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Baunetzwoche: Kluge Akupunktur: wie die Architektin Xu Tiantian chinesische Dörfer wiederbelebt

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12. April 2018

Junya I shigami in Paris FREE ING

ARCH ITEC TURE

KLUGE

AKUPUNKTUR

WIE DIE ARCHITEKTIN XU TIANTIAN

CHINESISCHE DÖRFER WIEDERBELEBT

Das Querformat für Architekten

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6 Kluge Akupunktur

Wie die Architektin Xu Tiantian Dörfer im chinesischen Songyang wiederbelebt

Interview mit Xu Tiantian: Friederike Meyer Neun Projekte. Texte: Eduard Kögel

DIESE WOCHE

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Inhalt Ar chitektur woche N ews D ossier T ipp B uch B ild der W oche

Junge Menschen zieht es vom Land in die großen Städte. Sie hinterlassen alte Menschen und leere Orte. Dieses weltweite Phänomen gibt es auch in China. In den Dörfern des südostchinesischen Bezirks Songyang hat die Architektin Xu Tiantian vom Büro DnA_Design and Architecture zusam- men mit ihren Mitarbeitern und der Provinz-Regierung überzeugende Antworten auf den Struk- turwandel gefunden. Bis 17. Juni 2018 sind in der Berliner Galerie Aedes neun Projekte in der von Eduard Kögel kuratierten Ausstellung „Songyang Story“ zu sehen.

26 Buch

28 Bild der Woche 3 Architekturwoche 4 News

Titel: Dorfbewohner von Xing in der neuen Zuckerfabrik, Foto: DnA Design and Architecture

oben: Teehaus im Tal von Damushan, Foto: Wang Ziling

BauNetz Media GmbH

Geschäftsführer: Dirk Schöning Chefredaktion: Friederike Meyer

Gestaltung / Artdirektion : Natascha Schuler

Diese Ausgabe wurde ermöglicht durch:

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3 Académie Européenne Méditerranée nannten Erich Mendelsohn und Amédée Ozenfant ihr unverwirklichtes Projekt für eine europäische Kunsthochschule über Saint-Tropez. Rem Koolhaas und der Fotograf Wolfgang Tillmanns stehen mit ihrem kürzlich vorgestellten Eurolab-Projekt also in guter interdisziplinärer Tradi- tion. Mit Blick auf die EU-Wahlen 2019 suchen die beiden Vorschläge, wie man die zentralen Werte der Union in Zukunft besser kommunizieren könnte – und warum dies in den letzten 25 Jahren nicht so gut geklappt hat. Teilnehmen können alle Kreativen, die sich – wie Koolhaas und Tillmanns selbst – dem europäischen Projekt verbunden fühlen. Interessierte müssen sich allerdings beeilen, denn schon am 18. April 2018 ist die Deadline. sb

DONNERSTAG

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Ausstellung zur EU von OMA in Brüssel Foto: Hans Werlemann

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NEWS

Das Seniorenwohnhaus St. Josef im Frankfurter Stadtteil Niederrad über- zeugt nicht nur durch die gute Anbin- dung an Geschäfte und öffentlichen Nahverkehr, Gemeinde- und Altenzen- trum, sondern auch konzeptuell und formal. Das dreiteilige Ensemble nach Plänen von Waechter + Waechter Archi- tekten aus Darmstadt besitzt eine hohe Dichte ohne den Anschein von Tristesse und erlaubt den Bewohnern ein selbst- ständiges Leben, ohne Anonymität.

Mit einem parkähnlichen Hof in einem lebendigen Stadtviertel, einem Lauben- gang zum nachbarschaftlichen Plausch, mit der passenden Zweizimmerwoh- nung samt ausgedehntem Balkon bietet es die besten Voraussetzungen, um sich wohlzufühlen – egal, wie alt man ist.

www.baunetzwissen.de/flachdach

MITTEN IN NIEDERRAD

OBJEKT BEI BAUNETZ WISSEN

Über Mies und die Neue Nationalgale- rie ist alles gesagt, könnte man meinen.

Seit David Chipperfield Architects an ihrer Sanierung arbeiten, wurde das ikonische Bauwerk schließlich penibel durchleuchtet. Die Regisseurin und Schauspielerin Ina Weisse hat nun auf DVD einen Film herausgebracht, der noch eine weitere Perspektive eröffnet.

