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1. Einführung und Grundlagen

1.1 Spondyloarthritis

1.1.2 Ätiologie und Pathogenese

Ätiologie und Pathogenese der SpA sind bis heute nicht umfassend geklärt. Es gilt als wahrscheinlich, dass die Interaktion zwischen Bakterien und HLA-B27 eine entscheidende Rolle spielt. Am Anfang des pathologischen Immunprozesses steht eine bakterielle Stimulation, im weiteren Verlauf besteht aber eine Immunantwort auf ein bisher noch nicht näher definiertes Selbstantigen.

Zur Zeit wird die Hypothese des „arthritogenen Peptids“ favorisiert. Demnach wäre die SpA Folge einer durch T-Lymphozyten vermittelten Reaktion gegen arthritogene Peptide, indem sie eine Immunantwort gegen bakterielle Antigene einleiten oder eine Kreuzreaktion gegenüber Peptiden von Autoantigenen auslösen (Miehle 2006). Es ist nachgewiesen, dass HLA-B27 die intrazelluläre Persistenz grammnegativer arthritogener Bakterien verlängert. In Studien wurde gezeigt, dass das Immunsystem der SpA-Patienten Antikörper gegen verschiedene Bakterien (Klebsiellen, Escherichia coli, Chlamydia trachomatis, Ureaplasma urealyticum usw.) bildet. Bei 60% dieser Erkranken wurden Darmentzündungen nachgewiesen.

Zytokine spielen in der Immunantwort eine ganz wesentliche Rolle. Bei Patienten mit SpA liegt ein relativer Mangel an TNF-α-positiven T-Zellen vor (Braun/Sieper 2002). Die proentzündlichen Eigenschaften von TNF- α und das dramatisch positive Ansprechen der Spondylitis ankylosans auf die Therapie mit TNF-α-Antagonisten lassen vermuten, dass TNF-α Teil der Pathogenese der Spondylitis ankylosans ist (Miehle 2006).

Eine immunologische Studie konnte T-Zellen und Makrophagen in den akut entzündeten Gelenken nachweisen, die Immunantwort auf Fremd- oder Selbstantigene wurde als wichtiger pathogenetischer Aspekt und der immunhistochemische Nachweis von TGF-beta (transforming growth factor) und BMP (bone morphogenic protein) als möglicher Auslöser der Ankylose postuliert (Rihl 2009).

In verschiedenen Ländern wurde von Forscherteams eine genomweite Suche nach genetischen Mutationen durchgeführt. Zwei Gene, die an der Pathogenese beteiligt sind,

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wurden im Jahr 2007 entdeckt: Es handelt sich dabei um ARTS1 und IL23R (Hohmann 2007).

Baerlecken, Nothdorft, Stummvoll, Sieper, Rudwaleit et al. konnten 2013 eine hohe Prävalenz spezifisch für die HLA-Klasse-II-assoziierten invarianten Kette Peptid (CLIP) bei Patienten mit axialer Spondyloarthritis anti-CD74-Antikörper nachweisen. Somit spielen genetische Komponenten eine signifikante Rolle in der Pathogenese, sowie in der frühen Diagnostik (wie zum Beispiel die vor kurzem entdeckten Gene ERAP-1 und den IL23-Rezeptor).

Des Weiteren ist nicht auszuschließen, dass zusätzlich mechanische Triggerung durch (Micro)traumatica im Bereich knorpeliger und enthesialer Strukturen entscheidend ist.

Entzündungsreaktionen liegen bei der rheumatoiden Arthritis in der Synovialis, bei Morbus Bechterew hingegen nur im Bereich der Knochen-Knorpel-Grenze vor. Für letzte Gruppe sind auch die erosiv-destruktiven und osteoproliferativen Veränderungen, als Folge vorbestehender Entzündungen an der Wirbelsäule (Syndesmophyten), spezifisch.

Die Neurotrophine (nerve growth factor) wurden bei entzündlichen Atemwegserkrankungen, Psoriasis, entzündlichen Darmerkrankungen und Arthritiden an der humoralen Immunantwort als beteiligt und proangiogenetischer Faktor identifiziert (Barthel 2011).

