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Analyse der politischen Vorstösse in den Kantonen (2001-2015)

Die Analyse des Instituts für Föderalismus der Universität Freiburg erfasst kantonale Vor-stösse, Petitionen und Volksinitiativen im Zeitraum von 2001 bis 2015, die in einem Bezug zum "Anbringen" und "Tragen" religiöser Zeichen im öffentlichen Raum13 stehen. Die Ergeb-nisse wurden nach Themen (Kruzifix und Kreuz, Gebetsstätten und ihre Wahrzeichen, Ru-hestätten und ihre Ausgestaltung, christliche Feiern und deren Symbole in der Schule, Ge-sichts- und Ganzkörperverschleierung, Kopfbedeckung mit Fokus auf das islamische Kopf-tuch, Exkurs zur Grösse von religiösen Zeichen) sowie nach Kantonen gegliedert. Die Aus-führungen in dieser Ziffer stützen sich weitgehend auf diese Analyse.

Die Analyse zeigt, dass politische Interventionen mit dem genannten Bezug im untersuchten Zeitraum häufig waren. Allerdings gibt es einzelne Kantone ohne grössere Agglomerationen, in denen die Untersuchung keine relevanten Ergebnisse verzeichnete.14 Schwerpunkte lie-gen bei politischen Interventionen zu den follie-genden Themen:

 Kruzifixe und Kreuze v.a. in Schulen, Spitälern, Parlamentsgebäuden und Gerichten so-wie das Feiern christlicher Feste (z.B. Weihnachten) und deren Symbole in Schulen;

 Zunahme muslimischer Gebets- und Ruhestätten (Errichtung von Moscheen, Gebets- und Kulturzentren, Einrichtung separater Grabfelder);

11 BGE 139 I 280

12 BGE 142 I 49

13 Erfasst wurden nicht nur politische Interventionen mit Bezug zu staatlichen oder der Erfüllung staatlicher Aufträge dienenden Gebäuden wie Gerichte, Verwaltungen, Schulen, Spitäler oder Haftanstalten. In die Untersuchung einbezogen wurden auch Interventionen mit Bezug zu öffentlich zugänglichen Räumen wie z.B. Sport-, Kultur- und Freizeitstätten, Friedhöfe, Fahrzeuge des öffentlichen Verkehrs, Kinos, Restaurants, Hotels, Verkaufsgeschäfte. Weit interpretiert wurde auch das "Anbringen" religiöser Zeichen. Unter dieser Kategorie erfasst wurden auch Fälle, bei denen die religiöse Symbolik in der Baute selber oder in ihrer Gestaltung liegt (z.B. Minarette, Gebets- und Ruhestätten, Gräber). Zudem wurden auch Interventionen zu "temporären" Installationen und Veranstaltungen wie z.B. Weihnachtsfeiern oder Christbäume an Schulen einbezogen.

14 Es handelt sich um Appenzell Innerrhoden, Appenzell Ausserrhoden, Glarus, Graubünden, Nidwalden, Obwalden und Uri.

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 muslimische Gesichtsverhüllung und von Musliminnen getragenes Kopftuch.

In den Vorstössen, die sich mit christlichen Religionssymbolen und Festen befassen, kommt vor allem die Besorgnis über das mögliche Verschwinden dieser Zeichen und Bräuche in öffentlichen Gebäuden, anderen öffentlichen Einrichtungen und im öffentlichen Raum zum Ausdruck. Bei Vorstössen mit Bezug zu muslimischen Symbolen und von Musliminnen ge-tragenen Kleidungsstücken werden Befürchtungen vor einem zunehmenden Einfluss des muslimischen Bevölkerungsteils bzw. vor einer zu grossen staatlichen Nachgiebigkeit ge-äussert.

Die untersuchten politischen Interventionen führten insgesamt eher selten zu gesetzgeberi-schen Folgeprojekten. Keine rechtlichen Konsequenzen hatten namentlich Vorstösse zur Beibehaltung des Feierns christlicher Feste an Schulen. Solche Feiern werden kantonsüber-greifend als zur schulischen Tradition gehörig verstanden.

