In diesemKapitel wirdeine kurze Einfuhrungin dieprojektiveGeometrie gegeben.
Es sollen unendlich ferne Punkte mit Hilfe von homogene Koordinaten eingefuhrt
werden und das Verhalten der Kegelschnitte imUnendlichen diskutiert werden.
Wir betrachten die Menge der Geraden in R 3
, welche durch O gehen. Eine solche
Gerade wird durch einen weiterenPunkt P =(z
1
;z
2
;z
3
)6=0bestimmt.Eine solche
Gerade hat dieParameterdarstellung
t 7!(z
1 t;z
2 t;z
3 t):
IhrSchnittmitder horizontalenEbeneE :x
3
=1hatdieKoordinaten z
1
z
3
; z
2
z
3
;1
!
falls z
3
6=0. Umgekehrt, zu jedem Punkt aus E mit Koordinaten (x
1
;x
2
;1) gehort
die GerademitParameterdarstellung
t7!(x
1 t;x
2 t;t)
Die Zuordnung,Punkt inE $Geraden durchO,istfastein-eindeutig:diehorizon-
talen Geraden
t 7!(z
1 t;z
2 t;0)
sind parallel zu E. Sie schneiden E \im Unendlichen". Sie sollen die \1-fernen"
Punkte von E darstellen. Also:
Geraden t7! z
1 t;z
2 t;z
3 t
mitz
3
6=0 , endliche Punkte
z
1
z
3
; z
2
z
3
;1
vonE
Geraden t7!(z
1 t;z
2 t;z
3
t) mitz
3
=0 , unendlich ferne Punkte (z
1
;z
2
;0)vonE
ZweiTripel(z
1
;z
2
;z
3
)6=(0;0;0)und(z 0
1
;z 0
2
;z 0
3
)6=(0;0;0)denierendieselbeGerade
durchO falls es 2Rgibt mit
z 0
1
=z
1
; z 0
2
=z
2
; z 0
3
=z
3 :
Also (z
1
;z
2
;z
3
) und (z
1
;z
2
;z
3
) entsprechen demselben Punkt von E.
WirsindsoweitfolgendeDenitionzugeben:DieprojektiveEbeneP 2
bestehtausR 2
und aus unendlichfernen Punkten.EinPunkt von P 2
wird durch 3homogene Koor-
dinaten (z
1
;z
2
;z
3
) gegeben, welche nicht allegleich 0 sein durfen. Die Koordinaten
(z
1
;z
2
;z
3
) und (z
1
;z
2
;z
3
); 6= 0 denieren denselben Punkt in P 2
. Die Punkte
mit z
3
6= 0 sind die endlichen Punkte; die Punkte mit z
3
= 0 sind die unendlichen
Punkte.
Die Abbildung (x
1
;x
2
) 7! (x
1
;x
2
;1) ist eine Einbettung von R in P (als Men-
gen). Punkte mit z
3
6= 0 sind \endliche" Punkte mit inhomogenen Koordinaten
x
1
= z
1
z3
; x
2
= z
2
z3
. Die unendlich fernen Punkte haben Koordinaten (z
1
;z
2
;0).
Also erfullen ihre homogenen Koordinatendie Gleichung
z
3
=0 \unendlich ferne" Gerade.
Eine Gleichung f(z
1
;z
2
;z
3
)=0 deniert eine Kurve inP 2
, falls
f(z
1
;z
2
;z
3
)=0,f(z
1
;z
2
;z
3
)=0 8 2R:
Sie muss \homogen" sein.
Beispiel: Die lineare Gleichung a
1 z
1 + a
2 z
2 +a
3 z
3
= 0, (a
1
;a
2
;) 6= (0;0). Fur
endliche Punkte
x
1
= z
1
z
3
; x
2
= z
2
z
3
;1
gilt
a
1 x
1 +a
2 x
2 +a
3
=0:
Die endlichen Punkte liegen also auf einer Geraden in R 2
und der unendlich ferne
Punkt istder Punkt( a
2
;a
1
;0).ParalleleGeraden sindgegeben durchGleichungen
a
1 x
1 +a
2 x
2 +a
0
3
=0:
Siehabenalleden gleichen unendlichfernenPunkt. Allgemein,deniertjedehomo-
gene Gleichung f(z
1
;z
2
;z
3
)=0eine Gleichung in R 2
:
f
(x
1
;x
2
):=f(x
1
;x
2
;1):
Typische homogene Gleichungensind algebraische Ausdrucke
X
a
i
1 i
2 i
3 z
i1
1 z
i2
2 z
i3
3
=0
wo der Totalgrad i
1 +i
2 +i
3
jedes Monoms z i1
1 z
i2
2 z
i3
3
konstant ist. Umgekehrt lasst
sich jede algebraische Gleichung
X
b
ij x
i
1 x
j
2
=0
\homogenisieren": man ersetzt x
1
durch z
1
; x
2
durch z
2
und \fullt Locher" mit
Potenzen vonz
3 .
