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6. UMSETZUNGSMÖGLICHKEITEN

6.1. Aktuelle Umsetzung in Deutschland

„In Deutschland als Land der Bürokratie und Vorschriftenauslegungen,…, laufen Personen, die tiergestützte Projekte initiieren wollen, immer noch vor Mauern, und es bedarf eines langen Atems, verantwortliche Stellen für die

45 Vgl. Germann- Tillmann, Merklin und Stamm Näf (2014), S. 261f.

28 Idee zu gewinnen.“46 Dieses Zitat leitet uns zum nächsten Thema, den tatsächlichen Einsatzgebieten von Tieren in der deutschen Gesundheits-versorgung. Wie hier deutlich herauszuhören ist, ist die Umsetzung von tiergestützten Interventionen in unserem Land eher problematisch. In Deutschland werden bisher nur drei Varianten des tiergestützten Einsatzes umgesetzt. Dazu zählen Tiere als Bestandteil einer Einrichtung, Tierbesuchsprogramme oder tiergestützte Interventionen in therapeutischen Arbeitsfeldern. Auf den letzteren Bereich möchte ich in dieser Arbeit jedoch nicht weiter eingehen. Auch wenn einige Aspekte in den pflegerischen Bereich eingehen könnten. Einiges zu diesem Thema folgt im Abschnitt 6.2.

zukünftige Einsatzmöglichkeiten.47 Bei meiner Recherche bin ich neben den vielen Vorurteilen als erstes auf Finanzierungsprobleme gestoßen, die häufig die Umsetzung verhindern. Da tiergestützte Interventionen und ihre Wirkungen wissenschaftlich noch nicht ausreichend belegt sind, werden die Kosten durch die Krankenkassen nicht übernommen. Auch dies ist ein Grund dafür, weshalb viele vor der Umsetzung zurückschrecken. In anderen europäischen Ländern ist dies anders. In der Schweiz bspw. werden Maßnahmen wie die Hippotherapie durch Krankenkassen unterstützt.48

6.1.1. Tierbesuchsdienste

Zunächst möchte ich auf eine bereits häufiger durchgeführte Form der tiergestützten Maßnahmen eingehen, den Tierbesuchsdienst. Auch die Besuche durch die Esel, von denen ich einleitend berichtet habe sind in diese Sparte einzuordnen. Diese Form der tiergestützten Intervention gehört begrifflich der tiergestützten Aktivität an und wird meist durch Ehrenamtler angeboten. Diese besuchen mit ihren eigenen Tieren nach Erlaubnis, die Einrichtungen. Alternativ gibt es jedoch auch Tierheime, Vereine oder

46 Niepel (1998), S. 81.

47 Vgl. Vernooij und Schneider (2013), S. 155.

48 Vgl. Kellner (2017)

29 Organisationen, wie bspw. der Verein „Tiere helfen Menschen“, die auch Besuche ermöglichen. Dabei ist es unwichtig, um welche stationäre Einrichtung es sich handelt, neben Pflegeheimen oder Hospizen sind natürlich auch Kliniken potentielle Gastgeber. Dabei ist jedoch anzumerken, dass ein Einsatz dessen natürlich sinnvoll erfolgen sollte. Die Umsetzung ist sowohl in Bereichen mit längerer Verweildauer, als auch in Bereichen mit einem kurzen Aufenthalt möglich. Gerade in Krankenhäuser haben sich die Liegezeiten deutlich reduziert. Claus beschreibt in seiner Studie, dass zweidrittel der Menschen in Kliniken sich während ihres Aufenthaltes emotional alleingelassen fühlen. Für das Pflegepersonal und klinikeigene Seelsorger können Tiere somit auch eine Entlastung darstellen. Bei meiner online Recherche konnte ich jedoch keine Klinik ausmachen, die tatsächlich mit ähnlichen angeboten wirbt. In Pflegeheimen oder Hospizen, sowie in Tagespflegeeinrichtungen findet man diese jedoch durchaus. Der Umfang, die Häufigkeit oder auch der Ablauf der Besuche wird von der jeweiligen Einrichtung bestimmt. Die Tiere bleiben wie der Name der Maßnahme schon sagt jedoch nur zu Besuch und kehren mit ihren Besitzern wieder nach Hause zurück. Niemand von den in der Einrichtung Lebenden oder Arbeitenden sollte zum Tierkontakt gezwungen werden. Dennoch bringt diese Aktion Abwechslung in den sonst eher trüben und immer gleichen Alltag. Profitieren können somit sowohl die Klienten, als auch die Mitarbeiter.

Otterstedt ist der Meinung, dass wenn regelmäßige Besuche eingehalten werden, diese den Menschen eine positive und hoffnungsvolle Lebens-perspektive schaffen können. Bei den in der Pflege stark vorherrschenden Personalwechseln und fehlenden Bezugspersonen, kann dies für die Klienten eine wichtige Stütze sein. Weiterhin kommen die Klienten durch die Tierbesuche in Kontakt und teilen gemeinsam Erlebtes. Die Anwesenheit des Tieres wirkt entspannend und Gruppenaktivitäten sind automatisch mit einem Aufmerksamkeitsobjekt gefüllt, so dass das verkrampfte Suchen nach Gesprächsthemen oder Mitteln die Zeit zu überbrücken entfällt. Besonders

30 für Bewohner in Pflegeheimen kann dies eine Möglichkeit der Beschäftigung sein. 49

6.1.2. Heimtiere/ Stationstiere

Alternativ zu den Tierbesuchsdiensten, gibt es natürlich auch Tiere, die dauerhaft mit in der Einrichtung leben. Die Tiere werden hier durch die Heimleitung oder Klinikleitung gehalten und in den Stationsalltag integriert.

