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Allgemeine Interpretation

Die dargelegten Ergebnisse der Hauptstudie und die Antworten auf die Forschungsfra-gen zeiForschungsfra-gen, dass mit der vorlieForschungsfra-genden Arbeit die hypothetisch vermutete Wirkung PbPUs auf das Interesse, das Image von Physik und das fachbezogene Selbstkonzept nicht nach-gewiesen werden kann. Damit fehlt der Beleg einer Förderung dieser individuellen Vor-aussetzungen erfolgreichen Lernens (siehe Abschnitt 2.3). Es gibt jedoch auch bis auf eine Ausnahme keine Indizien dafür, dass PbPU erfolgreiches Lernen behindert. Somit bleibt die allgemeine Forschungsfrage (S. 89) insofern offen, als dass keine Auswirkun-gen auf das Lernen von Physik festgestellt werden können, die auf phänomenbasierten Unterricht zurückzuführen sind. Es bleibt also die Frage nach einer Begründung für den Widerspruch zwischen 1. langjährigen Erfahrungen und Eindrücken zur phänomenba-sierten Anfangsoptik in der Schule bzw. Hochschullehre und 2. den empirischen Daten dieser Arbeit.

Da für keines der untersuchten Konstrukte Unterschiede feststellbar sind, ist es nicht sinnvoll, die Verwerfung jeder einzelnen Hypothese differenziert zu diskutieren. Die Herleitung der Hypothesen geschah theoriegeleitet und hierarchisch. Eine Verwerfung von Hypothese 2 würde theoretisch auch die Verwerfung der anderen Hypothesen be-gründen. Mit der Reduktion des allgemeinen Forschungsbefunds dieser Arbeit auf eine Diskussion bezüglich des Images von Physik wäre den hypothetisch angenommenen Zu-sammenhängen zum Selbstkonzept und Interesse zu viel Bedeutung beigemessen. Die Frage nach einer messbaren Wirksamkeit phänomenbasierten Physikunterrichts scheint grundlegender zu sein.

Die unter 1. erwähnten Erfahrungen und Eindrücke stammen im Wesentlichen aus der Perspektive von Lehrern, Didaktikern und Lehramtsstudierenden. Sie haben alle die

12.3 Allgemeine Interpretation

Gemeinsamkeit, dass sie den Unterricht aus einer Metaperspektive betrachten, welche die Vermittelbarkeit, die Sachstruktur und die didaktischen Überlegungen berücksich-tigt. Außerdem besitzen sie im Allgemeinen überdurchschnittliche Kenntnisse auf dem Gebiet der Anfangsoptik, die es ihnen ermöglicht, auf dieser Metaebene den phänomen-basierten Physikunterricht zu bewerten, da der Vergleich mit alternativen Vorgehenswei-sen möglich ist. Die Rückmeldungen aus Lehrveranstaltungen und Lehrerfortbildungen zu dem Thema sowie die in Abschnitt 2.2 vorgestellte Expertenbefragung zeigen, dass auf dieser Ebene die Besonderheiten des phänomenbasierten Vorgehens deutlich erkenn-bar sind. Das betrifft nicht zwingend die Akzeptanz der Vor- oder Nachteile, bei denen durchaus Uneinigkeit bestehen kann. Die Unterschiede zu einem üblicherweise durchge-führten und wahrscheinlich von den meisten selbst erfahrenem Optikunterricht werden jedoch beim Blick durch die „didaktische Brille“ sichtbar.

Auf welche Art und Weise lässt sich diese Besonderheit auch aus Schülerperspek-tive feststellen? Die in der vorliegenden Arbeit getroffene Vermutung bestand darin, diese am ehesten im motivationalen und assoziativen Bereich zu finden. Es wurde ein relativ breites Spektrum an Skalen eingesetzt, die verschiedene Aspekte des Interesses und der Motivation berücksichtigen. Die Assoziationen wurden auf einer expliziten und einer impliziten, automatischen Ebene untersucht, womit auch die gedanklichen Ver-knüpfungen einbezogen sind, die unbewusst und unkontrolliert existieren. Doch selbst diese latente und subtile Wirkung von PbPU auf die Schülerinnen und Schüler war hier nicht messbar.

Es ist denkbar, dass aus Schülersicht nichts „Besonderes“ am phänomenbasierten Vorgehen zu erkennen ist. Zumal die Erfahrungen mit Physikunterricht am Anfang der Sekundarstufe noch gering sind. Die eher fachinhaltlichen Aspekte Modellfreiheit/Mo-dellkompetenzundExplorationkönnten vielleicht erst dann würdigend wahrgenommen werden, wenn sie sich im Verlauf des Physikunterrichts bewähren. Der Wert eines dauer-haft gültigen Modellverständnisses, einer Beschreibung der Natur anstelle der Erklärung und eines Verstehens durch explorative, ordnende Erkenntnisprozesse wird demnach erst dann erkannt, wenn eine Reflexion des eigenen Naturverständnisses eintritt, also eher am Ende der Sekundarstufe II.

