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Der Liquor cerebrospinalis ist physiologischerweise eine klare, zell-, protein- und metabolitenarme Flüssigkeit. Die Untersuchung dieser Gehirnrückenmarksflüssigkeit liefert bei verschiedenen neurologischen Erkrankungen wertvolle Hinweise für die Stellung der richtigen Diagnose (ABATE et al. 1998). Dabei ermöglicht die moderne Labordiagnostik neben der Bestimmung einiger Standardparameter wie Zellzahl, Glukose- und Proteingehalt auch die Messung von Stoffwechselmetaboliten, Enzymen und speziellen Antikörpern (DI TERLIZZI u. PLATT 2006).

Im Vergleich zu Serum weist physiologischer Liquor cerebrospinalis eine deutlich niedrigere Gesamtproteinkonzentration auf. Pathologische Prozesse resultieren in einer unspezifischen Erhöhung des Proteingehaltes im Liquor. Dieser Anstieg ist entweder die Folge einer Störung der Blut-Hirn-Schranke und einem damit verbundenen, verstärkten Proteineinstrom oder das Ergebnis einer lokalen (intrathekalen) Produktion von Immunglobulinen (FISHMAN 1992).

Der Hauptanteil der Proteine (Albumin, Immunglobuline) des Liquor cerebrospinalis entstammt dem Blutplasma oder entsteht nach Entzündungsreaktion infolge einer intrathekalen Produktion. Die übrigen Proteine werden im ZNS selbst gebildet;

trotzdem sind sie selten spezifisch für das Gehirn (THOMPSON 1988). Diese so genannten „brain-derived proteins“ können entsprechend ihrer unterschiedlichen Herkunft aus dem Gehirnparenchym in drei Gruppen unterteilt werden (REIBER 2001):

1. Proteine aus Neuronen und Gliazellen wie z.B. Tau-Protein, S-100, NSE (Neuronen-spezifische Enolase)

2. Proteine aus den Leptomeningen wie z.B. β-trace Protein, Cystatin C

3. Proteine mit einem zusätzlichen Anteil aus der Blutbahn wie z.B.

Transthyretin, ACE (angiotensin converting enzyme).

Die Analyse dieser speziellen Proteinfraktionen stellt in der Humanmedizin eine wichtige Erweiterung der Liquordiagnostik dar (REIBER 2001). So können erhöhte Gehalte an Tau-Protein im CSF beim Menschen einen Hinweis auf das Vorliegen einer Alzheimer Erkrankung geben (BLENNOW et al. 1995; ANDREASEN et al.

1998). Die gezielte Messung einzelner Immunglobuline hat auch in der Tiermedizin bereits an Bedeutung gewonnen, da gezeigt werden konnte, dass eine simultane Erhöhung von Immunglobulin A in Serum und Liquor ein starkes Indiz für das Vorliegen einer steril-eitrigen Meningitis-Arteriitis ist (TIPOLD u. JAGGY 1994).

Die vorliegende Arbeit gibt einen Überblick über die Bedeutung der Analyse des CSF in der neurologischen Diagnostik mit dem Schwerpunkt der Bestimmung von Immunglobulin A bei der kaninen steril-eitrigen Meningitis-Arteriitis sowie der Messung von Tau-Protein bei Hunden mit Bandscheibenvorfall.

Das Ziel der ersten Studie war die Etablierung und Validierung einer neuen Messmethode für die zeitnahe Bestimmung von IgA in Serum und Liquor cerebrospinalis des Hundes.

