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Armut in Brandenburg im regionalen Vergleich

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Academic year: 2022

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1 Armut in Brandenburg im regionalen Vergleich

Dr. Thomas Hanf, Sozialwissenschaftliches Forschungszentrum Berlin-Brandenburg e. V.

Armut ist ein moralischer Skandal und eigentlich in unserer reichen Gesellschaft eine nicht hinzunehmende Tatsache. Die Bekämpfung von Armut gehört daher auch zum Leitbild unserer Gesellschaft – wenn auch noch allzu oft auf dem Papier.

Gleichzeitig ist festzustellen, dass Armut relativ ist. Sie ist es sowohl in historischer und regionaler Vergleichsperspektive wie auch nach ihrem Inhalt.

So sind in unserer Gesellschaft bestimmte Erscheinungsweisen dessen, wie Armut früher als Existenzbedrohung in Erscheinung getreten ist, nicht mehr oder nur in pathologischen bzw. extremen Randbereichen anzutreffen. Sicherlich kommt es immer noch vor, dass Menschen in Ausnahmesituationen an Ernährungsmangel Schaden nehmen oder gar sterben, auch gibt es Obdachlosigkeit mit schmerzlichen Konsequenzen. Aber in die institutionellen Grundstrukturen unserer Gesellschaft ist eingelassen, dass diese Erscheinungen nicht vorkommen müssten. Alle Menschen haben die verbrieften Rechte auf ausreichende Nahrung, warme Wohnung, notwendige medizinische Betreuung und (über die Existenzsicherung hinaus) auf gleiche Bildung.

Anders sieht es aus, wenn Armut weiter gefasst wird als Mangel, der über das Notwendige der Lebenserhaltung hinausgeht. Begreift man Armut – wie das im Lebenslagenkonzept erfolgt – als eine Bündelung von defizitären Lebensbedingungen, die einen dauerhaften Ausschluss von wesentlichen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens nach sich zieht, muss man feststellen, dass diese Erscheinungsformen von Armut immer noch häufiger auch bei uns anzutreffen sind.

Diese Bestimmung von Armut nimmt nicht nur die eingeschränkten Bedingungen zu gesellschaftlicher Teilhabe in den Blick, sie berücksichtigt auch, dass Armut häufig – wenn auch nicht immer – eine komplexe Mangellage einschließt, deren Bekämpfung nicht allein damit erreicht wird, einen Teil des Bedingungsgefüges der Lebenslage zu bessern. Noch weiter gefasst ist der Blick auf die Armut im sogenannten Ressourcenansatz. Liegt im Lebenslagenkonzept das Gewicht der Armutsbestimmung vor allen Dingen auf den gesellschaftlich bereit gestellten Lebensbedingungen, so nimmt der Ressourcenansatz die Fähigkeiten und Möglichkeiten in den Blick, die einzelnen Menschen zur Verfügung stehen, selbst ihre eigene Lebenssituation zu verändern. Im Ressourcenansatz wird danach gefragt, welche Chancen und welche tatsächlich verfügbaren Ressourcen der Einzelne für die aktive Gestaltung seines Lebens hat. Über die Wahrnehmung einer faktischen Mangellage hinaus wird das Augenmerk darauf gerichtet, wie es dem Einzelnen

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2 möglich gemacht werden kann, sein Leben in der Gesellschaft selbstbestimmt zu führen. Trotz dieser komplexen Betrachtung von Armut und damit verbundener gesellschaftlicher Anstrengungen ihrer Bekämpfung wird in diesen einleitenden Bemerkungen nur eine Dimension von Armut – die Einkommensarmut – und einige ihrer sozialen Risiken angesprochen. Einkommensarmut ist nach wie vor eine der zentralen Dimensionen von Armut und ihre Bekämpfung allein schwer genug. Nimmt man die Einkommensarmut in den Blick, so muss in den Wein der Empörung Wasser gegossen werden. Denn auch bei noch so großen Anstrengungen wird Einkommensarmut eine anhaltende Erscheinung bleiben – jedenfalls so lange es ein bestimmtes Maß an (Einkommens-) Ungleichheit gerade innerhalb der Hälfte der Bevölkerung mit den geringen Einkommen gibt. Das liegt an der gesellschaftlich anerkannten Bestimmung von Einkommensarmut und den Methoden ihrer statistischen Kennzeichnung.