Entsprechend dem „Enthesitis-Konzept“, präsentiert eine Antigen-präsentierende Zelle ein arthritogenes Peptid – via HLA-B27 – der T-Zelle. Zusätzlich nötig ist ein kostimulatorisches zweites Signal: aus Autoantigen(en) aus dem Knorpel und den Knochen, die durch biomechanischen Stress, ein Trauma, ein Mikrotrauma, die veränderte Vaskularisation und letztlich die Ablagerung von Bakterien oder bakteriellen Molekülen an der Enthese, zu einem Anstieg von IL-, TNF-α und Heat-Shock-Protein führen, wodurch NF-kB und andere Transkriptionsfaktoren erhöht werden (Miehle 2006).

In den erkrankten Gelenken sind T-Helferzellen, zytotoxische T-Zellen, Makrophagen und erhöhte TNF-α-Spiegel nachweisbar, im Serum liegen oft Antikörper gegen Enterobakterien aus der Darmflora vor (Manger 2009). Bei der Spondylitis ankylosans beginnt die Gelenkverknöcherung im Stratum fibrosum der Kapsel, und zwar an ihrem Knochenansatz.

Die Ossifikation des Gelenkknorpels erfolgt sekundär.

9 1.1.3 Diagnose

Verschiedene entzündliche Erkrankungen der Wirbelsäule können unter dem Oberbegriff axiale Spondyloarthritis (axiale SpA) zusammengefasst werden. Zwei Beispiele für solche rheumatischen Erkrankungen sind Morbus Bechterew (ankylosierende Spondylitis/AS) und die axiale Spondyloarthritis ohne Röntgenbefund einer AS (nicht-röntgenologische axiale Spondyloarthritis) (Kiltz et al. 2013).

Die Diagnostik der Spondyloarthritis beginnt mit der Anamnese. Hierbei ist auf dumpfe, oft nächtlich betonte, tief sitzende und länger als drei Monate anhaltende Kreuzschmerzen (die sich bei Bewegung bessern), Morgensteifigkeit, Husten- oder Niesschmerz im Thorax und im Rücken, chronisch entzündliche Rückenschmerzen, Sehnen-, Bandansatzentzündungen, Arthritiden, meist zuerst in stammnahen, dann auch in peripheren Gelenken, Regenbogenhautentzündungen, Allgemeinsymptomen wie Müdigkeit, Gewichtsverlust, depressive Verstimmung, eine positive Familienanamnese und gute Wirkung von kortisonfreien Entzündungshemmern zu achten. Nach einem klinischen Befund ist eine Einschränkung der Lendenwirbelsäulenfunktion beim nach vorne Beugen/nach hinten Strecken, rechts/links seitwärts Neigen und recht/links Drehen auszumachen (zu Messungen an der Wirbelsäule gehören: Heppscher Blickwinkel, Kinn-Jugulum-Abstand, Targus-Wand-Abstand, Hinterhaupt-Wand-Targus-Wand-Abstand, Ottsches Zeichen, Stiborsches Zeichen, Schobersches Zeichen, Macrae-Wright-Zeichen, Atembreite, Zeichen nach Franke, Smythe-Test, Finger-Boden-Abstand, Seitneigung und Drehung der HWS, BWS, LWS). Die Differenz zwischen maximaler Ein- und Ausatmung ist verringert, ebenso die Beweglichkeit des knöchernen Brustkorbs (weniger als 4 cm). Weitere Untersuchungsmethoden sind der Brustkorbkompressionstest, das Suchen nach besonders schmerzhaften Wirbelkörpern sowie die Bewegungsmöglichkeiten von Schulter-, Hüft- und Kniegelenken, die immer untersucht werden sollten.

Synchondrosen sind typische Merkmale der Spondylitis. Das Vorliegen von Entzündung an Bändern, Sehnen und Gelenkkapseln (Enthesitis), dort wo sie in den Knochen einmünden, ist für die Spondylitis ankylosans charakteristisch (Miehle 2006).