Die Einführung einer neuen Labormethode kann aus verschiedenen Gründen, wie zum Bespiel Zeitersparnis oder Kostenreduktion, erfolgen. Für die Bestimmung von Immunglobulin A in Serum und Liquor cerebrospinalis wurde bisher ein in unserem Labor entwickelter ELISA genutzt (TIPOLD et al. 1994). Der früher verwendete radial immunodiffusion assay (RID), welcher als Goldstandard anzusehen ist, steht nicht mehr zur Verfügung. Kommerziell erhältliche ELISA-Testkits sind nur für die Messung von IgA im Serum geeignet. Gründe für die Etablierung einer neuen Messmethode waren demnach:

Der Bedarf an einer alternativen Messmethode für die Bestimmung von IgA im CSF

Die Aussicht auf eine zeitnahe Bestimmung von Einzelproben

Die Möglichkeit der Messung von IgA in geringen Probenvolumina.

Der „microsphere-based immunofluorescence assay“ (MIA) wurde als potentielle neue Messmethode ausgewählt, da diesem Verfahren ein dem ELISA ähnliches Funktionsprinzip zu Grunde liegt und somit die im ELISA etablierten Antikörper genutzt werden konnten. Zudem war es bereits in anderen Studien gelungen, eine gute Korrelation zwischen den Ergebnissen beider Messverfahren aufzuzeigen

Beide Methoden benötigen eine Festphase für die stattfindende biochemische Nachweisreaktion, wobei im ELISA die flachen Böden der Mikrotiterplatten und im MIA die sphärische Oberfläche der „Beads“ diese Vorraussetzung erfüllen. Im Gegensatz zur kolorimetrischen Bestimmung der Analyten im ELISA, nutzt der MIA allerdings die Fluoreszenz zur Detektion. Durchflusszytometrische immunfluoreszenz-basierte Methoden bieten einige Merkmale, die besonders für die serologische Diagnostik wertvoll sind. Neben der Möglichkeit zur Quantifizierung der Fluoreszenzintensität und der einzelnen Betrachtung von Zell-/Partikelpopulationen ist auch die Steigerung der statistischen Genauigkeit durch die hohe Anzahl gemessener Partikel von Vorteil (MCHUGH et al. 1989).

Die Validierung einer neuen Messmethode ist ein komplexes Unterfangen.

Verschiedene Autoren in der Human- und Veterinärmedizin beschreiben unterschiedliche Vorgehensweisen bei der Gestaltung einer Methodenvalidierung und der Interpretation der Ergebnisse. Die OIE (Office International des Epizooties) hat 1996 einen Leitfaden zur Validierung von Testmethoden für die Diagnose von Infektionskrankheiten in veterinärmedizinischen Laboren erstellt. Prinzipien der Standardisierung und Validierung von ELISAs im Speziellen wurden bereits 1993 von WRIGHT et. al. diskutiert. Da die genannten Autoren sich insbesondere mit diagnostischen Tests zur Erkennung von Infektionskrankheiten bei Tieren beschäftigt haben, sind diese Protokolle für die Validierung einer Methode zur Messung von IgA mit anschließendem Vergleich der Methoden allerdings nur begrenzt geeignet.

LUMSDEN (2000) sowie JENSEN u. KJELGAARD-HANSEN (2006) beschreiben mögliche Vorgehensweisen für die Beurteilung einer neuen Messmethode und die statistische Aufarbeitung der Daten für den Methodenvergleich in der Veterinärmedizin. Neben der Abschätzung der benötigten Probenanzahl, der Definition des klinisch relevanten Messbereiches, der Bestimmung der Präzision und Reproduzierbarkeit der neuen Methode ist die Beurteilung der klinischen Anwendbarkeit von wesentlicher Bedeutung (LUMSDEN 2000; JENSEN u.