Ihr Vater Rolf war nicht nur Hobbyfil- mer, sondern hat auch in Mies‘ Büro in Chicago an der Nationalgalerie gearbei- tet. So entstanden Aufnahmen jenseits der offiziellen Erzählung, der Ausgangs- punkt für Weisses Film. Sie lässt Exper- ten von Dirk Lohan bis Fritz Neumeyer zu Wort kommen und untersucht zu zeittypischer Jazzmusik, wie eine Welt- anschauung Architektur wurde.

absolutmedien.de

Nach dem Studium geht es raus in die Welt, natürlich, doch das bedeutet leider auch, dass man sich aus den Augen verliert. Der Architekturfachbereich der Hochschule Koblenz plant darum gera- de eine Gelegenheit für ein Wiedersehen – und sucht deshalb derzeit nach Ab- solventen und Absolventinnen. Anlass ist das erste Alumni-Sommerfest, das am 16. Mai 2018 in Koblenz stattfinden wird. Waren Sie selbst an der Hoch- schule oder wissen Sie vielleicht von Kollegen, die dort Architektur studiert haben? Um jegliche Unterstützung beim Ausbau seines Alumni-Netzwerks freut sich der Fachbereich. Mehr Informati- onen außerdem auf der Webseite, wo man sich auch registrieren kann.

www.hs-koblenz.de

MIES IM BÜRO

FILM ÜBER DIE NEUE NATIONALGALERIE

VERMISST UND GESUCHT

ABSOLVENTEN AUS KOBLENZ

Die erste große Solo-Show für Junya Ishigami und die erste Architektur- ausstellung in der Fondation Cartier:

Freeing Architecture könnte sowohl für den japanischen Architekten als auch für die Institution Maßstäbe setzen. Ge- zeigt werden 20 Projekte, die im Dialog mit Jean Nouvels Architektur inszeniert sind. Die Grundidee seiner Arbeit, näm- lich die Architektur von ihren üblichen Grenzen zu befreien, praktiziert Ishiga- mi auch vor Ort: Jeder Raum wird zu einer Art Landschaft, in der Modelle und Zeichnungen eingebettet sind.

Außerdem erscheint ein Katalog und es finden mehrere „Nights of Uncertainty“

statt, bei denen Ishigami mit Kollegen, Philosophen oder auch Kritikern disku- tieren wird. Bis 18. Juni 2018

www.fondationcartier.com

ARCHITEKTUR ALUMNI SOMMERFEST

HOCHSCHULE KOBLENZ

UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES Der Studiengang Architektur lädt ein zum 1. ARCHITEKTUR-ALUMNI-SOMMERFEST MITTWOCH, 16. MAI 2018 UM 19 UHR Wir freuen uns sehr auf einen Sommerabend mit unseren ehemaligen und aktuellen Stu- dierenden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Familien sowie Freunden des Fachbereichs.

Neben Getränken und Snacks wird es ein kleines Rahmenprogramm und an einer lan- gen Tafel viel Raum zum Austausch geben.

Wir bitten um Anmeldung bis 04. Mai 2018:

www.hs-koblenz.de/architektur-alumni Hochschule Koblenz Rhein-Mosel-Campus Konrad-Zuse-Straße 1 56075 Koblenz

FREEING ARCHITECTURE

AUSSTELLUNG VON ISHIGAMI IN PARIS

Foto: Thomas Ott, Mühltal Still aus dem Trailer, Courtesy absolut Medien Junya Ishigami, Foto: junya.ishigami+associates, Renaud Einladung zum Alumni-Sommerfest Monfourny

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KNX-Installation eines Einfamilienhauses so einfach, bequem und wirtschaftlich wie noch nie. Für Nutzer und Bewohner bedeutet dies vor allem mehr Komfort und Sicher- heit zu jeder Zeit: Mit der zugehörigen Gira X1 App für iOS und Android lassen sich die zahlreichen Funktionen der Gebäudetechnik intuitiv bedienen und überall ein sehen.

