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9 Auf Achse

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Dass wir uns ganz unerwartet mit vierzig Sachen in der Stunde von Santa Anna de Tamaulipas, wie Leute, die viel Zeit haben, Tampico zu nennen pflegen, entfernten, hing genaugenommen mit einer mächtigen Beule zusammen.

Glücklicherweise befand sich dieses Ding nicht an unseren Schädeln, sondern im rechten Kot-flügel eines Lasters, der 20 Tonnen Baumwolle nach Queretaro schaukelte. Onkel Zufall hatte uns gerade zur rechten Zeit wieder einmal unter die Arme gegriffen.

Wir schlenderten ziemlich ahnungslos auf eine Kraftfahrzeugreparaturwerkstätte mit Wagen-wäscherei und einem Service für Fordkarren zu und wollten uns erkundigen, ob wir uns durch Wagenwaschen oder sonst wie nützlich und bei dieser Gelegenheit die uns zur Weiterreise noch fehlenden Pesos und Centavos machen konnten. Heftiges Gebrüll aus dem langgestreckten Ga-ragenhof ließ uns aufhorchen.

Es lockte uns ganz automatisch an einen großen, knallroten Diesellastzug, dessen Fahrer um zwei mausgraue Ford-V-8-Personenwagen herumlief und heftig gestikulierte. Der Mann sprach nicht gerade hervorragend mexikanisch. Das war kein Wunder, er war nämlich Araber.

Aber was er durch sein Geschrei andeuten wollte, lag klar auf der Hand. Er behauptete, einer der beiden Fordwagen habe ihn auf der Fahrt zwischen Victoria und Tampico vor zwei Stunden durch rücksichtsloses Überholen so an den Straßenrand gedrängt, dass er einen Baum gestreift habe. Er wies immer wieder auf die Beule im rechten Kotflügel seines schmucken Lastzuges.

Der Schandfleck schien ihn immer mehr in Raserei zu versetzen, und ein herbeigerufener An-gestellter aus dem Büro hatte alle Hände voll zu tun, um ihn einigermaßen zu beruhigen.

Welcher von den beiden, wollte der Bürohengst wissen. Der Araber mit dem kleinen Bärtchen unter der Nase konnte es nicht sagen, und das schien ihn erst recht verrückt zu machen.

Die beiden Wagen ähnelten sich wie ein Ei dem anderen. Beide trugen am Heck das Wort PEMEX mit dem Firmenzeichen der Petroleos Mexicanos, der staatlichen mexikanischen Erd-ölgesellschaft, und der Araber hatte leider nicht die Wagennummer des sich in rasender Fahrt entfernenden V 8 erkannt.

Aber das PEMEX war ihm nicht entgangen. Wir fingen an, uns für die Angelegenheit zu interessieren, und es war uns auch aus anderen Gründen ganz angenehm, dass uns der Araber ein Zeichen gab, ihm zu folgen, als er hinter dem Bürohengst mit der Brille herlief. Der hatte gesagt, zunächst müsse einmal festgestellt werden, ob die beiden Fahrzeuge wirklich aus Richtung Victoria gekommen wären.

Wie gesagt, wir gingen gerne mit, weil es schon seit vierundzwanzig Stunden heftig regnete, und im Kontor standen wir wenigstens im Trockenen. Der Schreiber in dem gelben Mantel suchte die Servicekarten der beiden Fords heraus.

"Es stimmt", meinte er, "beide Fords kommen tatsächlich aus Victoria."

Sie waren am Morgen dort gewaschen worden, wie die Eintragungen bewiesen. Aber welcher von den beiden war an der Beule schuld? Der Araber sah uns hilflos an.

"Man müsste mit ihren Fahrern sprechen", meinte ich, nur, um etwas zu sagen. Der Bürohengst lächelte mitleidig. Er fand vermutlich meine Vertrauensseligkeit kindisch, und er hatte damit nicht ganz unrecht. Wir mussten ziemlich lange warten, bis die Herren Vertreter der PEMEX erschienen, und der Landregen trommelte noch ungeduldig auf das Wellblechdach, als wir die Konferenz eröffneten.

