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Die AHV-Verwaltung im Lichte der Zahlen

Die gesetzlichen Bestimmungen über die AHV und die näheren Vor-schriften über deren Anwendung und die technische Durchführung sind in einer Reihe von gesetzlichen Erlassen der Eidgenössischen Räte, des Bundesrates und der zuständigen Departemente sowie anderer Behörden, in den verschiedenen zwischenstaatlichen Vereinbarungen und in den Wegleitungen, Weisungen und Kreisschreiben des Bundesamtes für So-zialversicherung festgehalten. Eine entsprechende (in einigen Punkten allerdings bereits überholte) Aufstellung auf S. 236-241 der Zeitschrift für die Ausgleichskassen, Jahrgang 1955, weist—ohne ganz vollständig zu sein - nicht weniger als 64 solcher Dokumente auf. Diese Zahl erscheint umso höher, als die Vorschriften über verschiedene Teilgebiete, wie z. B.

über die Renten, die IBK-Führung, die Buchhaltung und den Geldverkehr der Ausgleichskassen im Laufe der Jahre in eigentlichen Wegleitungen zusammengefaßt worden sind und infolgedessen eine erhebliche Anzahl von Kreisschreiben aus den «Kinderjahren» derAHV, die sich auf Einzel-fragen beschränkt hatten, inzwischen aufgehoben werden konnten. So ist es kaum erstaunlich, daß nach der erwähnten Publikation verschie-dene Stimmen laut geworden sind, und der eine oder andere Leser sich (und andere) besorgt gefragt hat: «Quo vadis AHV?»

Die Antwort ist klar: Ein so umfassendes Werk, das das ganze Volk umschließt, das so weitgreifende soziale und finanzielle Auswirkungen hat und das im Rahmen der zwischenstaatlichen sozialen Beziehungen

eine immer größere Bedeutung erlangt, bedarf einer sorgfältigen, ein-läßlichen und umfassenden Regelung. Das braucht nicht näher begründet zu werden. Wenn aber diese oder jene Ausgleichskasse, der eine oder andere Gründerverband, Revisionsstellen oder andere Organisationen in dieser Aufstellung einen Beweis erblickt haben mögen, das Bundesamt für Sozialversicherung mische sich über das unerläßliche Maß hinaus in die Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen und in die technische Durchführung der AHV ein, so dürfte diese Annahme unrichtig sein. Es ist in diesen Spalten schon wiederholt auf die organisatorischen Besonderheiten der AHV und die unterschiedliche Struktur der Aus-gleichskassen hingewiesen worden, besonders ausführlich in Jahrgang 1952, Seite 239 bis 244, und erst kürzlich wieder in den Bemerkungen zu den Jahresberichten und Jahresrechnungen der Ausgleichskassen für das Geschäftsjahr 1954 (Jahrgang 1955, Seite 326 bis 334). Nachstehend sei versucht, diesen Hinweis anhand einiger ausgewählter Beispiele zu be-legen.

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Kreisschreiben Nr. 36a vom 31. Juli 1950 regelt die Kassenzugehörig-keit und die entsprechende Registerführung. Nach diesen Vorschriften müssen die von den Verbandsausgleichskassen zuhanden der kantonalen Ausgleichskassen zu erstellenden Abrechnungsregisterkarten ein einheit-liches Format haben, von Farbe weiß sein, eine vorgeschriebene Papier-stärke aufweisen und nach Inhalt und Darstellung einheitlich beschriftet sein. Sind solche detaillierte Vorschriften, wie dies immer wieder bezwei-felt wird, wirklich notwendig? Diese Frage ist sicher zu bejahen, gibt es doch in vier Kantonen mehr als 10 000 und in jedem Kanton immerhin durchschnittlich 5 000 Mitglieder von Verbandsausgleichskassen. Ohne eine einheitliche Registerführung aller beteiligten Kassen können die kantonalen Ausgleichskassen ihre Aufgabe, die Erfassung aller Abrech-nungspflichtigen zu gewährleisten, nicht zweckmäßig erfüllen.