Ich werde im Folgenden erstens die Definition von Einkommensarmut vorstellen und einige, sich daraus ergebende Besonderheiten auch im Hinblick auf die Armutsbekämpfung ansprechen. Zweitens werde ich die Armutskennziffern Brandenburgs im Vergleich zu anderen Regionen Deutschlands darstellen. Drittens mache ich auf Armutsrisiken in bestimmten sozialen Gruppen aufmerksam.

1. Definition von Einkommensarmut

Als einkommensarm gilt, wer weniger als 60 % des gesellschaftlich

„durchschnittlichen“ Einkommens für sein Leben zur Verfügung hat. Der Durchschnitt wird am Median des Einkommens der Bevölkerung in einem Gebiet bemessen.

Die Definition bringt den relativen Charakter auch der Einkommensarmut zum Ausdruck. Es ist also nicht eine ein für alle Mal festgelegte Höhe des Einkommens, die als Minimum festgelegt wird, auch nicht ein solcher Festbetrag, in dem die Preise der Waren eines gesellschaftlich bestimmten Warenkorbes berücksichtigt wären, die für die Lebensführung als notwendig erachtet werden.

Der relationale Begriff der Einkommensarmut spiegelt Verhältnisse zwischen Menschengruppen wider, die auf unterschiedliche Weise über ein unterschiedlich hohes Einkommen verfügen. In der nun EU-weit zugrunde gelegten Definition finden folgende Relationen Berücksichtigung:

im Begriff des Einkommens, das als Nettoäquivalenzeinkommen auf Personen zugerechnet wird, werden die familiären Lebensverhältnisse in eine Relation gebracht;

in der Verwendung des Median der Einkommensverteilung werden bestimmte Einkommensgruppen in eine Relation gesetzt;

in dem Bemessungsgebiet wird der regionale Bezug des Einkommens bestimmt:

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3 in der Festlegung von 60 % des Median als Armutsrisikoschwelle eine Aufmerksamkeits- und Verantwortungsgrenze der (politischen) Gemeinschaft gegenüber den Lebensverhältnissen ihrer Mitglieder.

Diese Bestimmungsmerkmale seien kurz diskutiert.

Nettoäquivalenzeinkommen

Mit der Verwendung des Nettoäquivalenzeinkommens als Berechnungsgröße des Einkommens wird das Haushaltsnettoeinkommen in Relation zur Größe und Struktur der Haushalte auf alle Personen zurechenbar. Jeder Person wird nach Maßgabe des Haushaltseinkommens gemäß der Haushaltsgröße und -struktur ein Einkommen zugewiesen. Nach den neuen EU-weiten Festlegungen wird der ersten erwachsenen Person im Haushalt das Gewicht 1 zugeordnet, jeder weiteren Person über 14 Jahre das Geicht 0,5 und Kindern unter 14 Jahren das Gewicht 0,3. Damit werden Synergieeffekte in der Haushaltsführung und reale Ausgabenbelastungen von unterschiedlichen Haushalten berücksichtigt und diese untereinander vergleichbar.

Zu beachten ist bei diesem Vorgehen, ob die den Haushaltsmitgliedern zugewiesenen Gewichte den tatsächlichen Belastungen von Haushalten gerecht werden. Dabei kommt es einerseits darauf an, zu berücksichtigen, dass in verschiedenen Regionen das Preisniveau (z. B. Wohnkosten) und die Preisstruktur (z. B. Nahrungsmittel, Kinderbekleidung, Mobilität) für lebenswichtige Güter und Leistungen unterschiedlich sein können, und dass die von der Gesellschaft als wichtig erachteten Güter und Leistungen auch in den Warenkörben in angemessener Höhe berücksichtigt sind.

Median als Referenzgröße

Das gesellschaftliche „Durchschnittseinkommen“ wird durch den Median der Einkommensverteilung abgebildet. Das Medianeinkommen ist das Einkommen der Person, das die Bevölkerung in eine obere und eine untere Einkommenshälfte teilt.

Die Verwendung des Median anstelle des arithmetischen Mittels ist nach wie vor Gegenstand von Grundsatzdiskussionen.

Sie bedeutet unter aanderem dass es für die Berechnung der Armutskennziffern egal ist, wie hoch das Einkommen der oberen Hälfte der Bevölkerung ist, Ob bei den oberen 49 % der Bevölkerung ein Nettoäquivalenzeinkommen (NÄE) von 1000,- € oder von 10.000.- € anzutreffen ist, hat auf die Armutskennziffern bei der Verwendung des Median keinen Einfluss. Wichtig für die Schwelle des Armutsrisikos ist allein die Verteilung des Einkommens in der unteren Hälfte der Bevölkerung.

