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2.3 Definitionen, Abgrenzung und Erscheinungsformen der informellen

2.3.2 Abgrenzung

Im Gegensatz zu anderen Autoren (Berger 1982; Gretschmann 1983, 1985; Niessen/

Ollmann 1987; Evers 1987; Merz/Wolff 1994, 214ff.) wird im Folgenden die Schat-tenwirtschaft nicht zur informellen Ökonomie gerechnet. Die SchatSchat-tenwirtschaft stellt insofern einen Teilbereich des formellen Sektors dar, als die Aktivitäten hier mit dem Ziel erfolgen, zum „normalen“ Einkommen steuerfrei ein zusätzliches Ein-kommen zu erwirtschaften, mit dem das jeweilige Haushaltsbudget aufgebessert wer-den soll. Die Bezahlung solcher Tätigkeiten orientiert sich an marktlichen Bedingun-gen, jedoch mit dem Unterschied, dass die Abgaben für die Lohnnebenkosten gespart werden. Der „Schattenarbeiter“ erhält also seinen „Schattenlohn“ brutto für netto, der teils höher liegen kann als sein regulärer Stundenverdienst im formellen Sektor.

Dennoch lassen sich der informelle und der schattenwirtschaftliche Sektor des Wirt-schaftlebens nicht in eindeutig prägnanter Weise voneinander abgrenzen. Wie zwi-schen formeller und informeller Ökonomie ergeben sich auch zwizwi-schen der informel-len und der Schattenwirtschaft vereinzelt Überschneidungen oder sogar fließende Übergänge. Dieser Tatbestand dürfte für die Selbstversorgungswirtschaft, bei der Schnittstellen zur Schattenwirtschaft unübersehbar sind, sowie für die Selbsthilfe-ökonomie gelten, wo ehrenamtliche und Selbsthilfe-Aktivitäten oftmals professionel-le Züge zeigen, sofern sie durch die formelprofessionel-le Ökonomie alimentiert werden. Erling-hagen/Wagner (1998) haben hierfür den Begriff der nicht-gewerblichen Schwarzarbeit eingeführt. „Eine Form der formell-vertraglichen Netzwerkhilfe zeichnet sich da-durch aus, daß hier die geleistete Arbeit – ähnlich der Erwerbsarbeit – mit Geld ent-lohnt wird. Das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung ist vertraglich festgelegt, allerdings werden für die geleisteten Tätigkeiten weder Steuern noch Sozialversiche-rungsbeiträge gezahlt“ (Erlinghagen/Wagner 1998, 11f.).

Abb. 3: Unterschiede zwischen formeller, informeller und Schattenwirtschaft rechtlicher Status VGR-Erfassung

Schattenwirtschaft illegal nein

informelle Ökonomie legal Satellitensystem

formelle Ökonomie legal ja

Quelle: eigene Zusammenstellung

Im Abbildung 3 werden anhand der Kriterien „Rechtlicher Status“ und „Erfassung in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR)“ nochmals die Unterschiede zwi-schen den einzelnen Sektoren aufgezeigt: Während die marktlichen Vorgänge in der formellen Ökonomie durch die VGR wiedergegeben werden können, kann der Um-fang der Schattenwirtschaft noch nicht ermittelt werden. Die informelle Ökonomie wurde inzwischen durch die Erhebungen des Statistischen Bundesamtes (Blanke u.a.

1996) in ihrem zeitlichen Ausmaß und in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung weitge-hend erfasst. Was den rechtlichen Status angeht, so sind formelle und informelle Leis-tungen legal, während die schattenwirtschaftlichen Aktivitäten in aller Regel illegal erfolgen.

Um die informellen Tätigkeiten von den Freizeitaktivitäten zu trennen, wird größ-tenteils auf Hawrylyshyns (1977) „Produktivitätskriterium der dritten Person“ zu-rückgegriffen. Danach werden nur solche Aktivitäten im Haushaltsbereich als pro-duktiv angesehen, die auch von einer dritten Person durchgeführt werden könnten.

Zu den unproduktiven Tätigkeiten zählen beispielsweise die Befriedigung persönli-cher Bedürfnisse (u.a. Schlafen, Essen) und Freizeitaktivitäten aller Art, wie Sport treiben, Bücher lesen, Radio hören, Fernsehen, ins Kino gehen, Spaziergänge machen.

Das Dritt-Personen-Kriterium wird in vielen Untersuchungen (vgl. hierzu etwa Gershuny u.a. 1986; Gershuny/Jones 1987; Gretschmann/Schulz 1988; Erlinghagen/

Wagner 1998, 16f.) herangezogen. Auch das Statistische Bundesamt (Blanke u.a. 1996, 23ff.) hat bei seinen Berechnungen des Satellitensystems der Haushaltsproduktion von diesem Merkmal Gebrauch gemacht.