Bei der Anbringung von Kruzifixen (mit Korpus Christi) und einfachen Kreuzen in öffentlichen Gebäuden, wobei primär die Schulen im Fokus stehen, variieren die Reaktionen. Bei diesem Thema spielen kantonsspezifische Eigenheiten eine Rolle. Der wegleitende, kontrovers dis-kutierte Kruzifix-Entscheid des Bundesgerichts von 1990 im Fall der Tessiner Gemeinde Cadro15 führte nicht zu einheitlichen Regelungen und Auslegungen in den Kantonen. So steht in den Kantonen Genf und Neuenburg aufgrund ihrer laizistischen Tradition das An-bringen religiöser Zeichen in Schulzimmern oder Gerichten ausser Diskussion. Der Staatsrat des Kantons Jura interpretiert das Cadro-Urteil ebenfalls streng im Sinne eines vollständigen Ausschlusses religiöser Zeichen aus Schulen und Gerichtssälen. Demgegenüber vertritt der Tessiner Staatsrat die Auffassung, dass Kruzifixe in Eingängen und Korridoren von Schul-häusern weiterhin aufgehängt werden dürften, da diese Räume nicht dem Unterricht dienten.

Und im Kanton Wallis sind Kreuze, teils auch Kruzifixe, in Schulzimmern weit verbreitet.16 Das hat mit der lokalen Kultur zu tun, in der die Präsenz solcher religiöser Zeichen in öffentli-chen Gebäuden noch weitgehend mit der Glaubensüberzeugung der Mehrheitsbevölkerung übereinstimmen dürfte.

Wie im Bund befassten sich in den letzten Jahren auch viele kantonale politische Interven-tionen mit der islamischen Kleidung (Ganzkörperverschleierung, Kopftuch). Im Fall des Kopf-tuchs kam es eher selten zu neuen kantonalen Regelungen. Das ist wohl wesentlich auf das 1997 ergangene, grundlegende Bundesgerichtsurteil im “Genfer Kopftuch-Fall“ zurückzufüh-ren.17 In jenem Entscheid stützte das Bundesgericht einen Entscheid der Genfer Schulbe-hörden, einer zum Islam konvertierten Volksschullehrerin, die ihr Kopftuch im Unterricht nicht ablegen wollte, zu kündigen. Das Gericht hatte nur den Fall eines von einer Lehrperson ge-tragenen Kopftuchs zu beurteilen. Es liess aber durchblicken, dass es im Fall eines von einer Schülerin getragenen Kopftuchs zu einem anderen Entscheid kommen könnte. Genau das tat es in einem Ende 2015 gefällten Urteil.18 Darin kommt das Bundesgericht zum Schluss,

15 BGE 116 Ia 252 vom 26. September 1990.Der Gemeinderat der Gemeinde Cadro hatte im Herbst 1984 angeordnet, dass in jedem Klassenzimmer der örtlichen Primarschule ein Kruzifix anzubringen sei. Gegen diese Anordnung erhob ein Lehrer der betroffenen Schule in Cadro Beschwerde. Nachdem das Tessiner Verwaltungsgericht die Anordnung des Gemeinderats wegen Verletzung der Pflicht zur konfessionellen Neutralität der Volksschulen aufgehoben hatte, gelangte die Gemeinde an das Bundesgericht. Dieses lehnte die Beschwerde ab. Es hielt insbesondere fest, dass das Anbringen eines Kruzifixes in den Schulzimmern einer Primarschule der von der Bundesverfassung garantierten Religionsneutralität des obligatorischen Schulunterrichts widerspreche.

16 Einem Lehrer an der Orientierungsschule Stalden (VS), der der Bewegung der Freidenker angehört, wurde im Jahr 2010 von der Schulkommission gekündigt, weil er sich weigerte, ein Kruzifix, das er in seinem Schulzimmer abgehängt hatte, dort wieder anzubringen. 2012 erklärte das Walliser Kantonsgericht die Kündigung für rechtswidrig.

