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Die Ähnlichkeit der SPT23-Prozessierung zu NF- B gibt Hinweise auf den Mechanismus der Prozessierungsreaktion

Zielsetzung der Arbeit

1. Die Ähnlichkeit der SPT23-Prozessierung zu NF- B gibt Hinweise auf den Mechanismus der Prozessierungsreaktion

Das erste Protein, dessen Aktivierung durch proteasomale Prozessierung beschrieben wurde, war NF-κB, ein in Säugern für die Schmerz- und Immunantwort essentieller Transkriptionsfaktor (Fan und Maniatis, 1991; Palombella et al., 1994).

NF-κB existiert als Heterodimer, dessen eine Untereinheit als 105 kDa-Vorläuferprotein synthetisiert wird. Nach Ubiquitinierung wird NF-κB p105 durch das 26S-Proteasom zu einem 50 kDa-großen Protein (p50) prozessiert, welches mit einem weiteren Aktivator, p65, wechselwirkt (Baeuerle und Baltimore, 1989).

Aufgrund der beobachteten Prozessivität des Proteasoms wurde zunächst vorgeschlagen, daß p105 posttranslational vom C-Terminus beginnend durch das Proteasom abgebaut wird, bis eine glycinreiche „Stop-Transfer-Sequenz“ erreicht wird (Ciechanover et al., 2001). Die in dieser Arbeit vorgestellten Daten sowie weitere publizierte Befunde unterstützen jedoch ein alternatives, die NF-κB- und SPT23/MGA2-Prozessierung erklärendes Modell (Lin et al., 2000; Lee et al., 2001;

diese Arbeit).

Diskussion

NF-κB p105 wird sowohl post- als auch kotranslational prozessiert (Lin et al., 1998;

Lin et al., 2000; Xiao et al., 2001). Für die kotranslationale Prozessierung ist die Wechselwirkung zwischen naszierenden Ketten zweier aufeinander folgender Ribosomen essentiell. Dies führt zu Ribosom-assoziierten p105/p50-Dimeren (Lin et al., 2000). Da die naszierenden Ketten nicht vollständig synthetisiert bzw. deren C-Termini im Ribosom verborgen sind, kann die kotranslationale Prozessierung von NF-κB p105 nicht durch prozessive, am C-Terminus startende Degradation des Vorläufers erfolgen. Vielmehr muß eine endoproteolytische, von der Aktivität des Proteasoms abhängige Spaltungsreaktion postuliert werden. Die Prozessierung der ursprünglich ER-ständigen Transkriptionsfaktoren SPT23 und MGA2 stützt diese Hypothese. Im Gegensatz zu NF-κB werden SPT23/MGA2 zwar kaum kotranslational prozessiert, ihre C-Termini sind jedoch durch die Membraninsertion in gleicher Weise vor proteasomalem Angriff geschützt (Hoppe et al., 2000). Auch in der Prozessierungsreaktion von SPT23 und MGA2 kann daher ein initieller endoproteolytischer Schnitt des Proteasoms angenommen werden.

Erlaubt die bekannte dreidimensionale Struktur des Proteasoms diesen möglichen endoproteolytischen Schnitt? Das 26S-Proteasom ist eine kompartimentalisierte Protease, deren aktive Zentren im Inneren des Komplexes verborgen sind (Löwe et al., 1995; Groll et al., 1997). Der Zugang zur proteolytischen Kammer wird durch die Wechselwirkung der AAA-ATPase RPT2 des 19S-Regulatorpartikels mit N-terminalen Extensionen der α-Untereinheiten des Kernpartikels kontrolliert (Köhler et al., 2000; Groll et al., 2001). Wird der Zugang zum Proteasom in einer ATP- und RPT2-abhängigen Reaktion geöffnet, so bildet sich ein Kanal mit einem Durchmesser von ca. 13 Å aus. Die zentrale Öffnung des archaebakteriellen Proteasoms besitzt gleichermaßen einen Durchmesser von weniger als 20 Å (Wenzel und Baumeister, 1995). Es können somit nur entfaltete Proteine durch das 26S-Proteasom abgebaut werden. Eine durch einen proteasomalen, endoproteolytischen Schnitt initiierte Prozessierungsreaktion erfordert deshalb die Ausbildung einer Haarnadelschleife im Substratprotein, die in das Proteasom eingeführt werden kann. Der Durchmesser des zu den katalytischen Untereinheiten des Proteasoms führenden Kanals ist weit genug, um zwei benachbarte, entfaltete Polypeptidketten einer Haarnadelschleife aufzunehmen (M.

Groll, pers. Mitteilung; Lee et al., 2002; Abb. 3-1). Die Entfernung der aktiven Zentren vom Eingang des Proteasoms entspricht der Länge eines entfalteten, etwa zwanzig Aminosäuren langen Peptids. Eine ensprechende Haarnadelschleife müßte daher etwa 40 Aminosäuren umfassen und könnte einen möglichen endoproteolytischen Schnitt mechanistisch erklären.

Abbildung 3-1: Eine Haarnadelschleife könnte als Initiationspunkt einer proteasomalen Prozessierungsreaktion dienen. Die Abbildung zeigt die dreidimensionale Struktur eines vertikal geschnittenen 20S-Proteasoms (blau; Groll et al., 1997). Eine Haarnadelschleife einer entfalteten Polypeptidkette wurde in die Struktur modelliert. Als Vergleich wurde diese mit gefaltetem NF-κB p50 verknüpft (Müller et al., 1996).

