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ANHANG - Glossar zu Begriffsklärungen

Männlichkeit

Männlichkeit gründet sich - im Gegen-satz zum individuellen, konkret erleb-ten Mannsein - auf konstruiererleb-ten Vor-stellungen und Bildern davon, was in einem soziokulturellen Kontext als männlich bewertet und empfunden wird. Sie erschöpft sich nicht in einer einzigen Form von Männlichkeit: ge-nau genommen könnte man sagen, es gibt so viele Männlichkeiten wie es Männer gibt.

Männlichkeit ist keine natürlich gege-bene Eigenschaft, sondern muss erst durch das »richtige« Verhalten und den entsprechenden äußeren Habitus erworben werden.

Unter Bezugnahme auf das Konzept der hegemonialen Männlichkeit von R. Connell1gehen wir davon aus, dass sich aus den unterschiedlichen Männ-lichkeiten eine Männlichkeit als hege-monial heraushebt. Das in ihm zum Ausdruck kommende Männerbild hat für die Mehrheit der Männer Gültig-keit und wird zum Idealbild. Diese verändern sich je nach sozialem und kulturellem Hintergrund, so dass in verschiedenen sozialen Kontexten unterschiedliche hegemoniale Männ-lichkeiten existieren2.

Durch die fortschreitende Individuali-sierung sind traditionelle Geschlech-terrollen brüchig geworden und wer-den in Frage gestellt. Diese Infrage-stellung führte zu Verunsicherungen bis hin zu Männlichkeitskrisen. Gera-de Angehörige Gera-der von Connell so be-zeichneten »marginalisierten Arbei-termännlichkeit« fühlen sich durch die Infragestellung traditioneller Männ-lichkeitsentwürfe und hierarchischer Geschlechterverhältnisse verunsi-chert und bedroht. Dem gegenüber sind Angehörige hegemonialer Männ-lichkeit in Spitzenstellungen auf Grund der damit eingehenden Res-sourcen weniger betroffen.

Hegemoniale Männlichkeiten bein-halten Hierarchien, zum einen im Ver-hältnis der Geschlechter (z.B. in Form von patriarchalen Strukturen), zum anderen gegenüber untergeordneten Männlichkeitsentwürfen, die abge-wertet werden (z.B. durch Ausdrücke wie »Weichei« oder »Warmduscher«).

Auch wenn sogenannte »soft scills«

zunehmend wirtschaftliche Bedeu-tung haben, verbinden sich männliche Hegemonialbilder stark mit wirt-schaftlichen und auch politischen Mustern (z.B. in der abstrahierenden Bezeichnung »worker«). Dazu gehö-ren Attribute wie Durchsetzungsfä-higkeit, Leistung, Rationalität, Kon-kurrenz, Effizienz, Macht, Gewalt, Rücksichtslosigkeit, Funktionalisie-rung. Ebenso wie in hegemonialen Männlichkeitsbildern werden dem-nach auch in den vorherrschenden Politik- und Wirtschaftsstrukturen Attribute wie Schwäche Ohnmacht, Hilflosigkeit, Unterlegenheit, abge-spalten und somit nicht als Teil von Männlichkeit integriert.

Somit bezieht sich Männlichkeit so-wohl auf einen individuell angeeigne-ten, in vielen Fällen ähnlichen persön-lichen Habitus, als auch auf gesell-schaftlich verankerte Strukturen. Bei-des muss in der geschlechtsbewussten Pädagogik kritisch berücksichtigt werden.

Jungenarbeit /

Geschlechtsbewusste Pädagogik Jungenarbeit kann definiert werden als eine von Männern durchgeführte, (sozial)pädagogische geschlechtsbe-wusste Arbeit mit der Zielgruppe

»Jungen«. Hier stehen vor allem die Beziehungen und Aktivitäten inner-halb der Jungengruppe sowie zwi-schen den Jungen und den erwachse-nen Männern im Vordergrund. Zur

Jungenarbeit muss immer auch die pädagogische Absicht gehören, Männlichkeiten bzw. männliches Ver-halten kritisch zu reflektieren und ggf.

zu erweitern. Jungen bekommen männliche Anerkennung, nicht für destruktives männliches Rollenver-halten, sondern z.B. für die Wahrneh-mung ihrer Gefühle und Bedürfnisse oder für die Wahrung ihres eigenen Standpunktes und ihrer persönlichen Entscheidungen3.

Nach dieser Definition können nur Männer Jungenarbeit machen. Gelun-gene Beziehungen zwischen Jungen und Frauen sind ebenfalls von großer Bedeutung für die Entwicklung von Jungen. Im oben definierten, engeren Sinn können Frauen zwar keine direk-te Jungenarbeit machen, doch sie können ebenso gut wie Männer ge-schlechtsbewusst pädagogisch mit Jungen arbeiten4.

