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Archiv "Kulturgeschichte der Prothesen: Objekte der Nächstenliebe" (09.02.2007)

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A360 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 6⏐⏐9. Februar 2007 den offenbar so häufigen Verlust von

Gliedmaßen lagen neben Kriegs- schäden in Mangelerkrankungen so- wie insbesondere im Ergotismus.

Eine der bekanntesten Prothesen ist die Eiserne Hand des Götz von Berlichingen. Im Jahr 1504 büßte er im Landshuter Erbfolgekrieg seine rechte Hand ein, getroffen von sei- ner eigenen Artillerie. Damit er aber weiterhin mit in die noch bevorste- henden Kriege ziehen konnte, ließ er sich von einem Schmied eine Er- satzhand anfertigen, die das Funda- ment für die moderne Prothesenher- stellung legte. Mit Zahnrädern konnten die Finger in bestimmten

Stellungen fixiert werden, sodass Götz weiterhin sein Schwert greifen und festhalten konnte. Die Eiserne Hand wird als eines der ältesten Bei- spiele künstlicher Glieder heute im Museum der Götzenburg im schwä- bischen Jagsthausen aufbewahrt.

Während der gemeine Mann sich meist selber seine primitive Gehhil- fe angefertigt oder seine Eisenklaue zurechtgebogen hat, kamen im 16.

Jahrhundert nun von „fachmänni- scher Hand“ geschaffene Prothesen

hinzu. Eine hervorragende Stellung nahm dabei der Chirurg Ambroise Paré (1510–1590) ein. Sein „Knie- ruhestelz“, das „Holzbein der Ar- men“, blieb bis ins 19. Jahrhundert hinein vorherrschend. Dabei mün- dete die Stelze in einem u-förmigen Holzstück, in das der Beinstumpf gesteckt und mit Lederriemen fest- geschnallt wurde.

Erst im Laufe des 18. Jahrhun- derts wurden gesteuerte Prothesen entwickelt, die mithilfe von Federn und auf dem Körper aufgewickelten Fäden angetrieben waren. Heutzu- tage sind Prothesen mit Kraft und Wärmesensoren ausgestattet. Die

Antriebe sind energetisch optimiert, um weniger Energie der mit zu tra- genden Akkumulatoren zu verbrau- chen und eine größere Unabhängig- keit der Behinderten von der Ener- giequelle zu ermöglichen. Seit 2002 gibt es die Fluidhand, die das Insti- tut für angewandte Informatik in Karlsruhe entwickelt hat. Diese bio- nischen Hände verfügen über große Beweglichkeit und sind besonders

leicht. I

Iris Schatz Die Eiserne Hand

Götz von Berlichin- gens ist im Museum der Götzenburg in Jagsthausen zu se- hen.

Bionische Hände verfügen über große Beweglichkeit und sind besonders leicht.

„Warum reicht Ihr mir die Linke? Bin ich die ritterliche Rechte nicht wert?“

„Und wenn Ihr der Kaiser wärt, Ihr müsstet mit dieser vorlieb nehmen.

Meine Rechte, ob- gleich im Krieg nicht unbrauchbar, ist ge- gen den Druck der Liebe unempfindlich:

sie ist eins mit ihrem Handschuh; Ihr seht, er ist aus Eisen.“

(Johann Wolfgang von Goethe: Götz von Berlichingen, 1773)

D

ie Versuche, Menschen ihre im Kampf, bei der Jagd, im Krieg oder bei einem Unfall verlo- renen Hände, Beine oder Füße zu er- setzen, haben eine lange Geschich- te. Im Louvre befindet sich eine Fußprothese, die aus dem dritten Jahrhundert vor Christus stammt.

Die wahrscheinlich älteste Darstel- lung des Stelzfußes wurde auf einer Vase aus dem zweiten Jahrhundert entdeckt.

Der römische Schriftsteller Plini- us der Ältere berichtet in seiner

„Naturalis historia“ von Marcus Sergius Silus, dem Urgroßvater des späteren Verschwörers Catilina. Si- lus hatte im Zweiten Punischen Krieg seine rechte Hand verloren und ließ sich eine künstliche Hand aus Eisen schmieden. Diese Prothe- se soll ihn zum weiteren Kriegs- dienst befähigt haben. Solche Pro- thesen scheinen wohl im kriegstrei- benden Rom nichts Ungewöhnli- ches gewesen zu sein, denn auch im Louvre gibt es eine Säule, auf der die Handprothese eines römischen Soldaten zu sehen ist.

In der christlichen Tradition sind Krüppel und Lahme Objekte der Nächstenliebe. Ein italienisches Fresko aus dem 13. Jahrhundert zeigt Jesus bei der Segnung Fußam- putierter, die sich auf Gehbänken stützen. Der heilige Martin teilte sei- nen Mantel mit einem beinamputier- ten Bettler. Die Heiligen Kosmas und Damian, Schutzpatrone der Apotheker und Ärzte, amputierten der Legende nach einem Kirchen- diener das Bein und ersetzten dies durch ein „Mohrenbein“. Auf den Bildern flämischer Meister des 16.

und 17. Jahrhunderts sind stelzfüßi- ge Bettler, Amputierte mit unterge- schnallten Laufbrettern, Krüppel, die sich mühselig mittels Krücken und Holzböcken daherschleppen, allgegenwärtig. Die Ursachen für

KULTURGESCHICHTE DER PROTHESEN

Objekte der Nächstenliebe

Die Entwicklung vom Stelzfuß, einem starken hölzernen Stiel als Ersatz für einen fehlenden Unterschenkel, zur bionischen Fluidhand

Foto:Iris Scha tz

K U LT U R

Foto:Forschungszentrum Karlsruhe GmbH/Helmholz Gemeinschaft

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