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A LLGEMEINER A NSATZ ZUR V ERARBEITUNG DER V OKALE IN DER W ÜSTENRENNMAUS

5. DISKUSSION

5.7. A LLGEMEINER A NSATZ ZUR V ERARBEITUNG DER V OKALE IN DER W ÜSTENRENNMAUS

Im Verhaltensversuch mit den in dieser Studie verwendeten Vokalreizen wurde gezeigt, dass Wüstenrennmäuse dazu fähig sind Objekte unterschiedlicher Größe einem Standardobjekt richtig zu zuordnen (Ligner, 2007; Schebesch et al., 2007 submitted).

Dieses Ergebnis weist daraufhin, dass Wüstenrennmäuse dazu fähig sind Objektgröße von Objektstruktur, in diesem Fall die Sprechergröße vom Vokaltyp, zu trennen. Dieser Schluss ergänzt die Ergebnisse bereits durchgeführter Studien an Rhesusaffen (Ghazanfar et al., 2007), Rotwild (Reby et al., 2005) und Fledermäusen (Firzlaff et al., 2007), dass die Trennung von Größen- und Strukturinformation auf auditorische Objekte bezogen, nicht nur speziell für den Menschen von Bedeutung ist und von diesem genutzt wird (Smith et al., 2005; Smith und Patterson, 2005). Zusätzlich erweitern die Daten der vorliegenden Arbeit die bisherigen Erkenntnisse in der Weise, dass dieser Mechanismus nicht auf arteigene Kommunikationslaute beschränkt und von vorausgegangener Erfahrung unabhängig ist. Viel mehr scheint es ein evolutionäres ursprüngliches Konzept der auditorischen Verarbeitung zu sein, das schon als solches von Fitch und Giedd (1999) diskutiert wurde.

Die neuronale Basis dieser auditorischen Verarbeitung wurde auf der Ebene der sekundären auditorischen Areale in einer Reihe von Experimenten mit Hilfe von bildgebenden Verfahren untersucht (Zatorre et al., 2004, Warren et al., 2005). In der Studie von Kriegstein et al. (2007) zeigte sich, dass in den auditorischen Gebieten des Menschen unterschiedliche Aspekte der Sprache verarbeitet werden und die Gebiete unterschiedlich auf die einzelnen Informationsaspekte eines Reizes spezialisiert sind. Es wurde dargestellt, dass der posteriore superiore temporale Gyrus (STG) spezifisch auf akustische Größenskalierung der menschlichen Sprache reagiert. Dieses Areal zählt zu den sekundären Arealen des AC. Hingegen zeigten der anteriore Temporallappen und der intraparietale Sulcus eine Aktivierung auf Größenunterschiede, die allgemeiner und nicht auf die menschliche Sprache beschränkt sind.

Das Planum Temporale (PT) wird, als Teil der Heschel’schen Windung, von Griffith und Warren (2002) als eine Region diskutiert, die Informationen des primären auditorischen Cortex an die sekundären Areale weiter gibt. Diese Region wird

DISKUSSION

Objekts erst möglich ist. Der PT wird als Musterspeicherort diskutiert, da von Griffith und Warren (2002) keine Musterabbildungen im AI gefunden wurden. Der primäre Cortex hingegen wird als Eingangs- und Weiterleitungsstation zum sekundären Cortex diskutiert. Das bedeutet aber auch, dass auf der Ebene des PT bereits eine Trennung von Objektgröße und -struktur stattgefunden haben muss, so dass eine Objektstruktur zur Verfügung steht, die kategorisiert werden kann.

In der vorliegenden Arbeit wurde von Neuronen im IC und AI abgeleitet, die einen von fünf präsentierten Vokale präferierten und deren Antwort zum Teil unabhängig von der VTL der Vokale war. Desweiteren konnte eben diese Selektivität nicht aufgrund der Reintonantwort vorhergesagt werden, wie das für die selektiven Neurone der LSO der Fall war. Umgekehrt wurde von den IC- und AI-Neuronen ebenfalls eine von fünf VTLs präferierte unabhängig vom Vokaltyp. Nach der Studie von Kriegstein et al. (2006) kann man davon ausgehen, dass der MGB wahrscheinlich die erste Ebene für die Verarbeitung der Objektgröße oder des Vokaltyps ist. Desweiteren ist anzunehmen, dass im AI weitere Informationsschritte im Vergleich zum IC erfolgt sind. Aus diesem Grund könnten die Neurone des AIs möglicherweise die Größe des Sprechers präferierte haben, unabhängig davon welcher Vokal gesprochen wurde. Das würde bedeuten, dass schon auf der Ebene des ICs eine Vorstufe der getrennten Kodierung von Objektgröße und -struktur stattfindet, die sich auf der Verarbeitung mit inhibitorischen Einflüssen und kombinationssensitive Neurone begründet. Diese Verarbeitung würde sich im AI fortsetzen und durch die Verarbeitung von relativen Frequenzabständen, unabhängig von der VTL vorangetrieben werden.

