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Die Analyse der hegemonialen Konflikte um die institutionelle Dimension der Engagementförderung

Im Dokument freiwilligen Engagements in Deutschland (Seite 113-120)

3.3 d aTenerhebung : T exTkorpus und T heoreTical s ampling Da Diskursanalyse im Rahmen des vorliegenden Forschungsdesigns als Dispositiv-

3.4.2 Die Analyse der hegemonialen Konflikte um die institutionelle Dimension der Engagementförderung

Im zweiten zentralen Analysestrang dieser Forschungsarbeit geht es um die Aufde-ckung der hegemonialen Konflikte, die sich im Untersuchungszeitraum zwischen verschiedenen Diskurskoalitionen um die institutionelle Dimension der Engage-mentförderung entsponnen und hierdurch zur Herausbildung und Veränderung der niemals vollständig fixierbaren Dispositive der Freiwilligkeit beigetragen ha-ben. Im Mittelpunkt dieser diskursiven Auseinandersetzungen stand die Frage, ob es eine Aufgabe des Staates sei, dem von den Vereinen und Verbänden erheblich problematisierten Nachlassen der Engagiertenzahlen in den eigenen Reihen mit Hilfe engagementbezogener institutioneller Reformen entgegenzuwirken.

Die als Hegemonieanalyse konzeptualisierte Diskursanalyse fußte sowohl auf demselben Textkorpus als auch – zumindest was das offene und axiale Kodieren an-betrifft – auf den soeben skizzierten Kodierungsschritten. Der Übergang auf eine höhere Abstraktionsebene, d.h. die Bildung von Schlüsselkategorien im Sinne des selektiven Kodierens, wurde hier allerdings nicht vollzogen. Stattdessen wurde mit den aus den offenen und axialen Kodierprozessen hervorgegangenen dimensions-bezogenen Codes (Institutionen, Körper, Objekte und Episteme) weitergearbeitet, da auf dieser Ebene das »Sprechen der Akteure (qua […] Zeitungs- oder Gesetzes-text)« (Denninger u.a. 2014: 56) noch nachvollziehbar ist und somit die Beiträge der einzelnen Diskursteilnehmer rekonstruiert werden können. Im Zuge der erneuten Sichtung dieser Codes wurden diejenigen Gruppen- und Organisationssubjekte identifiziert, die sich besonders intensiv an den hegemonialen Konflikten um die institutionelle Dimension der Engagementförderung beteiligt haben: Hierzu ge-hören die Freiwilligen selbst, deren Forderungen vor allem dann auf Gehör stie-ßen, als sie sich vermittelt über größere Freiwilligengruppierungen, wie etwa den Caritas-Konferenzen Deutschlands, an die Öffentlichkeit wandten. Darüber hinaus meldeten sich in diesem Kontext vor allem die Dachverbände für Sport, Kultur und Soziales, Sozialwissenschaftler, die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, Kommunal- und Landespolitiker sowie die bundespolitischen Fraktionen zu Wort.

Im Anschluss an die Identifikation der zentralen Diskursteilnehmer wurden die wissensbezogenen Codes erneut unter Berücksichtigung der jeweiligen Ur-heber bzw. Sprecher der Diskursbeiträge gesichtet und die jeweiligen Positionen der Diskursbeteiligten bezüglich der institutionalisierten Gestalt einer staatlichen Engagementpolitik herausgearbeitet. Hierbei wurde vor allem den typischen Argu-mentationsmustern der genannten Gruppen- und Organisationssubjekte Aufmerk-samkeit geschenkt, mit deren Hilfe sowohl differierende Ursachen für ein und dasselbe Problem, in diesem Fall: die nachlassenden Engagiertenzahlen in den deutschen Vereinen und Verbänden, als auch unterschiedliche Problemlösungen, gerade hinsichtlich der Rolle des Staates, präsentiert wurden. Das Ergebnis dieses Analyseschritts waren verschiedene, je nach Sprecher variierende Causal Stories über die Ursachen, Folgen und Lösungen der problematisierten Entwicklungen im Ehrenamt. Der Vergleich dieser spezifizierend als Policy-Narrative bezeichne-ten Erzählungen öffnete ersbezeichne-tens den Blick dafür, welche Gruppen- und