Zur informellen Ökonomie werden insgesamt drei Bereiche (vgl. Abb. 4) gezählt, nämlich die

– Haushaltswirtschaft,

– Selbstversorgungswirtschaft, – Selbsthilfeökonomie.

Die einzelnen Bereiche der informellen Ökonomie, auf die im nächsten Kapitel aus-führlicher eingegangen wird, weisen eine relativ unterschiedliche Distanz zum „Zent-rum“ der Haushaltstätigkeiten auf.

Die Haushaltswirtschaft umfasst die Hausarbeit im engeren Sinne (Einkaufen, Mahl-zeiten zubereiten, Wohnung sauber halten, Wäsche waschen und Fenster putzen), die Kindererziehung und die Pflege von kranken und alten Personen. Sie wird in aller

Regel von Frauen geleistet und gehört quasi zum Standardrepertoire eines jeden (Fa-milien-)Haushalts.

Abb. 4: Bereiche der informellen Ökonomie

HAUSHALTSWIRTSCHAFT SELBSTVERSORGUNGS

-WIRTSCHAFT

(u.a. Kauf von Waren und Dienstleistungen auf dem

Erziehung und Betreu-ung der Kinder

(Körperpflege, Füttern, Spie-len, Hinbringen und Abho-len vom Kindergarten und/

oder von der Schule, Hilfe bei Schularbeiten, Spielen mit den Kindern)

Kranken- und Altenpfle-ge

(wie Anbau von Obst und Gemüse, Züchtung von

Aktivitäten in Selbsthil-fevereinigungen Bürgerinitia-tiven wie etwa Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Robin Wood, Greenpeace, Friedensgrup-pen sowie berufsbezogenen und politischen Organisatio-nen wie etwa Parteien und Gewerkschaften)

Quelle: eigene Zusammenstellung

Die Selbstversorgungswirtschaft, zu der Do-it-yourself-Tätigkeiten, die Wartung und Reparatur der haushaltseigenen Güter sowie Gartenarbeiten zählen, wird dagegen vornehmlich von Männern durchgeführt. Mit ihr sollen Marktleistungen substituiert werden.

Die Selbsthilfeökonomie dient dem physischen und psychischen Wohlbefinden eige-ner und fremder Haushaltsmitglieder. Sie wird hauptsächlich außerhalb der privaten Haushalte betrieben und führt zur Korrektur marktlicher Dienstleistungen, die ent-weder zu teuer, zu knapp oder gar nicht angeboten werden.

Zwischen den einzelnen Subsystemen der informellen Ökonomie lassen sich durch-aus Überlappungen feststellen; des Weiteren überschneiden sich Teile der informellen Ökonomie mit der Schattenwirtschaft und der formellen Ökonomie, was an einigen Beispielen verdeutlicht werden soll:

1. In der Haushaltswirtschaft gibt es deutliche Tendenzen zur Auslagerung be-stimmter Tätigkeiten in die formelle Ökonomie, z.B. im Falle der Inanspruch-nahme professionell geleisteter Dienste zur Pflege und Betreuung älterer Men-schen oder der Nutzung von haushaltsbezogenen Unterstützungsleistungen durch Dienstleistungsagenturen zur Vermittlung von Hauspersonal. Solche Agenturen gibt es mittlerweile in verschiedenen Bundesländern auf privater Basis oder öffent-lich finanziert. Zudem ist in diesem Bereich ein Übergang in die Schattenwirt-schaft unübersehbar, denn viele Haushaltshilfen werden „schwarz“ beschäftigt, d.h. ohne die Zahlung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsabgaben.

2. Wie in der Haushaltswirtschaft werden auch in der Selbstversorgungswirtschaft bestimmte Leistungen (z.B. beim Haus(um)bau oder bei der Wohnungsrenovie-rung) „schwarz“ erbracht.

3. Die Aktivitäten in der Selbsthilfeökonomie stellen in aller Regel eine Ergänzung der formellen Ökonomie dar, da viele Leistungen (z.B. in Selbsthilfevereinigun-gen oder in kirchlichen, karitativen und anderen gemeinnütziSelbsthilfevereinigun-gen Organisationen) ehrenamtlich und auf freiwilliger Grundlage erbracht werden, die andernfalls pro-fessionell über formelle Beschäftigungsverhältnisse abgewickelt werden müssten.

Zwischen der Selbsthilfeökonomie und der Haushaltswirtschaft gibt es insofern Überschneidungen, als die Nachbarschaftshilfe Entlastungen bei der Hausarbeit, der Erziehung und Betreuung von Kindern sowie der Pflege älterer Menschen mit sich bringen kann.

3 Sektoren der informellen Ökonomie in der

Bundesrepublik Deutschland