Eine der Konsequenzen dessen ist, dass die verteilungspolitischen Auseinandersetzungen bei der Bekämpfung von Armut allein innerhalb des

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4 Bevölkerungsteils ausgetragen werden, der sich in der unteren Hälfte der Einkommensbezieher befindet.

Festlegung der Armutsrisikoschwelle bei 60 % des Medianeinkommens

Auch diese Festlegung ist „willkürlich“ in dem Sinn, dass sich darin umkämpfte, aber gesellschaftlich anerkannte Gerechtigkeitsmaßstäbe ausdrücken. Je höher die Armutsrisikoschwelle festgesetzt wird, desto höher ist auch der Anteil der vom Armutsrisiko betroffenen Personen in der Bevölkerung. Für die Betroffenen selbst ändert sich an ihren Lebensverhältnissen nichts, wenn die Schwelle bei 60 % oder bei 50 % festgelegt wird. Allein die gesellschaftliche Aufmerksamkeit auf die einkommensschwachen Haushalte wird durch die Dramatik unterschiedlicher Armutsgefährdung verändert.

Bestimmung der Vergleichsregion

Für die Armutsstatistik ist es bedeutsam, auf welche Region, auf welchen Bevölkerungsteil die Ermittlung des durchschnittlichen Einkommens bezogen wird.

Die Durchschnittseinkommen unterscheiden sich in verschiedenen Regionen, was zur Folge hat, dass je nach dem, welche Region als Bezugseinheit gewählt wird, sich auch die Kennziffern der Armutsstatistik ändern. Es ist politisch umstritten, welche Bezugsregion für die jeweiligen Armutsstatistiken verwendet wird. Der Grundsatz der Gewährleistung vergleichbarer Lebensverhältnisse in Deutschland legt nahe, ganz Deutschland als Bezugsregion zu wählen. Die Verschiedenheit der Lebenshaltungskosten in einzelnen Bundesländern dagegen legt eine Festlegung auf das jeweilige Bundesland nahe. Bei der Verwendung des Landesdurchschnitts in der Armutsstatistik muss jedoch beachtet werden, dass die Armutskennziffern der einzelnen Bundesländer nur schwer miteinander vergleichbar sind.

Ein Effekt der Verwendung regionaler Durchschnittswerte der Einkommensverteilung ist z. B. dass die Armutsrisikoquote in den neuen Bundesländern (gemessen am Durchschnitt in den neuen Bundesländern) niedriger ist als die Quote in den alten Bundesländern (gemessen am Durchschnitt in den alten Ländern).

Bevor Kennziffern der Armutsstatistik vorgestellt werden, sei nur zur Information darauf hingewiesen, dass die Armutsstatistik auch davon abhängt, welche Daten verwendet wurden. In Deutschland gibt es drei (neuerdings: vier) statistische Erhebungen, die offiziell in der Armutsberichterstattung verwendet werden: die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, der Mikrozensus und das Sozioökonomische Panel (neuerdings kommt die europaweite Erhebung Laben in Europa hinzu).

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5 In der hier vorgenommenen Darstellung beziehe ich ausschließlich auf Daten des Mikrozensus des Jahres 2009. Alle Daten sind den Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes im Internet entnommen.

2. Kennziffern der Armutsberichterstattung im regionalen Vergleich

Armutsgefährdungsschwelle

Die Armutsgefährdungsschwelle gibt das Einkommen an, unterhalb dessen der Bezieher als armutsgefährdet gilt. Es wird in den Regionen auf den jeweiligen Einkommensdurchschnitt und – wie in Tabelle 1 – auf das Einkommen eines 1- Personen-Haushaltes bezogen. Dieser Wert ist auch der Referenzwert für das Armutsrisiko aller Personen in der jeweiligen Region – bezogen auf das ihnen zugewiesene NÄE. Tabelle 1 besagt, dass eine Person in Brandenburg als armutsgefährdet gilt, wenn sie bezogen auf den Brandenburger Landesdurchschnitt über ein Einkommen verfügt, das kleiner als oder gleich 749 € ist. Eine in Deutschland lebende Person wäre bei einem Einkommen kleiner oder gleich 801 € einem Armutsrisiko ausgesetzt. Für eine Bewohnerin der alten Bundesländer beträgt dieser Grenzwert 829 €. Darin zeigt sich die Relativität der Armutsdefinition: ein und dieselbe Person in Brandenburg mit einem NÄE von z. B. 780 € wäre bezogen auf das Land Brandenburg nicht armutsgefährdet, sehr wohl aber in seiner Eigenschaft als Einwohner Deutschlands

Bezogen auf Brandenburg ist jedenfalls festzuhalten, dass eine Person im Jahr 2009 über ein Einkommen (NÄE) von 750 € verfügen musste, um nicht als armutsgefährdet zu gelten.