1. DieParabel x
2
=x 2
1
.DiehomogeneGleichungistz 2
1 z
2 z
3
=0.DieKurvehat
einen (doppelten) Schnittpunkt mitder 1-fernen Geraden: setzt manz
3
=0,
so muss z 2
1
=0,also istder Schnittpunkt der Punkt (0;1;0).
2. Die Hyperbel x
2
1
b 2
1 x
2
2
b 2
2
=1hat die homogene Gleichung
z 2
1
b 2
1 z
2
2
b 2
2 z
2
3
=0:
Siehat zwei 1-ferne Punkte:
P
1
=(b
1
;b
2
;0) P
2
=(b
1
; b
2
;0):
Die Asymptoten
z
2
=
b
2
b
1 z
1
sind Tangentenandie Hyperbel indiesen Punkten.
Bemerkung: ImAllgemeinenschneideteineGeradeeinenKegelschnittinzwei
Punkten. Fallen beide Punkte zusammen, so ist die Gerade eine Tangente.
Insbesondere hat die Asymptote z
2
=+ b
2
b
1 z
1
den \doppelten" Schnittpunkt
(b
1
;b
2
;0)mitder Hyperbel.
3. Die Ellipse x
2
1
b 2
1 +
x 2
2
b 2
2
=1hat diehomogene Gleichung
z 2
1
b 2
1 +
z 2
2
b 2
2 z
2
3
=0:
Der Schnitt mitder 1-fernen Gerade z
3
=0ist gegeben durch
z 2
1
b 2
1 +
z 2
2
b 2
2
=0
Die einzige reelle Losung ist z
1
= 0;z
2
= 0. Jedoch durfen nicht alle drei ho-
mogeneKoordinatengleichNullsein.AlsohatdieEllipsekeinereellenunend-
lichen Punkte. Andererseits, wenn man komplexeZahlen zulasst, so bekommt
man diezwei komplex-konjugierten Punkte
P
1
=(b
1
;ib
2
;0) P
2
=(b
1
; ib
2
;0):
Insbesondere gehenalleKreise durch diePunkte (1; i;0).
gegeben:
a
1 z
1 +a
2 z
2 +a
3 z
3
=0; (a
1
;a
2
;a
3
)6=(0;0;0)
Zwei Tripel(a
1
;a
2
;a
3
) und (a 0
1
;a 0
2
;a 0
3
) denieren diegleiche Gerade falls
a 0
1
=a
1
; a 0
2
=a
2
; a 0
3
=a
3
furein6=0inR.Wir haben alsoeine Symmetriezwischen Punktenund Geraden:
Punkt (a
1
;a
2
;a
3
)7! Gerade a
1 z
1 +a
2 z
2 +a
3 z
3
=0;
Gerade b
1 z
1 +b
2 z
2 +b
3 z
3
=07! Punkt (b
1
;b
2
;b
3 ):
Diese Symmetriewird in der projektiven Geometrie als Dualitat bezeichnet.
Satz:
(1) Durch je zwei verschiedene Punkte P;Qgeht genau eine Geradeg
P;Q .
(2) Jezwei verschiedene Geraden g;h schneiden sichin genaueinemPunkt g\h.
(3) Durch DualitatgehenverbindendeGeraden inSchnittpunkte
uberundumge-
kehrt.
Beweis: (1) SeiP =(u
1
;u
2
;u
3
)undQ=(v
1
;v
2
;v
3
).DasSystemvon2Gleichungen
a
1 u
1 +a
2 u
2 +a
3 u
3
= 0
a
1 v
1 +a
2 v
2 +a
3 v
3
= 0
fur die KoeÆzienten (a
1
;a
2
;a
3
) der gesuchten Geraden hat Rang 2, da die Tripel
(v
1
;v
2
;v
3
) und (u
1
;u
2
;u
3
) linear unabhangig sind (P 6= Q!). Also ist die Losungs-
menge eindimensional und deniert eine Gerade. Der Beweis von (2) ist analog
(Dualitat!). Wirbeweisen (3):
Zu P =(u
1
;u
2
;u
3
)gehort dieGerade
g
P :u
1 z
1 +u
2 z
2 +u
3 z
3
=0
und zu Q=(v
1
;v
2
;v
3
) die Gerade
g
Q :v
1 z
1 +v
2 z
2 +v
3 z
3
=0:
Die Gerade durch P und Qhat KoeÆzienten (a
1
;a
2
;a
3
)furwelche gilt
u
1 a
1 +u
2 a
2 +u
3 a
3
= 0
v
1 a
1 +v
2 a
2 +v
3 u
3
= 0
1 2 3 P Q
u
1 z
1 +u
2 z
2 +u
3 z
3
= 0
v
1 z
1 +v
2 z
2 +v
3 z
3
= 0
erfullen. Die KoeÆzienten der Geraden durch P und Q sind also die Koordinaten
des Schnittpunktes g
P
\g
Q
.