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Allgemeine Vorstellungen über die Arbeitswelt

Im Dokument Qualitative Interviewstudie (Seite 93-96)

3.4 Teil II – Qualitative Interviewstudie

3.4.3.1 Allgemeine Vorstellungen über die Arbeitswelt

Die Vorstellungen von der eigenen Zukunft werden in dieser Studie sehr stark mit der Frage nach den Vorstellungen der Jugendlichen über die Arbeitswelt in Bezug

auf ihren eigenen Berufsweg verknüpft. Dabei wurde deutlich, dass der zukünf-tige Beruf und die Auseinandersetzung mit der Arbeitswelt ein äußerst relevantes Thema für die Schüler*innen bildet, welches sie innerhalb und außerhalb der Schule bzw. des Unterrichts beschäftigt.

Der Bildungsübergang von der Sekundarstufe I in die Sekundarstufe II stellt die Schüler*innen auch vor die Wahl des weiteren Bildungsweges. Es hat sich gezeigt, dass Bildungsentscheidungen sehr eng mit den Berufsaspirationen der befragten Jugendlichen zusammenhängen. Dasselbe Ergebnis zeigt sich auch in der quantitativen Studie (vgl. Tab.3.3, 82).

Sowohl die qualitative als auch die quantitative Studie weisen darauf hin, dass verschiedene Schultypen (NMS und AHS) eine ausschlaggebende Rolle spielen, wenn es um Wahlmöglichkeiten geht. Es hat sich gezeigt, dass die Berufsvorstellungen offensichtlich häufig mit der eigenen Schulbildung, dem sozioökonomischen Hintergrund und dem eigenen sozialen Geschlecht abgegli-chen werden. Besonders deutlich wird dies in den Ergebnissen der quantitativen Fragebogenstudie (vgl. Abschn. 3.3.3.6 Welche Faktoren spielen eine wichtige Rolle bei der Berufsentscheidung?, 93). Im qualitativen Interview wurde diese Anpassung besonders durch die Erzählungen von früheren Kindheitsberufswün-schen deutlich, denn eine Veränderung und ein Abgleichen der Berufswünsche mit den sozialen bzw. ökonomischen Realitäten und Bildungsrealitäten findet laut den Erzählungen meist am Übergang von der Volksschule zur Mittelschule statt.

Was den Jugendlichen im Hinblick auf ihre Berufsorientierung fehlt, wurde in der Interviewstudie gezielt abgefragt und durch immanentes Nachfragen ver-deutlicht. Es hat sich jedoch gezeigt, dass Wünsche für Berufsorientierung sehr schwer zu formulieren waren, da die Interviewten nicht über die notwendige Erfahrung in der Arbeitswelt verfügen, um ausdrücken zu können, was ihnen tatsächlich im Hinblick auf Berufsorientierung fehlt. Damit ist es schwer, die Forschungsfrage, was die Jugendlichen aus Sicht der Jugendlichen brauchen, zu beantworten. In der Interviewsituation wurde diese Frage deshalb in „Tipps für die Berufsorientierung“ umformuliert. Hier hat sich gezeigt, dass die Jugendli-chen ihre Lösungsvorschläge meist auf Basis des eigenen Erfahrungshorizontes formulieren. Die eigene Wahlfreiheit und dass man den Beruf ergreifen sollte, der einem am besten gefällt, steht hier im Widerspruch zu den klaren Ergebnis-sen, dass die Eltern und das soziale Umfeld die Berufsentscheidungen erheblich beeinflussen.

In den Interviews zeigt sich die Tendenz, dass Mädchen häufiger Zweifel äußern und von Unsicherheiten in Bezug auf die Arbeitswelt erzählen. Klar erkennbar ist dies daran, dass vergleichsweise weniger Interviewpartnerinnen bereits eine konkrete Berufsentscheidung getroffen haben. Gleichzeitig berichten

die interviewten Mädchen durchaus von ihren Traumberufen, nennen allerdings auch meist einen Grund, warum daraus möglicherweise nichts werden könnte.

Mädchen machen in den Gesprächen oftmals einen reflektierten Eindruck, was sich in ihren ambivalenten Bildungs- und Berufsentscheidungen widerspiegelt.

Diese Reflektiertheit könnte auch einen Grund für die scheinbar größeren Unsi-cherheiten bei Mädchen darstellen. Es kann jedoch auch ein Hinweis sein, dass sich die interviewten Mädchen leichter getan haben, ihre Unsicherheiten zu benen-nen. Auch die quantitativen Ergebnisse zeigen, dass Gender in Bezug auf die Vorstellungen über die Arbeitswelt eine Rolle spielt. Während nur 17,8 % der männlichen Befragten angeben, ihrer Zukunft mit Unsicherheiten entgegenzubli-cken, trifft dies auf 40,5 % der weiblichen Befragten zu. Außerdem freuen sich 47,7 % der Viertklässler der Sek I auf die Herausforderungen, wohingegen das im Vergleich nur auf 33,3 % der Viertklässlerinnen der Sek I zutrifft. (vgl.Abb.3.15:

Zukunftsvorstellungen × Geschlecht/N = 192, 66) Der auf Gender basierende Unterschied lässt sich aber auch in Bezug auf die Berufsvorstellungen erkennen.