Genauso ist es möglich, dass die vom PbPU vorgenommenen Versuche, die Schü-lerinnen und Schüler und deren Sinneswahrnehmung stärker einzubeziehen (Subjektivi-tät), zwischen der Lebenswelt und der Physikwelt zu vermitteln (Mediation) und den Physikunterricht zum emotionalen Erlebnis zu machen (Affektivität), entweder von den Schülerinnen und Schülern nicht wahrnehmbar oder von ihnen nicht gefordert ist. Letz-teres wäre z. B. der Fall, wenn die Erwartungshaltung an den Physikunterricht von dem abweicht, was von PbPU geleistet wird. Die Hoffnung auf sachliches, objektives und reduktionistisches Vorgehen wäre im gewissen Maße enttäuscht. Meines Erachtens ist dieser Erklärungsansatz jedoch nicht fruchtbar. Zum einen widerspräche dies teilweise den Theorien zur Interessen- Motivation- und Selbstkonzeptförderung (Frenzel et al., 2009; Krapp, 1998; Möller & Trautwein, 2009; Schiefele, 2009). Zum anderen müsste

12 Diskussion und Ausblick

sich eine solche Enttäuschung auch durch negative Auswirkungen auf das Interesse oder Selbstkonzept zeigen.

Für mich ist es eher plausibel, dass die Merkmalsaspekte phänomenbasierten Physik-unterrichts nach einem Modul zur Anfangsoptik nicht so herausstehend und schwerwie-gend sind, dass sie die von vielen Faktoren abhängigen Konstrukte auch in dem Maße beeinflussen, dass es auf den Unterricht zurückführbar ist. Die emotionalen und affekti-ven Erlebnisse reichen anscheinend nicht aus, um messbare Effekte hervorzurufen. Auch die Vorteile der Subjektivität und der Vermittlung eröffnen sich für die Schülerinnen und Schüler vielleicht erst im weiteren Verlauf der Schulzeit, wenn der Physikunterricht und sein Nutzen immer mehr hinterfragt werden.

Die Daten zeigen in unabhängigen Messungen parallele Entwicklungen in beiden Gruppen. Die Anzahl an unterschiedlichen Instrumenten und unterschiedlichen Kon-strukten zusammen mit den qualitativ gleichen Ergebnissen erhöht die Evidenz dafür, dass sich die Gruppen in keinem das Forschungsinteresse betreffenden Punkt unter-scheiden. Ob sich dies nach längerer Zeit in anderen Klassenstufen ändert, ist spekulativ.

Anhand der Ergebnisse der vorliegenden Studie muss davon ausgegangen werden, dass es eine Diskrepanz zwischen der Einschätzung von Lehrern bzw. Didaktikern und der Wahrnehmung PbPUs seitens der Schülerinnen und Schüler gibt. Das Motiv der vorlie-genden Arbeit war es, einen empirischen Beleg für Wirkung phänomenbasierten Phy-sikunterrichts auf das Lernen von Physik zu geben. Leider ist dies mit den gewonnenen Daten zunächst nicht möglich.

Die ausgebliebenen Unterschiedseffekte müssen auch hinsichtlich der Möglichkei-ten des quasi-experimentellen Designs diskutiert werden, womit an dieser Stelle die Grenzen der Aussagekraft der vorliegenden Studie angesprochen werden sollen. Die Planung der Studie als Feldstudie mit natürlich vorgefundenen Klassenverbänden hatte den Vorteil, dass sich PbPU unter realen Bedingungen bewähren musste, was die ex-terne Validität der Studie erhöht. Leider treten damit auch Störvariablen auf, die nicht kontrolliert werden können. Neben dem untersuchten Unterricht beeinflussen Klassenef-fekte, die Lehrer und nicht zuletzt auch die äußeren Bedingungen der Lernumgebung die gemessenen Konstrukte sehr stark. Auch wenn durch relativ viele verschiedene Lehrer in beiden Gruppen versucht wurde, diese Einflüsse zu schwächen, so zeigt sich durch die weiterführenden Untersuchungen, dass die Varianzaufklärung durch die Lehrer sehr viel größer ist, als durch die Gruppenzugehörigkeit. Selbst wenn geringe Effekte aufgrund des phänomenbasierten Unterrichts auftreten würden, wären diese je nach Lehrer durch seinen größeren Einfluss verzerrt. In Anbetracht der möglichen Störvariablen gehen so die gesuchten Effekte „im Rauschen“ unter.

Die Wahl der relativ langen Intervention sollte sicherstellen, dass der Unterricht auch langfristig wirken kann, da, wie oben diskutiert, nicht davon auszugehen ist, dass ein-zelne Einheiten die Besonderheiten PbPUs ausreichend erkennbar machen. Die lange Dauer verursacht aber auch eine Konfundierung der Ereignisse. So ist hier nachträglich nicht feststellbar, ob nicht einzelne Schlüsselmomente der phänomenbasierten