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6 Tabelle 1(Alle Daten für 2009; Quelle: Stat. Bundesamt, IT NRW)

Dieser Grenzwert für das Armutsrisiko beträgt bezogen auf das Haushaltseinkommen eines 4-Personen-Haushaltes mit zwei Kindern unter 14 Jahren 1.573 €. Das entspricht einem NÄE von 749 €.

Armutsgefährdungsquoten

Die Armutsgefährdungsquoten geben darüber Auskunft, welcher Anteil der Bevölkerung von Armut bedroht ist. Wie oben erwähnt, fällt die Quote je nach regionalem Bezug unterschiedlich aus. In Tabelle 3 sind die Armutsgefährdungsquoten für Brandenburg, Deutschland, die alten und die neuen Bundesländer gegenübergestellt. Die Quoten sind nach der gesamtdeutschen Einkommensverteilung berechnet (also am Bundesmedian orientiert).

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7 Tabelle 3

Diese Gegenüberstellung bietet die besten Vergleichsmöglichkeiten, da alle Regionen auf ein und denselben Referenzwert bezogen sind. Der Vergleich ergibt, dass das Risiko von Armut bedroht zu sein, in den neuen Bundesländern um 6,2 % höher ist als in den alten Bundesländern. Von einer Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland, wie es in der Verfassung vorgesehen ist, kann also – gemessen an der Einkommensverteilung – noch nicht gesprochen werden.

Innerhalb der neuen Bundesländer (einschließlich Berlin) zeigt der Vergleich aber auch, dass Brandenburg weniger stark vom Armutsrisiko bedroht ist. Das Gefährdungsrisiko ist in Brandenburg um 2,7 % geringer als im Durchschnitt aller neuen Bundesländer.

Die nur relative Aussagekraft derartiger Vergleiche verdeutlicht die folgende Tabelle 4. In ihr sind die Armutsgefährdungsquoten der gleichen Regionen gegenüber gestellt – nun allerdings auf den jeweiligen „Mittelwert“ (Median) der Einkommensverteilung in der jeweiligen Region bezogen.

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8 Tabelle 4

Diese Tabelle scheint die Armutsrisiken in den einzelnen Regionen im Unterschied zum eben aufgezeigten Vergleich nahezu umzukehren: während sich in dieser Berechnung ergibt, dass die Armutsgefährdung in den alten Bundesländern – gemessen am Median des Einkommen nur in den alten Bundesländern – 14,8 % beträgt, ergibt sich für die neuen Bundesländer eine Armutsgefährdungsquote – wiederum gemessen nun am Median der Einkommensverteilung in den neuen Bundesländern – von „nur“ 13,8 %.

Worauf sind diese Unterschiede zurückzuführen? Sie besagen, dass in den jeweiligen Bevölkerungshälften mit dem niedrigen Einkommen die Ungleichheit der Einkommen in den alten Ländern größer ist als in den neuen Ländern. Mehr Menschen in den alten Ländern verfügen nur über ein Einkommen, das 60 % und weniger als der „Durchschnitt“ in diesen alten Ländern, gegenüber den Menschen in den neuen Bundesländern, wenn man dort den „Durchschnitt“ der neuen Länder zugrunde legt. In der unteren Hälfte der Einkommen ist die Homogenität in den neuen Ländern etwas größer als in den alten Ländern.

Auch der Unterschied zwischen Brandenburg und den neuen Ländern insgesamt (einschließlich Berlin) relativiert sich in dieser Darstellung. Die relativen Armutsgefährdungsquoten sind gleich. Das liegt daran, dass der „Durchschnitt“ des Einkommens in Brandenburg höher ist als in der „Durchschnitt“ aller neuen Länder.

Innerhalb Brandenburgs sind die Einkommen ebenfalls nicht homogen verteilt, sondern regional differenziert. Insbesondere ist der Unterschied zwischen dem inneren Verflechtungsraum und dem äußeren Entwicklungsraum nicht zu verkennen.

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9 In der folgenden Tabelle 5 ist eine andere regionale Gliederung für die Darstellung unterschiedlicher Armutsgefährdung gewählt worden.