Organisa-tionssubjekte sich als Diskurskoalitionen um ähnliche Positionen gruppierten und zweitens, wo die zentralen inhaltlichen Konfliktlinien verliefen. Auf eine vertiefen-de Darstellung vertiefen-des komplexen hegemonieanalytischen Umgangs mit vertiefen-den auf diese Weise identifizierten Diskurskoalitionen und Causal Stories wird an dieser Stelle allerdings verzichtet. Die weiteren, an die hegemonietheoretischen Überlegungen Martin Nonhoffs und Maarten A. Hajers anschließenden Analyseschritte werden im Anschluss an den ersten Teil der Ergebnispräsentation im Rahmen eines eige-nen Methodenkapitels ausführlich präsentiert (vgl. Kap. 5). Eine detaillierte Herlei-tung derselben an dieser Stelle würde zu einer unnötigen Undurchsichtigkeit des methodischen Vorgehens führen. Nichtsdestotrotz soll im Folgenden zumindest einer Subjektgruppe Aufmerksamkeit geschenkt werden, deren Rolle als gesell-schaftliche Ko-Produzenten dispositiver Realitäten bereits im ersten Teil der Ergeb-nispräsentation beleuchtet wird: den Freiwilligen.

Obgleich im Rahmen dieser Forschungsarbeit keine Interviews durchgeführt wurden, war es möglich, die Engagierten selbst, vermittelt über Zeitungsinter-views, Positionspapiere verbandlicher Freiwilligenvertretungen sowie quantitative und qualitative Freiwilligenbefragungen, zu Wort kommen zu lassen. Der Auswer-tung dieser Textdokumente lag die erkenntnisleitende Frage nach der Alltagsrele-vanz der Dispositive der Freiwilligkeit zugrunde, d.h., in welcher Weise diese durch die Freiwilligen selbst wahrgenommen, verarbeitet oder gar zurückgewiesen wer-den. Die Subjektgruppe der Freiwilligen stellt hierbei zugegebenermaßen eine aus-gesprochen heterogene Kategorie dar, da Freiwillige in ganzen unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen, wie Sport/Freizeit, Soziales, Politik, Gesundheit/Pflege usw., tätig sind. Eine Eingrenzung und Fokussierung auf einen dieser Bereiche war angesichts des spezifischen Forschungsinteresses dieser Arbeit erstens nicht zweckdienlich und zweitens auch nicht möglich, da in den analysierten Textdoku-menten Freiwillige aus allen genannten Gesellschaftsbereichen betrachtet werden bzw. selbst zu Wort kommen. Angesichts dieser Heterogenität besteht das Ziel der auf die Subjektgruppe der Freiwilligen bezogenen Ausführungen im ersten Teil der Ergebnisdarstellung darin, einen möglichst breiten Überblick über die Disposi-tiv-Aneignung und -Verarbeitung zu geben. Trotz dieses allgemeinen Anspruches stehen gerade zu Beginn des Untersuchungszeitraums die verbandlich organisier-ten Freiwilligen des Deutschen Caritasverbandes im Mittelpunkt der Aufmerksam-keit, da diese ihre engagementspezifischen Forderungen seit Ende der 1980er Jahre mit besonderem Nachdruck publik gemacht haben. Angesichts der Fokussierung dieser Forschungsarbeit auf die Etablierung einer staatlichen Engagementpolitik seit Ende der 1990er Jahre wird dem Umgang der Freiwilligen mit der engage-mentspezifischen Regierungsprogrammatik gerade in dieser frühen Formierungs-phase, d.h. Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre, vermehrt Aufmerksam-keit geschenkt, während die diesbezüglichen Reaktionen in den 2000er Jahren – aufgrund der vordringlichen Bedeutung der institutionellen Dimension – nur noch in Grundzügen skizziert werden.

Die Frage, inwieweit die Engagierten (bzw. ihre Vertretungsorganisationen) durch ihre Alltagspraxis auch zur Umarbeitung der Dispositive der Freiwilligkeit beitrugen und sich z.B. als Teil von Diskurskoalitionen intensiv an den Ausein-andersetzungen um die institutionalisierte Gestalt einer staatlichen Engagement-förderung beteiligten, wird hingegen im Rahmen des zweiten Teils der Ergebnis-präsentation näher ausgeführt (vgl. Kap. 6).