17 BGE 123 I 296 vom 25. November 1996. Das Bundesgericht befand, die Pflicht zu einem religiös neutralen Volksschul-unterricht verlange es, dass eine Lehrperson, die im Rahmen ihrer Berufsausübung die staatliche Schule repräsentiert, während des Unterrichts das als Zeichen der Bekenntnis zu ihrer Religion getragene Kopftuch ablegt.

18 BGE 142 I 49 vom 11. Dezember 2015. In einem den privaten Sektor betreffenden Urteil vom 8. September 2016 erklärte das Regionalgericht Bern-Mittelland eine Kündigung gegen eine muslimische Arbeitnehmerin wegen Tragen des Kopftuchs am Arbeitsplatz für missbräuchlich. Die Frau war bei einer Berner Grosswäscherei angestellt und arbeitete seit Jahren zur Zufriedenheit des Arbeitgebers. Dann begann die junge Frau, aus religiösen Gründen an ihrem Arbeitsplatz ein Kopftuch zu tragen. Dies führte zu ihrer sofortigen Entlassung, aus Sicherheits- und Hygienegründen, wie das Unternehmen behauptete.

Anforderungen der Sicherheit und der Hygiene am Arbeitsplatz können Einschränkungen der Persönlichkeitsrechte der

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dass ein von der Schulgemeinde St. Margrethen (SG) gegenüber einem muslimischen Mäd-chen ausgesproMäd-chenes Verbot, das islamische Kopftuch in der Schule zu tragen, mit dem Grundrecht der Glaubens- und Gewissensfreiheit nicht vereinbar ist. Die allermeisten Kanto-ne differenzierten schon vor dieser Klärung zwischen kopftuchtragenden SchülerinKanto-nen (er-laubt) und Lehrerinnen (nicht er(er-laubt).19

Im Untersuchungszeitraum, vor allem nach 2009, kam es zu zahlreichen politischen Inter-ventionen mit dem Ziel, Gesichtsverhüllungsverbote im öffentlichen Raum einzuführen.20 Gesetzesanpassungen resultierten daraus aber nur vereinzelt,21 und flächendeckende Ver-bote lehnten die Kantonsparlamente ab. Eine Ausnahme bildet der Kanton Tessin, der am 1. Juli 2016 ein gesetzlich definiertes Gesichtsverhüllungsverbot im öffentlichen Raum in Kraft setzte.22

Stark diskutierte, polarisierende Vorstösse zum islamischen Kopftuch oder zur Gesichtsver-hüllung zeigten aber insofern Wirkung, als sie seitens der Kantonsregierungen und der kan-tonalen Verwaltungen zu einer vertieften thematischen Auseinandersetzung genutzt wurden.

Das führte oft dazu, dass sogenannte “Handreichungen“, in denen die Kantone praktische Empfehlungen zum Umgang mit religiösen Symbolen und Situationen mit religiösem Bezug festhalten, präzisiert oder erweitert wurden. Dabei wird versucht, bundesgerichtliche Grund-satzentscheidungen im Alltag pragmatisch umzusetzen, etwa bei der Möglichkeit, am obliga-torischen Schwimmunterricht im Ganzkörperschwimmanzug (Burkini) teilzunehmen. Im Ent-scheid Osmanoglu et Kocabas c. Suisse bestätigt der Europäische Gerichtshof für Men-schenrechte, dass die Schweizer Kantone weiterhin einen für alle Schüler obligatorischen Schwimmunterricht an der Volksschule vorsehen dürfen. Der Gerichtshof teilt in seinem ein-stimmig gefällten Entscheid die Auffassung des Schweizer Bundesgerichts, das 2008 seine Rechtsprechung verschärft hat und Dispensationen von obligatorischen Schulfächern wegen religiöser Motive grundsätzlich ablehnt.23 Der EGMR anerkennt damit den weiten Beurtei-lungsspielraum der Vertragsstaaten in Fragen der Religionsfreiheit und in Glaubensfragen und teilt die Auffassung des Bundesgerichts, wonach die Teilnahme am obligatorischen Schulunterricht der Beachtung religiöser Gebote einzelner Bevölkerungsteile grundsätzlich vorgeht. Kinder aus allen Kulturen sollen in die in der Schweiz geltenden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen integriert werden.