"Ich bin langsam gefahren. Bei so einem Wetter fahre ich grundsätzlich nicht über 50 km in der Stunde", protestierte der eine. Er trug einen Backenbart, der wie ein Seegrasbüschel aussah:

Wenn seine Abfahrtszeit stimmte, dann konnte er den Lastzug nicht überholt haben.

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Allerdings behauptete der andere, ein ungewöhnlicher Fettsack, dasselbe. Er gab an, auf sei-ner Fahrt von Victoria nach Tampico kein einziges Fahrzeug, höchstens ein paar Eselskarren, überholt zu haben. Damit schien die Angelegenheit für beide Herren erledigt zu sein. Sie er-kundigten sich, ob ihre Fahrzeuge abgeschmiert und getankt worden seien, und wollten sich aus dem bei soviel Feuchtigkeit nicht vorhandenen Staub machen. Der Araber lief zeternd hinter ihnen her, und wir zwei hingen wie Kletten an seinem großkarierten, über die Lederhose hängenden Hemd.

"Momentchen, Señores!" sagte mein Freund, und die Vertreter kurbelten unwillig die Wagen-fenster herunter, weil er ihnen den Weg versperrte. Er deutete auf den eleganten Fettsack, der schnaufend aus dem Auto stieg und ihn mit den Stielaugen zu durchbohren schien.

"Sie waren es! Und Sie haben die Unwahrheit gesagt!"

Der Dicke führte einen wahren und nicht einmal ungekonnten Indianertanz auf. Seine Worte sprudelten wie der Niagarafall über seine leicht wulstigen Lippen, und sein Doppel- oder besser Dreifachkinn wabbelte dabei wie ein Pudding, der auf einer Betonrüttelmaschine steht. Aber alles Getue half ihm nichts.

Der Señor überführte ihn so schlagend und eindeutig der Lüge, dass er am Ende ein halbes Schuldbekenntnis ablegte, in die Saffianbrieftasche griff und vor sich hinschimpfend die Kosten zur Beseitigung der Kotflügelbeule übernahm.

Der Señor hatte das wieder einmal elegant hingekriegt. Wie, das können Sie sich vielleicht

vorstellen ...

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Was Sie sich aber wahrscheinlich nicht vorstellen können, ist die riesige Freude des arabischen Lastzuglenkers, die sich auf uns übertrug, als wir hörten, dass er nach Mexiko City wollte.

Dorthin wollten wir nämlich schon lange.

Der Señor hatte in der Hauptstadt einen Mann, der ihm noch eine Stange Geld schuldete. Es handelte sich, wenn ich recht informiert war, um rund 1500 Pesos, das wären heute 500 Mark in unserem Geld, und damit konnte man schon etwas anfangen. Das können Sie mir glauben.

Von Tampico nach Mexiko, da kommen ganz hübsche Meilen zusammen, und wenn man einen vierziger Zahn im Durchschnitt fährt, schafft man das nicht an einem Tag. Ahmad Radjahi Agat Al Kala, so hieß der Araber, hatte seine schweren Baumwollballen in Queretaro in einer Spinnerei abzuliefern. In Queretaro sollten Glaswaren für ein Warenhaus in Mexiko City geladen werden.

Das Fahrerhaus hatte eine Schlafkabine, die ich als Freund der horizontalen Lage bezogen hatte. Ich kam allerdings kaum dazu, die Jalousien vor meinen Augäpfeln herunterzulassen, um nach alter Gewohnheit imaginäre Hartholzstämme zu sägen. Dazu war die Unterhaltung unter mir viel zu lebhaft und interessant. Wir sangen uns abwechselnd etwas vor, banden uns gegenseitig Bären auf, erzählten uns Witze, sprachen von unseren Heimatländern, von Politik und anderem, während der Dieselmotor tuckerte, klapperte, brummte und Meile auf Meile fraß.

