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(1)RECHTSVERGLEICHENDE BETRACHTUNG ZUR WIRKUNG DER ZEIT IN DEN KEILSCHRIFTRECHTEN

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RECHTSVERGLEICHENDE BETRACHTUNG ZUR WIRKUNG DER ZEIT IN

DEN KEILSCHRIFTRECHTEN *)

Von Joachim Hengstl, Marburg

Nimmt ein Berechtigter während eines längeren Zeitraumes sein Recht

nicht wahr und übt statt seiner ein Unberechtigter es aus, so dient es dem

Verkehrsschutz, wenn der Rechtsinhaber dieses Recht zugunsten des es read

Ausübenden verliert. Dieser Verlust klärt die Rechtslage und erleichtert die

Beweisführung. Entsprechend gilt es rechtshemmende, rechtsvernichtende

und rechtsbegründende Institutionen aufgrund Zeitablaufs in mannigfacher Aus¬

gestaltung in allen entwickelten Rechtsordnungen - im geltenden deutschen

Recht beispielsweise in der Form der Ausschlußfrist, der Ersitzung, der Ver¬

jährung und der Verwirkung (l). Doch bereits das römische (2), das germa¬

nische (3), das attische (4) und das altägyptische (5) Recht maßen - wenn

auch in unterschiedlicher Weise - dem Zeitablauf rechtsbegründende oder

rechtsvernichtende Wirkung bei. Für die Keilschriftrechte bieten die Quellen

_ einerseits die Urkunden, andererseits die Vorschriften der keilschriftli¬

chen Rechtssammlungen - demersten Blick ein widersprüchliches Bild, wel¬

ches sich in der Literatur spiegelt: M. San Nicolo hat den langjährigen Be¬

sitz als rechtlich bedeutsam anerkannt (6), G. Cardascia einen Rechtsverlust

als eher nur grundsätzlich bedingte Möglichkeit akzeptiert, die sich praktisch

auf seltene Ausnahmefälle beschränkt habe (7).

Tatsächlich beruhten M. San Nicolos Ausführungen zur Ersitzung im baby¬

lonischen Recht zunächst auf einer Urkunde, EG 27 (Larsa, 45, Rimsin) (8).

Die auf diesem Text fußende Argumentation ist jedoch durch keinen weiteren

"privatrechtlichen" Beleg bestätigt worden, und eine verbesserte Lesung je¬

nes Dokumentes hat ihr die Grundlage entzogen (9). Demgegenüber scheinen

die keilschriftlichen Rechtssammlungen den Befund nicht zu bestätigen, die

Keilschriftrechte hätten den Einfluß der Zeit auf den Bestand eines Rechtes

nicht anerkannt. Mehrere ihrer Regelungen stellen nämlich auf einen verstri¬

chenen Zeitraum ab. Es sind dies die §§ 12 CL, 50 CE und 13 CH, 18 CL und

30 f. CH, 36 und 45 Tf. A MaRb sowie 27 CE und 34 Tf. A MaRb. Eine Frist

findet sich ferner in den §§ 44 und 60 CH; sie hängt dort aber nicht mit der

jeweiligen Rechtsfolge zusammen: Die beiden Vorschriften betreffen den Fall

der Nichterfüllung, wenn ein Feld zur Urbarmachung bzw. zur Anlage eines

Baumgartens verpachtet worden ist; beide Paragraphen setzen dabei voraus,

daß die für derartige Vertragsverhältnisse übliche Vertragsdauer verstrichen

ist und nennen diesen Zeitraum lediglich beiläufig (lO). Auch in den ersten

drei der anderen genannten Regelungen, §§ 12 CL, 50 CE und 13 CH, begrün¬

det oder zerstört die verstrichene Zeit kein Recht. Mit dem Ablauf der ange¬

gebenen Zeitspanne steht vielmehr nur eine Tatbestandsvoraussetzung unwi¬

derlegbar fest. Besonders deutlich ist dies in § 13 CH. Dieser gewährt in

einem Vindikationsprozeß der beweispflichtigen Partei eine durch die Rich¬

ter einzuräumende Frist von sechs Monaten, um Zeugen beizubringen (ll).