Der Gira X1 beansprucht wenig Platz und wird ganz unauffällig im Elektroverteiler eingebaut. Mehr Informationen unter www.gira.de/x1

hInterfacedesign: schmitz Visuelle Kommunikation

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KLUGE

AKUPUNKTUR

WIE DIE ARCHITEKTIN XU TIANTIAN CHINESISCHE DÖRFER WIEDERBELEBT

Brücke in Shimen, Foto: Han Dan

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Junge Menschen zieht es vom Land in die großen Städte. Sie hinterlassen alte Menschen und halbleere Orte. Dieses weltweite Phänomen gibt es auch in China. Zum Beispiel in der südostchinesischen Provinz Zhejiang.

Mit rund 400 Dörfern erstreckt sich dort die Bergregion Songyang entlang eines Flusstals. Die Gegend mit ihren sanften Hügeln, schroffen Felswän- den, Reisfeldern und Teeplantagen ist ein beliebtes Reiseziel. Um Anreize zum Bleiben oder Zurückkehren zu schaffen, hat die Provinzregierung viel in Bewegung gesetzt. Allein 80 Fabriken, die den neuen Anforderungen zum CO2-Ausstoß nicht entsprochen hatten, wurden geschlossen oder teil- weise abgerissen, selbst eine in China noch unübliche Mülltrennung wurde durchgesetzt. Neben neuen Fernstraßen werden zurzeit ein Anschluss an die Schnellbahnstrecke sowie ein regionaler Flughafen gebaut.

Auch in den Dörfern der Region Songyang passiert viel. Die Architektin Xu Tiantian und die Mitarbeiter ihres Büros DnA_Design and Architecture

haben gemeinsam mit der Provinz-Regierung überzeugende Antworten auf den Strukturwandel gefunden. Ihre Strategie ist nicht neu: mit zumeist kulturellen Neubauten die Identität der Dörfer stärken und dabei loka- les Handwerk fördern. Der Unterschied zu Europa: die Größe, mit der die Projekte politisch unterstützt und gefördert werden und die bescheidene Konsequenz ihrer Umsetzung. Sie reichen von einer Zuckerfabrik über ein Handwerkszentrum, ein Teehaus und ein Museum bis hin zum Theater aus Bambus.

Bis 17. Juni 2018 sind neun Projekte in einer vom Berliner Architekturhisto- riker Eduard Kögel kuratierten Ausstellung mit dem Titel „Songyang Story“

in der Berliner Galerie Aedes zu sehen. Sie bildet den Auftakt einer Euro- patournee. Ab Mai wird die Songyang Story auf der Architekturbiennale in Venedig zu sehen sein und im kommenden Jahr im Architekturzentrum Wien gastieren.

Interview: Friederike Meyer

Portrait Xu Tiantian und Ausstellungsfotos: Erik-Jan Ouwerkerk

KLUGE

AKUPUNKTUREN

WIE XU TIANTIAN DÖRFER IN

SONGYANG WIEDERBELEBT

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Mit welchem Ziel arbeiten Sie in den Dörfern? Es geht nicht in erster Linie um Tourismus. Wir wollen den Menschen neue Entwicklungschancen ermöglichen und die Identität der Orte stärken, herausfinden, was das Besondere ist. Während sich die Städte immer stärker ähneln, sind die Dörfer alle verschieden. Wir appellieren an den Stolz der Bewohnerinnen. Und es funktioniert. Da gibt es das eine Dorf, das sagt, unsere Wasserlilien sind die süßesten. Das andere Dorf ist stolz auf den besten Tofu der Gegend. Wir müssen also das jeweils Spezifische für einen Ort herausfinden. Es ist wie chinesische Medizin – heilen von innen nach außen.

Wie kommen Sie an Ihre Aufträge und Projekte? Wir sind ein Architekturbüro und arbeiten seit vier Jahren mit der Regierung des Landkreises zusammen. Wir lernten das Gebiet kennen, als wir vor einigen Jahren in einer Teeplantage ein Boutique Hotel geplant haben.

Wie gehen Sie vor? Wir untersuchen verschiedene Ort, machen Vorschläge, zum Beispiel, die alten Gebäude für neue Nutzungen zu erhalten. Inzwischen kommen die Dörfer von selbst auf uns zu. Das Budget ist sehr gering. Wir bauen mit Bambus und Steinen, je nachdem, was wir vor Ort finden können. Da wird nichts Schickes impor- tiert. Die Steine zum Beispiel sammeln wir am Fluss.