Es entging uns allerdings nicht, dass der Araber, den der Señor einfach Achim nannte, manch-mal wie auf Kohlen saß, und zwar dann, wenn er sich an seine Reifen erinnerte. Sie waren abgefahren und platt wie eine alte Gänsebrust. An manchen Stellen schimmerte schon die Leinwand verdächtig durch. Er hatte in Tampico neue Reifen aufziehen lassen wollen, aber die Größe, die der Wagen brauchte, befand sich nicht am Lager.

In Queretaro musste der Reifenwechsel unter allen Umständen vollzogen werden. Ahmad er-zählte auch dem Señor, dass der Kilometerzähler nicht mehr funktioniert hatte. In Victoria war er vor der Abfahrt repariert worden. Seine Zifferchen kletterten bei hundert Metern und nach

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jeder Meile munter durch die Schlitze. Mein Freund erbot sich, nachzuprüfen, ob der Zähler wirklich nicht mehr mogelte.

Ich bin ja an Kummer gewöhnt, aber die Art, wie er das tat, setzte mich doch in Erstaunen.

Ich sah, dass der Señor, die Hände auf dem Schoß, mit geschlossenen Augen und gesenktem Kopf dasaß. Dass er kein Nickerchen gemacht hatte, stellte sich gleich darauf heraus.

"Er geht genau", meinte er, während er die Augen aufschlug, die so blau waren, wie es die alte Donau keineswegs ist. Ich hielt es für angebracht, seine Behauptung zu kontrollieren, und das auf zweierlei Art, indem ich auf die Meilensteine, meine unverwüstliche Armbanduhr und auf den Zähler starrte.

"Stimmt auffallend!" rief ich verwundert. Den Seinen - in diesem Fall dem Señor - gab es Chalchiuhtlicue, der Gott des fliehenden Wassers, das immer noch vom Himmel triefte, offenbar im Schlaf. Es erschien mir müßig, darüber nachzudenken, wie mein Freund das wieder angestellt

hatte ...

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Ich hatte im Augenblick andere Sorgen, nämlich keine Zigarette mehr. In solchen Fällen greife ich nur lässig hinter mich und bringe aus der linken hinteren Hosentasche meine alte blecherne Kippenschachtel zum Vorschein. Ich zählte sechzehn Stummel, und da ich aus vier Kippen eine Zigarette drehe, ging ich mit Elan an die Arbeit, um diese vier Stäbchen im Schnellverfahren zu produzieren.

Der Señor, ein fanatischer Nichtraucher, sah mir kopfschüttelnd zu. Er meinte, meine Rechnung ginge keineswegs auf, und ich hätte offensichtlich falsch eingeplant.

Einen Dispatcher, der mich auf meinen Fehler aufmerksam machte, konnte ich mir nicht leisten.

So blieb mir das, was der Señor anzüglich behauptet hat, bis kurz vor Queretaro einigermaßen unverständlich. Ich weiß, Ihnen wäre das nicht passiert, aber was nützt das jetzt hinterher? ...

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Bei einem beschrankten Bahnübergang mussten wir ziemlich lange warten. Ahmad hupte wü-tend, der Schrankenwärter ließ sich nicht blicken.

"Die Götter haben die Zeit erfunden - von der Eile aber nichts gesagt!" meinte der Señor. Ein Mulatte hatte ihm das einmal unter die Nase gerieben, als ihn mein Freund zur Eile antreiben wollte. Ahmad lächelte. Der jetzt endlich herankeuchende Zug erinnerte ihn an ein Erlebnis, das er in oder bei San Cristobal gehabt haben wollte.