3.5 e

rgebnisdarsTellung

Der konkreten Ergebnisdarstellung gilt es zunächst, einige allgemeine Hinweise vorauszuschicken: Angesichts des umfassenden Textkorpus und des feinglied-rigen Untersuchungsverfahrens bedarf die Entscheidung, auf eine detaillierte Wiedergabe des gesamten diskursanalytischen Rekonstruktionsprozesses zu ver-zichten, wohl keiner ausführlichen Begründung. Allein der Versuch einer voll-ständigen Wiedergabe des Verfahrens mit all seinen Einzelschritten würde nicht nur den Umfang einer Qualifikationsarbeit sprengen, sondern auch die Geduld des Lesers über die Maßen strapazieren. Dementsprechend werden die diskurs-analytischen Ergebnisse im Folgenden in verdichteter Textform wiedergegeben, wobei die Anschaulichkeit der Erkenntnisse durch zusammenfassende Schaubil-der sowie Datenbeispiele gewährleistet wird. Da die herangezogenen Textzitate in dieser Darstellungsform notwendigerweise auf ihre illustrative Funktion reduziert werden, ist es notwendig, ihre hierbei in den Hintergrund tretende analytische Bedeutung bei der induktiven Generierung von Ideen und der Hypothesenbil-dung und -prüfung stets im Hinterkopf zu behalten. Zudem ist es im Rahmen der Darstellung diskursanalytischer Ergebnisse weder möglich noch funktional, Redundanzen vollkommen zu vermeiden. Diskurse sind »selbst hochgradig red-undante Phänomene, die ihre Legitimations- und Überzeugungspotenziale gerade auch in ihrer Redundanz entfalten« (Schwab-Trapp 2002: 86). Wenn sich folglich die öffentlichen Diskussionen über ein Thema durch Redundanzen auszeichnen, kommt man auch in der Ergebnispräsentation nicht umhin, diesen Wiederholun-gen Aufmerksamkeit zu schenken.

Die Darstellung der empirischen Ergebnisse ist anders als der Auswertungs- und Datenerhebungsprozess chronologisch aufsteigend angelegt und untergliedert sich in zwei Teile, die durch ein weiteres Methodenkapitel voneinander getrennt sind, wobei in jedem Teil der Untersuchungszeitraum einmal von Anfang bis Ende durchschritten wird. Im ersten Teil der Ergebnispräsentation geht es darum, durch die Sichtbarmachung der Regierung der Freiwilligkeit als komplexe dispositive Verknüpfungsordnung ein tieferes Verständnis für die Neuverhandlung des frei-willigen Engagements im Untersuchungszeitraum zu entwickeln. Der Fokus des zweiten Ergebnisteils liegt auf den sich um die institutionelle Dimension der En-gagementförderung entspinnenden Konflikten, die gleichsam eine Erklärung für die diskursive Dynamik der Regierung der Freiwilligkeit liefern. Um den Fortgang der empirischen Analyse besser nachvollziehen zu können, wird im Folgenden die Ergebnisdarstellung in beiden Analyseteilen zumindest überblicksartig dargelegt, wobei die diesbezüglichen Ausführungen für die Hegemonieanalyse notwendiger-weise skizzenhafter ausfallen.

Im Mittelpunkt des ersten Teils der Ergebnispräsentation stehen die Resulta-te der engagementbezogenen Dispositivanalyse. Beginnend beim traditionellen Ehrenamts-Dispositiv über das engagementspezifische Selbstverwirklichungs-Dis-positiv bis hin zum Produktivitäts-DisSelbstverwirklichungs-Dis-positiv werden die zentralen Veränderungen im gesellschaftlichen Umgang mit freiwilligem Engagement in Deutschland zwi-schen 1985 und 2009 sukzessive entwickelt. Eine geeignete Darstellungsform für

