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Archiv "Transplantationsmedizin: Erstmals komplette Arme verpflanzt" (15.08.2008)

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A1728 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 3315. August 2008

M E D I Z I N R E P O R T

W

ir sind erleichtert, aber auch angespannt“, antwortet Prof.

Dr. med. Hans-Günther Machens auf die Frage, wie es ihm gehe, die Antwort offenbar bewusst im Plural formuliert. Im Team von insgesamt 40 Mitarbeitern hat der Direktor der Klinik für Plastische Chirurgie und Handchirurgie am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität (TU) München weltweit erstmals komplette Arme von einem hirn- toten Spender verpflanzt, in einer 15-stündigen Operation. Der Emp- fänger ist ein 54-jähriger Landwirt, der vor sechs Jahren beide Arme bei einem Arbeitsunfall verloren hat.

Eine Replantation der in T-Shirt- Höhe abgetrennten Gliedmaßen war nicht möglich.

Erleichtert sei man, weil es dem Patienten den Umständen entspre- chend sehr gut gehe, erläutert Ma- chens, der für die medizinische Be- treuung verantwortlich ist. Der Pati- ent habe schon einen Tag nach der Operation extubiert werden können, er sei wach, lese, könne sich unter-

halten. „Es war sehr bewegend, als der Patient zum ersten Mal seine neuen Hände angeschaut hat“, sagt Machens. Der Patient sei glücklich gewesen und habe geäußert, die Hände erschienen ihm nicht fremd.

Keine überhöhte Erwartung

Unter dem Gesichtspunkt der Ope- rationstechnik und der bisherigen Abstoßungsprophylaxe sehen die Ärzte den Eingriff als Erfolg. „Von einem Erfolg insgesamt würde ich erst sprechen wollen, wenn die Le- bensqualität des Patienten deutlich besser ist als zuvor“, erklärt Ma- chens gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt.

Unter immunologischen, neuro- biologischen und psychologischen Gesichtspunkten ist es medizini- sches Neuland, das die Ärzte betre- ten. „Der Patient weiß das, und er hat keine überzogenen Erwartun- gen“, erläutert Priv.-Doz. Dr. med.

Christoph Höhnke, Leiter des Trans- plantationsteams. Unabdingbare Vor- aussetzung für Eingriffe wie diese

sei, dass alle konservativen Mög- lichkeiten, Lebensqualität herzustel- len, ausgeschöpft seien. So war der Münchener Patient mit dem Wunsch nach Transplantation an das Klini- kum herangetreten, weil er jahre- lang mit verschiedenen Prothesen nicht zurechtgekommen war. Im täglichen Leben blieb er komplett auf fremde Hilfe angewiesen.

Der „Vorläufer“ der Armtrans- plantation ist die allogene Hand- transplantation, die international bei circa 20 Patienten (ein- und beid- seitig) vorgenommen wurde. Die ers- te erfolgreiche einseitige allogene Handtransplantation erfolgte im Sep- tember 1998 unter Federführung von Prof. Dr. med. Jean-Michel Duber- nard in Lyon/Frankreich. Allerdings musste dem Patienten 2001 die fremde Hand wegen Noncompli- ance bei der Medikamteneinnahme und Abstoßungsreaktionen wieder entfernt werden. Im Januar 2000 wurden erstmals bilateral Hände von hirntoten Spendern verpflanzt.

Seit Anfang der 90er-Jahre wird in-

TRANSPLANTATIONSMEDIZIN

Erstmals komplette Arme verpflanzt

Klinisches Neuland haben Ärzte vom Klinikum rechts der Isar in München mit der Transplantation von Oberarmen betreten. Ob sich die Lebensqualität des Patienten langfristig verbessern wird, ist noch ungewiss.

Technisch ein Erfolg:Das Opera- tionsergebnis der weltweit ersten Armtransplantation.

Über einen externen Fixateur werden die Arme aufgehängt, um Druckstellen zu vermeiden.

Foto:Klinikum rechts der Isar,TU München

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Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 3315. August 2008 A1729

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ternational über Handtransplanta- tionen diskutiert, wegen ethischer Konflikte allerdings kontrovers: Pa- tienten erhalten ein nicht lebensnot- wendiges Körperteil, sie nehmen für den erhofften Vorteil verbesserter Lebensqualität die lebenslange Im- munsuppression auf sich, deren un- erwünschte Effekte das Leben ver- kürzen können. „Über dieses Nut- zen-Risiko-Verhältnis haben wir ausführlich mit unserem Patienten gesprochen“, teilt Höhnke mit.

Intensive Immunsuppression

Grundsätzlich gelten Handtrans- plantationen als Beispiel dafür, dass die allogene Transplantation von Gewebe unterschiedlichen Typs in Bezug auf die Kontrolle der Ab- stoßung möglich ist, auch wenn meist nur die Blutgruppenverträg- lichkeit, nicht aber die Übereinstim- mung in Histokompatibilitätsanti- genen berücksichtigt werden kann.