Wohlgemerkt, ich sage "wollte" ; denn was er uns beim Weiterfahren auftischte, erschien mir reichlich unglaubwürdig und übertrieben. Wenn ich mich recht erinnere, sagte er ungefähr das:

"Es war sehr aufregend. Eine alte Frau hatte mir, zugeschrien, dass der Lokomotivführer des Nachtzuges nach San Cristobal ohnmächtig oder von der Lokomotive gefallen sein müsse. Der Zug hatte schon eine Station überfahren und raste mit unverminderter Geschwindigkeit auf die Stadt zu. Es musste zu einer furchtbaren Katastrophe kommen, wenn nichts geschah.

Ich entschloss mich, mein Leben zu wagen. Ich lief also der bei dem Gefälle immer schneller fahrenden Lokomotive entgegen - sprang bei neunzig Kilometer Stundengeschwindigkeit auf, und es glückte mir nach vielen vergeblichen Versuchen, den Zug zum Stehen zu bringen.

Die Notbremsen hatten versagt. Das sagte mir der Lokführer, als er aus seiner Bewusstlosigkeit erwachte. Schaut nicht so dumm aus der Weste! Was ich euch erzählt habe, ist wirklich wahr!"

Ich zwinkerte dem Señor heimlich zu.

"Bei neunzig Sachen?" wunderte ich mich.

Der Señor hob die Achseln.

"Schon möglich", meinte er. Sicher wollte er den Araber nicht durch seine Zweifel, die ihm im

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Gesicht standen, beleidigen. Höflichkeit wird bekanntlich bei allen Arabern groß geschrieben.

Es bedurfte allerdings noch einiger Erläuterungen Ahmads, bis ich ihm seine Story von San Cristobal abnahm.

"Das hätte ich auch gewagt", brachte ich überrascht hervor. Ich bin zwar kein Held, aber Sie

müssen mir das schon glauben ...

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Dreißig, vierzig Kilometer vor Queretaro hörte endlich der Regen auf. Die flinken Scheiben-wischer legten sich zur längst verdienten Ruhe. Ihr kleiner Motor griff sich schon ganz heiß an.

Die malerische Landschaft mit ihren Palmen, stacheligen anderen Bäumen, ihren dickblätteri-gen Liliaceen, ihren Lehmhütten und vor Nässe triefenden Maultieren sah wie frischgewaschen aus.

Vor Queretaro de Arteaga wurde der Gegenverkehr lebhafter. Als wir in die Stadt eintrudelten, wandte sich Ahmad an mich. In der Schlafkabine unter dem Luftkissen würde ich seinen Atlas finden. In dem Atlas läge ein Lieferschein. Ich sollte ihm sagen, in welcher Straße unser Ziel, die Großspinnerei, liegen würde. Ich fand den Atlas, aber von einem Zettel entdeckte ich nicht die Spur. Der Araber wurde schnell ungeduldig.

"Jetzt erinnere ich mich. Ich habe ihn zwischen die Seiten 43 und 44 gelegt." Ich blätterte zurück. Bevor ich den Lieferschein fand, schüttelte der Señor den Kopf.

"Ausgeschlossen! Dort kann er nicht sein!" meinte er entschieden.

Ahmad Radjahi Agat Al Kala hatte nicht die Möglichkeit, dem Señor einen wütenden Seiten-blick zuzuwerfen. Er musste jetzt die Straße im Auge behalten. Seine braunen Augen blitzten die Windschutzscheibe an.

"Seit wann weißt du besser in meinen Sachen Bescheid als ich? Hast du den Lieferschein unterwegs herausgenommen?" fragte er verärgert.

Als ich den Zettel gefunden hatte, entschuldigte er sich beim Señor; denn der hatte recht gehabt. (Wieso? Blättern Sie doch einmal in diesem Buch nach, und versuchen Sie, ein Stück-chen Papier zwisStück-chen den Seiten 43 und 44 unterzubringen.) ...

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Es dunkelte schon, und ich streckte meinen Kopf, so gut ich das konnte, aus der Kabine, um möglichst viel von Queretaro mitzubekommen. Es wimmelte von prächtigen, alten Gebäuden, und ich zählte allein neun Kirchen. In Wirklichkeit gab es dort neunzehn.