Häufig liegt eine einseitige Kreuzdarmbeingelenkentzündung (diskret oder ausgeprägt oder schon knöchern durchbaut) vor. Dies kann durch Röntgen, Ultraschall, Magnetresonanztomographie oder Computertomographie nachgewiesen werden. Früher wurde für die Objektivierung einer Sakroiliitis noch die Szintigraphie eingesetzt, die aber unspezifisch ist. Außerdem schließt sich noch der Nachweis von HLA-B27, IL-6, Antikörpern

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gegen CD74 mit Laborparametern der Entzündung (BSG, CRP, Thrombozytenzahl) an. Ein nicht nachweisbares HLA-B27 hat größeren diagnostischen und differenzialdiagnostischen Wert als ein nachgewiesenes (Miehle 2006).

Die SpA verläuft meist mit mäßigen unspezifischen Entzündungszeichen (Miehle 2008).

Nach den 1984 modifizierten New Yorker Kriterien ist die SpA sicher, wenn ein Röntgenzeichen und ein klinisches Zeichen vorhanden ist, und wahrscheinlich, wenn alle klinischen Kriterien ohne das Röntgenkriterium vorhanden sind. Zur früheren Klassifikation der Krankheit werden heute die ASAS-Kriterien benutzt.

2009 wurde die ASAS-Klassifikation für axiale SpA veröffentlich (Rudwaleit, Braun, Sieper 2009). Ein entzündlicher Rückenschmerz liegt demnach vor, wenn mindestens 4 oder 5 der folgenden Kriterien erfüllt sind. Die ASAS-Definition des entzündlichen Rückenschmerzes (ERS) bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen von mehr als drei Monaten (Sieper et al. 2009) lautet:

 Beginn vor 40. Lebensjahr,

 schleichender Beginn,

 Besserung durch Bewegung,

 keine Besserung durch Ruhe,

 nächtlicher Rückenschmerz.

Nach der ASAS-Definition kann die axiale Spondyloarthritis in eine frühe, sogenannte nicht-röntgenologische, und eine spätere, nicht-röntgenologische, Form unterteilt werden. Letztere entspricht dem Stadium der ankylosierenden Spondylitis, das früher auch als Morbus Bechterew bezeichnet wurde. SASSS und BASRI sind Maße um die im Röntgenbild sichtbare knöcherne Wirbelsäulenversteifung zu charakterisieren.

Die Diagnose der axialen Spondyloarthritis (ax SpA) auf Erkennung von charakteristischen entzündlichen oder strukturellen Veränderungen (oder einer Kombination von beiden) in der Wirbelsäule und Iliosakralgelenke basiert auf die Arbeit von Baraliakos et al von 2011.

Das röntgenologische Stadium kann nach den ASAS-Klassifikationskriterien erfasst werden:

 Stadium I (nicht radiologische Sakroiliitis),

 Stadium II (radiologische Sakroiliitis),

 Stadium III (radiologische Sakroiliitis mit aszendierendem Befall der Wirbelsäule).

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Laut Rudwaleit et al. (2009) muss für aktive entzündliche Läsionen des Sakroiliakalgelenks ein für Sakroiliitis spezifisches subchondrales Knochenmarködem bzw. Osteitis vorhanden sein.

Des Weiteren sind, hinsichtlich technischer Aspekte, STIR-Sequenzen normalerweise ausreichend, um aktive entzündliche Läsionen zu identifizieren, eine Ausnahme bildet die Synovitis, die nicht alleine in der STIR-Sequenz diagnostizierbar ist.

Bei nur einem vorliegenden Signal (einer Läsion), ist es notwendig, dass diese in mindestens 2 Schichten in der MRT-Aufnahme vorliegt. Bei mehreren Signalen (Läsionen), ist lediglich eine Schicht zur Diagnostik notwendig.

Weitere Symptome können Synovitis, Kapsulitis oder Enthesitis, ohne damit einhergehende subchondrales Knochenmarktödem/Osteitis sein, sind aber nicht ausreichend für die Diagnostik einer aktiven Sakroilitiis.