Zu pragmatischen Lösungen Hand bieten verschiedene Gemeinden bei Wünschen nicht-christlicher Religionsgemeinschaften nach spezifischen Bestattungsritualen oder

beitnehmenden rechtfertigen. Im konkreten Fall konnte die Arbeitgeberin aber nicht überzeugend darlegen, weshalb ein Kopftuchverbot für einen reibungslosen Ablauf der Arbeit notwendig war.

19 Eine Ausnahme bildet der Kanton St.Gallen, dessen Erziehungsrat in einem 2010 erlassenen Kreisschreiben das islamische Kopftuch als nichtreligiöses Symbol eingestuft hatte, was den Schulgemeinden ermöglichen sollte, gestützt auf eigene Weisungen das Tragen des Kopftuchs an den Schulen zu untersagen. BGE 136 I 280 (den Kanton Thurgau betreffend) stützt diese Position nicht. Das Bundesgericht stellt dort fest, dass es sich beim Verbot des Kopftuchtragens um einen Eingriff in die Religionsfreiheit handelt, der eine formelle gesetzliche Grundlage verlangt. Vgl. ausserdem BGE 142 I 49.

20 So neben dem Kanton Tessin (vgl. Fn. 6) in den Kantonen BS, BL, FR, VS, JU, TG, St. Gallen, SO, SZ, ZH. Der Kanton Aargau reichte 2010 auf der Bundesebene eine Standesinitiative ein (Pa.Iv. 10.333 vom 14.09.2010 “Nationales Verhül-lungsverbot im öffentlichen Raum“. Stände- und Nationalrat gaben der Initiative am 09.03.2011 bzw. am 28.09.2012 keine Folge. Im Wallis reichte die SVP am 22. Februar 2016 eine kantonale Volksinitiative “Kopfbedeckungsverbot an Walliser Schulen“ ein.

21 Der Kanton Freiburg änderte mit Wirkung ab 01.08.2015 sein Schulgesetz. Dieses verpflichtet Schülerinnen und Schüler nun explizit, die Schule “mit unverhülltem Gesicht“ zu besuchen. Der Kanton Wallis will eine ähnliche Bestimmung erlassen.

Die Gesichtsverhüllung an Schulen dürfte aber bereits gestützt auf die generelle Pflicht, den Unterricht beeinträchtigendes Verhalten zu unterlassen, unzulässig sein.

22 Am 23.09.2013 hiessen die Tessiner Stimmberechtigten eine Volksinitiative gut, die die Aufnahme eines Gesichtsverhüllungsverbots in der Kantonsverfassung verlangte. Gestützt auf die Botschaft des Bundesrates vom

12.11.2014 (BBl 2014 9121) stimmten der Ständerat am 05.03.2015 und der Nationalrat am 11.03.2015 der Gewährleistung dieser Verfassungsbestimmung zu.

23 BGE 135 I 79.

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dern.24 Diese Anliegen stossen aber häufig auch auf erheblichen lokalen Widerstand, wobei es oft um die Interpretation des Gleichbehandlungsgebots geht.

Grosse nationale und internationale Aufmerksamkeit erregte im Frühjahr 2016 der soge-nannte “Therwiler Handschlag-Fall“: Zwei muslimische Sekundarschüler weigerten sich in der Baselbieter Gemeinde Therwil unter Berufung auf religiöse Gründe, ihrer Lehrerin die Hand zu geben. Zur Gewährleistung eines reibungslosen Schulbetriebs sowie zur Verhinde-rung einer DiskriminieVerhinde-rung der betroffenen Lehrerin hatte die Schulleitung vorübergehend entschieden, die beiden Schüler vom an der Schule vorgesehenen Handschlag gegenüber männlichen und weiblichen Lehrpersonen zu dispensieren. Die basellandschaftliche Bil-dungs-, Kultur- und Sportdirektion (BKSD) hob diesen vorläufigen Entscheid der Schule auf.