Die Geschwindigkeit der Stadtentwicklung in China und die damit verbundene Zerstörung gewachsener traditioneller Strukturen wird zumindest in Europa immer wieder kritisiert. Machen Sie nun in den Dörfern alles besser? Ich kann nicht für alle ländlichen Räume in China sprechen. Wir bemühen uns in Songyang sehr, die lokale Identität zu finden. Ja, wir haben in den Städten vieles falsch gemacht.

Auf dem Dorf halten wir inne und denken, nein, wir können es hier nicht wie in der Stadt machen. Ich hoffe, dass unsere Strategie der Akupunktur, die Suche nach der effektivsten Intervention erfolgreich ist.

Was sind die Voraussetzungen für den Erfolg? Es braucht eine offene Regierung, vor allem eine offene Leitung. Es braucht ein Architekturbüro, das keinen kommer- ziellen Erfolg sucht, sondern mit Leidenschaft vorgeht und die lokalen Bedürfnisse versteht. Schließlich braucht es auch Investoren mit Leidenschaft für traditionelle Entwicklung. Ich glaube viele Menschen haben die Städte einfach satt.

Frau Xu, wie steht es derzeit um die ländlichen Gebiete in China? Es ist wie überall auf der Welt. Viele Dörfer verlieren Einwohner. Die jungen Menschen suchen ein aufregendes Leben in den großen Städten, ziehen nach Hangzhou oder Shang- hai. Durch die gute Internetverbindung in den Dörfern wissen sie, was in den Städten möglich ist. Es ist schwierig, in den Dörfern mittelalte Menschen zu finden, nur die Alten bleiben daheim. Andererseits steht das Land für Entspannung und frische Luft.

Wir denken, wenn wir den jungen Menschen in den Dörfern etwas anbieten können, dann ziehen sie nicht weg, sondern bauen vielleicht organisches Gemüse an.

Sie arbeiten im Landkreis Songyang in Südwestchina. Wie muss ich mir ein Dorf dort vorstellen? In einem Dorf leben etwa 400 bis 1000 Menschen, normalerweise entstammen alle einer großen Familie. Die meisten Menschen leben von der Landwirt- schaft in den Bergen, sie fahren Auto, nutzen das Internet. Es gibt aber auch Indus- triezentren. Songyang ist ein von Bergen und dem Fluss Songyin geprägter Landkreis mit mehr als 400 Dörfern. Dort leben etwa 240.000 Menschen, davon 50.000 im städtischen Zentrum. Der Landkreis liegt in der Provinz Zhejiang südwestlich der Stadt Hangzhou. Dort sind das Internetunternehmen Alibaba und weitere Internetfir- men angesiedelt. Sie machen Zhejiang zur reichsten Provinz Chinas. Die Infrastruktur in Songyang ist vergleichsweise gut entwickelt. In zwei Jahren soll der Bahnhof für eine Hochgeschwindigkeitsstrecke fertig sein, in drei Jahren ein Flughafen.

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Foto: Zuckerfabrik in Xing, Foto: Wang Ziling

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ZUCKERFABRIK IN XING

Das Dorf Xing liegt in der Ebene des Songyin Flusses. Die meisten Menschen bauen dort Zuckerrohr an und verarbeiten es zu braunem Zucker. An der Stelle, wo das Dorf in die Felder übergeht, errichteten DnA ein Gemeinschaftsgebäude. Es ist sozialer Treffpunkt, Kulturraum, Produktionsstätte und Touristenattraktion zugleich. Im Hauptraum mit den Öfen wird von Oktober bis Dezember Zucker produziert. In der an- deren Zeit treffen sich die Alten tagsüber zum Tee und am Abend zum Filme schauen oder zum Puppentheater. Das transparente Erdgeschoss ermöglicht Blicke auf die Felder, das Dorf und auch in die Produktionsräume. Das zieht Besucher an.