diese Art der Ergebnispräsentation stellt das Storyline-Konzept7 dar, das auch von Strauss und Corbin (1996: 94) als Bezeichnung für die abschließende Entwicklung einer gegenstandsbezogenen Theorie herangezogen wird. Das Netz, das zwischen den Aussagen über Körper, Objekte, Institutionen und Episteme geknüpft wird, erhält hierdurch die Form einer Narration, in der die multidimensionalen Aussa-genbündel miteinander in Beziehung gesetzt und zu einer konsistenten Erzählung über die Neuverhandlung freiwilligen Engagements im Untersuchungszeitraum verdichtet werden. Die einzelnen Dispositive der Freiwilligkeit werden jedoch nicht in Reinform beschrieben, sondern stets in ihrer Verknüpfung mit anderen wirk-mächtigen Dispositiven, wie etwa der sozialstaatlichen Aktivierungsprogramma-tik, der Krise der Arbeitsgesellschaft oder der gesellschaftlichen Neubewertung des Alters. Außerdem wird jeweils im Anschluss an die Skizzierung der einzel-nen Storylines den alltagspraktischen Aneignungsmodi des Engagementdiskurses durch die Freiwilligen Aufmerksamkeit geschenkt und nach der Alltagsrelevanz und -verarbeitung der Dispositive gefragt.

Im Vorgriff auf das nachfolgende Kapitel sei an dieser Stelle auf einige Beson-derheiten des ersten Teils der Ergebnispräsentation hingewiesen:8 Die Storyline des traditionellen Ehrenamtes wird hier nur überblicksartig skizziert, da sie vor allem als Hintergrundfolie für die sich deutlich davon abgrenzende Storyline der Selbst-verwirklichung statt Amt und Ehre dient, die seit Mitte der 1980er Jahre in Erschei-nung tritt. Die größte Aufmerksamkeit wird im Rahmen der Ergebnispräsentation der engagementspezifischen Produktivitäts-Erzählung entgegengebracht, die sich in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre herauskristallisiert hat. Der Grund hier-für ist, dass die Entwicklung dieser Erzählung untrennbar mit der Herausbildung einer staatlichen Engagementpolitik verbunden ist, deren Entstehungsbedingun-gen bekanntlich einen zentralen Untersuchungsschwerpunkt dieser Forschungs-arbeit bilden. Die Darstellung der engagementspezifischen Produktivitäts-Erzäh-lung zwischen 1994 und 2009 gliedert sich daher in drei Phasen, die sich vor allem mit Blick auf die institutionelle Dimension voneinander unterscheiden: Während die liberal-konservative Bundesregierung in ihrer letzten Legislaturperiode (1994-1998) jegliche Verantwortung für eine institutionelle Engagementförderung 7 | Es sind die folgenden drei Eigenschaften, die das Storyline-Konzept für die Darstellung der Ergebnisse der Dispositivanalyse so wertvoll machen: Erstens sind Storylines im Rah-men des Theoriebildungsprozesses der Grounded Theory von zentraler Bedeutung; zweitens kann, wie bereits an anderer Stelle detailliert dargelegt (vgl. Kap. 2.3), mittels Storylines die Regierung der Freiwilligkeit im Dreieck von Macht, Wissen und Subjektivität, das den gouver-nementalitätstheoretischen Regierungsbegriff auszeichnet, sichtbar gemacht werden; und drittens stellen Storylines eine adäquate Möglichkeit dar, die Multidimensionalität der dis-kursiv konstruierten Ordnung der Freiwilligkeit abzubilden.

8 | Um den Lesefluss nicht allzu stark zu stören, wird bei der Darstellung der Storylines – entgegen der sonst üblichen Zitierweise – mitunter darauf verzichtet, alle Nachweise in Klammern direkt am Ende eines Satzes zu platzieren. Stattdessen werden die Nennungen zahlreicher Nachweisstellen mitunter in die Fußnoten ausgelagert. Die Beschränkung der Liste relevanter Nachweise auf eine kleinere Auswahl stellt im Rahmen dieser Forschungs-arbeit keine gangbare Alternative dar, da die Häufigkeit der Nennung eines diskursiven Ele-ments Aufschluss darüber gibt, welche Bedeutung diesem Knotenpunkt im Netz dispositiver Verknüpfungen zukommt.

weitgehend von sich wies, hat die rot-grüne Bundesregierung erste engagement-politische Maßnahmen initiiert (1998-2002), die in den Folgejahren um weitere gesetzliche Neuerungen ergänzt und zu einer staatlichen Engagementpolitik ver-dichtet wurden (2002-2009).

