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6 Studie 2: Call Center der Stadtverwaltung Dortmund (Doline)

6.3 Design und Konzeption der Befragung

6.4.9 Analyse der Beeinträchtigungen

Die Diagnose betrieblich bedingter Beeinträchtigungen der Gesundheit wurde mittels der Freiburger Beschwerdeliste von Fahrenberg (1994) ermittelt. Ausgewählt wurden die Skalen „Allgemeinbefindlichkeit“, „Emotionale Reaktivität“ und „Schmerz“. Diese Skalen sind besonders geeignet zur Erfassung von Beeinträchtigungen bei Call Center Agenten, da sie für die Call Center Arbeit typische somatische

Beschwerdeformen erfassen.

Die Abbildung 38 zeigt das Beeinträchtigungsprofil der Mitarbeiter in der Doline.

Gehäuft auftretende Beeinträchtigungen konnten aufgrund der konkreten Abfragen im Mitarbeiter-Fragebogen zusätzlich dahingehend untersucht werden,

1. ob sie durch die Arbeit in der Doline mit verursacht sind (um dann einen Bezug zu den Kontextfaktoren und der Bewertung der Arbeitssituation herzustellen),

2. auf welche Tätigkeiten die Beeinträchtigungen sich auswirken (um über die Beeinträchtigung der Mitarbeiter hinaus auch die Bedeutung für das Call Center einzuschätzen).

3. ob diese Beeinträchtigungen kommuniziert wurden (um dann mittels Führungsfragebogen zu klären, ob und welche Maßnahmen dagegen eingeleitet wurden), und

3 3,5 4 4,5

Vorgesetzte Kollegen

Mittelwert

Abbildung 38: Beeinträchtigungen in der Doline nach der Freiburger Beschwerdeliste

(1: fast täglich, 2: etwa 3x die Woche, 3: etwa 2x Monat, 4: etwa 2x im Jahr, 5: praktisch nie)

Die Länge der Balken zeigt das durchschnittliche Ausmaß der verschiedenen Beeinträchtigungen in der Doline. Danach sind vor allem ein allgemeines Stresserleben, Nacken-, Schulter- und Kreuzschmerzen und Kopfschmerzen häufiger vorzufinden. Diese Beeinträchtigungen sind aus Mitarbeitersicht vielfach durch die Arbeit bei der Doline verursacht (schwarze Balken mit entsprechenden Häufigkeitsangaben links in den Balken bei mehr als 6 Nennungen). Angesprochen haben diese Beeinträchtigungen aber nur wenige Agenten (Häufigkeitsangaben rechts in den Balken).

Mehrere Mitarbeiter gaben an, dass ihr Stresserleben Einfluss auf ihre

Tätigkeitsausübung hat. Vier Agenten nannten hier die Informationssuche und Auskunftserteilung, drei Agenten den Umgang mit schwierigen

Gesprächssituationen. Bei den anderen Beeinträchtigungen wurden keinen nennenswerten Tätigkeitsauswirkungen genannt.

Von Seiten der Doline wurden in den zwei Jahren vor der Studie folgende

Maßnahmen zur Verbesserung der Kontextfaktoren und zur Gesundheitsförderung eingeleitet:

ƒ eine umfassende Umbaumaßnahme zur Verbesserung des Arbeitsumfeldes,

insbesondere der Faktoren Licht und Luft aber auch im Bereich Ergonomie

ƒ jährliche Teamentwicklungsmaßnahmen zur Stärkung der Zusammenarbeit im Team

ƒ individuelle Mitarbeitergespräche

Die Umbaumaßnahme war zum Zeitpunkt der Datenerhebung noch nicht

abgeschlossen, so dass sich die Verbesserungen noch nicht in den Ergebnissen niederschlagen konnte. Möglicherweise sind die positiven Ergebnisse bezogen auf die Kontextfaktoren „Team“ und „Führung“ auf die gezielten Maßnahmen in diesem Bereich zurückzuführen. Bezogen auf die genannten Beeinträchtigungen (Stress, körperliche Beschwerden) finden sich keine gezielten Maßnahmen in den Angaben der Führungskräfte und der Mitarbeiter.

6.5 Zusammenfassung der Ergebnisse

Mit der zweiten Studie wurde die Methodik aus der Machbarkeitsstudie im IZ der BAuA weiterentwickelt. Insbesondere wurde der Aspekt der Zusammenhangsanalyse vertieft. Ziel war es, den Beitrag des umfassenden PE-Programms und der einzelnen Programmbausteine für die Kompetenzentwicklung des einzelnen Mitarbeiters und seine Leistungsfähigkeit im Gesamtsystems „Call Center“ nachzuweisen. Dank einer sehr hohen Rücklaufquote von 44% bei den Mitarbeitern (20 Fragebogen) und 100%

bei den Führungskräften (6 Fragebogen) und der hohen Datenqualität stand eine solide Stichprobe mit einem aussagekräftigen Datenmaterial für die Auswertung zur Verfügung.