Die Bauteile sind über Korridore miteinander verbunden. Backsteine, Stahl, Glas und Wellblech kamen zum Einsatz. Ein Ort für soziokulturelles Leben soll helfen die Identität neu zu definieren. Hier formiert sich das dörfliche Selbstverständnis jenseits tradierter Vorstellungen neu.

Die Produktion von braunem Zucker ist die Haupteinkom- mensquelle im Dorf. Das neue Haus ist Produktionsstätte und kultureller Treffpunkt zugleich. Fotos: Wang Ziling

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MUSEUM UND HANDWERKSZENTRUM IN PINGTIAN

Das Dorf Pingtian liegt auf einem Bergrücken. Seine Häuser sind aus Stampflehm und mit traditioneller Holzkonstruktion gebaut. Sie schmiegen sich an den Hang, sind über Treppen und enge Gassen teils nur zu Fuß erreichbar. Ein Museum mit einer Ausstellung über alte landwirtschaftliche Geräte und ein Handwerkszentrum sollten entstehen. Xu Tiantian schlug vor, alte Bausubstanz zu reparieren und für die neue Nutzung herzurichten. Die Idee stieß zunächst auf Widerstand, denn die Sehnsucht der Bewohner nach neuen Materialien und neuen Ausdrucksformen, die sie aus dem städtischen Kontext kennen, war groß. Doch Xu konnte sie überzeugen, dass auch

lokale Mittel zeitgenössische Lösungen erlauben, die modern und identitätsstiftend zugleich sind.

Die Werkstatt entstand in zwei eng stehenden identischen Häusern, die mit einem neu eingesetzten Oberlicht verbunden wurden. Im Obergeschoss gibt es zwei vermietbare Raumeinheiten. Die L-förmigen Ausstellungsräume sind von zwei Ebenen zugänglich und verbindet sich mit dem daneben liegenden Bau, den junge Designer als Blaufär- be-Workshop nutzen.

Im Bergdorf Pingtian reparierten die Architekten eine Gruppe alter Häuser und ergänzten sie für die neue Nutzung.

Foto links: Wang Ziling, rechts: Han Dan

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GEDENKSTÄTTE IN WANG

Das Dorf Wang hat einen berühmten Sohn: Wang Jing (1337–1408). Aufgrund seiner außergewöhnlichen intellektuellen Fähigkeiten stieg er unter dem ersten Kaiser der Ming Dynastie zu einem einflussreichen Gelehrten auf. Um 1400 war er an der Zusammenstellung der Yongle Enzyklopädie beteiligt, die ihrer Zeit als ausführlichste Zusammenfassung des Wissens in China galt.

Mit einer Gedenkstätte will das Dorf Wang an Wang Jing erinnern. Im Dorfzentrum, gegenüber dem Ahnentempel sollte ein Neubau entstehen. Xu Tiantian entwickelte eine lineare Baustruktur, die sich organisch in den Dorfgrundriss einpasst und zwi- schen den alten eingeschossigen Stampflehmbauten und den zwei- bis dreigeschos- sigen Neubauten der letzten Jahre vermittelt. Das konstruktive Gerüst besteht aus 17 tragenden Schächten. Durch sie kommt von oben Licht und Luft ins Gebäude und das Leben von Wang Jing wird in 17 Szenen in Steinreliefs dargestellt. Die geschlossenen Außenwände zwischen den Schächten sind aus Stampflehm.

Entlang der historischen Handelsstraße, die durch den Ort Wang führt, entstand ein Neubau, der an den berühmtesten Sohn des Ortes, den Gelehrten Wang Jing erinnert.

Fotos: Wang Ziling

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Gedenkstätte für Wang Jing in Wang, Foto: Wang Ziling

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BAMBUSPAVILLON IN DER TEEPLANTAGENREGION DAMUSHAN

Die Teefelder in der Region Damushan werden über schmale befestigte Wege er- schlossen. Mit Elektromobilen und Fahrrädern gleiten häufig auch Besucher durch die elegante Landschaft und genießen an exponierten Stellen den Blick ins Umland. Für mehrere neue Aussichtsplattformen entwickelte Xu Tiantian ein Pavillon-System aus einer einfachen Bambuskonstruktion. In unterschiedlicher Zahl und Größe können sie am Rand der Teeplantagen aufgestellt werden. Als Anlaufstellen im weiten Grün der Teefelder geben die transparenten Konstruktionen einen Rahmen, der auch für tem- poräre Kulturveranstaltungen genutzt wird. Es war das erste Projekt von Xu Tiantian in der Region und entwickelte sich schnell zum Symbol für die Erneuerung der ländli- chen Region.