Geschlechtsbewusste Arbeit mit Jun-gen verlangt von Männern und Frauen Wissen und methodischen Umgang mit männlichen Sozialisationsmus-tern und Lebenslagen. Sie erfordert die Bereitschaft, die Kategorie Ge-schlecht in der eigenen Praxis und in Bezug auf die eigene Person zu re-flektieren, um eigene Konstruktionen, Wahrnehmungen und Handlungsmus-ter zu berücksichtigen.

Gewalt

Gewalt ist nach Böhnisch / Winter5ein wesentliches Bewältigungsmuster von traditioneller Männlichkeit. Sie wirkt gegenüber Frauen, anderen Männern, sich selbst und gegenüber der natürlichen Umwelt. Wer keine andere Möglichkeit sieht, sich mit Ab-hängigkeiten, Ohnmacht und Hilflo-sigkeit produktiv auseinander zu set-zen, weil ihm der Zugang zu seinem Innern versperrt ist, greift auf das

Mit-tel der Gewalt zurück, um verloren ge-gangene Sicherheit und Eindeutigkeit wiederherzustellen.

Gleichzeitig sind unterschiedliche Formen der Gewaltausübung in unse-rer Gesellschaft hoch angesehen (wo-bei der Gewaltbegriff sich hier(wo-bei nicht nur auf physische, sondern auch auf verbale, emotionale und struktu-relle Gewalt beziehen muss). Kom-promisslosigkeit, Durchsetzungsfä-higkeit und Gewaltbereitschaft sind nicht nur mit soldatisch-faschisti-schen Männlichkeitsbildern, sondern auch mit vielen anderen hegemonia-len Männlichkeitsbildern unserer Leistungsgesellschaft verbunden.

Rund um das Gewaltthema wird imm-mer wieder übersehen, dass Jungen und Männer häufig auch Opfer von Gewalt sind. Sie werden oft nur in ih-rer Täterschaft wahrgenommen.

Rechtsextremismus

Es gibt keine allgemein gültige Defi-nition von Rechtsextremismus. Unter Rechtsextremismus ist keine einheit-liche Ideologie zu verstehen, sondern vielmehr ein heterogenes Gemisch unterschiedlicher Erklärungszusam-menhänge und Sichtweisen - was sich in der Bundesrepublik auch in der or-ganisatorischen Zersplitterung der ex-tremistischen Rechten widerspiegelt.

Der Begriff »Rechtsextremismus«

muss demnach eher als eine Kon-struktion betrachtet werden, um die bereits in zahlreichen Fachdiskursen gestritten wurde. Je stärker und kon-troverser die Debatte rund um Rechts-extremismus ist, desto unklarer und

»gefährlicher« erscheinen die Vor-aussetzungen, um Projekte mit jungen Menschen durchzuführen, die als ge-walttätig und rechtsextrem orientiert gelten.

Als Indikatoren für Rechtsextre-mismus können gelten:

> Streben nach einer einheitlichen Volksgemeinschaft, Fremdenfeind-lichkeit, Rassismus,

> Ablehnung demokratischer Werte, diktatorisches Führerprinzip, Auto-ritarismus,

> Bereitschaft zur Gewalt, »einäugi-ges« Denken, Antipluralismus,

> Ideologie von der Ungleichheit der Menschen,

> Hass und Verachtung (Angst) vor der Bedrohung durch das Fremde.

Oft werden solche Einstellungen auch von Menschen geteilt, die sich selbst nicht als rechtsextrem einstufen wür-den. Elemente aus rechtsextrem defi-niertem Denken finden sich vielleicht bei fast allen Menschen. Rechtsextre-me Einstellungen sind daher nicht un-bedingt ein Randphänomen, sondern ziehen sich durch alle Schichten unse-rer Gesellschaft.

Erst rechtsextremes Wahlverhalten, Mitgliedschaft in Parteien oder Ka-meradschaften sowie die Aspekte Ge-walt, Protest und Lebensstil (Klei-dung, Musik etc.), lassen sich messbar erfassen und z.B. in Kriminalstatisti-ken oder Wahlergebnissen darstellen.

Anmerkungen

1 Vgl. Robert W. Conell: Der gemachte Mann, Konstruktion und Krise von Männlichkeit, Leske+Budrich, Opladen 1999; siehe auch Kapitel »Sind Jungen besonders ‘rechtsex-tremistisch gefährdet’?« in dieser Doku-mentation

2 Vgl. den Ansatz des »vergeschlechtlichten Habitus« in: Michael Meurer: Geschlecht und Männlichkeit. Soziologische Theorie und kulturelle Deutungsgmuster. Leske+

Budrich, Opladen 1998

3 Vgl. Benedikt Sturzenhecker: Arbeitsprinzi-pien aus der Jungenarbeit. In: Landesju-gendamt Westfalen-Lippe, Fachberatung Ju-gendarbeit: Methoden aus der Jungenarbeit, Selbstverlag. Münster 1999

4 Ebenso muss die gelungene pädagogische Arbeit von Männern mit Mädchen als be-deutsam erachtet werden, was in der Mäd-chen- und Jungenarbeit bisher leider kaum diskutiert wird.

