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Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz – Religionsprivileg

Anspruchsvoraussetzungen für Schadensersatz und Entschädigung

Paragraf 9 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz – Religionsprivileg

Paragraf 9 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz enthält Spezialregelungen für die Beschäftigung durch erstens Religionsgemeinschaften, zweitens die ihnen zugeordneten Einrichtungen Klammer auf zum Beispiel Caritas oder Diakonie Klammer zu und drittens durch Vereinigungen, die sich die Pflege einer Religion Klammer auf zum Beispiel Koranschulen Klammer zu oder Weltanschauung Klammer auf zum Beispiel

Waldorf-Schulen, die der anthroposophischen Lehre Rudolf Steiners folgen Klammer zu zur Aufgabe gemacht haben. Kopftuchverbote im Rahmen der Tätigkeit an staatlichen Schulen oder im staatlichen Referendardienst betrifft diese Regelung nicht, weil das Religionsprivileg nur den Religionsgemeinschaften und ihren Einrichtungen zukommt Klammer auf siehe oben

Paragraf 8 Berufliche Anforderungen Klammer zu.

Die Religionsgemeinschaften und ihre Einrichtungen können gemäß Paragraf 9 Absatz 1 Allgemeines Grundgesetz eine Beschäftigung von der Religionszugehörigkeit oder der Weltanschauung abhängig machen, wenn die Tätigkeit oder die Umstände der Ausübung in einem Zusammenhang mit dem religiösen Auftrag der Organisation stehen. Hier wird also das Ethos der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaft als Maßstab für berufliche Anforderungen im Sinne von Paragraf 8 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz anerkannt.

Eine Berücksichtigung der Religionszugehörigkeit ist unstreitig bei Tätigkeiten gerechtfertigt, die eine Verkündung oder Vermittlung des Glaubens oder einer Weltanschauung beinhalten.

Dazu zählen insbesondere Lehre und Kultus Klammer auf das heißt Gottesdienstgestaltung, praktische Seelsorge und Ausbildung der Geistlichen Klammer zu sowie karitative Tätigkeit im engeren Sinn Klammer auf Landesarbeitsgericht Hamm 13.01.2011 – 8 S a 7 8 8

Schrägstrich 1 0, zur Zulässigkeit von Arbeitskämpfen in kirchlichen Einrichtungen Klammer zu, aber auch Leitungstätigkeiten und Öffentlichkeitsarbeit. Anders liegt der Fall wohl bei

einer Arbeit im verkündungsfernen Bereich, zum Beispiel in der Buchhaltung, als E D V – Mitarbeiterin beziehungsweise Mitarbeiter oder Sportlehrerin und Sportlehrer.

Die Ablehnung der Bewerbung eines qualifizierten Krankenpflegers allein wegen der fehlenden Religionszugehörigkeit stellt eine unzulässige Benachteiligung dar, die eine Entschädigung nach Paragraf 15 Absatz 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz auslöst.

Das Arbeitsgericht Aachen berief sich dabei auf die Vorgaben des Artikels 3 der

Grundordnung des kirchlichen Dienstes, wonach die Religionsgemeinschaft nur bei der Besetzung von Stellen im pastoralen, katechetischen Dienst sowie in der Regel im

erzieherischen Bereich und bei leitenden Angestellten die Mitgliedschaft in der katholischen Kirche verlangen dürfe Klammer auf vergleiche Arbeitsgericht Aachen 13.12.2012 – 2 C a 4 2 2 6 Schrägstrich 11 Klammer zu.

Eine Arbeitgeberin oder ein Arbeitgeber, die oder der eine Krankenanstalt in konfessioneller Trägerschaft der evangelischen Kirche führt, kann dagegen einer Krankenschwester im Wege des Weisungsrechts untersagen, während der Arbeitszeit ein islamisches Kopftuch zu tragen Klammer auf vergleiche Landesarbeitsgericht Hamm 17.02.2012 – 18 S a 8 6 7 Schrägstrich 11, Revisionsverfahren anhängig beim Bundesarbeitsgericht A z.: 5 A Z R 611 Schrägstrich 12 Klammer zu.

Nach Paragraf 9 Absatz 2 kann von den Beschäftigten darüber hinaus ein loyales und aufrichtiges Verhalten im Sinne des Ethos der Organisation verlangt werden.

Einem Sozialpädagogen, der bei einer Kindertagesstätte in Caritas-Trägerschaft beschäftigt war, wurde gekündigt, weil er wegen der Aufdeckung der zahlreichen Missbrauchsfälle in katholischen Einrichtungen aus der katholischen Kirche ausgetreten war. Das

Bundesarbeitsgericht wies seine Kündigungsschutzklage ab, weil der Kirchenaustritt bei einer Beschäftigung bei einem kirchlichen Arbeitgeber einen schweren Loyalitätsbruch darstelle. Als Sozialpädagoge leiste er unmittelbar „Dienst am Menschen“ und sei daher mit einem „Sendungsauftrag der katholischen Kirche“ betraut. Deshalb sei es dem Arbeitgeber nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen Klammer auf vergleiche

Bundesarbeitsgericht 25.04.2013 – 2 A Z R 5 7 9 Schrägstrich 1 2 Klammer zu.