Ein Knochenmarködem/Osteitis im Sakroiliakalgelenke wird, nach Rudwaleit et al. (2009), in der fettgesättigten T1-Wichtung mit Kontrastmittel und/oder in der STIR-Aufnahme als hyperintenses Signal dargestellt. Je stärker das hyperintense Signal ist, desto eher handelt es sich um eine aktive (akute) Entzündung. Die Stärke des hyperintensen Signals ist dabei vergleichbar mit der von Blutgefäßen oder Liquor. In der T1-Sequenz stellt sich das Knochenmarködem hypointens dar. Das Knochenmarködem ist ein Indikator für aktive Sakroiliitis, kann aber auch im Rahmen andere Pathologien vorhandeln sein. Des Weiteren ist die Entzündung im Knochenmark periartikulär lokalisiert. Das Knochenmarködem kann mit strukturellen Veränderungen, z. B. Erosionen, assoziiert sein.

1.1.4 Krankheitsverlauf

Die Spondyloarthritis kann sehr unterschiedlich verlaufen, sowohl mit einer milden, symptomarmen Entzündung der Kreuzdarmbeingelenke ohne Beteiligung der Wirbelsäule, aber auch nach kurzer Zeit versteifend, dies ist aber eher selten der Fall. Die Art (und somit auch die Schwere) des Verlaufes ist sehr differenziert und hängt von mehreren Faktoren ab.

Es ist ein meist schubweiser Krankheitsverlauf mit zunehmender Versteifung der Wirbelsäule. Im Verlauf der Spondylitis ankylosans können auch innere Organe erkranken.

Zu den Komplikationen gehören Frakturen der Wirbelsäule mit Verletzungen des Rückenmarks, Visusverschlechterung durch eine rezidivierende akute Iritis/Iridozyklitis,

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Ateminsuffizienz durch Kostovertebral- und Sternokostalarthritiden mit Einschränkung der knöchernen Compliance, kardiale Manifestationen durch vorhofnahe Myokarditiden, atrioventrikuläre Leistungsstörungen, eine Mesaortitis, Perikarditiden. Auch Darmentzündungen, Prostatitis, Urethritis und Amyloidose der Nieren sind nicht selten im Rahmen der Spondylitis ankylosans.

Die aktuelle Aktivität und Funktion wird zum einen mit Fragebögen (Bath Ankylosing Spondylitis Disease Activity Index (BASDAI), Bath Ankylosing Spondylitis Functional Index (BASFI), Bath Ankylosing Spondylitis patient Global score (BAS-G), zum anderen mittels Protokollen zur Quantifizierung ärztlicher Befunde (Bath Ankylosing Spondylitis Metrology Index (BASMI), Bath Ankylosing Spondylitis Radiology Index (BASRI)) erhoben.

In der Praxis werden verschiedene Parameter für die Ermittlung des ASDAS und zur Überwachung der Krankheitsaktivität verwendet (van der Heijde et al. 2009). Dazu gehört der Rückenschmerz (BASDAI, Frage 2), das allgemeine Patientenurteil, periphere Schmerzen oder Schwellungen (BASDAI, Frage 3), die Dauer der Morgensteifigkeit (BASDAI, Frage 6) und das C-reaktive Protein (CRP) in mg/l, bzw. die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) in mm/h.

1.1.5 Therapie

Ein unverzichtbarer Bestandteil der Therapiekonzepte zur Erhaltung und Verbesserung der körperlichen Funktionsfähigkeit bei Spondyloarthritis sind krankengymnastische und ergotherapeutische sowie komplexe Maßnahmen der physikalischen Therapie. Daneben kommen Medikamente, wie zum Beispiel nichtsteroidale Antirheumatika, Analgetika und verschiedene lang wirksame krankheitsmodifizierende Medikamente sowie manchmal auch Operationen wie ein Gelenkersatz oder eine Fixierungs- und Aufrichtungsoperation zum Einsatz.

Die medikamentöse Basistherapie der SpA hat nicht annähernd den gleichen Stellenwert wie beispielsweise bei der chronischen Polyarthritis (Mathis/Schneider 1984). Während Basistherapeutika wie Sulfasalazin, Azathioprin oder Methotrexat eine nachgewiesene Wirkung auf die periphere Arthritis besitzen, haben sie aber keinen Effekt auf die Wirbelsäulenmanifestation oder gar auf die Sakroiliitis. Es besteht sogar bei einer hohen systemischen Entzündung (hohe BSG/hohes CRP/Erhöhung der γ-Globuline) die Gefahr der Amyloidose. Symptomatisch kommt nur eine Behandlung mit nichtsteroidalen Antirheumatika nach den allgemeinen Richtlinien in Frage (Mathis/Schneider 1984). Cortison-Präparate sind

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bei der SpA nicht indiziert, da sie selten wirksam bzw. notwendig sind. Steroide verabreicht man meist zur Lokaltherapie der ISG unter CT-Kontrolle.

