoretische Reflexion stattfindet, sollen Strukturen und Typisierungen der alltäglichen Lebenswelt unvoreingenommen empirisch erfasst und exakt beschrieben werden. Die Menschen werden nicht als Untersuchungsgegenstand gesehen, sondern als „sinnhaft handelnde u. mitmenschlich interagierende Subjekte, die zwar in eine immer schon vorstrukturierte Kultur- u. Sozialwelt hinein-geboren werden, diese aber durch eigene Sinndeutungs- u. Sinnsetzungs-vorgänge rekonstruieren und weiter gestalten“ (Hillmann 1994:665). Es sol-len in der Analyse ebenso die objektiven Strukturen wie auch die subjekti-ven Orientierungen der Handelnden aufgedeckt werden. Dabei wird die Annahme der Intersubjektivität zugrunde gelegt. Die Handelnden interpre-tieren sich selbst und ihre Umwelt.

Eine weitere Unterscheidung, die hinsichtlich der Begriffsauffassung und der methodischen Zugangsweise zur Organisationskultur in der Literatur vorgenommen wird, lässt sich anhand der folgenden beiden Konzepte dar-stellen:

Dabei handelt es sich zum einen um den Variablen-Ansatz, bei dem man davon ausgeht, dass jedes Unternehmen eine eigene Kultur hat und der auf der positivistischen Sichtweise basiert, und zum anderen um den Meta-phern-Ansatz, bei dem die Auffassung vorherrscht, dass jedes Unternehmen eine eigene Kultur ist und eher der phänomenologischen Sichtweise zuzu-ordnen ist. Zum besseren Verständnis sollen nun die beiden Ansätze kurz vorgestellt werden.

Der Variablen-Ansatz 23

3.1.3 Der Variablen-Ansatz

Die meisten populärwissenschaftlichen Abhandlungen zum Thema Unter-nehmenskultur können diesem Ansatz zugerechnet werden (vgl. Lässig 1999:8). Die Vertreter der Auffassung, dass jedes Unternehmen eine eigene Kultur habe, setzen auch voraus, dass diese Kultur willentlich beeinflusst werden kann, um das Unternehmen zum Erfolg zu bringen. Dieses Prinzip machen sich auch viele Unternehmensberatungen zu Eigen. Die Kultur einer Organisation wird als nur eine neben mehreren Variablen dieser Organisa-tion aufgefasst. Vertreter dieses Ansatzes sind z.B. die oben genannten Bestseller-Autoren Deal und Kennedy (1982) und Peters und Waterman (1982). Sie verstehen unter der Organisationskultur vor allem die sichtbaren Merkmale und Erscheinungsformen, wie z.B. unternehmensspezifische Ri-tuale, Zeremonien und Legenden (vgl. Lässig 1999:8). Zur Erforschung dieser Elemente der Unternehmenskultur werden meistens objektiv-quanti-tative Methoden verwendet, um die sichtbaren Merkmale zu zählen und/oder zu beschreiben. Es werden vor allem standardisierte Fragebögen und systematische Beobachtungen als Datenerhebungsinstrumente einge-setzt.

Die Grundannahme, dass Organisationen eine Kultur haben, ist rein funk-tionalistischer Natur: Es wird davon ausgegangen, dass sich bei einer posi-tiven Veränderung der Unternehmenskultur auch alle anderen Faktoren zum Positiven verändern werden.

Dieser Ansatz steht in der Tradition des so genannten 'SocialFact Paradigm' (vgl. Lässig 1999:8), das in engem Zusammenhang mit der Kontingenzfor-schung steht, „die das Verhalten von Organisationsmitgliedern und die Struktur von Organisationen in Abhängigkeit von Kontextfaktoren wie z.B.

Größe oder Rechtsform untersucht“ (Lässig 1999:9). Allerdings wurde die Kontingenzforschung in jüngster Zeit heftig kritisiert, da aufgrund theoreti-scher und methoditheoreti-scher Mängel nur wenig konsistente und kaum signifi-kante Ergebnisse hervorgebracht wurden (vgl. ebenda). Hofstede (1993:208) sieht daher in diesem Ansatz die Gefahr, dass das Wesen der Organisati-onskultur als Ganzes verfehlt werde.