KJELGAARD-HANSEN 2006). Des Weiteren gilt es Vor- und Nachteile der neuen Methode aufzudecken und diese im Zusammenhang mit Merkmalen der Vergleichsmethode zu bewerten. Die Besonderheit des Methodenvergleichs bei

Immunoassays ist die Verwendung möglichst vieler gleicher Komponenten, denn unterschiedliche Antikörper, Puffer, Substrate und Inkubationszeiten können zu deutlichen Veränderungen der Ergebnisse führen und so eine vergleichende Bewertung unmöglich machen (LAPPIN 2000). Wie bereits erwähnt, war es durch das ähnliche Funktionsprinzip beider Methoden möglich, die gleichen Antikörper einzusetzen. Um eine optimale Standardkurve zu erhalten, musste allerdings eine Anpassung der Verdünnung des Sekundärantikörpers (Maus-gegen-kanines-IgA) erfolgen. Bei einer Verdünnung von 1:2,5 zeigte sich ein sigmoidaler Verlauf der Standardkurve, anhand derer die IgA-Konzentrationen der insgesamt 44 korrespondieren Serum- und Liquorproben berechnet werden konnten.

Präzision und Reproduzierbarkeit einer Methode werden durch Intra- und Interassay- Varianz, ausgedrückt als Variationskoeffizient, beschrieben. Die Intraassay-Varianz für die Bestimmung von IgA im Liquor cerebrospinalis lag bei beiden Methoden in einem sehr guten Bereich (Beads: 5,5%, ELISA: 4,09%). Im Serum zeigte sich allerdings ein deutlicher Unterschied zwischen den Methoden (Beads: 11,2%, ELISA: 4,0%), welcher dann auch bei der Interassay-Varianz für Serum und Liquor festgestellt wurde (Beads CSF: 41,9% Serum: 42,6%; ELISA CSF: 29,7%

Serum: 16,1%). Diese hohe Variabilität des MIAs könnte einerseits durch Quervernetzungen zwischen den Beads, die den Anteil freier Antikörperbindungs-stellen reduzieren und so zu Messschwankungen führen, oder andererseits durch unspezifische Bindungsreaktionen mit sonstigen im Serum enthaltenen Proteinen hervorgerufen worden sein.

Der Vergleich der Methoden nach BLAND u. ALTMAN (1986) ergab für die CSF-Proben zunächst eine gute Übereinstimmung, da 97,3% der Messwerte im Bereich der „limits of agreement“ lagen. Bei genauer Betrachtung des Bland-Altman-Plots wurde allerdings die große Spannweite des Übereinstimmungsintervalls deutlich, so dass letztendlich nur noch eine moderate Konformität bestätigt werden konnte.

Die bei den Serumproben ermittelte große Streuung und Verzerrung der Daten mit weit auseinander liegenden Grenzen des Übereinstimmungsintervalls waren nicht

Um zu prüfen, ob der MIA für die Diagnosestellung der SRMA geeignet ist, wurde ein zusätzlicher Vergleich der Messwerte anhand des klinischen Referenzbereiches durchgeführt. Bei den Liquorproben stimmten 84,2% der mit den Beads gemessenen Werte mit der im ELISA ermittelten IgA-Konzentration überein. Somit ist der MIA als Methode zur Messung von IgA im Liquor gut anwendbar, aber nicht geeignet für die Konzentrationsbestimmung im Serum, da hier nur 18,2% der Werte übereinstimmten.

Die mit dem kommerziell erhältlichen ELISA gemessenen IgA-Konzentrationen im Serum waren weder mit den Ergebnissen des ELISAs nach TIPOLD et al. (1994), noch mit den Messwerten des MIAs vereinbar. Dies bestärkt den Gedanken, dass jeder Test individuell und in Zusammenhang mit seinen eigenen Referenzbereichen bewertet werden sollte (JACOBSON u. ROMATOWSKI 1996). Die Tatsache, dass in der veterinärmedizinischen Literatur uneinheitliche Referenzwerte für die IgA-Konzentrationen in Serum und Liquor zu finden sind, unterstreicht die Notwendigkeit, allgemein anerkannte Werte für IgA-Konzentrationen bei Hunden anzugeben bzw. zu erarbeiten (REYNOLDS u. JOHNSON 1970; HEDDLE u. ROWLEY 1975;

FELSBURG et al. 1985; GLICKMAN et al. 1988; SCHREIBER et al. 1992; TIPOLD et al. 1994; GRIOT-WENK et al. 1999).