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Es wurde bisweilen als übertrieben empfunden, die Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen über den maßgebenden Lohn, das beitrags-pflichtige Einkommen der Selbständigerwerbenden und die Beitrags-pflicht der Nichterwerbstätigen derart ins Einzelne zu regeln, wie dies in den Kreisschreiben Nr. 20a vom 31. Dezember 1951 mit seinen Nach-trägen, Nr. 37b vom 7. Dezember 1954 und neuerdings im Kreisschreiben Nr. 56b vom 23. Januar 1956 geschehen ist.

Die betreffenden Kritiker übersehen, daß es zwar 18 Ausgleichskassen mit einem Mitgliederbestand von weniger als 100, anderseits aber deren sieben mit über 10 000 und eine Ausgleichskasse mit über 40 000 Arbeit-gebern gibt. Im einen Falle sind es Arbeitgeber mit mehr oder minder einheitlichen Lohnverhältnissen, im andern solche mit der unbegrenzten Vielfalt des wirtschaftlichen täglichen Lebens. Genügen dort einige we-nige Regeln, so braucht es hier entsprechend genaue Vorschriften.

Noch ausgeprägter sind die Unterschiede bei den Selbständigerwer-benden. Vier Ausgleichskassen kennen überhaupt keine solchen, 15 deren 20 oder weniger und anderseits 11 deren 10 000 und mehr. Im Extremfall sind es über 40 000. Daß hier die einläßlichen Vorschriften des Kreis-schreibens Nr. 56b kaum beachtet, dort aber warm begrüßt werden und geradezu unerläßlich sind, ist daher verständlich.

Den 90 000 Nichterwerbstätigen der kantonalen Ausgleichskassen stehen 376 von rund 30 Verbandsausgleichskassen gegenüber. So muß denn Kreisschreiben Nr. 37b in der einen Kasse fast täglich konsultiert und kann in zahlreichen andern nach Kenntnisnahme ohne weiteres bei-seite gelegt werden.

Besonders aufschlußreich ist die durchschnittliche Beitragssumme pro Abrechnungspflichtigen. Es ist etwas anderes, ob das Mitglied im Durchschnitt nur 146 Franken, über 40 000 Franken oder gar noch mehr an Beiträgen zu entrichten hat. Abrechnung, Beitragsbezug, Meldung der auf den einzelnen Arbeitnehmer entfallenden Beiträge sind hier so und dort anders zu regeln; infolgedessen gibt es - immer im Interesse der Sache - verschiedene Vorschriften über die Abrechnung und verschie-dene Möglichkeiten für die Aufteilung der den einzelnen Arbeitnehmern zukommenden Beiträge.

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Die IBK-Weisungen schreiben die Meldung der entsprechenden Ge-schäftsvorfälle an die Zentrale Ausgleichskasse minutiös präzis vor. Auch dies wird nicht immer richtig verstanden. 19 Ausgleichskassen eröffnen im Jahre weniger als 1000 IBK, und 50 erstellen im gleichen Zeitraum weniger als 1000 Versicherungsausweise. Das bedeutet keine große Ar-beit. Bei vielen Ausgleichskassen verhält es sich aber anders. So eröff-nete eine kantonale Ausgleichskasse allein im Jahre 1954 35 000 IBK und erstellte beinahe 16 000 Versicherungsausweise. Das Zentralregister schließlich hat im Jahre insgesamt über 600 000 solcher Meldungen zu verarbeiten, pro Werktag somit rund 2000. Kein Wunder, daß «Genf» auf eine flüssige, einheitliche und einfache Regelung großen Wert legt. Das liegt übrigens auch im Interesse der Versicherten, nehmen doch die Fälle

ständig zu, in welchen für einen Arbeitnehmer 20 und mehr IBK eröff-net sind und Gewähr dafür geboten sein muß, daß diese jederzeit und rasch zusammengerufen werden können.

Die Buchführungsweisungen in ihrer heutigen Gestalt sind seinerzeit von einigen Ausgleichskassen nicht besonders freundlich aufgenommen worden. Warum auch alle diese Konten, die man ja ohnehin nie braucht?

Es stimmt, daß im Geschäftsjahr 1954 fast zwei Drittel der Verbandsaus-gleichskassen keine Herabsetzungen verfügt und keine Beiträge als un-einbringlich abgeschrieben haben. Dieser stehen alle übrigen Ausgleichs-kassen mit rund 1900 Herabsetzungen und mit Abschreibungen im Ge-samtbetrag von 968 000 Franken gegenüber. Der differenzierte Konten-plan entspricht denn auch täglich mehr einem wirklichen Bedürfnis und es darf daher in Kauf genommen werden, wenn hier und dort einmal ein Konto ohne Buchungen bleibt.