Achtung, ungeklärte Rechtslage: Die Auslegung von Paragraf 9 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz ist umstritten und noch nicht höchstrichterlich abschließend geklärt. Die Regelung wird von vielen Stimmen in der Rechtsliteratur und Rechtspolitik als zum Teil europarechtswidrig angesehen. In Paragraf 9 Absatz 1 Allgemeines

Gleichbehandlungsgesetz heißt es, dass die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion oder Weltanschauung gefordert werden kann, „wenn diese unter Beachtung des

Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft oder Vereinigung im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht oder nach der Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt“. Dies widerspricht der zugrunde liegenden Europäischen Union - Richtlinie Klammer auf 2000 Schrägstrich 78 Schrägstrich Europäischer Gerichtshof Klammer zu, die eine Rechtfertigung nur bei gerechtfertigter beruflicher Anforderung

zulässt. Die Privilegierung von Religionsgemeinschaften ist besonders aufgrund der arbeitsmarktbeherrschenden Stellung von kirchlichen Trägern wie Caritas und Diakonie im Sorge- und Pflegesektor problematisch. Insbesondere bezüglich Beschäftigter in

Kindertagesstätten, Schulen, Aus- und Weiterbildungseinrichtungen, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen in solcher Trägerschaft wird, soweit diese staatliche Zuwendungen

erhalten, eine engere Auslegung des Paragraf 9 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz gefordert. Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes steht noch aus, ist aber mittelfristig zu erwarten. Insoweit sind Klagen sinnvoll, aber mit einem Prozessrisiko behaftet.

Das Arbeitsgericht Berlin entschied, dass die Ablehnung einer konfessionslosen Stellenbewerberin nicht auf Paragraf 9 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz gestützt werden könne, wenn die Kirchenmitgliedschaft keine „wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung“ für die konkrete Stelle sei. Wenn das diakonische Werk der Evangelische Kirche in Deutschland eine Stelle für eine Referentin oder einen Referenten zur Erstellung eines unabhängigen Berichts zur Umsetzung der U N

-Antirassismuskonvention durch Deutschland besetzt, darf es eine qualifizierte Bewerberin nicht ablehnen, weil diese keiner christlichen Kirche angehört. Das Thema „Antirassismus“

sei zwar auch nach „religiösen und diakonischen Wertvorstellungen“ von Bedeutung; eine Religionszugehörigkeit sei für die ausgeschriebene Tätigkeit jedoch nicht erforderlich Klammer auf Arbeitsgericht Berlin 18.12.2013 – 5 4 C a 6 3 2 2 Schrägstrich 1 3 Klammer zu. Die Diakonie hat Berufung gegen das Urteil vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt.

Paragraf 10 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz – Ungleichbehandlungen wegen des Lebensalters

Über den strengen Rechtfertigungsgrund des Paragraf 8 hinaus Klammer auf wesentliche und entscheidende berufliche Anforderungen Klammer zu können Benachteiligungen wegen des Alters gemäß Paragraf 10 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz auch wegen anderer sachlicher Gründe zulässig sein. Die ungleiche Behandlung muss erstens angemessen sein, zweitens durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sein und drittens müssen die Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sein. Paragraf 10 Allgemeines

Gleichbehandlungsgesetz nennt dafür einige Beispiele, unter anderem sozialpolitische Ziele Klammer auf zum Beispiel Arbeitsfördermaßnahmen für jüngere oder ältere

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Klammer zu, den Schutz älterer Beschäftigter oder die Mitberücksichtigung des Lebensalters bei Sozialplänen im Zusammenhang mit

betriebsbedingten Kündigungen.

Die altersabhängige Staffelung der Urlaubsdauer im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst verstößt gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Aus der tarifvertraglichen Regelung, die bereits Beschäftigten ab dem 30. Lebensjahr mehr Urlaub zuwies, ließ sich nach Auffassung des Bundesarbeitsgericht nicht ableiten, dass die Tarifvertragsparteien einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten und das Ziel verfolgten, den Schutz älterer Beschäftigter im Sinne des Paragraf 10 Satz 3 Nummer 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz sicherzustellen. Die jüngeren

Beschäftigten haben danach den gleichen Urlaubsanspruch wie die älteren Klammer auf vergleiche Bundesarbeitsgericht 20.03.2012 – 9 A Z R 5 2 9 Schrägstrich 1 0 Klammer zu.

Die Sozialauswahl mit Altersgruppenbildung verstößt nicht gegen das Verbot der

Altersdiskriminierung. Denn wenn ältere Arbeitnehmerinnen beziehungsweise Arbeitnehmer infolge der Sozialauswahl bessergestellt werden, ist das dadurch gerechtfertigt, dass die Arbeitsmarktchancen mit steigendem Lebensalter regelmäßig sinken Klammer auf vergleiche Bundesarbeitsgericht 15.12.2011 – 2 A Z R 4 2 Schrägstrich 1 0 Klammer zu.