Verschiedene Faktoren hatten einen limitierenden Einfluss auf die Studie. Zum einen fehlte zum Vergleich ein definitiver Goldstandard, denn der ELISA stellte lediglich eine Referenzmethode dar. Somit gestaltete sich die Validierung der neuen Methode schwierig und es war ausschließlich ein Vergleich der Methoden untereinander möglich. Zum anderen gab es einen Unterschied in den verwendeten Verdünnungs-stufen des Sekundärantikörpers. Dies führte zu einer nicht komplett gleichartigen, materiellen Ausgangsbasis und muss somit als mögliche Ursache für die detektierten Variationen in Erwägung gezogen werden.

Schlussfolgernd lässt sich sagen, dass der MIA den ELISA nicht ersetzen wird, die Methode aber durchaus Vorteile mit sich bringt. Es konnte gezeigt werden, dass die Methode einfach durchzuführen ist und dass trotz der statistisch gesehenen eher geringen Übereinstimmung eine gute klinische Anwendbarkeit für die Messung von IgA im Liquor cerebrospinalis vorliegt. Die Evaluierung eigener Referenzwerte für den MIA kann im Rahmen weiterer Studien empfohlen werden. Zusätzlich bietet der

MIA die Möglichkeit, andere Proteine (z.B. Cytokine, Chemokine), gegebenenfalls auch in Multiplex-Systemen, im Liquor zu bestimmen. Diese simultane Messung verschiedener Analyten in einer einzelnen Probe ermöglicht nicht nur eine Erweiterung der diagnostischen Möglichkeiten in der Neurologie, sondern könnte auch zur Erforschung von bisher noch unbekannten Pathomechanismen beitragen.

In der zweiten Studie wurde der Gehalt an Tau-Protein im Liquor cerebrospinalis bei 51 Hunden mit zervikalem oder thorakolumbalem Bandscheibenvorfall, sowie bei 12 gesunden Hunden bestimmt.

Bandscheibenvorfälle beim Hund sind eine häufige Ursache einer traumatischen Schädigung des Rückenmarks. Durch die komplette oder partielle Verlagerung der Bandscheibe aus ihrer physiologischen Lage zwischen den Wirbelkörpern entsteht eine mehr oder weniger starke Kompression des Rückenmarks mit Durchblutungs-störungen und Hypoxie als Konsequenz (JAGGY 2005). Die Weiterleitung von neuronalen Signalen wird aufgrund der direkten physikalischen Durchtrennung von Axonen oder durch den negativen Einfluss von Blutungen und Ödemen in der Umgebung gestört (ANDERSON u. HALL 1993). Zusätzlich kann es im weiteren Verlauf durch eine Kaskade sekundärer pathophysiologischer Reaktionen zur Nekrose und Apoptose von Nervenzellen kommen (PLATT u. OLBY 2004).

Der Untergang neuronaler Zellen resultiert in der Freisetzung von intrazellulären Bestandteilen, darunter auch Tau-Protein, in das umliegende Gewebe, von wo aus sie in den Liquor cerebrospinalis gelangen (SEGAL 1993). Da Tau-Protein primär in den Nervenzellen und dort besonders in den Axonen lokalisiert ist, wurde die Hypothese aufgestellt, dass Tau-Protein als Biomarker für axonale Schäden dienen könnte (BINDER et al. 1985).

In der Vergangenheit ist eine Vielzahl von Biomarkern auf ihr Potential axonale Zellschäden zu quantifizieren untersucht worden. So erlauben zum Beispiel die Konzentrationen an Neurofilament-, sauren Gliafaser- und S-100beta-Proteinen in der Gehirnrückenmarksflüssigkeit die Abschätzung neuronaler Schäden bei

Studien in der Humanmedizin an Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma bzw. mit Rückenmarksverletzungen konnten zeigen, dass die Konzentration von Tau-Protein im Liquor cerebrospinalis im Zusammenhang mit der Schwere neurologischer Defizite der Patienten steht (ZEMLAN et al. 1999; KWON et al. 2010).