(2)

Nach Fristablauf ist die Partei beweisfällig und hat "die Strafe dieses Pro¬

zesses" zu tragen (a-ra-an di-nim su-a-ti it-ta-na-as-si ) (12). § 50 CE be¬

rechtigt bestimmte Beamte, einen entflohenen Sklaven oder ein entlaufenes

Tier einen Monat (13) zu besitzen, um ihn, bzw. es nach Esnunna zu brin¬

gen. Ist dieser Zeitraum verstrichen, dann liegt ein strafbares Amtsdelikt

vor (14). Nach § 12 CL schließlich muß ein Hausbesitzer einen Sklaven lei¬

sten, wenn er einen innerhalb der Stadt geflohenen Sklaven einen Monat lang

beherbergt hat. In diesem Fall vertritt allerdings E. Szlechter die Auffas¬

sung, die Monatsfrist wirke rechtsvernichtend: § 12 CL verpflichte den Bür¬

ger zum Schadensersatz, der einen flüchtigen Sklaven einen Monat bei sich

aufgenommen habe, ohne aber das Privileg zu besitzen, Asyl zu gewähren;

nach einem Monat nämlich habe der Eigentümer des Sklaven sein Vindikati-

onsrecht kraft des Asylschutzes verloren und sei von dem unberechtig Asyl

Gewährenden deswegen zu entschädigen (15). Diese Ansicht läßt sich aus den

Quellen freilich nicht hinreichend begründen und widerspricht den allgemein

üblichen Formen des Asylrechts. Auf diese Frage näher einzugehen ist hier

jedoch nicht der Rahmen. Bereits ein Vergleich von § 12 CL mit § 16 CH macht

jedenfalls deutlich, daß die einmonatige Spanne des § 12 CL eine Kundbarkeits-

frist darstellt. Beide Regeln betreffen die Sklavenhehlerei. Den Hehlervor¬

satz erweist nach § 16 CH der Umstand, daß der Flüchtling trotz des die Flucht

bekannt machenden Heroldsrufes nicht ausgeliefert worden ist. Statt dessen

wird in § 12 CL nach einem Monat unwiderlegbar vermutet, der Hauseigentü¬

mer habe innerhalb dieses Zeitraumes von der Flucht des Sklaven erfahren

und beherberge ihn folglich mit Hehlervorsatz.

Rechtliche Auswirkungen besitzt dagegen der Zeitablauf nach den §§ 18 CL

und 30 CH sowie 36 und 4 5 Tf. A MeiRb. Nach § 18 CL verliert der Besitzer

eines Anwesens seinen Besitzanspruch, wenn er den auf dem Anwesen ruhen¬

den (öffentlichen) Lasten nicht nachgekommen ist (16), an seiner Stelle aber

ein anderer diese übernommen hat und bereits im dritten Jahre trägt (17).

Das Gleiche sieht § 30 CH vor, der von § 18 CL lediglich durch den Kreis der

Betroffenen abweicht; er gilt bestimmten Dienstpflichtigen (18), welche ih¬

ren Pflichten freiwillig nicht nachgekommen sind. § 31 CH stellt dabei klar,

daß bloß einjährige Säumigkeit noch keinen Ausschluß vom Besitz nach sich

zieht. Die §§ 36 und 45 Tf.A.MaRb schließlich bilden eine Ausnahme von der

Regel, daß eine Frau (strafbaren) Ehebruch begeht, wenn sie zu Lebzeiten

ihres Ehemannes ein zweites Mal heiratet: liegen bestimmte Voraussetzungen

vor, ist einer Frau eine zweite Eheschließung gestattet, falls ihr Ehemann

fünf bzw. zwei Jahre abwesend ist (19). Bereits die Schilderung dieser vier

Vorschriften läßt jedoch deutlich deren Ausnahmecharakter erkennen. Die

§§ 36 und 45 Tf.A. MaRb entspringen der Notwendigkeit, die mittellos zu¬

rückgelassene Ehefrau zu versorgen (2o); ein Vergleich mit den inhaltlich

ähnlichen, jedoch von jeglicher Wartefrist absehenden §§ 133 ff. CH unter¬

streicht dies. Die §§ 18 CL und 30 CH dagegen tragen dem dringenden Inter¬

esse des Staates an der Erledigung öffentlicher Dienstpflichten Rechnung.