Die ASAS/EULAR-Empfehlungen zur Therapie mit NSAR sind (Braun et al. 2011):

1. Konventionelle NSAR und Coxibe sollten als `first-line`-Therapie zur Behandlung von Schmerz und Steifigkeit verwendet werden.

2. Eine kontinuierliche Einnahme wird bei Patienten mit konstant aktiver und symptomatische Erkrankung empfohlen.

3. Kardiovaskuläre, gastrointenstinale und renale Risiken sollten bei der Verordnung immer in Betracht gezogen werden.

In den letzten Jahren sind zusätzlich neue medikamentöse Behandlungsoptionen entwickelt worden, insbesondere die so genannte Biologika-/Anti-Zytokin-Therapie, die den Tumornekrosefaktor-α (TNF-α) suffizient hemmen (Lange et al. 2007). Mit den zur Verfügung stehenden TNF-α Inhibitoren wie Infliximab, Etanercept oder Adalimumab ist eine spezifische Hemmung möglich (Hoffman 2012). Es setzt meist eine rasche Linderung und Zunahme der Beweglichkeit ein.

Auf Initiative von ASAS und EULAR (European League Against Rheumatism) sind evidenzbasierte Empfehlungen sowohl für das Management der AS, als auch zur Therapie mit Tumor-Nekrose-faktor (TNF)-Blockern bei Patienten mit ax-SpA erstellt worden (Baraliakos et al. 2013). Studienergebnisse (van der Heijde et al. 2005) zeigen ein gut verträgliches und wirksames Therapeutikum mit TNF-Blocker zur Behandlung auf die gesamte Gruppe der ax SpA.

Aus dem Bereich der Physikalischen Therapie kommen folgende Therapieverfahren, die differenziert und gezielt eingesetzt werden müssen, in Betracht:

 Analgesie: Thermotherapie, Elektrotherapie, Ultraschall

 Entzündungshemmung: Thermotherapie (Kälte bei akuten, Wärme bei chronischen Entzündungen)

 Iontophorese und niederfrequente Elektrotherapie bei chronischen Entzündungen

 Behandlung von Bewegungsstörungen: Krankengymnastik, Ergotherapie, Sporttherapie

 Muskeldetonisation: Wärme, längerfristige Kälte, klassische Massage

 Muskelkräftigung: Krankengymnastik, Reizstromtherapie, direkte Mittelfrequenzstrombehandlung

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Zu den adjuvante Maßnahmen gehören Radon-Therapie (Bäder, Bestrahlung), osteopathische Medizin, naturheilkundliche Ansätze wie Quarkwickel, Heusacktherapie, Heublumenbäder, Stockliwickel und Schröpfkopfbehandlung (Lange 2008).

Weitere Therapiekonzepte beinhalten operative Verfahren wie zum Beispiel Synovektomien, Endoprothetik, Fixierungs- und Aufrichtungsoperationen, eventuell die Applikation von ionisierenden Strahlen (Radiumchlorid) und die hier interessierende Ganzkörper-Hyperthermie mit wassergefilterter Infrarot-A-Strahlung.

1.2 Hyperthermie 1.2.1 Definition

Unter Hyperthermie ist eine künstlich erzeugte Temperaturerhöhung („Überwärmung“) des ganzen Körpers oder einzelner Körperteile durch Wärmezufuhr von außen mittels physikalischer Methoden zu verstehen. Nach Größe des von der physikalisch erzeugten Temperaturerhöhung betroffenen Organismusbereichs sind folgende Einteilungen möglich:

 „lokale Hyperthermie“ (LHT) für eng begrenzte Bereiche,

 „regionale Hyperthermie“ (RHT) für umschriebene größere Körperbezirke,

 „Ganzkörperhyperthermie“ (GKHT), auch ,,systemische Hyperthermie'' genannt, die den gesamten Organismus einbezieht (Heckel 1990, Wagner 2007).

