A1662 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 23⏐⏐8. Juni 2007
M E D I Z I N
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ie Diskussion um neue Therapiemöglichkeiten mit Stammzellen in der regenerativen Medizin wird seit mehreren Jahren kontrovers geführt. Wie bei vielen Neuerungen in der Medizin überschlagen sich so- wohl Erfolgsmeldungen als auch Kritik bei der Ent- wicklung von Stammzelltherapien.Der in diesem Heft erscheinende Artikel von Toegel et al. zieht eine Zwischenbilanz der Ergebnisse von publizierten klinischen Studien mit adulten Knochen- markstammzellen zum Einsatz bei neuen Therapieindi- kationen (1). Es wird deutlich, dass die Einführung von kardiovaskulären und immunologischen Therapien auf Basis von Stammzellen aus dem Knochenmark eine lo- gische Weiterentwicklung von intravaskulären hämato- logischen Therapien ist. Bei der Gewebeapplikation und der Verwendung von kultivierten expandierten Stamm- zellen gibt es jedoch nur sehr begrenzte klinische Erfah- rung, im Wesentlichen bei Herzerkrankungen. Risiko und Nutzen sind teilweise noch nicht gut abschätzbar, neben Fortschritten muss immer wieder mit Rückschlä- gen bei der Therapieentwicklung gerechnet werden.
Komplexe klinische Prüfung
Die Einführung dieser Behandlungen erfordert neue Techniken zur Herstellung standardisierter und validier- ter Stammzellpräparate und unterliegt den Regularien des Arzneimittelrechts. Die Produktionstechnologien und die klinischen Prüfverfahren sind für diese neuen Zellprodukte komplex. Hochspezialisiertes Wissen ist für die Herstellung von Zellpräparaten in Reinräumen und in den Therapiezentren erforderlich. Deutschland ist in der klinischen Umsetzung von adulten Stammzell- therapien eine der führenden Nationen, und mehrere Zentren haben sich bereits auf diesem Gebiet etabliert.
Der internationale Wettbewerb in diesem Erfolg ver- sprechenden medizinischen Technologiefeld erfordert allerdings ein konzertiertes Zusammenarbeiten von For- schungsgruppen, klinischen Translationszentren, Zulas- sungsbehörden und Krankenkassen, um gemeinsam neue kurative regenerative Stammzelltherapien bis zur Zulassung und in die Standardtherapie zu bringen. Die aktuellen kontroversen Diskussionen zwischen Ärzten, Wissenschaftlern, Industrie, Behörden und Politik über die Einführung des Gewebegesetzes (2) und die Ent- wicklung der Forschung unter Auflagen des Stammzell- gesetzes (3) zeigen das große gesellschaftliche und ärzt-
liche Interesse an einer effektiven Forschung und Si- cherstellung der klinischen Umsetzbarkeit.
In Deutschland sind häufig bürokratische Hürden zu überwinden. Für eine zügige Umsetzung der Grundla- genforschung in die Therapie ist eine enge Zusammen- arbeit von Behörden, Wissenschaftlern und Medizinern essenziell. Die Entwicklung und Zulassung von innova- tiven Therapien auf einem hohen Qualitätsniveau ist das gemeinsame Ziel. Allerdings sind aufgrund vieler Ent- wicklungshürden Zuversicht und Glaube an die Chance für neue regenerative Therapien notwendig, um die kli- nische Entwicklung nach den Standards der „good clini- cal practice“ voranzutreiben. Die gesundheitliche und wirtschaftliche Versorgung einer überalterten Gesell- schaft erfordert, dass sich Deutschland in der wissen- schaftlichen Entwicklung rasch bewegt und an die Spit- ze der regenerativen Medizin setzt.
LITERATUR
1. Toegel F, Lange C, Zander AR, Westenfelder C: Regenerative Medizin mit adulten Stammzellen aus dem Knochenmark. Dtsch Arztebl 2007;
104: 1663–70.
2. Bundesärztekammer: Erweiterte und aktualisierte Stellungnahme der BÄK zum Regierungsentwurf für ein Gewebegesetz vom 24. 1. 2007 (Stand: 24.01.2007). www.bundesaerztekammer.de/downloads/
zregstell20070124.pdf
3. 4. Bericht der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellforschung der Bundesregierung, http:/www.rki.de/cln_048/nn_197444/
DE/Content/Gesund/Stammzellen/ZES/Taetigkeitsberichte/
4-taetigkeitsbericht.html?_nnn=true
Interessenkonflikt
Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des In- ternational Committee of Medical Journal Editors besteht.
Manuskriptdaten
eingereicht: 12. 4. 2007, revidierte Fassung angenommen: 17. 4. 2007
Treatment with adult stem cells – further developments of hematological approaches
Dtsch Arztebl 2007; 104(23): 1662.
Anschrift für die Verfasser Prof. Dr. med. Gustav Steinhoff Klinik und Poliklinik für Herzchirurgie Medizinische Fakultät
Universität Rostock
Schillingallee 35, 18057 Rostock E-Mail: gustav.steinhoff@med.uni-rostock.de
EDITORIAL
Therapie mit adulten Stammzellen – Weiterentwicklung
hämatologischer Ansätze
Gustav Steinhoff
Klinik und Poliklinik für Herzchirurgie, Medizinische Fakultät, Universität Rostock, Rostock: Prof. Dr. med.
Steinhoff
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