Postuliert man eine Haarnadelschleife als Initiationspunkt proteasomaler Prozessierung, muß in den Substratproteinen eine intrinsisch labile oder reguliert destabilisierbare Peptidsequenz vorhanden sein, die eine lokale Entfaltung des Proteins zulassen würde. In NF-κB scheint hierfür eine glycinreiche Region (GRR), prädestiniert (Lin und Ghosh, 1996; Betts und Nabel, 1996; Heusch et al., 1999). Die Entfaltung dieser Region ist vermutlich wenig energieaufwendig, und zudem wird die Einführung einer glycinreichen Haarnadelschleife ins Proteasom kaum durch sterisch anspruchsvolle Seitenketten behindert. Interessanterweise ist die GRR für die Prozessierung des NF-κB-Transkripionsfaktors essentiell und kann diese auch in heterologer Umgebung initiieren (Lin und Ghosh, 1996; Betts und Nabel, 1996). Die GRR schützt jedoch die N-terminale Transkriptionsaktivierungsdomäne nicht vor proteasomaler Degradation, da NF-κB p105 bei N-terminal von dieser Region liegenden Mutationen vollständig abgebaut werden kann (Lee et al., 2001). Die glycinreiche Region ist daher für einen frühen, der Ubiquitinierung folgenden Schritt der Prozessierung, z.B. für den postulierten endoproteolytischen Schnitt, notwendig.

In SPT23 und MGA2 wird auf der Ebene der Primärstruktur kein homologer Bereich gefunden. Allerdings befinden sich an analoger Stelle der Proteine Regionen niedriger Sequenzkomplexität, die eine ähnliche Funktion übernehmen könnten.

Diskussion

Abbildung 3-2: Modelle der proteasomalen Prozessierung von NF- B und SPT23. a. Das „Stop-Transfer-Modell“ der posttranslationalen NF-κB-Prozessierung. NF-κB wird nach Ubiquitinierung vom Proteasom erkannt und prozessiv vom C-Terminus beginnend abgebaut. Bei Erreichen eines putativen Stop-Transfer-Signals wird die Degradation abgebrochen und p50 freigesetzt. b. Modell der kotranslationalen NF-κB-Prozessierung. Die sich faltende N-terminale Domäne einer naszierenden p105-Polypeptidkette interagiert am Ribosom mit einer naszierenden Kette des Vorläuferribosoms.

Die ubiquitinierte Polypeptidkette wird endoproteolytisch durch das Proteasom gespalten. Nach vollständiger Translation des nicht-geschnittenen NF-κB dissoziiert ein p105/p50-Komplex vom Ribosom. c,d. „Haarnadel-Modell“ der posttranslationalen Prozessierung von NF-κB (c) und SPT23 (d). Die ubiquitinierten Moleküle werden endoproteolytisch nach Ausbildung einer Haarnadelschleife durch das Proteasom gespalten. Während die N-terminalen Domänen durch stabile Wechselwirkungen vor proteasomalem Abbau geschützt sind, werden die C-terminalen Domänen schnell abgebaut. Das Resultat der proteasomalen Prozessierung sind NF-κB p105/p50- und SPT23 p120/p90-Komplexe. Diese werden anschließend durch spezifische Chaperone (BCL-3 für NF-kB;

CDC48UFD1/NPL4 für SPT23 p90) disassembliert.

Schneidet das Proteasom endoproteolytisch, muß ein Signal existieren, welches die transkriptionsaktivierenden Domänen in NF-κB und SPT23 vor Proteolyse schützt. In eleganten Arbeiten zum Abbau des artifiziellen Proteasomsubstrates Ubi-DHFR konnte gezeigt werden, daß die Proteolyse des Enzyms DHFR nach Bindung des Liganden Methotrexat inhibiert ist (Johnston et al., 1995). Methotrexat stabilisiert DHFR und verhindert dadurch die Entfaltung des Substrates durch das Proteasom.

Dies wurde in weiterführenden Studien, in denen kurzlebige Proteine durch lineare Fusion mit stabil gefalteten Proteinen vor Abbau geschützt wurden, bestätigt (Lee et al., 2001). Eine stabil gefaltete Domäne kann daher gegenüber proteasomalem Verdau resistent sein.

Ebenso wie die stabile Faltung einer einzelnen Domäne kann die Einbindung in oligomere Komplexe die für den proteasomalen Abbau essentielle Entfaltung des Substrates inhibieren. NF-κB und SPT23 nutzen dies offenbar, um ihre N-terminalen Transkriptionsaktivierungsdomänen vor proteasomaler Degradation zu schützen.

Interessanterweise dimerisieren beide Proteine mittels der hochkonservierten IPT-Domäne (Müller et al., 1995; diese Arbeit). Die räumliche Struktur der Dimerisierungsoberfläche des NF-κB-Homodimers zeigt eine Verzahnung hydrophober Seitenketten von Aminosäuren beider Untereinheiten (Müller et al., 1995). Diese Aminosäuren sind nahezu vollständig in der IPT-Domäne von SPT23 konserviert (Abb. 2-2). Die gebildeten Dimere sind aufgrund des verzahnten und hydrophoben Charakters der Bindung sehr stabil. Die Deletion oder Mutationen innerhalb der Dimerisierungsoberfläche verhindern die Prozessierung und fördern im Gegenzug den vollständigen Abbau beider Proteine (Lin et al., 1998, Lin et al., 2000;

Lee et al., 2001; diese Arbeit). Es ist daher wahrscheinlich, daß die Ausbildung der stabilen Vorläuferkomplexe das „Stop-Transfer-Signal“ der Prozessierung darstellen.

Interessanterweise wird auch das dritte bekannte Substrat proteasomaler Prozessierung, der Transkriptionsfaktor Cubitus interruptus aus D. melanogaster, nur nach Einbindung in hochmolekulare Komplexe prozessiert (Ingham, 1998;

Nourreddine et al., 2002). Eine Übersicht der vorgeschlagenen Prozessierungs-mechanismen zeigt Abb. 3-2.