Eine verbreitete Form der Hyperthermie ist die Ganzkörperhyperthermie mittels wassergefilterter Infrarot-A-Strahlung nach von Ardenne. Nach Höhe der Zieltemperatur wird Ganzkörper-Hyperthermie unterteilt in eine milde Form (bis 38,5º C), eine moderate Hyperthermie (bis 41º C) und eine intensive Hyperthermie (> 41º C).

1.2.2 Thermophysiologische Grundlagen

Beschreibungen zur heilenden Wirkung der Wärmezufuhr finden sich bereits in den altägyptischen Hochkulturen (2400 v. Chr.). Schon lange bevor die moderne Medizin tiefgreifende Erkenntnisse über die Ursachen und Therapien diverser chronischer Erkrankungen besaß, setzten griechische Ärzte im 5. Jahrhundert v. Chr. Wärme und Fieber zur Behandlung verschiedenster Krankheitszustände ein.

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Die Wirkungen der Infrarottherapie beruhen im Unterschied zu anderen Spektralanteilen elektromagnetischer Strahlen nach derzeitigem Stand der Kenntnis auf ihrer weitgehend vollständigen Absorption im Körper und der dadurch bedingten Erwärmung (Krause/Stange 2012).

Eine Erhöhung der Temperatur wirkt sich auf die Aktivität biochemischer und biophysikalischer Vorgänge aus. Daher ist als Folge der Reaktionsgeschwindigkeit-Temperatur-Regel (RGT-Regel) mit einer Steigerung von Stoffwechselprozessen zu rechnen. (Die RGT-Regel ist eine Faustregel der chemischen Kinetik. Sie besagt, dass chemische Reaktionen bei einer um 10 K (bzw. 10º C) erhöhten Temperatur doppelt bis viermal so schnell ablaufen (Heckel 1990).

Hyperthermie wirkt beim Menschen über thermische und nicht thermische Effekte. Unter den physiologisch gesetzmäßigen Antworten des Organismus auf Erwärmung ist die Gefäßreaktion eine der auffälligsten Erscheinungen, eine Gefäßerweiterung, die sowohl arteriell als auch venös auftritt. Neben der direkten Gefäßwirkung sind auch indirekte reflektorisch ausgelöste Reaktionen im Sinne der Ausweitung auf andere Bezirke zu beobachten: erhöhte Zufuhr von Sauerstoff, Nährstoffen, Antikörpern, Leukozyten und eine Steigerung der Gewebs-Clearance von Stoffwechselprodukten sowie Steigerung der Lymphbildung und des Lymphflusses. Unter den Bedingungen einer allgemeinen Hyperthermie wird mit zunehmendem Anstieg der Kerntemperatur im Rahmen der Temperaturregulation das Herz-Kreislauf-System involviert (Pulsanstieg, Steigerung des Herzzeitvolumens, Abnahme des peripheren Gefäßwiderstands mit meist Reduktion des systemischen Blutdrucks, insbesondere des diastolischen Werts). Typisch ist die Umverteilung des Blutflusses in die Peripherie.

Bei einer starken Überwärmung kommt es zu Reaktionen im endokrinen Bereich, als Ausdruck stressorischer Auswirkungen in den beteiligten hormonellen Regelkreisen. Im Blut finden sich erhöhte Spiegel der Katecholamine, Adrenalin und Noradrenalin, ferner eine Aktivierung der ACTH-Cortisol-Achse sowie des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems.

Stresshormone im weiteren Sinne wie Prolactin, somatotropes Hormon und Beta-Endorphin werden vermehrt freigesetzt (Schmidt et al. 1995).

Zahlreiche Tierexperimente haben den eindeutigen Nachweis erbracht, dass eine sehr intensive Erhöhung der Körpertemperatur (über 41° C) einen immunsuppressiven Effekt hat und bei iterativer Anwendung sogar zu einer Involution der lymphatischen Organe führen kann. Eine milde oder moderate Hyperthermie (bis 40° C, bei kurzer Anwendung auch 41° C)

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hingegen wirkt immunstimulierend bzw. -modulierend und fördert verschiedene physiologische Funktionen immunkompetenter Zellen.