Das Bundesamt für Sozialversicherung erhält jährlich rund 15 000 Arbeitgeberkontrollberichte oder pro Arbeistag rund deren 50. Der Funk-tionär, der das Material sichten und feststellen muß, welche Berichte im einzelnen weiter verfolgt werden müssen, kann dies nur dann in wirk-samer Weise tun, wenn die Berichte zumindest in groben Zügen nach einheitlichen Richtlinien erstellt werden, und dies, ob von einer Aus-gleichskasse keine fünf oder 1300 Kontrollen im Jahr durchgeführt wer-den. Dazu dienen die Weisungen an die Revisionsstellen über die Durch-führung der Arbeitgeberkontrollen gemäß AHVG Art. 68, Abs. 2, vom 1. September 1954. Diese haben die Durchsicht und Auswertung der Kontrollberichte bereits erheblich erleichtert.

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Also Vorschriften, Uniformierung, Richtlinien und Weisungen? Kei-neswegs. Daß Weisungen auch abgebaut und daß die Ausgleichskassen sehr fühlbar entlastet werden können, zeigt beispielsweise die «dritte AHV-Revision», und zwar in doppelter Hinsicht. Die Aufhebung der Ein-kommensgrenzen für die Uebergangsgeneration und die entsprechende Erweiterung des Bezilgerkreises von Uebergangsrenten wird zwar - und die Aufsichtsbehörde ist sich dessen vollauf bewußt - im ersten Halb-jahr 1956 erhebliche zusätzliche Umtriebe mit sich bringen. So sind schlagartig 70 000 neue Rentenverfügungen zu erlassen; dazu kommt der administrative Aufwand für die Erhöhung von rund 150 000 bisher länd-

liehen, halbstädtischen und gekürzten städtischen Renten, die entspre-chenden Nachzahlungen, die Erstellung der Rentenlisten, die Besonder-heiten der Rentenrekapitulation usw. Einmal festgesetzt, fallen aber für die weitaus meisten Uebergangsrenten die bisherigen Spezialvorschriften weg. Nicht nur, daß die komplizierten Regeln über das anrechenbare Ein-kommen und Vermögen, die ein Fünftel der Randziffern der Renten-wegleitung beanspruchen, auf relativ wenige Ausnahmefälle beschränkt bleiben, sondern es verschwindet zudem die ganze Ortsklassifikation mit ihren 269 städtischen und 685 halbstädtischen Positionen. Damit ent-fallen auch die zahlreichen Mutationen infolge Wohnsitzwechsels oder Wohnungswechsels innerhalb der gleichen Gemeinde oder wegen ver-änderter Klassifikation einer Ortschaft.

Die Uebergangsrenten haben den kantonalen Ausgleichskassen bisher große Arbeit verursacht. Rund ein Achtel der Arbeitskräfte haben sich mit dieser Sparte beschäftigt, und rund ein Zehntel der Zweigstellen-vergütungen wurden dafür aufgewendet. Davon entfiel zweifellos ein erheblicher Anteil auf die erstmalige und später periodische «Durch-leuchtung» der wirtschaftlichen Verhältnisse und das Mutationswesen.

Hier werden somit wesentliche Kräfte frei, und auch die Frage der Zweig-stellenvergütungen zeigt sich in neuem Licht.

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Die heutige AHV-Organisation hat sich bewährt. Die Ausgleichs-kassen haben zu wiederholten Malen neben den laufenden Arbeiten kurz-fristig große und zusätzliche Aufgaben bewältigt. Das sei einmal mehr und gerne anerkannt. Das Zusammenspiel von über 100 Ausgleichskassen, die unerläßliche verwaltungstechnische Koordination, die differenzierte und daher aufschlußreiche Rechnungsablage durch den Ausgleichsfonds und - last but not least - die einheitliche Anwendung der materiell rechtlichen Bestimmungen wäre indessen nicht möglich ohne das ein-gangs erwähnte notwendige Uebel der 64 Erlasse, Wegleitungen und Weisungen.