Das Ausmaß der Rückenmarksläsionen bei einem Bandscheibenvorfall ist variabel und dementsprechend variieren auch die resultierenden neurologischen Defizite, die von Hyperästhesien im Bereich der Wirbelsäule bis zu vollständigen Lähmungen der Gliedmaßen reichen können (JAGGY 2005). Grundsätzlich gesehen ist der Bandscheibenvorfall eine gut zu therapierende Erkrankung. Für die Entscheidung, welches Therapiekonzept zum Einsatz kommt, ist die Einschätzung der Prognose von großer Bedeutung.

In den letzten Jahren wurden insbesondere die Beurteilung der Tiefensensibilität sowie die Befunde der Magnetresonanztomographie als Anhaltspunkte für die Stellung der Prognose verwendet (SCOTT 1997; LEVINE et al. 2009; BOEKHOFF et al. 2012). Da aber auch Hunde mit Verlust des Tiefenschmerzens eine Erholungs-chance von 43 bis 75% besitzen, und da das Auffinden von veränderten Signalintensitäten im betroffenen Rückenmarksabschnitt im MRT nicht zwangsläufig auf Gewebsnekrosen und -malazien schließen lässt, bedarf es weiterhin eines verlässlichen prognostischen Faktors (YOVICH et al. 1994; DUVAL et al. 1996;

FLANDERS et al. 1999; OLBY et al. 2003; ITO et al. 2005; RUDDLE et al. 2006).

Aus diesem Grund beschäftigten sich verschiedene, in den letzten Jahren erschienene Veröffentlichungen, mit Möglichkeiten zur genaueren Stellung der Prognose von Bandscheibenvorfällen beim Hund, wobei auch Studien mit Analyse unterschiedlicher Substanzen im Liquor cerebrospinalis durchgeführt wurden.

Ein Zusammenhang zwischen dem Grad der neurologischen Defizite und den Konzentrationen an Glutamat und Beta-2-Microglobulin im Liquor wurde entdeckt (OLBY et al. 1999; MUÑANA et al. 2007). Messungen der Kreatinkinase und des Myelin-basischen Proteins ergaben signifikant höhere Werte bei Hunden, die nach der Operation keine Spontanbewegungen aufwiesen (LEVINE et al. 2010;

WITSBERGER et al. 2012). SRUGO et al. (2011) zeigten, dass eine Pleozytose mit der Schwere der Rückenmarksläsion korreliert. Der prozentuale Anteil an

Makrophagen, sowie die Aktivität der Kreatinkinase im Liquor sind mögliche prognostische Indikatoren (SRUGO et al. 2011; WITSBERGER et al. 2012).

In der vorliegenden Studie wurden die Zusammenhänge zwischen der Anamnese (Dauer der Erkrankung, Vorbehandlung), dem Grad der neurologischen Symptome, den Befunden der bildgebenden Diagnostik (Magnetresonanztomographie), dem Verlauf während des stationären Aufenthaltes und der Konzentration des Tau-Proteins im Liquor cerebrospinalis beurteilt.

Tau-Protein gehört nicht in die Gruppe der sekretorischen Proteine, so dass bei gesunden Hunden niedrige Messwerte im Liquor erwartet werden. Diese Vermutung wurde durch die geringen Konzentrationen an Tau-Protein bei den gesunden Kontrollhunden in dieser, sowie in einer vorhergehenden Studie, bestätigt (TANAKA et al. 2011).