Auch beim Menschen besteht kein Zweifel an der antiphlogistischen Wirkung der Ganzkörperhyperthermie, die aber von der Art der Entzündung und ihrer aktuellen Aktivität abhängig ist. Eine Immunsuppression durch Hyperthermie ist nur mit sehr hohen Körpertemperaturen möglich. Viele Autoimmunkrankheiten sind schwere Allgemeinleiden mit Organbeteiligung; eine zusätzliche thermische Organschädigung ist denkbar (Schmidt 2004).

Wassergefiltertes Infrarot-A (wIRA) stellt eine spezielle Form der Infrarotstrahlung im Bereich von 780-1400nm dar. Durch die Wasserfilterung werden die Strahlungsanteile gemindert, die sonst durch Wechselwirkung mit Wassermolekülen in der Haut eine unerwünschte thermische Belastung der obersten Hautschicht hervorrufen würden. Es steigen Temperatur, Sauerstoffpartialdruck und Durchblutung im Gewebe. Wesentliche klinische Wirkungen sind – indikationsübergreifend – eine Minderung von Schmerzen, Entzündung und vermehrter Sekretion sowie eine Verbesserung der Infektabwehr und der Regulation (Krause/Stange 2012).

Die Ganzkörperhyperthermie-Anlage IRATHERM® 1000 (Abb. 1) enthält eine Bestrahlungseinheit aus sechs speziellen Halogenstrahlern, deren Bestrahlungsstärke jeweils an einem Bedientableau in 5%-Schritten bis maximal 1400 W/m2 eingestellt werden kann. Die langwelligen Infrarot-Anteile werden mittels einer Wasserschicht herausgefiltert.

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Abb. 1: Ganzkörperhyperthermie-Einrichtung IRATHEM® 1000 mit wassergefilterter Infrarot-A-Strahlung

Quelle: von Ardenne Institut, Dresden

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1.2.3 Wirkungen und Nebenwirkungen milder Ganzkörperhyperthermie mit wassergefilterter Infrarot-A-Strahlung

Physiologisch bewirkt die Ganzkörperhyperthermie eine arterielle Hyperämie mit Stoffwechselsteigerung (gesteigerter Transport von Sauerstoff, Nährstoffen, Antikörper, Phagozytose, Abtransport von Metaboliten). Durch länger andauernde Wärmewirkung wird Schmerzlinderung und Muskeldetonisierung erzielt und damit verbessert sich die Dehnfähigkeit von Bindegewebsstrukturen mit Zunahme der Mobilität und Viskositätsabnahme der Synovia. Es wird durch Wärmetherapie die Anregung des Hormonsystems und des Immunsystems provoziert. Hyperthermie führt zu histologischen Veränderungen an den lymphatischen Organen. Eine akute Hitzebelastung bewirkt eine Lymphozytenzerstörung, vermehrte Phagozytose, selten auch Nekrosen; eine iterative länger dauernde Hyperthermie verursacht eine Verkleinerung und Verringerung von Keimzentren und Follikeln bis hin zu einer Fibrose (Schmidt 2004).

Zu den bekannten Nebenwirkungen gehören eine leichte Senkung des Blutdruckes, Müdigkeit, lokale Hautrötung (selten) und leichte Fieberschüben in den Tagen nach der Behandlung.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Körperzellenveränderungen wie auch Körperfunktionsänderung von der Dauer und Intensität der Erhöhung der Körpertemperatur abhängen.

1.2.4 Indikationen und Kontraindikationen

Mögliche Anwendungsbereiche der Ganzkörperhyperthermie mit wassergefilterter Infrarot-A-Strahlung sind nach Angaben des Von Ardenne Instituts für Angewandte Medizinische Forschung:

 arterielle Hypertonie

 Verspannungen der Muskulatur, insbesondere tiefliegender Muskeln der Lumbalregion

 chronische Rückenschmerzen

 Arthrose

 Fibromyalgiesyndrom

 therapieresistente Neuralgien

 Migräne

 subakute chronische Entzündungen

 rheumatische Erkrankungen (degenerativ und subakut entzündlich)

