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Anlagenexterner Notfallschutz

Im Dokument Zweck und Grundzüge der Kernanlage (Seite 54-57)

2.5 Erfüllung der gesetzlichen und behördlichen Anforderungen

2.6.4 Anlagenexterner Notfallschutz

Die im Rahmen der Projektierung untersuchten Anlagen mit Reaktorsystemen der Generationen III und III+, die für das EKKM in Frage kommen, weisen durch ihre fortschrittliche Auslegungen, z.B.

mit mehrfachen, bzw. passiven Systemen zur Kernnotkühlung und zusätzlichen Einrichtungen wie

"Core Catcher"1

[4]

, ein sehr hochentwickeltes Sicherheitsdispositiv auf. Die Auswirkungen auch von schweren Störfällen werden somit mit höchster Wahrscheinlichkeit auf die Anlage selbst begrenzt bleiben. Erst für die extrem unwahrscheinlichen, auslegungsüberschreitenden Störfälle mit einer möglichen Freisetzung von Radioaktivität in die Umgebung, die für die Bevölkerung eine Gefährdung im Sinne der Strahlenschutzverordnung darstellen bzw. zum Erreichen eines Eingreifwertes gemäss DMK führen könnten, sind Massnahmen für den externen Notfallschutz vorgesehen.

Bis zur definitiven Wahl der spezifischen Anlagenkonzeption durch die Gesuchstellerin können Störfallabläufe nur qualitativ betrachtet werden. Eine detaillierte Analyse von schweren Störfällen, deren mögliche Auswirkungen auf die Umgebung der Kernanlage und der dort wohnhaften Bevölkerung, kann daher erst später, im Rahmen des Gesuchs für die Baubewilligung, vorgenommen werden. Falls diese Analyse Störfallabläufe zeigt, bei welchen Eingreifwerte gemäss DMK überschritten werden können, sodass entsprechende Schutzmassnahmen gemäss DMK erforderlich sind, wird die Gesuchstellerin diese mit den zuständigen Stellen auf Stufe Bund, Kanton und Gemeinden vor der Inbetriebnahme abstimmen.

1 Einrichtung zum Fassen / Beherrschen einer allfälligen Kernschmelze

Hinsichtlich der Vorsorge zu den im DMK genannten Schutzmassnahmen kann aus heutiger Sicht folgendes festgehalten werden.

I. Anordnung zum Aufenthalt im Haus für sensiblen Bevölkerungsgruppen (Kinder, Jugendliche, schwangere Personen): für diese sensiblen Bevölkerungsgruppen soll ein Aufenthalt im Haus vorgesehen werden. Diese Massnahme ist schnell über Radio kommunizierbar und benötigt keine weiteren Begleitmassnahmen (keine Absperrungen / Verkehrsumleitungen, etc.). Die davon betroffene Bevölkerung kann von der bestehenden baulichen Infrastruktur Gebrauch machen. Für die übrige Bevölkerung besteht keine Notwendigkeit, persönliche Massnahmen zu treffen.

II. Anordnung zum Aufenthalt im Haus / Keller / Schutzraum: wenn diese Anordnung erlassen wird, kann die davon betroffene Bevölkerung von der bestehenden baulichen Infrastruktur Gebrauch machen. Der beste Schutz innerhalb eines Gebäudes ist in den innen liegenden Räumen oder im Untergeschoss (Keller / Schutzraum) gewährleistet. Gemäss Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetz (BZG [83]) soll für jede(n) Einwohner(in) ein geeigneter Schutzraum in zeitgerecht erreichbarer Nähe des Wohnortes bereitgestellt sein (im eigenen Haus oder ansonsten in öffentlichen Schutzräumen). Die Verwendung von öffentlichen Schutzräumen für einen Notfall in einer schweizerischen Kernanlage ist aus heutiger Beurteilung im Allgemeinen nur sehr beschränkt praktikabel. Die Bereitstellung der Schutzräume zum Schutzraumbezug und die komplette Einrichtung würden zu viel Zeit in Anspruch nehmen und insbesondere im Bereich der Betreuung sowohl personelle wie logistische Ressourcen erfordern, welche im Falle eines KKW-Störfalls gar nicht zur Verfügung stehen. Öffentliche Schutzräume können hingegen von der kommunalen Exekutive für jene Bevölkerungsteile geöffnet werden, die keine andere Schutzmöglichkeit haben oder sich in einem öffentlichen Gebäude befinden.