Mit dem Fahrrad durch die Teeplantage zum Picknick und Ausblick genießen? In Damushan ist das nun möglich.

Fotos: Zhou Ruogu

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Zwischen den Teefeldern in Damushan verlaufen befestigte Wege. Foto: Zhou Ruogu

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dass fünf große Platanen erhalten werden konnten und mit ihrem Blätterdach den Vorplatz verschatten. Der aus schwarz eingefärbtem Beton errichtete Teepavillon be- steht aus einer Serie unterschiedlicher Räume. Der zweigeschossig offene Hauptraum hat ein Oberlicht und eine verglaste Front zum Teich. Im Anschluss liegen Räume für private Teezeremonien. Am Rand folgt der Meditationsraum, durch dessen runde Öffnung die Reflektion des Sonnenlichts auf der Wasserfläche den Innenraum belebt.

Kleine Höfe und Ausblicke, die sowohl landschaftliche wie ästhetische Phänomene der Natur ins Bewusstsein rücken, unterbrechen die Raumfolge.

TEEHAUS IM TAL VON DAMUSHAN

Die Teegärten von Songyang von Damushan liegen in hügeliger Landschaft vor der Kulisse imposanter Berge. In sanften Schwüngen ziehen sich die Plantagen über die Hügelrücken und prägen so mit ihren linear gepflanzten Teebüschen seit Jahrhunder- ten den Landschaftsraum.

1968 wurde der Xujing Teich für Bewässerungszwecke zwischen den Teeplanta- gen angelegt und später mit einem Rundweg für Fußgänger ausgestattet. Teichrand entwarf Xu Tiantian ein Teehaus für Besucher, von dem der Blick die landschaftlichen Reize inszeniert. Das Bauwerk ist zwischen Ufer und Geländekante so eingepasst,

Was wäre eine Anbauregion ohne Verzehrstube? Im Teehaus ist Platz für Zeremonien und Meditation. Fotos: Chen Hao

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BRÜCKE IN SHIMEN

Seit den 1950er Jahren verbindet eine gemauerte Steinbrücke die beiden Dörfer Shimen und Shimenyu über den Songyin-Fluss. Heute ist sie für den Fahrzeugverkehr gesperrt. Mit der Renovierung und dem Ausbau der Brücke entwarf Xu Tiantian einen sozialen Ort, der die beiden ehemals verbundenen Dörfer kulturell neu zusammenführt.

Dabei entstand ein überdachter Brückenraum, der an die historischen „Wind- und Regen-Brücken“ erinnert. Im Fluss liegt das kulturhistorisch relevante Wehrsystem, das als Teil einer größeren Anlage seit 1500 Jahren die Bewässerung am Songyin- Fluss regelt. Xu Tiantian entwarf ein einfaches Konstruktionselement aus Holz, das in additiver Reihung den neuen Raum bestimmt. In der Mitte lädt ein mit Bäumen be- pflanzter Platz zum Aufenthalt ein. Die visuelle Verbindung zum Fluss, aber mehr noch, die kulturelle Überhöhung der Brücke, hilft den beiden benachbarten Dörfern, einen gemeinsamen Kulturraum zu definieren, der ihre historische Verbundenheit auf neue Weise erfahrbar macht.

Der Weg ist das Ziel. Vieles scheint auf der nun über- dachten und für Autos gesperrten Brücke möglich.

Fotos: Wang Ziling

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Nahezu im Trockenen gehts künftig von Shimen nach Shimenyu und zurück. Foto: Wang Ziling

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Tagen versprüht er über Düsen Wasser, das zu einem Wasservorhang im Innenraum wird. Wenn dann über einen Spalt im Dach Sonnenlicht auf den Wasservorhang fällt, bildet sich ein Regenbogen. Dieses zeitlich begrenzte Phänomen zieht Besucher an, die auch die benachbarten Orte beleben.