5 Vgl. dazu die Beschreibung von männlichen Bewältigungsmustern bei Böhnisch/Winter:

Externalisierung, Gewalt, Benutzung, Stummheit, Alleinsein, Rationalität, Kör-perferne und Kontrolle; in: Lothar Böhnisch / Reinhard Winter: Männliche Sozialisation.

Bewältigungsprobleme männlicher Ge-schlechtsidentität im Lebenslauf, Juventa, Weinheim und München 1993.

Dank

Dieses Projekt wäre nicht möglich ge-wesen ohne die Unterstützung und Mitwirkung von zahlreichen Men-schen.

Insbesondere bedanken wollen wir uns bei Rüdiger Stanke, dem geistigen Va-ter und Architekten des Modellpro-jekts, dessen unermüdliches Engage-ment das Projekt in diesem Umfang und dieser Komplexität erst ermög-lichte. Danke!

Ebenfalls danken wir an dieser Stelle dem Vorstand von MANNE e.V. Pots-dam, Oliver Aap, Stefan Kandler und Uwe Rühling für ihre Unterstützung und Nervenstärke insbesondere im Krisenmanagement und für ihren jah-relangen ehrenamtlichen Einsatz für den Verein. Danke!

Außerdem bedanken wir uns bei allen Beteiligten und Mitwirkenden, na-mentlich bei allen teilnehmenden Kin-dern und Jugendlichen (insbesondere den Jungen, die bereit waren, sich wäh-rend der Praxisangebote filmen zu lassen); bei allen Qualifizierungsteil-nehmern für ihr Engagement und ihre Lernbereitschaft und bei den Coaches, Dozenten, Tagungsreferenten und Beiratsmitgliedern für ihre fachliche Unterstützung.

Danke an Professor Frieder Burkhardt sowie das Mobile Beratungsteam von

»Demos - Institut für Gemeinwesen-beratung« für ihre Fachlichkeit bei der Entwicklung und Durchführung der Fortbildungsphase, an David Becker und Marc Schwietring für ihre Anre-gungen und Reflexionen im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung durch die Internationale Akademie (INA) an der FU Berlin sowie an das Violence Prevention Network(Berlin) für ihre fachliche Unterstützung.

Vielen Dank an Joachim Majunke für seine Unterstützung während der

Coa-chingphase; an Andreas Haase für sei-ne Präsenz und Kreativität bei der Ge-staltung der Abschlusstagung; an Ale-xander Bentheim für seine zuverlässi-ge Mithilfe bei der Herstellung der schriftlichen Dokumentation; an Mi-chael Kann und Ulrich Sende für ihren engagierten Einsatz bei der Erstellung der filmischen Dokumentation und an die Regiestelle Vielfalt sowie dem Redaktionsbüro Vielfalt für die freundliche und flexible Zusammen-arbeit insbesondere bei der Durch-sicht dieser Dokumentation.

Des Weiteren bedanken wir uns bei al-len Geldgebern und Förderern für die zur Verfügung gestellten Mittel und für ihre Flexibilität während unserer personellen Krisensituation: Bundes-ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend; Bundeszentrale für politische Bildung; Land

Branden-burg, Ministerium für Bildung, Jugend und Sport; Land Brandenburg: Tole-rantes Brandenburg; Europäischer So-zialfonds im Land Brandenburg; Stif-tung »Großes Waisenhaus zu Pots-dam«; Stiftung Demokratische gend; Landeshauptstadt Potsdam, Ju-gendamt; Landkreis Märkisch Oder-land, Jugendamt; Landkreis Ostprig-nitz Ruppin Jugendamt.

Foto: privat

Rüdiger Stanke

Das Modellprojekt wurde von Beginn an durch ein Filmteam begleitet. Die daraus entstandene DVD vermittelt konkrete Einblicke in die einzelnen Phasen und Ebenen des Modellpro-jekts und beleuchtet exemplarisch die Arbeit zweier Praxisprojekte.

Der Film wurde von Michael Kann und Ulrich Sende hergestellt. Die redak-tionelle Betreuung hatte Peter Moser.

An dieser Stelle bedanken wir uns für die freundliche Unterstützung der Me-dienwerkstatt Potsdam und für das zur Verfügung stellen von technischer Ausrüstung bei der Produktion dieser Filmdokumentation.