Sie erstellte ein Rechtsgutachten zum Thema.25 Die Baselbieter Regierung schickte im Ein-klang mit mehreren parlamentarischen Vorstössen eine Vorlage zur Änderung des Bildungs-gesetzes in die Vernehmlassung, die in schwerwiegenden Fällen der Integrationsverweige-rung eine Meldepflicht der Schulbehörden an die kantonalen Migrationsbehörden vorsieht.26 2.3 Empirische Befunde

Eine zur Beantwortung der Fragestellung wesentliche Teiluntersuchung betrifft empirische Befunde. Das SKMR führte empirische Befragungen mit quantitativen und qualitativen Me-thoden durch.

2.3.1 Online-Befragung

Im Rahmen einer Online-Befragung wandte sich das SKMR in Absprache und mit Unterstüt-zung des BJ an Schulen, Hochschulen und Pädagogische Hochschulen, Gerichte, kantonale Personalämter sowie das Personalamt des Bundes (insbesondere an die dortigen Rechts-dienste). Einbezogen wurden auch Ombudsstellen, drei Abteilungen der SBB (Schalterper-sonal, Zugbegleiter, Human Ressources) sowie Seelsorger und Seelsorgerinnen in Spitälern und Gefängnissen.

Bei den Schulen beschränkte sich die Befragung aus Ressourcengründen auf alle öffentli-chen Schulen in sieben ausgewählten Kantonen (BS, BE, FR, GE, SG, TI und VS). Bei den anderen Institutionen umfasst die Grundgesamtheit alle entsprechenden Einrichtungen in der ganzen Schweiz.

Insgesamt wurde an 919 Institutionen oder Abteilungen ein Link mit der Bitte zur Teilnahme an der Studie verschickt. Davon beantworteten 3738 Auskunftspersonen in 282 Institutionen den Fragebogen. Bezogen auf die angeschriebenen Institutionen entspricht dies einer Rück-laufquote von 31%. Für eine Online-Befragung ohne persönlichen Kontakt zwischen Inter-viewperson und Auskunftsperson ist dies eine gute Quote. Allerdings schwankte der Rück-lauf stark. Neben RückRück-laufquoten von 100% bei der SBB (271 Auskunftspersonen) und der Seelsorge (63 Auskunftspersonen in der Spital- und 77 in der Gefängnisseelsorge) weisen Ombudsstellen (86%), Hochschulen und pädagogische Hochschulen (50%), Personalämter in Bund und Kantonen (44%) sowie Gerichte (40%) sehr gute Rücklaufquoten auf. Für diese Institutionen sind repräsentative Aussagen gut möglich. Demgegenüber ist der Rücklauf von 27% bei den Schulen für repräsentative Aussagen eher grenzwertig. Relativ hohe Rücklauf-quoten weisen die Schulen in den Kantonen St. Gallen (51%), Bern (37%) und Basel-Stadt (31%) auf. Hier sind repräsentative Aussagen möglich. Demgegenüber ist der Rücklauf im Tessin (9%) und in der Romandie deutlich schwächer (Genf 13%, Wallis 15% und Freiburg

24 Seit Mitte 2012 können hinduistische Gemeinschaften an einer bestimmten Stelle des Reussufers in Luzern die Asche ihrer Verstorbenen in Übereinstimmung mit ihrem Glauben und im Einklang mit dem geltenden Recht dem Fluss übergeben.

25 Rechtsabklärung der BKSD vom 14.04.2016, www.baselland.ch/politik-und-behorden/direktionen/bildungs-kultur-und-

sportdirektion/medienmitteilungen/verweigerter-handedruck-an-schule-therwil/downloads/haendedruck_rechtsabklaerung.pdf.

26 Vorlage vom 07.12.2016 zur Änderung des Bildungsgesetzes betreffend Aufnahme einer Meldepflicht bei Integrationsprob-lemen, www.baselland.ch/themen/p/politische-rechte/vernehmlassungen/aktuelle-vernehmlassungen.

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22%). Für die Auswertung folgt daraus, dass in Bezug auf diese Kantone nur tendenziell verallgemeinerbare Aussagen möglich sind.

