Bewertung und Bewältigung von Zeitdruck
Immer schneller – immer mehr
Zeit- und Leistungsdruck bei Wissens- und Dienstleistungsarbeit BAuA-Fachtagung, Berlin 03. Juli 2015
Jun.-Prof. Dr. Jan Dettmers Universität Hamburg
Bewertungsprozesse (Appraisal)
Stressor Stresswirkung
Bewertung
Schädigung Bedrohung Herausforderung
• Neu aufgegriffen durch das Challenge-Hindrance Framework (Cavanaugh et al. 1998; LePine et al. 2004)
• Empirische Belege für die Bedeutung von Challenge oder Hindrance Bewertung (Webster et al., 2011; Searle & Auton, 2014; Prem et al. i.V.; Dettmers et al. i.V. )
2 Bewertung und Bewältigung von Zeitdruck
Bewältigungsstrategien (Coping)
Stressor Stresswirkung
Copingreaktion
Emotion vs. Problem Approach vs. Avoidance
vgl. Lazarus & Folkman (1984); Carver & Scheier (1998); Gutiérrez Doña (2002)
Bewertung und Bewältigung von Zeitdruck
Fragestellungen:
• Welche Bewältigungsstrategien von Zeitdruck werden angewandt?
• Welche Rolle spielen die Bewältigungsstrategien für die Wirkung von Zeitdruck?
Zusätzlich:
• Welche Zusammenhänge bestehen zwischen Bewältigungs- und Bewertungsprozessen von Zeitdruck?
Bewertung und Bewältigung von Zeitdruck
Zeitdruck als quantitative Überforderung:
Wahrnehmung, dass die verfügbare Zeit nicht ausreicht, um mit der normalen Arbeitsgeschwindigkeit den eigenen
Verpflichtungen und Arbeitsaufgaben nachzukommen.
Arbeitsaufgaben Aufwand/ Zeit
Anstrengung
Qualität
Bewältigungsstrategien von Zeitdruck
Bewältigungsstrategien
von Zeitdruck?
28 Leitfadengestützte Interviews
(n=28, 25-60 Jahre, 50%weiblich)
Leitfaden:
• Definition von Zeitdruck
• Leitfragen:
o „Bitte erinnern Sie sich an eine Situation, in der Sie sich unter Zeitdruck gefühlt haben und beschreiben Sie diese.
o „Wie sind sie in dieser Situation mit dem Zeitdruck umgegangen?“
o „Welche Wirkung hat die gewählte Strategie aus Ihrer Sicht gehabt?“
Bewältigungsstrategien von Zeitdruck
Ergebnisse (problemorientierte Bewältigungsstrategien):
Genannte Strategien
• Anstrengungserhöhung/Intensivierung: 15/28
• Ausdehnung der Arbeitszeit/Extensivierung: 19/28
• Qualitätsreduktion: 9/28
• Priorisierung: 23/28
• Soziale Unterstützung/Delegation: 19/28
• Übereinstimmungen mit Ergebnissen früherer Studien
(z.B. Baker et al. 2007; Hockey, 1997; Lee & McGarth, 1995; Saupe & Frese,
1981; Schulz & Höfert, 1981; Zapf, 1991; Major, et al., 2002; Wrosch et al., 2000;
Krenauer & Schönpflug, 1980)
Bewältigungsstrategien von Zeitdruck
Berichtete Wirkungen (Interviews):
• Anstrengungserhöhung/Intensivierung (z.B. Meijmann & Mulder, 1998;
Semmer & Udris, 2007)
o „psychischer und körperlicher Stress“
o „Erschöpfung“
o „Anstieg der Fehlerhäufigkeit“
o „Schwierigkeiten abzuschalten“
• Ausweiten der Arbeitszeit/Extensivierung (z.B. Rau & Triemer, 2004;) o „Negative Beeinflussung der Freizeit“
o „Weniger Erholung “ o „Erschöpfung“
o „Reduktion der Arbeitsqualität“
• Qualitätsreduktion (z.B. Hobfoll, 2001; Semmer, 2003; Hockey, 1997) o Unzufriedenheit
o Konflikte mit Kollegen o Fehlende Anerkennung
Wirkung der Bewältigungsstrategien
Quantitative Überprüfung der Wirkungen der verschiedenen Bewältigungsstrategien:
Hypothese 1: Zeitdruck wirkt sich negativ auf das Wohlbefinden aus
Wirkung der Bewältigungsstrategien
kogn.Irritation
Erschöpfung
