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Umschulung

Urteil des EVG vom 23. Februar 1999 i. Sa. G.

Art 16 f. IVG: Für die Abgrenzung der beiden Leistungsansprüche ist nicht entscheidend, ob eine versicherte Person im Zeitpunkt des Ein-trittes des Versicherungsfalles noch erwerbstätig ist oder nicht; viel-mehr kommt es einzig darauf an, ob sie nach Abschluss ihrer erst-maligen beruflichen Ausbildung jemals ein im Sinne der Rechtspre-chung relevantes Einkommen erzielte oder nicht. Der Umstand, dass eine versicherte Person während längerer Zeit keine volle Tätigkeit ausgeübt hat, ist gegebenenfalls vielmehr bei der Bemessung des Taggeldes zu berücksichtigen (vgl. Art. 21 Abs. 2 IVV). Steht fest, dass die versicherte Person vor Eintritt der Invalidität erwerbstätig war, ist die berufliche Massnahme als Umschulung zu qualifizieren.

A. Im April 1986 schloss der 1966 geborene G. die Berufslehre als Käser er-folgreich ab. Nach verschiedenen Aushilfsstellen als Käser sowie bei der Post absolvierte er im August 1989 bis Juni 1990 eine Handelsschule. Vom 22. Oktober 1990 bis 22. März 1991 besuchte er an der Milchwirtschaftlichen Schule X. den Kurs I und von Oktober 1991 bis März 1992 den für die Kä-sermeisterprüfung konzipierten II. Kurs. Auf der Diplomreise wurde er am 25. März 1992 in eine Schlägerei verwickelt, wobei er sich verschiedene Ver-letzungen zuzog, die es ihm verunmöglichten, das für die Meisterprüfung vorausgesetzte viermonatige Praktikum zu absolvieren sowie weiterhin als Käser tätig zu sein. Am 20. April 1994 meldete er sich bei der IV zum Lei-stungsbezug (Berufsberatung und Umschulung) an. Eine gegen die abwei-sende Verfügung vom 31. Mai 1996 erhobene Beschwerde hiess die Re-kursbehörde mit Entscheid vom 17. Oktober 1996 in dem Sinne teilweise gut, als es die Sache an die IV-Stelle zurückwies zwecks weiterer Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen und Erlass einer neuen Verfügung. Mit Ver-fügungen vom 12., 23. und 26. September 1997 sprach die IV-Stelle G. für die

Zeit vom 21. August 1994 bis 7. September 1997 ein Wartezeittaggeld unter Anrechnung eines monatlichen Eigenverdienstes von Fr. 1500.– zu, setzte dieses auf Fr. 20.– fest und gewährte ihm für die Dauer des Vorbereitungs-kurses an der Technisch-Landwirtschaftlichen Berufsmittelschule im Sinne einer erstmaligen beruflichen Ausbildung ein Taggeld von Fr. 52.– (bzw. Fr.

70.– für die Zeit, in der die Verpflegungskosten nicht von der IV zu tragen sind).

B. Die hiegegen eingereichten Beschwerden wies die Rekursbehörde mit Entscheid vom 15. Juni 1998 ab.

C. G. führt am 24. Juli 1998 Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den An-trägen, der Vorbereitungskurs an der Technisch-Landwirtschaftlichen Be-rufsmittelschule sei als Umschulung anzuerkennen, beim Wartezeittaggeld sei kein Einkommen anzurechnen und beim Taggeld sei für die Verpflegung kein pauschaler, sondern ein Abzug für die tatsächlichen Kosten vorzuneh-men.

D. Mit Verfügung vom 29. Juli 1998 wies der Präsident des EVG die Ein-gabe vom 24. Juli 1998 an G. zur Umänderung zurück, da sie Ausführungen ungebührlichen Inhalts gegenüber der IV-Stelle enthielt und übermässig weitschweifig war. Am 7. August 1998 reichte G. eine verbesserte Rechts-schrift ein.

E. Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbe-schwerde, während sich das BSV nicht vernehmen lässt.

Das EVG heisst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit folgenden Er-wägungen gut:

1. Das Vorliegen der invaliditätsmässigen Voraussetzungen für berufli-che Massnahmen wird nicht in Frage gestellt und ist als erfüllt zu betrach-ten. Streitig ist zunächst, ob der begonnene Vorbereitungskurs an der Tech-nisch-Landwirtschaftlichen Berufsmittelschule für die Ausbildung zum In-genieur HTL, Richtung Milchwirtschaft, als Umschulung (Art. 17 IVG) oder als erstmalige berufliche Ausbildung (Art. 16 IVG), insbesondere als berufliche Weiterausbildung (Art. 16 Abs. 2 lit. c IVG), zu qualifizieren sei.

Das ist für den Beschwerdeführer im Hinblick auf die unterschiedlichen Taggeldbemessungsvorschriften – worauf die Vorinstanz in Darlegung der zutreffenden Gesetzesbestimmungen zu Recht hinweist – und damit für die ihm zustehenden Leistungen von entscheidender Bedeutung (vgl. AHI 1997 S. 161 ff. Erw. 2a und b mit Hinweisen).

2a. Zur Abgrenzung der Leistungsansprüche nach Art. 16 und 17 IVG kommt es nach Gesetz und Rechtsprechung entscheidend darauf an, ob der

Versicherte vor Beginn der Eingliederungsmassnahme bereits effektiv er-werbstätig war oder nicht. Dabei fällt nach der Praxis nur eine ökonomisch relevante Erwerbstätigkeit in Betracht (BGE 110 V 266 Erw. 1a mit Hin-weisen = ZAK 1985 S. 227 f.). In Präzisierung seiner Rechtsprechung hat das EVG in BGE 110 V 263 (= ZAK 1985 S. 225) entschieden, dass ein ökono-misch relevantes Erwerbseinkommen als Voraussetzung für einen Umschu-lungsanspruch vorliegt, wenn der Versicherte bereits während sechs Mona-ten drei Viertel der minimalen vollen einfachen ordentlichen Invalidenren-te erzielInvalidenren-te und dieses Einkommen invaliditätsbedingt verlor (BGE 110 V 269 ff. Erw. 1c, d und e = ZAK 1985 229 ff.). Wie das EVG in BGE 118 V 14 Erw. 1c/cc ferner erkannte, gilt nur diejenige berufliche Ausbildung als Um-schulung und fällt damit unter Art. 17 IVG, welche die IV einem schon vor Eintritt der Invalidität – im Sinne des für die Eingliederungsmassnahme spezifischen Versicherungsfalles (vgl. Meyer-Blaser,Zum Verhältnismässig-keitsgrundsatz im staatlichen Leistungsrecht, Diss. Bern 1985, S. 168) – er-werbstätig gewesenen Versicherten nach dem Eintritt der Invalidität und wegen dieser Invalidität schuldet; ein im Sinne der Rechtsprechung ökono-misch relevantes Einkommen muss daher nicht nur vor Beginn der Einglie-derungsmassnahme, sondern vor Eintritt der Invalidität im Sinne des spezi-fischen Versicherungsfalles erzielt worden sein.

b. Die Vorinstanz verneinte einen Anspruch auf Umschulung mit der Begründung, der Beschwerdeführer habe weder während der Ausbildung ein Einkommen erzielt, noch sei er nach dem Unfallereignis von 1992 einer Erwerbstätigkeit nachgegangen. Zum massgeblichen Zeitpunkt, d.h. vor Eintritt der Invalidität habe kein ökonomisch relevantes Einkommen vor-gelegen. Während das EVG die Erzielung des ökonomisch relevanten Er-werbseinkommens in BGE 118 V 14 Erw. 1c/cc auf die Zeit vor Eintritt der Invalidität (im Sinne des spezifischen Versicherungsfalles) festlegte, fand die Frage, ob das Einkommen unmittelbar vor Eintritt des Versicherungs-falles erzielt worden sein muss, wie dies die Vorinstanz sinngemäss voraus-setzt, in der bisherigen Rechtsprechung keine Beantwortung.