Gut geeignet sind hier kleine, übliche Haustiere, wie Hunde und Katzen, teilweise gibt es jedoch auch Einrichtungen, die große Außengehege anlegen. Die Versorgung der Tiere erfolgt durch die Mitarbeiter. Häufig besteht jedoch auch die Möglichkeit Bewohner oder Patienten dabei zu integrieren. Zur Finanzierung von Heimtieren konnte ich bei meiner Recherche leider keine ausreichenden Quellen finden. Somit ist davon auszugehen, dass die Finanzierung vom Wohlwollen der Heim- oder Krankenhausleitung abhängig ist.50 Das Krankenhaus München- Harlaching eröffnete bspw. auf dem Klinikgelände 1996 ein Streichelgehege mit Ziegen und Schafen. Das Gehege besteht auch heute noch. Ergänzt wurde dieses durch eigene Räumlichkeiten in der Klinik, in denen Patienten Besuch von ihren Haustieren bekommen können. Weiterhin werden bspw. Kaninchen in der neurologischen Frühreha eingesetzt. Die Münchener Klinik gehört damit zu den Vorreitern der Tiertherapie, die sonst hauptsächlich in den USA und Kanada verbreitet ist. Sie kombiniert mehrere Formen von Angeboten und kann damit unterschiedlichste Zielgruppen für sich gewinnen. Jedoch öffnen sich auch andere Kliniken in Deutschland langsam und stellen zumindest Tierbesuchszimmer zur Verfügung.51 Insgesamt kann man sagen, dass jedoch trotz weniger Studien ein leicht steigender Trend zu sehen ist.

Vergleicht man die Befragungsergebnisse von Claus zum Einsatz von Tieren

49 Vgl. Vernooij und Schneider (2013), S. 159 f.

50 Vgl. Vernooij und Schneider (2013), S. 157 f.

51 Vgl. Otterstedt (2003), S.230.

31 in Pädiatrien von 1995/96 mit denen einer aktuelleren Studie von 2010 wird deutlich, dass der prozentuale Einsatz um 9 Prozentpunkte angestiegen ist.52 Was die Akzeptanz bei Heimbewohnern angeht, so wurden in einem Pflegeheim 60 Bewohner und 40 Mitarbeiter befragt. In dieser Einrichtung leben ein Hund und eine Katze als eigene Heimtiere. Die Resonanz der Befragten war überwiegend positiv. Die größten Bedenken wurden hinsichtlich der Lärmbelästigung und Verschmutzung geäußert. Positiv wurde jedoch angemerkt, dass durch die Tiere eine erhöhte Lebensfreude bei den Bewohnern entsteht.53

6.1.3. Eigene Haustiere in Einrichtungen

Neben den Tieren, die von der Heimleitung oder Klinikleitung gehalten werden und somit der Einrichtung angehören, besteht auch die Möglichkeit, dass Klienten ihre eigenen Haustiere für einen Aufenthalt mitbringen.

Anzumerken ist, dass diese Form der Integration von Tieren in eine stationäre Institution eher für solche geeignet ist, in der die Klienten länger verweilen. Dazu zählen bspw. Hospize oder auch Pflegeheime. Vielen Menschen fällt der Umzug in ein für sie befremdliches Umfeld zusammen mit ihren Tieren deutlich leichter. Muss ein Haustier bei einem bevorstehenden Einzug abgegeben werden besteht die Gefahr einer Verschlechterung des physischen, aber auch psychischen Zustandes des Betroffenen. Otterstedt merkt an, dass Bewohner, die ihr Tier in ein Heim mitnehmen dürfen, sich deutlich schneller an das neue Umfeld gewöhnen und integrieren, als Bewohner ohne Tiermitnahme. Aufgrund der zahlreichen Probleme, die sich aus dem Co- Patienten ergeben, dulden die meisten Einrichtungen keine eigenen Haustiere in ihrer Institution. Neben den bekannten hygienischen Bedenken muss man auch in Betracht ziehen, dass der Bewohner früher oder später das Tier nicht mehr selbst versorgen können wird. Ist der

52 Vgl. Pohlheim (2012), S.342.

53 Vgl. Möckel und Klewer (2016), S. 129f.

32 Besitzer des Tieres bettlägerig, so kann keine artgerechte Haltung durch ihn erfolgen. Das Tier muss somit zusätzlich durch Personal oder Angehörige betreut und versorgt werden.54 Dies ist durchaus problematisch bei der heutigen Personalbesetzung in Pflegeeinrichtungen. In Hospizen bspw. sind die Regelungen und Bedenken etwas weniger streng gefasst. Hier handelt es sich um begrenzte Zeiträume, in denen die Klienten sich in der Einrichtung aufhalten. Aus diesem Grund und wegen des häufig stärkeren Einsatzes der eigenen Familie des Klienten, können kleinere Haustiere häufig mit in die Einrichtung einziehen. Voraussetzung dabei ist, dass die Versorgung der Tiere durch die Angehörigen oder Freunde gewährleistet wird. So handhabt es auch das Hospiz ADVENA in Leipzig, um hier ein Beispiel zu nennen.55