Selbstwert (OBSE) Zeitdruck
Quantitative Überprüfung der Wirkungen der verschiedenen Bewältigungsstrategien:
Hypothese 2: Die angewandten Bewältigungsstrategien mediieren partiell (unterschiedlich) den Effekt
Wirkung der Bewältigungsstrategien
Extensivierung
Intensivierung
kogn.Irritation
Erschöpfung
Selbstwert (OBSE) Zeitdruck
Qualitätsreduktion
Onlinestudie (n=672, Alter:18-67 Jahre, 66% Frauen) UV und Mediatoren
• Zeitdruck PSQ (Fliege et al. 2001) („Sie fühlen sich gehetzt“) α=.83
• Bewältigungsstrategien (basierend auf der Interviewstudie)
„Wenn ich bei der Arbeit mehr zu erledigen habe, als ich normalerweise in der vorgegebenen Zeit schaffen kann…“
• Extensivierung, 3 Items (z.B. „…bleibe ich länger als geplant bei der Arbeit“) α=.93
• Intensivierung, 3 Items (z.B. „…arbeite ich noch angestrengter, um schneller fertig zu werden“) α=.76
• Qualitätsreduktion , 3 Items (z.B. „…schraube ich eigene Ansprüche an das Ergebnis etwas nach unten“) α=.76
Wirkung der Bewältigungsstrategien
AVs
• Kogn. Irritation (Mohr et al. 2005): (z.B. „Es fällt mir schwer nach der Arbeit abzuschalten“) α=.89
• Emotionale Erschöpfung (Maslach & Jackson, 1986; Enzmann & Kleiber, 1989 (z.B. „Ich fühle mich durch meine Arbeit ausgebrannt“) α=.91
• Organisationsbezogener Selbstwert (Pierce et al., 1989; Kanning &
Schnitker, 2004): (z.B. „Ich bin wichtig“) α=.89
Kontrollvariablen
• Alter, Geschlecht, Arbeitszeit, Beschäftigungsverhältnis Wirkung der Bewältigungsstrategien
Wirkung der Bewältigungsstrategien
kogn.Irritation
Erschöpfung
Selbstwert (OBSE) Zeitdruck
.35**
.69**
-.09
Extensivierung
Intensivierung
kogn.Irritation
Erschöpfung
Selbstwert (OBSE) Zeitdruck
Qualitätsreduktion
Signifikante Indirekte Pfade: Zeitdruck Extensivierung kogn. Irritation
Zeitdruck Intensivierung Exhaustion Zeitdruck Qualitätsreduktion Erschöpfung
Zeitdruck Qualitätsreduktion OBSE
Wirkung der Bewältigungsstrategien
.28**
.09*
.08*
-.14*
.25**
.64**
.01 .36**
.22**
.21**
CHI2=1702.40 DF=573; CFI=.90, TLI=.90; RMSEA=.054;
SRMR=.056
∆R2=.06
∆R2=.01
∆R2=.03 -.13*
Zusammenfassung der Ergebnisse
• Zeitdruck kann auf verschiedene Weise bewältigt werden
• Die Wahl der Bewältigungsstrategien spielen eine Rolle bei der Wirkung von Zeitdruck
• Ungünstige Bewältigungsstrategien können die negative Wirkung von Zeitdruck verstärken (Inkrementelle Wirkung) Limitationen
• Querschnittsstudie: Richtung der Wirkzusammenhänge muss in Längsschnittstudien überprüft werden
Weitere Studienergebnisse:
• Zusammenhänge von Bewältigungsstrategien und
Bewertung von Zeitdruck (between-person und within-person)
Bewertung und Bewältigung von Zeitdruck
Implikationen für die Praxis
• Der individuelle Umgang mit Zeitdruck spielt eine Rolle für dessen Wirkung
• Reflektion der eigenen Bewältigungsstrategien und Vermeidung von „selbstgefährdenden Strategien“ (vgl.
Krause et al. 2014; Dettmers et al. im Druck)
• Ermöglichung von alternativen Strategien (z.B. Delegation;
Soziale Unterstützung, Priorisierung)
Bewertung und Bewältigung von Zeitdruck
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
jan.dettmers@uni-hamburg.de
Immer schneller – immer mehr
Zeit- und Leistungsdruck bei Wissens- und Dienstleistungsarbeit BAuA-Fachtagung, Berlin 03. Juli 2015
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