HAKKA MUSEUM IN SHICANG

Das von einer Volksgruppe der Hakka bewohnte Dorf Shicang liegt im Süden von Songyang in einem engen Tal. Die Hakka sind als Flüchtlinge in den letzten Jahrhun- derten aus den nördlichen Regionen eingewandert und werden deshalb auch als Gäste bezeichnet. Bekannt sind die Hakka nicht zuletzt wegen ihres ausgereiften Vertragswesens. Kopien der teilweise mehrere hundert Jahre alten Hakka-Verträge sollen in einem Museum ausgestellt werden. Xu Tiantian entwickelte den Museumsbau inspiriert durch eine Legende über die Herkunft des Dorfnamens. Shicang heißt soviel wie Steinspeicher. Der Legende nach hat es in Shicang eine magische Höhle mit Korn gegeben, in der sich die Bewohner versorgen konnten. Seitdem jedoch gierige Einwohner die Höhle aufbrachen, habe sie ihre Fähigkeit Korn zu produzieren verloren, und es fanden sich nur noch Steine.

Der Neubau greift die lokalen Konstruktionen von Brücken oder Wohngebäuden auf.

Grob behauene Steine sind im wilden Verband zu massiven Mauern aufgeschichtet, die den Hang am Dorfrand in die Landschaft überleiten. Die Architektur verbindet sich über verschiedene Raumsequenzen im Inneren wie im Äußeren mit der Landschaft.

Ein vorhandener Bewässerungskanal wurde über das Dach geleitet. An bestimmten

Grob behauene Steine bilden die Mauern des Museums, das an die Legende zur Namensentstehung des Dorfes und die spannungsvolle Geschichte seiner Bewohner erinnert.

Fotos: Wang Ziling

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PINE PARK PAVILLON IN HUANGYU

Der Pavillon befindet sich neben dem Dorf Huangyu an einem befestigten Verbin- dungsweg entlang des Songyin-Flusses, der als touristische Infrastruktur für Radfah- rer und Wanderer die Region erlebbar macht. Der Holzbau besteht aus vorgefertigten Elementen, die vor Ort moniert wurden und die eine Kunstinstallation beinhalten, mit der die historische Gewinnung von Kiefernharz im nebenan liegenden Dorf Huangyu dargestellt wird. Der langgezogene Pavillon setzt sich aus vier Segmenten zusammen.

Separiert werden die Bauteile mit Glasflächen, auf denen künstlerisch verfremdet die Harzgewinnung illustriert wird. Diese verbinden sich mit den bestehenden Baumgrup- pen um den Pavillon zu einem Bild. Der einfache Holzbau mit seiner klaren konstruk- tiven Struktur dient also nicht nur als Rastplatz auf dem Damm des Flusses, sondern informiert auch über die Geschichte des Ortes. Er verbindet damit Wissensvermitt- lung und touristische Infrastruktur, die für Besucher Vergangenheit und Zukunft der Gegend auf spielerische Weise verknüpft.

Edler Rastplatz und Informations- stand zugleich: der Pavillon am Fluss Fotos: Wang Ziling

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Um die Bäume herumgebaut. Der Pavillon in Huangyu. Foto: DnA_Design and Architecture

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BAMBUSTHEATER IN HENGKENG

Bambus ist ein schnell wachsendes Gras, das in China in jedem Garten und in vielen hügeligen Regionen als lichter Wald vorhanden ist. Bambus wird in der chinesischen Kultur wegen seiner flexiblen Struktur und seiner technischen Eigenschaften als Baumaterial, aber auch aufgrund der funkelnden Lichteffekte, die die ein Bambushain erzeugt, geschätzt. Xu Tiantian entwarf für das Dorf Hengkeng eine Theaterbühne, die von einer historischen Darstellung inspiriert ist. Für den Bau des Bambusdomes nutzte sie das schnelle Wachstum und die Biegequalität des Materials. Einmal angelegt braucht die wachsende Kuppel wenig Pflege: jüngere Bambusschösslinge müssen in den bestehenden Dom eingewoben und alte Stangen entfernt werden. Die Architektur ermöglicht sowohl dörfliche Opernaufführungen als auch individuelle Meditation in der Natur.

Und plötzlich fingen sie an zu singen und zu tanzen:

Ein Naturtheater für die chinesische Oper.