Aufgrund des schmaleren Epiduralraums im Bereich der thorakolumbalen Wirbel-säule verursachen Bandscheibenvorfälle mit gleichen dynamischen Eigenschaften und identischem Volumen an extrudiertem Material in dieser Region in der Regel schwerere Schäden als im Bereich der Halswirbelsäule (BRISSON 2010). Diese Beobachtung bestätigte sich in der Studie durch höhere Tau-Protein-Konzentrationen bei Patienten mit thorakolumbalem Bandscheibenvorfall im Vergleich zu Hunden mit zervikaler Läsion, auch wenn dieser Unterschied keine Signifikanz erreichte.

Vorhergehende Studien an der Klinik für Kleintiere verdeutlichten die Bedeutung der Befunde im MRT für die Stellung der Prognose (BULL 2006; BOEKHOFF 2010).

Eine intramedulläre hyperintense Läsion in der T2-gewichteten MRT-Sequenz, die mindestens der Länge des zweiten Lendenwirbelkörpers entspricht, korreliert signifikant mit einem schlechteren Genesungserfolg (ITO et al. 2005). Solch eine Hyperintensität des Myelon kann durch pathologische Prozesse wie Nekrosen, Myelomalazien, Blutungen oder Ödeme bedingt werden (SANDERS et al. 2002).

Aufgrund dieser multifaktoriellen Genese ist es nicht überraschend, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen erhöhten Tau-Protein-Gehalten im Liquor cerebrospinalis und einer Hyperintensität des Rückenmarks in der T2-gewichteten

T2-gewichteten hyperintensen Läsionen im Myelon tendenziell höhere Tau-Protein-Konzentrationen aufwiesen als Hunde ohne einen derartigen MRT-Befund.

Eine Behandlung mit Glukokortikosteroiden bei Hunden mit Enzephalitiden äußert sich in signifikant niedrigeren Tau-Protein-Konzentrationen im Liquor (TANAKA et al.

2011). Im Gegensatz dazu konnte in der vorliegenden Studie bei Hunden mit Bandscheibenvorfällen kein eindeutiger Effekt durch die Gabe von steroidalen Antiphlogistika auf den Tau-Protein-Gehalt im Liquor nachgewiesen werden. Es gab eine leichte Tendenz, dass Hunde unter Glukokortikosteroid-Einfluss geringere Tau-Messwerte aufzeigen, aber diese Beobachtung erreichte keine Signifikanz.

Glukokortikosteroide werden oft mit der Absicht verabreicht, die Kaskade sekundärer Pathomechanismen zu beeinflussen, um Schäden im Rückenmark zu minimieren (HALL 1993). Der tatsächliche Nutzen dieser Behandlung ist allerdings umstritten, unter anderem aufgrund der potentiellen Nebenwirkungen (FADEN et al. 1984;

OLBY 1999; DAVIS u. BROWN 2002).

BOEKHOFF et. al (2012) konnten zeigen, dass das Ausmaß der Rückenmarks-kompression signifikant mit der Dauer des Krankheitsgeschehens ansteigt. Eine Assoziation zwischen den Tau-Protein-Messwerten und der Zeitspanne der Erkrankung ließ sich jedoch nicht nachweisen. Eine mögliche Erklärung dafür ist die Tatsache, dass eine Kompression des Rückenmarks auch durch Ödeme und Blutungen hervorgerufen werden kann. Dies sind potentiell reversible Erscheinungen und müssen daher nicht in einer erhöhten Menge an geschädigtem neuronalem Gewebe respektive einer gesteigerten Tau-Protein Freisetzung resultieren.