Als wir die Spinnerei nach vielem Fragen erreichten, gab es einen Haufen Theater. Wir sollten die Baumwolle in der Hercules Mill, einer Baumwollfabrik, abladen. Wir fuhren also wieder los. Ahmads Diesel war ein mächtiger Brocken mit zwei hohen, überplanten Anhängern. Es bedurfte aller Fahrkunst, ihn durch die engen Straßen zu lenken. Aber das war noch nichts gegen die Einfahrt in der Hercules Mill.

Es hat seine Zeit gedauert, bis wir glücklich und reichlich abgespannt unter Dach und Fach standen.

Das Hallentor war zwar breit genug, aber leider zu niedrig. Das Fahrerhaus des Diesels streifte leicht in den Fugen knisternd und knirschend den Baumwollstaub von: der oberen Torwand.

Nachdem Ahmad genug davon heruntergekratzt hatte, war es endlich geschafft.

"Das ist noch einmal gut gegangen", meinte er aufatmend.

Wir suchten uns ein Quartier. Das war nicht so einfach, und so waren wir alle drei richtig heißhungrig und bestellten Frijoles, weil deren Zubereitung keine lange Zeit in Anspruch nahm.

Das Bohnengemüse schmeckte ausgezeichnet, und ich begriff zum ersten Mal, warum die Mexikaner die Frijoles so schätzen. Ihre Liebe zu den schwarzbraunen Bohnen, die eine gewisse

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Ähnlichkeit mit unseren Saubohnen haben, geht sogar so weit, dass sie vom "ganar los Frijoles"

(zu deutsch: "seine Frijoles verdienen") sprechen und genau dasselbe meinen wie wir, wenn wir von "unser Brot verdienen" zu reden pflegen.

Die Serviererin schien den hübschen Ahmad Radjahi Agat Al Kala besonders in ihr Herz geschlossen zu haben. Nicht nur, dass sie mit den langen, schwarzen Wimpern klimperte und sich, sobald sie sich uns näherte, mit den Hüften wackelte wie eine orientalische Bauchtänzerin.

Ihre in meinen Augen ungewöhnlich heftige Zuneigung drückte sich auch in den drei Portionen aus, die sie uns aufgetischt hatte. Der Araber erhielt nämlich genausoviel wie wir.

Das scheint dem, was ich eben behauptet habe, zu widersprechen. Oder nicht? ...

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Ahmad legte sich aus verständlichen Gründen schnell schlafen. Der Señor und ich machten noch einen kleinen Abendbummel durch die Stadt Queretaro. Dass hier Kaiser Maximilian am 19. Juni 1867 erschossen wurde, berührte uns weniger.

Die Sancta Clara, eine schöne Kathedrale, hätte es mir, wenigstens von außen, ziemlich ange-tan. Der Señor wollte unbedingt zur Nuestra Señora de Guadalupe. Dort war ein silberner Altar, der ihn sehr interessierte. Wir irrten lange hin und her, landeten vor einem der Nonnenklöster, und als sich ein anderes prächtiges Gebäude als Irrenhaus erwies, wurde es uns schließlich zu dumm.

"Wenn Sie hier hinein wollen, sind Sie nicht richtig. - Wenn Sie nicht hinein wollen, sind Sie richtig!" hatte der Nachtpförtner lächelnd zu uns gesagt.

Reichlich spät erreichten wir unser Quartier. Als uns der schmalzlockige Gastwirt die Zimmer-schlüssel in die Hände drückte, fragte er anzüglich, ob wir etwa Opale gesucht hätten. Da in der Umgebung von Queretaro diese Art von Edelsteinen immer noch gefunden wird, begnügten wir uns mit einem dummen Lächeln und legten uns flach.

Der Araber trommelte uns in aller Frühe wach. Wir begleiteten ihn beim Reifenkauf. Ein über-dimensionaler Eselskarren transportierte die vier Kolosse zur Hercules Mill. Der Lastzug war schon entladen, als wir ankamen.