Für die befragten Burschen sind ein hohes Einkommen und gute Aufstiegsmög-lichkeiten im Beruf wichtiger als für die befragten Mädchen. Gleichzeitig ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für die Mädchen wichtiger als für die Bur-schen (vgl. Abb.3.80:Berufswahlentscheidungen×Gender/N =207–214, 106).

Auch im Literaturbericht wird erwähnt, dass sich sowohl bei der Studienwahl als auch in der beruflichen Bildung genderspezifische Disparitäten abzeichnen.

Frauen entscheiden sich zum Beispiel eher für sprach- und kulturwissenschaftli-che Studiengänge und holen im Hinblick auf anspruchsvolle Berufe im Sozial-und GesSozial-undheitsbereich auf (vgl. 2.3.2 Geschlecht, 27). Interessant sind jedoch im Hinblick auf Genderdisparitäten auch die Gemeinsamkeiten unter den Berufs-wünschen. So hat die empirische Studie gezeigt, dass sich sowohl Mädchen als auch Burschen gleichermaßen für untersuchend-forschende, künstlerisch-kreative und ordnend-verwaltende Berufe interessieren (vgl. Abb. 3.33: Berufswunsch nach Holland-Kategorien×Gender/N =195, 153). Dieses Ergebnis stellt einen wichtigen Hinweis und Ansatzpunkt für die Berufsorientierung dar.

Die Bildungsentscheidung gestaltet sich durchaus als Herausforderung, sowohl für AHS-Schüler*innen als auch für NMS-Schüler*innen. Bildungsentscheidun-gen werden gleichermaßen als wegweisend für das weitere Berufsleben empfun-den. Daraus resultiert bei den interviewten Jugendlichen die Angst, eine falsche Entscheidung zu treffen und sich dadurch Berufsmöglichkeiten zu versperren. Auf Basis dieser Angst kommt es zu Entscheidungsschwierigkeiten bei der Wahl des weiteren Bildungsweges. Die interviewten AHS-Schüler*innen begegnen dieser Angst meist damit, weiterhin das Gymnasium zu besuchen, um sich alle Mög-lichkeiten offen zu halten. Auch die quantitativen Daten ergeben, dass mit 65,4 %

die meisten AHS-Schüler*innen weiterführend eine AHS besuchen und mit der Matura abschließen wollen. Die meisten NMS-Schüler*innen (40,6 %) wollen hingegen eine BHS besuchen und so mit der Matura abschließen (vgl. Abb.3.46 Bildungsvorstellungen×Schultyp/N =203, 90). Auch die Ergebnisse der Längs-schnittuntersuchung des DJI und des Berufsorientierungspanels (BOP) kommen für die befragten Jugendlichen aus Deutschland zu dem Ergebnis, dass Schü-ler*innen der Klassenstufe 8 bzw. 9 (entspricht der 4. Klasse Sek I in Österreich) weiterhin auf der Schule bleiben wollen, um ihren Schulabschluss zu verbessern und dabei eher selten an die Option einer dualen Ausbildung denken. Es zeigt sich, dass auch die österreichischen Jugendlichen eher zu höheren schulischen Bil-dungsaspirationen neigen, allerdings wird eine duale Ausbildung im Vergleich zu Deutschland in Österreich durch die Berufsschulen mit Matura attraktiver. Diese unterschiedlichen Ergebnisse lassen sich auf das besondere Berufsschulangebot in Österreich zurückführen und darauf, dass NMS-Schüler*innen in Österreich nach der 4. Klasse Sek I die Schule wechseln müssen und somit auch öfter eine duale Ausbildung anstreben. Dieses Ergebnis ist somit in Österreich vor allem im Hinblick auf eine umfassendere Berufsorientierung an der AHS am Ende der Sek I von Bedeutung, um die Schüler*innen noch besser auch über ihre Möglichkeiten, die Matura innerhalb eines dualen Ausbildungssystems zu absol-vieren, aufzuklären und diese Möglichkeit bei der Berufsorientierung stärker zu berücksichtigen.

Allgemein berichtet der größte Teil der Jugendlichen im Interview, positiv hin-sichtlich der anstehenden Bildungs- und Berufsentscheidung gestimmt zu sein.

Allerdings stellt sich die Frage, welchen Einfluss hier die Interviewsituation spielt, da diese in einem gewissen Maße als eine Art Prüfungssituation gesehen wer-den kann. Eventuell wurde auf die emotive Frage von wer-den Jugendlichen positiv geantwortet, um zu vermeiden, Schwäche zu zeigen. Allerdings weisen auch die quantitativen Ergebnisse darauf hin, dass sich mit 41,7 % der größte Teil auf die Herausforderungen, die die Zukunft für sie bringt, freut. 27,6 % schauen der Zukunft mit einem Gefühl der Unsicherheit entgegen und nur 1,6 % haben Angst davor, was sie erwartet (vgl.Abb.3.11: Zukunftsvorstellungen/N=192, 64).

Im Dokument Qualitative Interviewstudie (Seite 93-96)