Dabei würde allerdings kein eigentlicher Schutzraumbezug stattfinden. Die Massnahme zum Aufenthalt im Haus / Keller / Schutzraum ist ebenfalls schnell über Radio kommunizierbar und einfach umsetzbar. Da anzunehmen ist, dass es zu selbständigen Evakuations- und

Fluchtbewegungen kommen wird, ist als Begleitmassnahme ein Verkehrsmanagement (Verkehrsumleitungen etc.) notwendig.

III. Anordnung zur Einnahme von Jodtabletten: gemäss der Jodtablettenverordnung [84] stehen der Bevölkerung jodsalzhaltige Tabletten zur Verfügung, die in den Zonen 1 und 2 um eine Kernanlage vorsorglich bis auf Stufe Einwohner verteilt werden (Verteilung an alle

Haushaltungen sowie an Betriebe, Schulen, Heime und weitere öffentlichen Einrichtungen).

Zusätzlich ist eine permanente Notfallabgabe über Apotheken und Drogerien in den Zonen 1 und 2 sichergestellt. Somit kann, wenn diese Anordnung erlassen wird, jede Person in den Zonen 1 und 2 unmittelbar auf bestehende Vorkehrungen zurückgreifen. Auch für die Zone 3 stehen Jodtabletten zur Verfügung. Diese werden von den Kantonen bewirtschaftet und nach kantonalen Bedürfnissen dezentralisiert. In der Zone 3 ist im Ereignisfall eine Verteilung innert 12 h nach Anordnung dieser Massnahme gewährleistet.

IV. Einschränkungen im Lebensmittelkonsum: durch die schweizerische

Lebensmittelgesetzgebung sind bereits zu jedem Zeitpunkt verbindliche Toleranz- und Grenzwerte für die verschiedenen Lebensmittel und die jeweiligen Radionuklide definiert [95].

Zudem hat der Bundesrat die Möglichkeit, ereignisbezogene Grenzwerte zu definieren, welche auf dem Gesundheitsschutz basieren1

V. Vorsorgliche Evakuierung: Das noch vom Kanton zu erarbeitende Konzept zur vorsorglichen (temporären) Evakuierung der Bevölkerung

. Im Falle eines Störfalls mit Freisetzung von Radioaktivität werden entsprechend den bestehenden Konzepten vorbereitete

Probennahmepläne durch den Bund an die zuständigen Behörden abgegeben.

2

a Die vorsorgliche Evakuation ist eine Handlungsoption für jene Störfälle, die aufgrund des absehbaren, zeitlichen Verlaufs ein genügend grosses Zeitfenster für die Anordnung und den Vollzug offen lassen und gleichzeitig das Potential für eine erhebliche Freisetzung von radioaktiven Stoffen beinhalten bei welchen ein geschützter Aufenthalt im Haus / Keller / Schutzraum ungenügend ist. Ebenfalls kann die vorsorgliche Evakuation in

Betracht gezogen werden, wenn ein geschützter Aufenthalt im Haus / Keller / Schutzraum nicht länger möglich oder zumutbar ist. Die Evakuationszone beschränkt sich auf den Nahbereich der Anlage (Zone 1 EKKM) und betrifft daher eine Bevölkerungszahl von rund 2'500 Personen. (siehe Kapitel

der Zone 1 EKKM basiert auf folgenden Überlegungen:

3.1.2.1). In keinem Fall würden Zwangsmassnahmen angewendet, da die persönliche Freiheit und die Eigenverantwortung höher gewichtet werden als die Durchsetzung von Massnahmen der Führungsorgane. Durch eine offenen und transparente Information ist sicherzustellen, dass die Betroffenen die Konsequenzen des eigenen Handelns jederzeit abschätzen können.

b Bei einer vorsorglichen Evakuation dürfte niemals genügend Zeit für den Aufbau der benötigten Transport-Infrastruktur zur Verfügung stehen. Analog anderer

Evakuationskonzepte (Evakuation bei z.B. Chemie-Grossereignissen) würde das

Evakuationskonzept primär auf der Selbstsorge basieren, d.h. die betroffene Bevölkerung wird aufgefordert, das gefährdete Gebiet so schnell wie möglich mit eigenen

Verkehrsmitteln zu verlassen. Die Massnahmen des zuständigen Führungsorgans

beschränken sich auf Hilfestellungen für immobile Anwohner oder besondere Zielgruppen (Schulen, Altersheime etc.), indem z.B. ein Shuttle-Bus in Betrieb genommen wird. Dieser soll bezeichnete Sammelpunkte anfahren und jene Personen aufnehmen, die sich nicht aus eigener Kraft aus der unmittelbaren Gefahrenzone bewegen können.