Die Herausforderungen der Arm- transplantation sind im Vergleich zur Übertragung von Händen den- noch größer: Es werden deutlich mehr körperfremde Haut (circa 20 Prozent der Hautoberfläche) und Knochen mit Knochenmark ver- pflanzt und damit mehr immunoge- ne und immunkompetente Zellen, die eine Wirt-gegen-Transplantat- Abstoßung oder eine Graft-versus- Host-Krankheit (GvHD) auslösen können. „Eine Oberarmtransplanta- tion kombiniert die immunologi- schen Probleme einer Knochen- marktransplantation mit denen einer Übertragung solider Organe“, erläu- tert Machens. Das immunologische Monitoring, darunter die täglich mehrfache klinische Beurteilung der Haut, regelmäßige Hautbiopsien und differenzierte Analysen immu- nologischer Parameter, sei deutlich aufwendiger als nach der Transplan- tation innerer Organe, die Absto- ßungsprophylaxe intensiviert: Der Patient erhalte Tacrolimus (syste- misch und zweimal am Tag lokal mit einer Creme), Kortison und Mycophenolatmofetil (MMF). Wie hoch das Risiko einer potenziell le- bensbedrohlichen GvHD bei einer Oberarmtransplantation sei, lasse sich schwer abschätzen, da sich präklinische Daten nicht direkt auf

die humane Situation übertragen ließen. Eine Besonderheit in Mün- chen war, dass die beiden zu trans- plantierenden Arme eine große Muskel- und Gewebemasse aufwie- sen (pro Arm circa zwölf Kilo- gramm).

Zunächst wurden die Arme über eine winkelstabile Plattenosteosyn- these (8-Loch-Platte) an den Rest- humerus fixiert. Es folgten die Ana- stomosen der größeren Blutgefäße, um möglichst rasch die Durchblu- tung der Spenderarme wiederherzu- stellen. Da die Vena axillaris an der linken Schulter verschlossen war, wie die Ärzte im Vorfeld festgestellt hatten, mussten drei Bypässe gelegt werden. Weil schon nach kurzer Ischämiezeit – in diesem Fall 1,5 und zwei Stunden – Gewebe ge- schädigt wird und toxische Metabo- liten entstehen, erfolgte die Reper- fusion zeitversetzt um 20 Minuten.

Es sei kein Kompartimentsyndrom (Schwellung der Muskelkomparti- mente) aufgetreten, so Machens.

Nach den Gefäßen konnektierten die Chirurgen Muskel- und Sehnen- enden miteinander sowie die größe- ren Nerven (N. musculo-cutaneus, N. radialis, N. ulnaris, N. media- nus). Schließlich wurde die Haut vernäht und ein gelenkübergreifen- der Fixateur mit Pins an Ober- und Unterarmen extern angebracht. Dar- an werden die Arme zur Vermei- dung von Druckstellen aufgehängt.

Es sollen natürlich auch wissen- schaftliche Fragen beantwortet wer- den; zu den spannendsten gehört, ob Axone des Empfängers – die des Spenders sterben ab, nur die Ner- venscheiden bleiben – rasch genug in die Muskeln werden einwachsen können, bevor diese atrophieren.

Axone wachsen maximal einen Mil- limeter pro Tag. Erst in etwa zwei Jahren werden sie also die circa 60 Zentimeter bis in die Fingerspitzen erreichen können. Physiotherapie solle verhindern, dass die Muskula- tur atrophiere – ein Wettlauf mit der Zeit, sagt Machens. Parameter für einen kurzfristigen Erfolg sei, wenn der Patient nach drei bis sechs Mo- naten den Bizeps willkürlich an- spannen könne. Die Innervation des Muskels durch den N. musculo- cutaneus ist die kürzeste zu über-

windende Strecke. Eine weitere Fra- ge wird sein, wie gut das Gehirn und vor allem der motorische Cortex in der Lage sein wird, Hand- und Fin- gerbewegungen wieder neu zu steu- ern und Tastreize richtig zu interpre- tieren (das Temperaturempfinden kehrt meist rasch zurück). Je länger die Amputation zurückliegt, desto schwieriger ist die „Reprogrammie- rung“ des Gehirns, so die Hypothe- se, weshalb international eine maxi- male Zeitspanne von fünf bis sechs Jahren zwischen Amputation und Transplantation diskutiert wird und der Patient noch im mittleren Le- bensalter sein sollte. So lässt sich mit bildgebenden Verfahren fest- stellen, ob der Patient bei intensi- ver Krankengymnastik die Vorstel- lung eines Bewegungsablaufs ent- wickeln kann, noch bevor ihm die Bewegung selbst möglich ist.

Phantomschmerz reduziert

Der Patient habe eine stabile Per- sönlichkeit, gute soziale Unterstüt- zung und sei sich bewusst, dass die immunsuppressive Therapie lebens- verkürzend wirken könne, so die Ärzte. Lindernd empfinde er, dass der Phantomschmerz in den Arm- stümpfen binnen acht Tagen nach OP deutlich zurückgegangen sei, teilt Machens mit.

Im Jahr 2001 hatten drei deutsche Kliniken die Absicht erklärt, bei ge- eigneten Spender-Empfänger-Paa- ren Handtransplantationen vorneh- men zu wollen: die Berufgenossen- schaftliche Unfallklinik Ludwigs- hafen zusammen mit der Universität Heidelberg, das Rhön-Klinikum Bad Neustadt an der Saale mit der Universität Würzburg und das Klinkum rechts der Isar der TU München. Nun hat es offenbar zuerst in München geklappt, und zwar mit einer doppelseitigen Trans- plantation der Arme, die im Ver- gleich zur Übertragung nur eines Arms oder einer Hand einen höhe- ren potenziellen Nutzen verspricht und damit vielen noch am ehesten ethisch gerechtfertigt scheint. Jetzt, sagt Machens, wolle man erst ein- mal den weiteren Verlauf abwarten, bevor über ähnliche Eingriffe nach-

gedacht werde. I

Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze

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