Die Ergebnisse zeigten sowohl den Nutzen des Personalentwicklungsprogramms als auch den Optimierungsbedarf auf. Das PE-Programm vermittelt vor allem durch eine systematische Einarbeitung den Umgang mit den Standardanwendungen und dem Informationssystem. Dies sind Kompetenzen, die von beiden Seiten durchweg als sehr bedeutsam für das erfolgreiche Arbeiten im Call Center eingestuft werden. Dass hier allerdings nur die Grundkompetenzen vermittelt werden, zeigte sich darin, dass die Mitarbeiter den regelmäßigen Fachanweisungen mehr Beitrag zu ihrer Förderung im Bereich des Wissens und mehr Relevanz für eine erfolgreiche Tätigkeitsausübung zuschreiben als der Einarbeitung. Aus der Sicht der Führungskräfte sind viele

Qualifikationen nach dem Personalentwicklungsprogramm im Durchschnitt nur mittelmäßig vorhanden. Dazu zählen auch eine Reihe von sehr bedeutsamen Wissensbereichen, Fertigkeiten und vor allem Fähigkeiten, die für den Umgang mit dem Kunden und eine gezielte Beratung Voraussetzung sind.

Die Ergebnisse offenbaren, dass der Anspruch der „Kundenorientierung“ mit dem bisherigen PE-Programm nicht ausreichend eingelöst wird. Die Führungskräfte erwarten, dass die Kommunikationsschulung dies abdeckt, aus der Sicht der Mitarbeiter zeigen sich aber diesbezüglich nur sehr begrenzte Lernerfolge, die diesem umfassenden Anspruch nicht gerecht werden. Sie wirken sich daher auch nicht entscheidend auf die Ergebnisqualität aus. Stattdessen wird besonders der Lernbeitrag des „learning-by-doing“ als notwendig und wichtig erlebt. Letztlich wird die „strategische Bedeutung“ der Kommunikationsförderung für die Ergebnisqualität von den Führungskräften als eher gering eingeschätzt, was eine mögliche Ursache für die nicht ausreichende Verhaltensunterstützung sein könnte. Hinzu kommt, dass

ein tieferes Verständnis der Kundenperspektive durch die bisherigen Maßnahmen kaum vermittelt wird.

Die Korrelationsanalyse bestätigt die These, dass die Ausprägung der grundlegenden Fähigkeiten der Mitarbeiter eng mit der Ergebnisqualität

zusammenhängt. Insgesamt ist es für das PE-Programm ernüchternd, dass dem Lernen durch Erfahrung der höchste Beitrag für die Ergebnisqualität zugeschrieben wird. Die Kontextfaktoren der Arbeit werden von den Mitarbeitern weitestgehend als förderlich erlebt. Lärm, schlechte Luft und ein unzureichendes Headset erschweren jedoch aus Sicht vieler Mitarbeiter die Verständigung mit dem Anrufer und eine gute Servicequalität. Möglicherweise sind dies Faktoren, die das hohe Stresserleben bei vielen Mitarbeitern fördern. Welche Verbesserungen die Umbaumaßnahme hier realisiert, bleibt abzuwarten.

6.6 Bewertung der Studie

Mit dieser Form der ganzheitlichen Evaluation konnten wertvolle Erkenntnisse zur Wirksamkeit und Wirkungsweise des PE-Programms und der einzelnen Module gewonnen werden. Die komplexe Wirkungskette konnte mit einer innovativen Methodik auch ohne ein wissenschaftlich solides Design (Pretest oder

Kontrollgruppe) abgebildet und nachgewiesen werden. Insofern unterstützt auch diese zweite Studie einen methodischen Ansatz auf, der die Evaluation im Sinne einer salutogenetischen Gesundheitsförderung für die Praxis leicht umsetzbar macht.

Gleichwohl basiert diese Methodik auf einem komplexen Datenmodell, das ein

profundes Verständnis der möglichen Wirkungszusammenhänge erfordert und an die Befragten hohe Anforderungen stellt. Die Qualität der ausgefüllten Fragebogen spricht allerdings dafür, dass die Befragten mit der Komplexität der geforderten Auskünfte umgehen konnten.