24 Der Metaphern-Ansatz

3.1.4 Der Metaphern-Ansatz

Der Metaphern-Ansatz geht davon aus, dass das Unternehmen eine Kultur ist. Mit der Metapher der Unternehmenskultur wird die soziale Dimension des Unternehmens besonders hervorgehoben. Diese Metapher wird auch als

„root metaphor“ bezeichnet und steht in der Bedeutung der allumfassenden organisatorischen Variable. Von ihr hängen alle anderen Variablen ab (Läs-sig 1999:10). Diese Sichtweise steht im Zusammenhang mit dem 'Social Definition Paradigm'(auch 'InterpretativeParadigm'oder 'SocialCon-structionist Paradigm'genannt). Es wird davon ausgegangen, dass eine Or-ganisation nicht unabhängig von ihren Mitgliedern existieren kann. Auch Merkens (1992:23) gibt zu bedenken, dass „die Mitglieder [...] Träger der Organisationskultur [sind] und nicht die Strukturen, die vielmehr über die Interaktionen der Mitglieder als kulturelle Manifestationen gebildet wer-den.“

Die Auffassung, dass Unternehmen Kulturen sind, „findet sich fast aus-schließlich bei echten Wissenschaftlern“ (Hofstede 1993:204). Diese be-schäftigen sich vor allem mit Organisationssymbolik.

In diesem Ansatz stehen nicht die manifesten Phänomene im Mittelpunkt des Forschungsinteresses, sondern die Kognitionen der Organisationsmit-glieder (vgl. Lässig 1999:10). Alles Beobachtbare wird zum Ausdruck zu-grunde liegender Überzeugungen und Werte. Zwar sind auch hier verbale Äußerungen und Artefakte, wie z.B. die Architektur des Gebäudes, die ein-gesetzte Technik oder die Uniform des Pförtners Gegenstand der Forschung, jedoch muss dabei über die reine Beschreibung hinaus der Bedeutungsinhalt dieser Phänomene interpretativ erschlossen werden (vgl. ebenda). Dabei muss nach v. Rosenstiel (1993:16) auf mehrere Ebenen im Unternehmen geachtet werden:

w Basisannahmen, die meist unbewusst sind,

w Normen, Standards und Wertorientierungen, die bewusstseinsfähig sind und als Verhaltensrichtlinien für Organisationsmitglieder gelten,

w Artefakte, die im Sinne der Zweckrationalität ihre Funktion haben und Ausdruck der im Unternehmen herrschenden Basisannahmen sind, wie alles Sichtbare und Beobachtbare im Unternehmen.

Der Metaphern-Ansatz 25 Ziel dieses Ansatzes ist es, die zu untersuchende Kultur in ihrem Facetten-reichtum und in ihrer Einzigartigkeit zu verstehen (Lässig 1999:11). Es werden vornehmlich interpretative Methoden aus der Ethnologie angewandt, wie z.B. die teilnehmende Beobachtung, Inhaltsanalyse von Dokumenten und offene Interviews.

Dabei wird nicht so sehr nach Gestaltungsmöglichkeiten und Ansätzen zur Veränderung gesucht, wie es im Variablen-Ansatz der Fall ist. Vertreter dieses Metaphern-Ansatzes gehen davon aus, dass die Unternehmenskultur grundsätzlich nicht willentlich veränderbar ist. Diese Auffassung erscheint jedoch fragwürdig im Hinblick auf bereits erfolgreich durchgeführte Kul-turänderungen.

Auch der Metaphern-Ansatz wurde in der Literatur vielfach kritisiert. Dabei wurde die mangelnde Objektivität und die fehlende intersubjektive Über-prüfbarkeit angeführt. Diese methodische Schwäche haftet jedoch qualitati-ven Methoden generell an.