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 Morbus Bechterew

 systemische Sklerodermie

 Rhinitis allergica

 Asthma bronchiale

 Neurodermitis

 saisonal abhängige Depression

 Krebserkrankungen (als adjuvante Maßnahme)

 Detoxifikation in der Umweltmedizin

 Regeneration bzw. Rehabilitation im Sport

Die Kontraindikationen der moderaten Ganzkörper-Hyperthermie entsprechen im Allgemeinen denen von Überwärmungsbädern und Saunagängen. Absolute Kontraindikationen sind Schwangerschaft, akute Entzündungen, Lungentuberkulose, koronare Herzkrankheit, Herzinsuffizienz, schwere Herzrhythmusstörungen, Thrombose, Marcumartherapie und Leberzirrhose.

Im Einzelfall werden im Aufnahmegespräch zu erwartende Komplikationen und individuelle Risiken besprochen. Nach über 6-jähriger Erfahrung mit dieser Behandlungsmethode traten in der Fachklinik Bad Pyrmont unter Beachtung der Kontraindikationen bisher keine ernsthaften Komplikationen auf.

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3. Material und Methoden

3.1 Studiendesign

Im Rahmen einer prospektiven monozentrischen kontrollierten nicht-randomisierten Studie, die von der Ethikkommission der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) bewilligt und mit Eigenmitteln der m&i-Klinikgruppe Enzensberg finanzierten worden war, wurden alle erwachsenen Rehabilitanden einer Rehabilitationsklinik (m&i-Fachklinik Bad Pyrmont) mit der durch einen niedergelassen Rheumatologen gestellten Einweisungsdiagnose Spondyloarthritis gebeten, an der Studie teilzunehmen. Ausschlusskriterien waren das Vorliegen von Kontraindikationen gegen Wärmetherapie (insbesondere nicht ausreichend kardiale Belastbarkeit), aktuelle oder frühere Wirbelsäulen-Operationen und mangelnde Deutschkenntnisse. Die in Betracht kommenden Patienten wurden konsekutiv aus den zugewiesenen stationären Patienten ermittelt und nach Aufklärung und schriftlicher Einverständniserklärung nicht randomisiert (Selbstselektion nach Präferenz der Patienten) drei natürlichen Gruppen zugeordnet: (1) Einer Interventionsgruppe, die zusätzlich zu einer multimodalen Standardtherapie mit sechs Einheiten einer Ganzkörperhyperthermie mit wassergefilterter Infrarot-A-Strahlung behandelt wurde, (2) einer weiteren Interventionsgruppe, die zusätzlich zu einer multimodalen Standardtherapie mit drei Einheiten Ganzkörperhyperthermie behandelt wurde und (3) einer Kontrollgruppe, die nur mit

Im Rahmen einer prospektiven monozentrischen kontrollierten nicht-randomisierten Studie, die von der Ethikkommission der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) bewilligt und mit Eigenmitteln der m&i-Klinikgruppe Enzensberg finanzierten worden war, wurden alle erwachsenen Rehabilitanden einer Rehabilitationsklinik (m&i-Fachklinik Bad Pyrmont) mit der durch einen niedergelassen Rheumatologen gestellten Einweisungsdiagnose Spondyloarthritis gebeten, an der Studie teilzunehmen. Ausschlusskriterien waren das Vorliegen von Kontraindikationen gegen Wärmetherapie (insbesondere nicht ausreichend kardiale Belastbarkeit), aktuelle oder frühere Wirbelsäulen-Operationen und mangelnde Deutschkenntnisse. Die in Betracht kommenden Patienten wurden konsekutiv aus den zugewiesenen stationären Patienten ermittelt und nach Aufklärung und schriftlicher Einverständniserklärung nicht randomisiert (Selbstselektion nach Präferenz der Patienten) drei natürlichen Gruppen zugeordnet: (1) Einer Interventionsgruppe, die zusätzlich zu einer multimodalen Standardtherapie mit sechs Einheiten einer Ganzkörperhyperthermie mit wassergefilterter Infrarot-A-Strahlung behandelt wurde, (2) einer weiteren Interventionsgruppe, die zusätzlich zu einer multimodalen Standardtherapie mit drei Einheiten Ganzkörperhyperthermie behandelt wurde und (3) einer Kontrollgruppe, die nur mit