Fotos: Wang Ziling

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RURAL MOVES – THE SONGYANG STORY Xu Tiantian, DnA_Design and Architecture, Beijing Kuratiert von Eduard Kögel

Ausstellung bis 17. Juni 2018

Aedes Architekturforum, Christinenstr. 18-19, 10119 Berlin Dienstag-Freitag 11-18.30 Uhr, Sonntag-Montag 13-17 Uhr

www.aedes-arc.de Xu Tiantian wuchs in den 80er Jahren in einem traditionellen Hofhaus im

Süden Chinas auf. Sie studierte Architektur in Peking und an der Harvard University in Cambridge, arbeitete im Büro Leers Weinzapfel in Boston und bei OMA in Rotterdam. 2004 eröffnete sie als erste Frau in China ihr eigenes Architekturbüro DnA_Design and Architecture in Peking. In den nächsten Monaten will sie drei weitere Fabriken für Teebaumöl, Reiswein und Tofu in der Region Songyang bauen. Bereits 2009 war sie in der Baunetzwoche #145 über Chinas neue Architekten vorgestellt.

www.designandarchitecture.net

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In Hengkeng wurde Bambus zum Theater gebunden. Foto: Han Dan

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Baunetz_Wissen_

Azulejos Baguette Dentriden Engobe Jollyschnitt Scherben

... noch Fragen?

_Fliesen

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HOCHSICHERHEITSKLASSIZISMUS

Die Kleinstadt Meiningen im Süden Thüringens ist ein alter Bankenstand- ort, weshalb hier nach der Wende ein mehr als ungewöhnliches Gebäude entstand. Mit deutlichem Rückgriff auf die Palazzi der norditalienischen Renaissance baute Hans Kollhoff Ende der 1990er Jahren den Neubau der

Landeszentralbank Meiningen – eine hochsensible Sicherheitsarchitektur, die gediegene Eleganz und konserva- tive Werte ausstrahlt. Nur zwölf Jahre erfuhr das Haus eine Nutzung gemäß seiner ursprünglichen Konzeption, 2012 wurde der Standort Meiningen aufgegeben. Seit kurzem dient das

Haus als privat geführtes Kunstdepot.

Der Berliner Fotograf Andreas Gehrke konnte nach der Schließung der Bank im schwer zugänglichen Gebäude foto- grafieren. Seine Aufnahmen, darunter viele Detailblicke, zeigen die unnahbare Eleganz und distanzierte Aura eines Hauses, in dem monumentale Klassizi-

tät und hochtechnisierte Sicherheitsaus- stattung auf irritierende Art zusammen treffen. Die Umnutzung von Geld zur Kunst, die Gehrke beobachtet, erzählt nebenbei so manches über das ästheti- sche Selbstverständnis der politischen und ökonomischen Eliten in Deutsch- land. gh

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Andreas Gehrke

Landezentralbank 2000–2016 Meiningen Mit einem Text von Terence Riley

56 Seiten, 22 Abbildungen 400 Exemplare, nummeriert Drittel Books, Berlin 2017 ISBN 978-3-9818866-0-3 Preis: 20 Euro

www.drittelbooks.com

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FESTZELT AN DER FASSADE

Ende 2016 hatten die Besitzer des Circus Hotel am Rosenthaler Platz in Berlin zum Wettbewerb für die Fassadengestaltung eingeladen. Jeremy Germe & Chloé Thomazo vom Pariser Büro Pseudonyme gewannen mit ihrer Idee eines 24 Meter langen, hochglanzpolierten Edelstahlbandes. In sanften Schwüngen verläuft es jetzt über den Köpfen der Passanten, schützt vor Regen und Sonne und spiegelt zugleich das Geschehen. Die Architekten verweisen auf drei Berliner Unternehmen, ohne die ihr Projekt nicht möglich gewesen wäre: das Ingenieurbüro Ramspeck, das die Konstruktion für Wind und Schneebeanspruchung berechnete, die Firma Euler, die das Metall bearbeitete und BauNetz, durch dessen Veröffentlichung sie auf den Wettbewerb aufmerksam wurden. Das hören und sehen wir gern. fm // Foto: Simon Becker

Referenzen

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