In diesem Kontext sei zudem angemerkt, dass es sich bei der Storyline Frei-willigkeit als gesellschaftliche Produktivitätsressource vornehmlich um eine im wissenschaftlich-politischen Kontext produzierte Wissensordnung und öffentliche Anrufungspraxis handelt, die sich zwar sukzessive in bundespolitischen Modell-programmen und Gesetzesinitiativen niederschlägt, in deren dispositives Netz bis-lang jedoch nur wenige Körper- und Objektbezüge eingewoben sind. Angesichts dieses noch recht schwachen Institutionalisierungsgrades kommt zum einen den sich seit der Jahrtausendwende neu entspinnenden Fäden einer staatlichen Engage-mentpolitik eine zentrale Bedeutung zu, da die initiierten engagementpolitischen Maßnahmen, verstanden als mit Gültigkeit versehene, geronnene Wissensbestän-de, zumindest einen ersten Eindruck vom Vollzug dieser Programmatik vermit-teln können. Zum anderen stellt sich mit Blick auf das Produktivitäts-Dispositiv die Frage, welche subjektbezogenen Verhaltensvorstellungen in den Linien dieses Netzes zu dem konsistenten Bild der Subjektivierungsfigur des »engagierten Bür-gers« verdichtet werden. Für die Rekonstruktion der engagementspezifischen Pro-duktivitäts-Erzählung bedeutet dies, dass sowohl die in der Subjektivierungsfigur des »engagierten Bürgers« kulminierende engagementbezogene Anrufungspraxis offengelegt als auch am Beispiel ausgewählter Modellprogramme und Gesetzesin-itiativen gezeigt wird, in welcher Weise die vor allem politisch lancierten Wissens-bestände der Produktivitäts-Erzählung eine erste Institutionalisierung im Rahmen engagementspezifischer Programme und Gesetzesnovellierungen erfahren haben.

Im zweiten Teil der Ergebnispräsentation geht es grundlegend darum, unter Rückgriff auf hegemonietheoretische Überlegungen eine Begründung für den dis-kursiven Wandel der auf der Ebene des Verstehens skizzierten dominanten Sto-rylines zu finden. Dieser Analyseteil verfolgt das Ziel, über die Aufdeckung der hegemonialen Konflikte zwischen verschiedenen Diskurskoalitionen um die insti-tutionalisierte Gestalt einer staatlichen Engagementpolitik zu einer Erklärung der diskursiven Dynamik der Regierung der Freiwilligkeit insgesamt vorzudringen.

Um einen ersten Eindruck von der konkreten Umsetzung dieser komplexen Ana-lyseperspektive zu vermitteln, sollen die beiden hierfür notwendigen Schritte an dieser Stelle kurz umrissen werden.

Bezug nehmend auf die diskursanalytisch erarbeiteten Causal Stories der zen-tralen am Konflikt beteiligten Gruppen- und Organisationssubjekte werden im ersten Schritt die Diskurskoalitionen identifiziert, die sich im Untersuchungszeit-raum um bestimmte Storylines gruppiert und durch die Hegemonialisierung ihrer Neu- und Reinterpretationen engagementspezifischer Fragen versucht haben, den Wandel der Narrative und somit auch Policy-Wandel voranzutreiben. Zur Verdeutli-chung des Durchsetzungsgrades der reformbefürwortenden-progressiven Position in Fragen staatlicher Engagementförderung wird in diesen Zusammenhang auf die hajerschen Konzepte der »Diskursstrukturierung« und »Diskursinstitutionali-sierung« (Hajer 1997: 110, 2008: 278-281) zurückgegriffen. Daraus ergibt sich eine erste zeitliche Strukturierung des Untersuchungszeitraumes, da hierdurch die Phase, in der die reformbegrüßende Sichtweise einen hohen Verbreitungs- und Rezeptionsgrad bei vielen gesellschaftlichen und politischen Kräften gefunden hat