Tabelle 5

Die dargestellten Armutsgefährdungsquoten sind einheitlich am Landesmedian für Brandenburg berechnet worden. Der Südwesten des Landes zeichnet sich durch eine relativ geringe Quote von 10,3 % gegenüber allen anderen ausgewählten Regionen aus, während der Osten des Landes über das höchste Armutsrisiko (15,9

%) verfügt.

Ob allein aus den regionalen Differenzen der Armutsgefährdung in Brandenburg verteilungspolitische Konsequenzen für die Bekämpfung der Einkommensarmut gezogen werden können, muss hier offen bleiben. Es sei nur darauf hingewiesen, dass der landespolitische Einfluss auf die Einkommensverteilung in den Regionen begrenzt ist. Einen gewissen Einfluss auf die regionale Einkommensverteilung könnten Standortpolitik, Förderpolitik und vor allem Arbeitsmarktpolitik nehmen, die jedoch von weiteren Gesichtspunkten bestimmt sind. Sozialpolitische Programme, die jedoch weniger in der Hand der Länder liegen, beeinflussen in der Tat das Armutsrisiko. So sinkt infolge staatlicher Transferleistungen das Armutsrisiko. Jedoch hat dieser Effekt eher Auswirkungen auf bestimmte Bevölkerungsgruppen als auf Regionen und deren Einkommensdisparität. Für die Möglichkeiten, auf Landesebene regional differenzierte Armut bekämpfen zu können, ist die Kennzeichnung der Armut als Einkommensarmut nur in Grenzen geeignet. Die oben angesprochenen weiteren Begriffe sozialer Armut, die auf eine Vielzahl von Lebensbedingungen bezogen sind, eröffnen konkretere Ansatzmöglichkeiten im Kampf gegen Armut.

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10 3. Armutsgefährdung besonderer sozialer Gruppen

Zum Kern der Sozialpolitik gehört die Aufmerksamkeit gegenüber Lebensverhältnissen und Lebensbedingungen bestimmter sozialer Bevölkerungsgruppen. Dabei ist es generell schwer – und nicht nur angesichts knapper Haushaltsmittel – unterschiedliche Dringlichkeiten bzgl. einzelner sozialer Gruppen unter verteilungspolitischen Gesichtspunkten vergleichend zu bewerten.

Das auch wird an Hand der Armutsproblematik deutlich, wie die Gefährdung verschiedener Altersgruppen zeigt.

Tabelle 6

So erfreulich es zu sein scheint, dass die Bevölkerung Brandenburgs noch in relativ geringem Maße von Altersarmut betroffen ist, umso bedrohlicher scheint die Tatsache, dass Menschen in jungem Alter nicht nur überdurchschnittlich, sondern in bedrohlicher Höhe vom Armutsrisiko betroffen sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass junge Menschen, insbesondere Kinder, insofern sie noch nicht in einem eigenen Haushalt leben, vor allem von Armut bedroht sind, weil es die Eltern sind.

Der Kampf gegen Kinderarmut ist also ein Kampf um die Vermeidung der Elternarmut und um die Verbesserung der Lebensbedingungen und Lebenschancen in ihrer RegionAuffällig ist die hohe Armutsgefährdung von jungen Menschen im Alter zwischen 18 und 25 Jahren. Sie leben häufig in einem eigenen Haushalt, weshalb ihr Armutsrisiko durch ihre eigene Einkommenssituation geprägt ist. Natürlich spielen berufliche Bildung und Studium dabei eine Rolle. Und es scheint auch verbreiteten Gerechtigkeitsauffassungen zu entsprechen, dass die Einkommen junger Erwerbstätiger in der Regel geringer sind als die der älteren. Dennoch verbergen sich hinter dem hohen Armutsrisiko dieser Gruppe erheblich Probleme beim Übergang

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11 von der Schule zur beruflichen Bildung bzw. zum Studium und beim Eintritt in das Erwerbsleben. Insbesondere die hohe Jugendarbeitslosigkeit schlägt dabei zu Buche.

Aber auch die relativ geringe Betroffenheit von Armut im Alter ist – auf die Zukunft gesehen – nicht allein Anlass zur Freude. Schon heute ist aus den Erwerbsverläufen auch in Brandenburg abzusehen, dass wir es künftig mit einem erhöhten Armutsrisiko im Alter zu tun haben werden.