Mit einem mathematischen Model von Irino und Patterson (2001) wurde die nicht-lineare Verarbeitung von Objektstruktur als Fourier Transformation des neuronalen Aktivitätsmusters entlang der linearen Frequenzachse dargestellt. Das heißt, dass die Stauchung oder Streckung des Spektrums der Vokale, aufgrund unterschiedlicher VTLs, eine einfache Verschiebung entlang der logarithmischen Frequenzachse bedeutet.

Daraus ergibt sich, dass die Magnitude der Fourier Transformation, und damit die Stärke der neuronalen Antwort eines Neurons, die relativen Abstände der Formantenfrequenzen kodieren. Sie wäre demnach unabhängig von der absoluten Position der Formanten und der Feinstruktur des spektralen Inhalts, und damit der Größe des Objekts. Dies würden die Annahmen unterstützen, die aus den Ergebnissen der IC- und AI-Neurone der vorliegenden Arbeit getroffen wurden.

DISKUSSION

Wie einheitlich der relative Abstand für einen Vokal, der mit unterschiedlichen VTLs präsentiert wird ist, ist in der Darstellung des Verhältnisses von F2 zu F1 in Abbildung 3.3 erkennbar. Diese nicht-linearen Verarbeitungsschritte könnten somit auf der Ebene des AI eine Vorstufe zur größenunabhängigen Kodierung von Vokalen darstellen.

Die Erklärung für die Verarbeitung von Objektgröße gestaltet sich schwieriger. In dieser Studie waren die Stimuli innerhalb der verschiedenen VTLs eines Vokals spektral ähnlicher, als für die Vokale mit einer bestimmten VTL (siehe 5.3 Die Vokalreize). Das heißt, dass ein Neuron mit einer linearen Verarbeitung und einem bestimmten FRA eher auf einen Vokaltypen selektiv antworten würde, als auf eine bestimmte VTL. Dies spiegelt sich auch in der schlechteren Vorhersagbarkeit der Antwortmuster der VTL-präferierenden Neurone in der LSO, im IC und AI, im Vergleich zur Vorhersage der Antwortmuster der Neurone, die einen bestimmten Vokaltypen präferierten, wider. Auf der einen Seite könnte dieses Ergebnis mit einer zu geringen Anzahl an diesen selektiven Neuronen in allen drei Arealen liegen. Das ist aber nicht wahrscheinlich, da dieses Ergebnis eben in allen drei Arealen zu finden war. Auf der anderen Seite spielt bei der Verarbeitung der Sprechergröße gerade auch die Grundfrequenz und die Lage der Harmonischen auf der Frequenzachse eine Rolle. Die Grundfrequenz wurde bei den Reizen für alle Vokalreize auf 100 Hz gesetzt. Das heißt, dass die Neurone lediglich die Frequenzen der Harmonischen als Unterscheidungskriterium werten konnten. Trotz der Eigenschaften der Stimuli und der schlechten Vorhersagbarkeit der Antwortmuster im IC und AI gab es Neurone, die selektiv auf eine VTL antworteten. Das bedeutet, dass auch bei den Antworten der Neurone des ICs und des AI die Suppression und Interaktionen zwischen den Neuronen dafür gesorgt haben, dass die Eigenschaften eines Sprechers selektiv beantwortet wurden, die über den spektralen Inhalt hinaus gehen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die elektrophysiologischen Daten dieser Studie eine zunehmende nicht-lineare spektrale Verarbeitung auf drei Ebenen der aufsteigenden Hörbahn zeigen und die Eigenschaften der beteiligten Neurone beschreiben. Die nicht-lineare spektrale Verarbeitung ist ein wichtiger Bestandteil der

DISKUSSION

Kodierung der Frequenzinformation der in dieser Arbeit verwendeten 25 Vokalstimuli.

Die getrennte Kodierung der Eigenschaften von Objektgröße und –struktur, die durch nicht-lineare Verarbeitung und Frequenzübergreifende Interaktionen der Neurone gekennzeichnet ist, könnte bei der Verarbeitung der verwendeten Vokale auf der Ebene des ICs beginnen und im AI weitergeführt werden. Im AI, wie schon im IC, spielen neuronale Eigenschaften, wie die Kombinationssensitivität und die Inhibition eine wichtige Rolle für die Verarbeitung komplexer Reize. Die Verarbeitung von Eigenschaftskombinationen würde somit die Vorstufe der Formung, Einordnung und Klassifizierung des Vokals als auditorisches Objekt darstellen. Diese Formung eines Objekts, durch die Vereinigung der Vokal- oder VTL-eigenen Informationen, und dessen Einordnung kommt in den sekundären Arealen des auditorischen Cortexes zum Abschluss.

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