Öffentliches Interesse als Motiv für die rechtliche Anerkennung eines im

Laufe der Zeit eingetretenen Zustandes ist auch für das ptolemäische Ägyp¬

ten belegt. Im sogenannten Hermiasprozeß wird wiederholt auf eine könig¬

liche Verordnung (Prostagma) verwiesen, nach der alle bis zu einem bestimm¬

ten Jahre vorgenommenen Besitzergreifungen an Grundstücken Bestand ha¬

ben sollten, selbst wenn sie zu Unrecht geschehen waren (21). Entsprechende

(3)

Prostagmata sind im ptolmäischen Ägypten mehrfach erlassen worden (22) und auch die "demotische Zivilprozeßordnung" kennt eine auf einer ähnlichen

Vorschrift beruhende Einrede (23). Regelmäßig aber ergehen diese Erlasse

zur Regelung der Folgen von Unruhen und Kämpfen (24) und haben daher von

den öffentlichen Bedürfnissen diktierten Ausnahmecharakter.

Derzeit nicht entgültig geklärt ist die Bedeutung der in § 27 CE erwähnten

Jahresfrist. Die dort getroffene Feststellung, die Tochter eines awilum sei

auch dann keine rechtmäßige Ehefrau (assatum), wenn sie ein Jahr im Hau¬

se eines Mannes gelebt habe, beruht nämlich auf zwei Voraussetzungen, daß

der Mann das Mädchen ohne Einwilligung ihrer Eltern und ohne die rechtli¬

chen Förmlichkeiten einzuhalten genommen hat. Es erhebt sich die Frage, ob

das zeitliche Moment lediglich angesichts des zweifachen Mangels unbeacht¬

lich ist, ein Mangel aber - nämlich der der Form - durch einjähriges

Zusammenleben geheilt werden könnte (25)o Eheschließung durch zweijäh¬

riges Zusammenleben trotz des Fehlens vertraglicher Bindung sieht § 34 Tf.

A MaRb vor und die Erwähnung der Jahresfrist in § 27 CE wäre schwer ver¬

ständlich, wenn man ihr nicht eine Bedeutung in einem anders gelagerten Fall

als dem hier geschilderten beimäße. Verständlich wäre auch, daß die allein¬

stehende Witwe nach § 34 Tf. A MaRb allein durch den Zeitablauf Ehefrau wird,

während für das gewaltunterworfene Mädchen die elterliche Einwilligung un¬

erläßlich ist. Doch während sich § 34 Tf. A MaRb mit sozialen Erwägungen

erklären läßt (26), ist für § 27 CE keine entsprechende Begründung ersicht¬

lich. Es fehlt darüber hinaus m.W. jeder anderweitige Hinweis auf eine Ehe¬

schließung durchZeitablauf und demgemäß wird deren Möglichkeit in der Li¬

teratur sowohl bejaht wie verneint (27). In jedem Fall gibt es keinen Anhalts¬

punkt dafür, daß der Gedanke einer Rechtsbegründuiig durch Zeitablauf über

den gesicherten Fall des (sozial begründeten) § 34 Tf. A MaRb und den zwei¬

felhaften § 27 CE hinaus irgendwo Wurzel geschlagen hätte. Mit dieser Fest¬

stellung wird freilich bereits das Ergebnis der nachfolgenden Betrachtung

des Urkundenmaterials vorweg genommen. Auch der Vergleich mit dem

römischen Eherecht gewinnt keine weiterführenden Gesichtspunkte: dort

tritt zwar die Frau kraft usus in die manus des Mannes, nachdem sie 1 Jahr un¬

unterbrochen in gültiger Ehe gelebt hat. Es handelt sich dabei jedoch nur um

einen Anwendungsfall des allgemeinen Ersitzungsrechts, welches ursprünglich

dem Ehemann die Abwehr eines vindizierenden Zugriffs auf die Frau erleich¬

terte (28). Weder nach dem Sachverhalt des § 34 Tf. A MaRb noch nach dem

des § 27 CE ist aber ein solcher Zugriff zu erwarten: § 34 will allein der Wit¬

we den Status einer Ehefrau verschaffen und die ehebegründende Wirkung der

in § 27 genannten Jahresfrist tritt - die Richtigkeit der Auffassung R. Yarons

unterstellt (29) - nur ein, wenn die Einwilligung der Brauteltern vorliegt.