2.3.1.1 Religiöse Symbole in Gebäuden und in diesem Kontext entstandene Schwierigkei-ten und Konflikte

Die Umfrage ergab, dass in 53% der befragten Institutionen religiöse Symbole angebracht sind. Die Befunde zu den Schulen zeigen, dass in traditionell katholischen Kantonen (Frei-burg, St. Gallen, Tessin und Wallis) bei der überwiegenden Mehrheit der Schulen ange-brachte religiöse Symbole die Regel sind, wohingegen sie in traditionell reformierten Kanto-nen (Basel-Stadt, Bern, Genf) eher die Ausnahme darstellen. Bestimmungen, die das An-bringen religiöser Symbole regeln, sind nur bei rund einem Sechstel der Gerichte, Personal-ämter und Ombudsstellen, doch immerhin bei ca. 29% der Schulen vorhanden. In Basel-Stadt und Genf kennen rund 50% der Schulen solche Bestimmungen, im Wallis nur ca. 20%.

Gefragt wurde auch nach Schwierigkeiten oder Konflikten im Zusammenhang mit ange-brachten religiösen Symbolen. Der Ansatz ist allerdings niederschwellig und geht weit über Rechtsstreitigkeiten hinaus.Aus 25 bis 30% der Gerichte, Personalämter und Schulen, in denen religiöse Symbole angebracht sind, werden damit zusammenhängende Konflikte be-richtet. Bei Hochschulen und Pädagogischen Hoschschulen steigt dieser Anteil auf 44%, was vermutlich darauf zurückzuführen ist, dass in den meisten Institutionen dieser Art verschie-dene Religionen und Konfessionen aktiv sind und religiöse Angebote machen, bei verschie-denen auch religiöse Symbole verwendet werden. Auffällig viele Konflikte treten gemäss den Er-gebnissen der Online-Umfrage in Strafanstalten auf (61%). Auf der anderen Seite geben in Spitälern angebrachte religiöse Symbole keinen Anlass für Konflikte (0%). Sie werden offen-bar als allgemeine Bestandteile dieses Umfelds akzeptiert. Konflikte in Bezug auf in Gebäu-den angebrachte religiöse Symbole treten relativ häufig auch bei der SBB (45%) sowie in Schulen in den Kantonen Genf (75%), Wallis (53%) Tessin (43%) und Basel-Stadt (40%) auf.

Diese Ergebnisse verdeutlichen die Kontextabhängigkeit der Entstehung von Konflikten auf-grund religiöser Symbole in Gebäuden. Kontextfaktoren sind sowohl die Art der Institution als auch der jewelige Kanton. In Kantonen mit im öffentlichen Raum stark präsenter Religiosität (z.B. Wallis) bzw. mit ausgeprägt laizistischer Tradition (z. B. Genf) nahmen die Auskunfts-personen auch mehr Konflikte wahr.

2.3.1.2 Religiöse Kleidung und getragene religiöse Zeichen und Symbole

Im Rahmen der Online-Befragung stellte das SKMR detaillierte Fragen zur religiösen Klei-dung und getragenen religiösen Zeichen und Symbolen. Dabei ging es um die Wahrneh-mung (Auffälligkeit) sowie um Häufigkeit, Regeln und Konflikte bei Mitarbeiterinnen und Mit-arbeitern und bei Nutzerinnen und Nutzern bzw. Besucherinnen und Besuchern einer Ein-richtung (sogenanntes “Publikum“).

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Bei der Frage, ob getragene religiöse Kleidung, Symbole und Zeichen bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als auffällig oder eher als unauffällig empfunden wird, spielt kaum überra-schend Grösse und körperliche Lokalisierung eine entscheidende Rolle. Nur eine Minderheit empfindet religiösen Halsschmuck als auffällig (christlicher Halsschmuck wie Kreuz 19%, jüdischer Halsschmuck wie Davidsstern 25%, islamischer Halsschmuck wie Halbmond 24%).