Das Montieren von großen Reifen ist eine Schinderei, das kann ich jedem verraten, der das noch nicht wissen sollte. Wir machten uns nützlich, so gut wir es konnten. Es kostete einigen Schweiß, bis der Zwanzigtonner wieder auf seinen jetzt modisch profilierten Beinen stand. Es hatte aber auch viel Zeit gekostet, und so war es kein Wunder, dass wir unseren Morgenkaf-fee stehend und in aller Hast in der Kantine der Baumwollfabrik einnahmen. Die erstaunlich schwarze, bittere Brühe war kochend heiß. Ich hatte mir die Zunge verbrannt. Der Araber drängte zum Aufbruch.

"Wir haben noch viel vor, Señores!" stammelte er immer wieder. Er hatte das Zeug in einem Zug hinuntergestürzt, was eine erstaunliche Leistung war. Ich trinke Kaffee sonst schwarz.

Unter diesen Umständen blieb mir in der Eile und in der Hercules-Mill-Kantine nichts anderes übrig, als das für meine Tasse bestimmte Kännchen Milch in den Kaffee zu gießen.

Ich wunderte mich, dass der Señor, ein notorischer Milchkaffeetrinker, es mir nicht nachmachte und sich mit seinem schwarzen Getränk herumquälte. Meine Frage, ob er die Milch übersehen habe, begegnete einem Kopfschütteln. Meiner Aufforderung, die kalte Milch zuzuschütten, erging es nicht anders. Der Señor bestand darauf, den Kaffee milchlos zu trinken.

"Die Milch kühlt doch ab!" sagte ich. "Wenn es auch nicht viel ist, etwas hilft es doch. Das ist doch sonnenklar!"

"Irrtum!" meinte der Señor. Ich war bereit, einen Besen zu fressen, wenn er dar mit recht haben sollte. Ich habe es nicht getan. Nicht, weil kein derartiges Reinigungshilfsmittel bzw.

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weibliches Schlagwerkzeug zur Hand war. Ich hatte ganz andere Gründe ...

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Der Kaffee war stark, und starker Kaffee regt bekanntlich die Gemüter an und auf. Ahmads und auch unsere Aufregung hatte einen anderen Grund.

Ich über- und untertreibe nicht, wenn ich sage, dass wir drei wie Ochsen vor dem neuen Tor standen. Gemeint ist das Hallenausfahrtstar der Hercules Mill. Der Lastzug, der schon mühsam hineingerollt war, kam einfach nicht unter der Ausfahrt hindurch.

Es lag an den jetzt entspannten Federn und an den neuen Reifen. Sie hatten ihn um etliche Zentimeter größer gemacht. Was sollten wir tun? Es war wie verhext. Der Señor griff wieder einmal in seine Trickkiste, und wir haben es doch noch geschafft ...

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Ahmad lud in der Nähe des Bahnhofes den Posten Glaswaren, der für ein Warenhaus in Mexiko City bestimmt war.

Als ich auf den Kisten die Aufschrift "Made in Germany" entdeckte, packte ich noch einmal so gern mit zu. So geht es einem eben, wenn man sich irgendwo draußen herumtreibt, man freut sich auf jede kleine Begegnung, die einen an die Heimat erinnert.

In flotter Fahrt ging es den Katzensprung nach der Hauptstadt des schönen Landes, das mit seinen zwei Millionen Quadratkilometern größer als die westeuropäischen Staaten ist. Vorbei an Weizen- und Maisfeldern. Zwischen dem Mais, der im Jahr zweimal geerntet wird, wuchs

In flotter Fahrt ging es den Katzensprung nach der Hauptstadt des schönen Landes, das mit seinen zwei Millionen Quadratkilometern größer als die westeuropäischen Staaten ist. Vorbei an Weizen- und Maisfeldern. Zwischen dem Mais, der im Jahr zweimal geerntet wird, wuchs