c Die Massnahmen des kantonalen Führungsorgans würden sich bei einer vorsorglichen Evakuation auf eine regelmässige und transparente Information sowie auf das

Verkehrsmanagement konzentrieren. Am Rande der Zone 1 werden beispielsweise Posten zur Absperrung / Umleitung eingerichtet, welche ein ungehindertes Verlassen der Zone 1 ermöglichen und auf die drohende Gefahr innerhalb des Gebietes hinweisen.

Strassenzustandsmeldungen geben Auskunft über Staus / Behinderungen und allfällige Umfahrungsmöglichkeiten. Gleichzeitig werden Notaufnahmezentren bezeichnet, die für die Aufnahme der Bevölkerung der Zone 1 EKKM vorbereitet werden. Damit diese schnell und ungehindert die Zone 1 verlassen kann, wäre im Sinn der organisatorischen

1 Art. 18 StSG [3]

2 In der Zone 1 ist die Zahl der transiente Bevölkerung ist vernachlässigbar klein im Vergleich zur stationären Bevölkerung (siehe Kap. 3.1.2.6); anstatt von Bevölkerung kann hier deshalb auch von Einwohner geredet werden.

Fürsorge auch ein wirksames "Verkehrsmanagement" erforderlich. Dies könnte bedeuten, dass die Autobahn A1, die quer durch die Zone 1 verläuft, zwischen dem Autobahnkreuz Weyermannshaus und der Auffahrt Kerzers für den Transitverkehr von ausserhalb gesperrt wird, so dass eine leistungsfähige und schnelle Rettungs- und Evakuationsachse zur Verfügung steht; Angaben über den weiteren Evakuierungsweg (inkl. mögliche Aufenthaltsorte bzw. Sammelpunkte) wären weitere Bestandteile des

Verkehrsmanagements. Als erster Sammelpunkt bietet sich beispielsweise das

Einkaufszentrum "Westside" an, wo genügend Parkplätze und weitere Infrastrukturen für einen vorübergehenden Aufenthalt von Schutzsuchenden vorhanden sind.

d Eine grobe Abschätzung des Potentials an unterstützungsbedürftigen Personen, welche mittels kantonaler Mittel evakuiert werden müssten, ergibt ein Mengengerüst von max.

250 Personen resp. 10% der ansässigen Bevölkerung. Der Löwenanteil dürfte dabei auf die Insassen der drei Altersheime der Zone 1 sowie auf vereinzelte Schulkinder der insgesamt vier örtlichen Schulen fallen. Hingegen ist im Fall des EKKM kein Spital betroffen. Als Transportmittel bieten sich Postautos (ab Busbahnhof Bern) oder ein regionales Reisebusunternehmen an.

e Der Betrieb von Notaufnahmezentren könnte dem Zivilschutz übertragen werden. Da die Mittel der kantonalen Formationen dafür nicht ausreichen würden, wären regionale Zivilschutzorganisationen mit dem Vollzug zu beauftragen.Hinsichtlich der Evakuation in westliche Richtung würde der Kanton Bern mit dem Kanton Fribourg eine Lösung absprechen müssen.

Unter Berücksichtigung der oben genannten Grundsätze wäre eine vorsorgliche Evakuierung innerhalb von 4-6 h aus heutiger Sicht realisierbar. Ein detailliertes Evakuierungskonzept, das die Einzelheiten der Evakuierung auf Basis dieser Grundsätze regelt, sowie allfällige

Leistungsvereinbarungen werden vom Kanton Bern zukünftig erstellt werden.

Die Anordnung von Schutzmassnahmen in der Umgebung von Kernanlagen erfolgt durch die NAZ, solange bis der "Leitende Ausschuss Radioaktivität" (LAR, siehe [82]) seine operative

Einsatzbereitschaft erstellt hat und der Bundesrat als oberste Behörde weitere Schutzmassnahmen und Entscheide erlassen kann. Massnahmen in der Bodenphase bzw. über den Prognosezeitraum sind deshalb nicht Bestandteil des vordefinierten Notfallschutzkonzeptes von Bund und Kantonen, sondern werden aufgrund der Lage situativ festgelegt und ausgeführt.

Im Dokument Zweck und Grundzüge der Kernanlage (Seite 54-57)