Eine grosse Mehrheit nimmt dagegen religiöse Kopfbedeckungen (jüdische Kippa 76%, is-lamisches Kopftuch 87%, Turban der Sikhs 88%) und Ganzkörperbekleidungen (christliche Ordenstracht 82%, jüdisch-orthodoxe Männerkleidung 91%, islamische Kleidung bei Frauen 94%) als auffällig wahr. Hieraus lassen sich zwei Schlüsse ziehen: Erstens wird in Bezug auf die Auffälligkeit nur in einem geringen Mass zwischen Kopfbedeckung und Ganzkörperbe-kleidung unterschieden. Eine “Markierung“ am Kopf reicht gewissermassen aus, um ein ge-tragenes religiöses Symbol als auffällig erscheinen zu lassen. Zweitens spielt die religiöse Tradition offenbar keine Rolle, liegen doch die Werte für christliche, jüdische oder islamische Kleidung, Zeichen und Symbole in allen Kategorien nahe beieinander.

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Die Online-Umfrage ergab, dass es in 71% der befragten Institutionen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt, die religiösen Halsschmuck tragen. In 33% kommen religiöse Kopfbede-ckungen oder Ganzkörperkleidung vor. In 81% der Hochschulen und Pädagogischen Hochs-schulen tragen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter religiöse Kopfbedeckungen oder Ganzkör-perkleidung. Diese hohe Zahl dürfte mit den in der Umfrage erfassten Instituten für Theolo-gie, Judaistik, Islamwissenschaft und Religionswissenschaft zusammenhängen. In 35% der befragten Schulen tragen einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter religiöse Kopfbedeckun-gen oder Ganzkörperkleidung. Dieser überdurchschnittliche Anteil kann durch Ordensleute und Priester, die als Lehrpersonen tätig sind, erklärt werden. Bei den Kantonen fällt auf, dass in besonders vielen Schulen der Kantone Basel Stadt (60%), Tessin (50%) und Wallis (47%) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter religiöse Kopfbedeckungen und Ganzkörperkleidung tragen.

In den katholischen Kantonen Tessin und Wallis dürfte dies mit unterrichtenden Ordensan-gehörigen zusammenhängen. Im Kanton Basel Stadt ist vermutlich die hohe religiöse Plurali-tät der Wohnbevölkerung ein wichtiger Faktor.Ergänzend dazu zeigen die Befunde in Tabel-le 11, dass Mitarbeitende religiöse Kopfbedeckungen oder GanzkörperkTabel-leidung auch in vie-len Spitälern (57%) und Strafanstalten (47%) tragen. Die hohen Anteile bei Spitälern und Strafanstalten sind vermutlich auf SeelsorgerInnen, die dort arbeiten, zurückzuführen, da die anderen Beschäftigten in diesen Einrichtungen meistens Dienstkleidung tragen oder sogar uniformiert sind.

Bestimmungen, die das Tragen religiöser Kleidung betreffen, kennen mit Ausnahme von Bildungseinrichtungen (33% der Schulen) nur 11-18% der untersuchten Institutionen. Sie sind daher eher als Ausnahmeerscheinungen zu taxieren. Eine höhere Bestimmungsdichte weisen die Kantone Basel-Stadt, Genf und Wallis auf.

In den meisten Institutionen kommen keine Konflikte wegen religiöser Kleidung von Mitarbei-terinnen und Mitarbeitern vor. Ausnahmen und damit “konfliktträchtige Kontexte“ sind Hoch-schulen in der ganzen Schweiz sowie Schulen im Kanton Basel-Stadt, wo 50% bzw. 40% der genannten Einrichtungen von Konflikten in Bezug auf religiöse Kleidung berichten. Es ist allerdings daran zu erinnern, dass der der Umfrage zugrundeliegende Begriff “Konflikt“ sehr

In den meisten Institutionen kommen keine Konflikte wegen religiöser Kleidung von Mitarbei-terinnen und Mitarbeitern vor. Ausnahmen und damit “konfliktträchtige Kontexte“ sind Hoch-schulen in der ganzen Schweiz sowie Schulen im Kanton Basel-Stadt, wo 50% bzw. 40% der genannten Einrichtungen von Konflikten in Bezug auf religiöse Kleidung berichten. Es ist allerdings daran zu erinnern, dass der der Umfrage zugrundeliegende Begriff “Konflikt“ sehr