Stellt man die Armutsgefährdung von Frauen und Männern im Altersverlauf gegenüber (wie das in den Tabellen 7 und 8 geschieht) so wird auch dabei die ähnliche Verteilung des Risikos deutlich.

Tabelle 7

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12 Tabelle 8

Hervorzuheben ist das höhere Armutsrisiko von Frauen gegenüber dem der Männer sowohl im ersten wie auch im letzten Lebensabschnitt. Die höhere Gefährdung junger Frauen ist vor dem Hintergrund der durchschnittlich größeren Schwierigkeiten von Männern bei der Berufseinmündung nicht recht verständlich. Ein Faktor dabei ist sicherlich eine eventuelle frühe Mutterschaft allein lebender und allein erziehender Frauen. Weitere Faktoren könnten in längeren Ausbildungszeiten (höherer Studienanteil) oder in prekären Beschäftigungsverhältnissen zu finden sein.

Auch die Größe und Struktur der Haushalte, in denen die Brandenburger Bevölkerung lebt, haben einen Einfluss auf das Armutsrisiko. Allerdings gilt dabei nicht die Regel: je größer, desto höher die Gefährdung.

Tabelle 9

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13 Wie oben ersichtlich wurde, ist die hohe Quote bei den Einpersonenhaushalten vor allen Dingen auf die jungen Haushaltsvorstände zurückzuführen.

Besonders herausragend ist das Armutsrisiko bei Alleinerziehenden – und das sind mit übergroßer Mehrheit Mütter. 46 Prozent der Alleinerziehenden in Brandenburg beziehen staatliche Leistungen („Hartz IV“), oft ergänzend („aufstockend“) zum geringen Einkommen (Quelle: wie alle anderen Daten, Bundesamt für Statistik, Zahlen für das Jahr 2009).

Aus der Tabelle wir auch deutlich, dass sich das Gefährdungsrisiko in Hauhalten mit einem und in solchen mit zwei Kindern nicht sehr voneinander unterscheidet. Das dritte Kind im Haushalt dagegen erhöht das Armutsrisiko erheblich.

Da die Einkommenshöhe wesentlich durch den Erwerbsstatus bestimmt wird, ist es nicht verwunderlich, dass dieser auch einen großen Einfluss auf das Armutsrisiko hat.

Tabelle 10

Mit 57,1 % ist die Armutsgefährdung bei erwerbslosen Personen am größten. Auch sonstige Nichterwerbspersonen sind einem überdurchschnittlichen Risiko ausgesetzt.

Aber auch Erwerbstätigkeit schützt nicht in jedem Fall vor Armut. So sind immer noch 7,1 % der (abhängig) Erwerbstätigen von Armut bedroht. Bei Selbständigen und mithelfenden Familienangehörigen ist die Gefährdung mit 9,2 % sogar noch größer.

Da die berufliche Qualifikation einen entscheidenden Einfluss auf die Erwerbspositionen und den Erwerbsstatus hat, ist die Armutsgefährdung von gering qualifizierten Personen deutlich größer als bei Personen mit hoher beruflicher Qualifikation.

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14 Tabelle 11

Zusammenfassend wird bei der Betrachtung einzelner gesellschaftlicher Gruppen deutlich, dass keine Gruppe gänzlich frei vom Armutsrisiko ist. Armut ist also ein Problem, dass sich durch alle gesellschaftlichen Gruppen zieht. Das macht die gezielte Bekämpfung von Armut so schwer. So ist es z. B. durchaus richtig zu sagen, dass Bildung ein wichtiger Schlüssel zur Verringerung des Armutsrisikos des jeweils Betroffenen ist. Jedoch werden Bildungsanstrengungen allein nicht ausreichen, Armut nachhaltig zu bekämpfen.

Brandenburg hat zum gegenwärtigen Zeitpunkt gute Voraussetzungen, Armut weiter zurückzudrängen. So ist der Anteil von Personen mit nur geringer Bildung unterdurchschnittlich – sowohl gegenüber dem gesamten Bundesgebiet als auch im Vergleich der neuen Bundesländer. Geringer als im bundesdeutschen Durchschnitt ist auch die Quote der frühen Schulabgänger – einem gewichtigen Einflussfaktor auf das Armutsrisiko.

Die größten Probleme für die Armutsgefährdung sind nach wie vor in der hohen Arbeitslosigkeit (insbesondere in der Langzeitarbeitslosigkeit) und in den Lebensbedingungen für Alleinerziehende zu sehen. In Zukunft wird auch leider wieder das Thema der Altersarmut an Bedeutung zunehmen.

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