aa) Wie den Akten entnommen werden kann, schloss der Versicherte seine Lehre als Käser im April 1986 erfolgreich ab und war anschliessend an verschiedenen Stellen als Käser sowie als Postaushilfe tätig. Aus der Zu-sammenstellung der individuellen Konten (IK) ist ersichtlich, dass er in den Jahren 1984 bis 1991, mit Ausnahme von 1987, ein Einkommen erzielte, das drei Viertel der jeweiligen minimalen vollen einfachen ordentlichen Invali-denrente (vgl. Erw. 2a) überstieg. Der Beschwerdeführer hat damit nach Abschluss seiner erstmaligen beruflichen Ausbildung zum Käser und vor Eintritt des Versicherungsfalles (25. März 1992) zweifellos über mehrere

Jahre hinweg ein ökonomisch bedeutsames Einkommen im Sinne der Rechtsprechung erzielt, womit er als erwerbstätig gewesen zu betrachten ist. Daran ändert der Umstand, dass er später, zwecks Erlangung des Mei-sterdiploms, seine Erwerbstätigkeit aus invaliditätsfremden Gründen vor-übergehend einstellte, nichts. Für die Abgrenzung der beiden Leistungsan-sprüche ist nicht entscheidend, ob ein Versicherter im Zeitpunkt des Ein-trittes des Versicherungsfalles noch erwerbstätig ist oder nicht; vielmehr kommt es einzig darauf an, ob er nach Abschluss seiner erstmaligen beruf-lichen Ausbildung jemals ein im Sinne der Rechtsprechung relevantes Ein-kommen erzielte oder nicht. Es wäre denn auch nicht einzusehen, einem jahrelang erwerbstätig gewesenen Versicherten, der sich dazu entschliesst, eine die Ausübung einer Erwerbstätigkeit verunmöglichende berufliche Weiterbildung in Angriff zu nehmen, den Umschulungsanspruch abzuspre-chen, während einem ununterbrochen erwerbstätigen Versicherten, der kei-ne berufliche Fortbildung betreibt, ein solcher zustehen würde. Der Um-stand, dass ein Versicherter während längerer Zeit keine volle Tätigkeit aus-geübt hat, ist gegebenenfalls vielmehr bei der Bemessung des Taggeldes zu berücksichtigen (vgl. Art. 21 Abs. 2 IVV).

bb) Steht nach dem Gesagten fest, dass der Beschwerdeführer vor Ein-tritt der Invalidität erwerbstätig war, ist die anbegehrte berufliche Mass-nahme als Umschulung zu qualifizieren.

3. Nachdem die weiteren Voraussetzungen zur Anerkennung des Um-schulungsanspruchs (annähernde Gleichwertigkeit der ursprünglichen und der angestrebten Erwerbstätigkeit, Eingliederungswirksamkeit) aufgrund der Akten als erfüllt zu betrachten sind, steht einer Gewährung der anbe-gehrten Umschulungsmassnahme nichts mehr im Wege. Ist damit der Um-schulungsanspruch des Beschwerdeführers zu bejahen, sind die angefochte-nen Taggeldverfügungen, die auf der Annahme eines Anspruchs gemäss Art. 16 Abs. 2 lit. c IVG beruhen, ohne weiteres aufzuheben, da bei einer Umschulung wesentlich andere Taggeldbemessungsvorschriften gelten (vgl.

Erw. 2). Unter diesen Umständen erübrigt sich auch eine Prüfung der im Zusammenhang mit der Taggeldbemessung vorgetragenen Rügen. Die IV-Stelle wird ausgehend von einer Umschulungsmassnahme die Taggelder nach den dafür geltenden Vorschriften neu bemessen. (I 328/98)