Die Tau-Protein-Konzentration im Liquor cerebrospinalis von Hunden mit Band-scheibenvorfällen korreliert sowohl mit dem Grad der neurologischen Symptome als auch mit dem Krankheitsverlauf. Hunde, die eine Besserung des neurologischen Status innerhalb von einer Woche zeigten, hatten signifikant niedrigere Tau-Protein-Messwerte als Hunde, bei denen keine Verbesserung der Symptomatik innerhalb dieses Zeitraums auftrat (p = 0,015). Eine noch deutlichere Signifikanz erreichte der genannte Zusammenhang bei alleiniger Betrachtung des Krankheitsverlaufes der plegischen Hunde (p = 0,008). Der mittels der ROC-Kurvenanalyse errechnete Grenzwert von 41,3 pg/ml lässt schlussfolgern, dass bei höheren

CSF-Tau-Protein-Messwerten ein ungünstigerer klinischer Verlauf bei plegischen Hunden wahrscheinlich ist. Die Beobachtungen dieser Studie decken sich mit Erkenntnissen aus der Humanmedizin (KWON et al. 2010) und bestätigen die eingangs gestellte Hypothese, dass die Tau-Protein-Konzentration im Liquor mit der Schwere der Schädigung des Rückenmarks bei Hunden mit Bandscheibenvorfall korreliert.

Einen limitierenden Einfluss auf die Ergebnisse hatte die Entnahme des Liquor cerebrospinalis aus der Cisterna cerebellomedullaris. Aufgrund des vorwiegend caudalen Flusses der Gehirnrückenmarksflüssigkeit bieten lumbal gewonnene Liquorproben in der Regel eine größere Sensitivität für die Detektion von Pathologien im Bereich des thorakolumbalen Rückenmarks, bergen aber auch ein höheres Risiko der iatrogenen Blutkontamination (THOMSON et al. 1989, 1990). Die vorliegenden Ergebnisse könnten somit den tatsächlichen Gehalt an Tau-Protein im Liquor noch unterschätzen, insbesondere bei Hunden mit thorakolumbalen Bandscheiben-vorfällen.

Neben den klinisch bedeutsamen Erkenntnissen ist auch die Probenhandhabung ein wichtiger Aspekt für die Etablierung der Messung des Tau-Proteins in der veterinärmedizinischen Liquordiagnostik. Weder eine längere Lagerung noch wiederholtes Auftauen und Einfrieren (bis zu sechs Zyklen) beeinflussen die Tau-Protein-Konzentration im CSF (SCHOONENBOOM et al. 2005). Das Material der Teströhrchen kann jedoch die Messergebnisse von bestimmten Proteinen im Liquor beeinträchtigen. Auch wenn keine bedeutende Abnahme der Konzentration an Tau-Protein bei der Verwendung von Polystyrol-Röhrchen bemerkt werden konnten, ist es trotzdem empfehlenswert, nicht absorbierende Polypropylen-Röhrchen, welche definitiv keine Auswirkungen auf die Messwerte haben, zu verwenden (SJÖGREN et al. 2001).

Die Studie konnte zeigen, dass Tau-Protein bei Hunden im Liquor cerebrospinalis mit einem kommerziell erhältlichen ELISA messbar ist und dass die Konzentration an Tau-Protein mit dem Schweregrad der Rückenmarksschäden bei Hunden mit Bandscheibenvorfällen korreliert. Damit eignet sich Tau-Protein als Biomarker für

angesehen werden. Die bestmögliche Einschätzung der Prognose gelingt durch eine Kombination verschiedener diagnostischer Mittel. Der Gehalt an Tau-Protein im Liquor ergänzt die Befunde der klinischen Untersuchung und bildgebenden Diagnostik und schafft damit eine gute Basis für die Stellung der Prognose.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Analyse spezifischer Proteine im Liquor cerebrospinalis wichtige Hinweise für die Diagnose und Prognose neurologischer Erkrankungen liefert. Bei der kaninen steril-eitrigen Meningitis-Arteriitis ist das Ergebnis der parallelen Bestimmung von Immunglobulin A in Serum und Liquor ein entscheidendes Kriterium für die Stellung der Diagnose. Bei Hunden mit einem Bandscheibenvorfall kann Tau-Protein als Biomarker das Ausmaß der Rückenmarksschäden beschreiben und so zur besseren Einschätzung der Prognose beitragen.