(1985-1998), von derjenigen Phase unterschieden werden kann, in der es darüber hinaus zur Manifestierung dieser Position in engagementspezifischen institutio-nellen Arrangements kam (1998-2009). Das recht grobmaschige zweistufige Do-minanzmodell von Hajer ist jedoch ab dem Zeitpunkt nur noch wenig hilfreich, als es seit der Jahrtausendwende sukzessive zur Initiierung engagementpoliti-scher Reformen durch den Staat kam und tief greifende Auseinandersetzungen zwischen den Diskursbeteiligten weitgehend ausblieben. Deshalb wird für diesen Zeitraum zusätzlich auf das deutlich nuanciertere Hegemoniekonzept von Martin Nonhoff zurückgegriffen.

Nachdem die Konflikte um die institutionelle Dimension der Engagementför-derung im Untersuchungszeitraum auf diese Weise offengelegt worden sind, geht es im zweiten Schritt darum, die konkreten Gründe, Strategien und diskursiven Mechanismen zu identifizieren, mit deren Hilfe die schrittweise Naturalisierung bzw. Hegemonialisierung der institutionellen Dimension der Engagementförde-rung, die sowohl den Policy-Wandel als auch die diskursive Dynamik der Regie-rung der Freiwilligkeit insgesamt auszeichnet, erklärt werden kann. Unter Berück-sichtigung des methodologischen Primats des Diskurses geraten hierbei neben diskursiv-strukturellen auch intentionale Erklärungsmomente in den Blick. Wäh-rend erstere für den gesamten Untersuchungszeitraum ermittelt werden können, finden intentionale Erklärungsansätze im Sinne weicher Steuerung nur an zwei Schlüsselstellen der diskursiven Entwicklung Berücksichtigung, die eindeutig als strategische Situationen kategorisierbar sind. Zur Hegemonialisierung einer be-stimmten Lesart eines Diskurses können Diskursteilnehmer in derartigen Situa-tionen über spezifische sprachlich-rhetorische Mittel, argumentative Strategien der Resonanzerzeugung sowie im- und explizite Ausschließungen konkurrierender Deutungen neue inhaltliche Impulse – im Sinne einer Erneuerungsleistung in der diskursiven Praxis – setzen, deren Verarbeitung im Diskurs bzw. Aneignung durch andere Subjekte sich ihrer Kontrolle selbstverständlich weitgehend entzieht. Unter Rekurs auf die genannten weichen Steuerungsmechanismen werden diese diskur-siven Erneuerungsleistungen, die unter bestimmten – noch zu klärenden – Um-ständen spezifischen Gruppen- und Organisationssubjekten eindeutig zugeordnet werden können, einer systematischen Analyse unterzogen.

Wie bereits angedeutet, werden die für den zweiten Teil der Ergebnispräsen-tation notwendigen methodischen Zusatzüberlegungen zur diskursanalytischen Untersuchung von Hegemonien und zur Bestimmung weicher Steuerungsstrate-gien im Rahmen eines weiteren Methodenkapitels (vgl. Kap. 5) im Anschluss an den ersten Teil der Ergebnisdarstellung noch ausführlich spezifiziert. Für die Prä-sentation der Ergebnisse auf der Ebene des Verstehens wurden nunmehr jedoch alle method(olog)ischen Vorannahmen getroffen, so dass sich die folgenden Aus-führungen der Darstellung der Dispositive der Freiwilligkeit widmen können.

Die nachfolgende Darstellung der engagementbezogenen Storylines zwischen 1985 und 2009 erfolgt chronologisch entsprechend ihrem zeitlichen Auftreten. Das Aufkommen einer neuen Erzählung ist jedoch nicht gleichbedeutend mit dem Verschwinden der vorausgegangenen Narration. Vielmehr gibt es zwischen die-sen Storylines vielfältige Überlagerungen und Verschränkungen, d.h., sie laufen nebeneinander her, gehen ineinander über und befruchten sich gegenseitig.

Im Dokument freiwilligen Engagements in Deutschland (Seite 113-120)