3.1.5 Organisationskultur als dynamisches Konstrukt

Dieser dritte theoretische Ansatz zur Organisationskultur kann als eine Syn-these aus dem Variablen-Ansatz und dem Metaphern-Ansatz gesehen wer-den und wird als Herangehensweise z.B. von Lässig (1999) und Schein (1985) vorgeschlagen. Es soll hier davon ausgegangen werden, dass Unter-nehmen Kulturen sind und gleichzeitig kulturelle Aspekte haben, die ver-änderbar sind. Die Beeinflussbarkeit einer Kultur gilt in einem einge-schränkten Maße als generell möglich und soll auf der Basis einer verste-henden Beschreibung erfolgen. Eine Veränderung der Organisationskultur muss in diesem Zusammenhang als ein langsamer und mühevoller Entwick-lungsprozess verstanden werden, der zwar gelenkt, aber nicht hundertpro-zentig kontrolliert werden kann. Hofstede (1993:225) gibt zu bedenken, dass bestimmte Praktiken, die Ausdruck der Unternehmenskultur sind, verändert werden können. Aber die zugrunde liegenden Werthaltungen von Erwach-senen sind nur äußerst schwierig, wenn überhaupt, zu verändern. Außerdem

26 Organisationskultur als dynamisches Konstrukt kann eine Kultur nicht generell als gut oder als schlecht eingestuft werden.

Es stellt sich vielmehr die Frage, ob die vorherrschende Kultur zu den an-gestrebten Unternehmenszielen passt. Ist das nicht der Fall, kann nach Möglichkeiten gesucht werden, inwieweit die Kultur in die erforderliche Richtung gelenkt werden kann. Müssten tief greifende Änderungen vorge-nommen werden, sollten gegebenenfalls besser die Unternehmensziele der vorhandenen Kultur angepasst werden.

Schein (1985) schlägt ein Drei-Ebenen-Modell vor, nach dem die Kultur eines Unternehmens analysiert werden sollte. Die oberste Ebene umfasst dabei alle sichtbaren Merkmale (Organigramm, Einrichtung der Zimmer, die Sprache untereinander, die Organisation der Produktion bzw. die Organisa-tionsform der kaufmännischen Abteilungen u.v.m.). Diese materiellen Kul-turelemente sind Ausdruck für bestimmte Bedeutungsinhalte, die sich dem Beobachter jedoch nicht unmittelbar erschließen.

Die zweite Ebene umfasst bestimmte Werthaltungen der Organisationsmit-glieder, die meistens unbewusst sind und nur mit konkreten Fragen nach Erklärungen aufgedeckt werden können.

Die dritte Ebene der zu untersuchenden Kultur sind die grundlegenden Werte der Organisationsmitglieder. Sie sind unbewusst und müssen mit Hilfe der anderen beiden Ebenen interpretativ erschlossen werden.

Von einem ähnlichen Ansatz geht auch Merkens (1992) aus, der jedoch nur zwei Ebenen unterscheidet. Einerseits muss nach den sichtbaren Elementen, Symbolen, Legenden usw. einer Unternehmenskultur gefragt werden. An-dererseits spielen aber die unsichtbaren Merkmale die vielleicht entschei-dendere Rolle. Das sind Werte wie Leistungsbereitschaft, Qualität, Ge-winnoptimierung, etc.. Nur mit beiden Komponenten zusammen lassen sich die Handlungsweisen der Beschäftigten im Unternehmen verstehen. Diese beiden Komponenten können nach Merkens (1992:13) auch als Unter-scheidung von 'Perceptas'13und 'Conzeptas'bezeichnet werden: Die 'Percep-tas'markiert wahrnehmbare, konkret fassbare kulturelle Artefakte und so-ziale Verhaltensweisen (schriftliche Unternehmensverfassung, offen formu-lierte Unternehmensziele), während die 'Conzeptas'nicht direkt beobacht-bare Werte, Normen und Einstellungen, die historisch entstanden sind,

be-13 Die Begriffe Perceptas und Conzeptas sind eigens von Merkens gebildete Kunstbegriffe.

Organisationskultur als dynamisches Konstrukt 27 schreibt. Es wird damit unterschieden zwischen Handeln und Ziel des Han-delns.