Sagen somit die Fristen enthaltenden Vorschriften der keilschriftlichen

Rechtssammlungen nichts über eine grundsätzliche Rechtswirkung des Zeitab¬

laufs aus, so ist das Schweigen einiger anderer Regelungen in diesem Punkt

umso bezeichnender. Für die römische usucapio wird vermutet, sie habe ur¬

sprünglich den Erwerber von der Notwendigkeit des Nachweises befreit, daß

er und seine Rechtsvorgänger den umstrittenen Gegenstand ordnungsgemäß

erworben hätten (30). Die keilschriftlichen Rechtssammlungen erwähnen da¬

gegen keine derartige heilsame Wirkung der Zeit: Der Besitzer einer Sache

haftet nach den §§ 40 und 49 CE sowie 9 ff. CH unbeschadet der seit Kauf ver¬

strichenen Zeit als Dieb, wenn er den Verkäufer nicht nachzuweisen vermag,

und nach § 33 CE kann das durch eine Sklavin hinterzogene Kind von deren Ei-

(4)

gentümer noch als Erwachsener vindiziert werden (31). Die Folgerung hier¬

aus, die Keilschriftrechte hätten demnach keine anspruchshemmende oder

-begründende Wirkung der Zeit gekannt, liegt zwar nahe, ist aber nicht zwin¬

gend: Das attische Recht etwa läßt die Verjährung nur gegenüber bestimmten

Klagen zu, bei denen der Beklagte infolge der verstrichenen Zeit typischer¬

weise in Beweisnot geraten kann; im Regelfalle des Eigentumsstreites ver¬

weist es die Parteien jedoch ungeachtet der vergangenen Zeit auf ihre Ge¬

währen (32). Überdies liegt in den genannten Fällen jeweils unfreiwilliger

Besitzverlust vor, bei dem auch das römische Recht die Berufung auf den

Fristenablauf versagt und den Besitzer unbegrenzt zum Nachweis des recht¬

mäßigen Erwerbes nötigt (33).

Die Recht sur künden sprechen gegen eine institutionelle rechtliche Wirkung

der Zeit: ungeachtet des verstrichenen Zeitraumes beruft sich darauf keine

Partei in einem Prozeß, sondern sie ist jeweils bemüht, ihr Recht durch Be¬

weise darzutun. So verweist die Beklagte in AO 5429 (Sippar, 18. Samsui¬

luna) (34) gegenüber der Vindikation eines Grundstücksteiles nicht auf die

seit dem Erwerb (Kauf) verstrichenen 52 Jahre, sondern gewinnt den Pro¬

zeß durch Vorlage des Kaufvertrages. Gleichfeüls um die späte Vindikation

eines Grundstücksteiles geht es in VS VII 16 (VAT 6271) (Dilbat, 3. Samsu¬

iluna) (35), wo der Kläger nach 20 Jahren behauptet, die Beklagte habe mehr

Gelände zugemessen erhalten, als im Kaufvertrag vorgesehen gewesen sei.

Der Kläger obsiegt, doch vergleichen sich die Parteien auf eine Geldentschä¬

digung. Daß dieser Vergleich von den Richtern angesichts des verstrichenen

Zeitraumes auferlegt worden sei (36), ist nicht beweisbar. Wiederum 20

Jahre sind nach CT VI 47b (91-5-9, 2474) (Sippar, 40. Hammurabi) (37)

vergangen, seit der Kläger sich von seiner Frau getrennt und in einer Ur¬

kunde auf jeden Anspruch hinsichtlich ihrer Habe verzichtet hat. Nunmehr

vindiziert er von der Adoptivtochter seiner inzwischen verstorbenen ehema¬

ligen Ehefrau eine von letzterer geschenkte Sklavin; seine Klage deswegen

wird zwar trotz des langen Zeitraumes zugelassen, aber aus materiellem

Recht abgewiesen. Auch in NG 102 (Tello, Datum zerstört) und 105 (Tello,

5. Susin), wo jeweils ein Hausgrundstück nach 20 Jahren vindiziert wird,

spielt die seit dem Erwerb verstrichene Zeit keine Rolle. In der oben be¬

reits erwähnten Urkunde EG 27 schließlich ist, wie das Datum ausweist, das

umstrittene Feldgrundstück mindestens 66 Jahre im Besitz des Beklagten

und zuvor dessen Vaters. Im Prozeß wird der Beklagte zum Eid zugelassen

und beschwört, es handle sich nicht um ein Feld des Klägers, sondern um das

seines, des Beklagten, Vaters, dieser habe es als vom König verliehenes

Versorgungslos seit der Zeit des Königs Siniddinam besessen (38). Der Be¬

klagte leitet demnach keineswegs sein Recht aus langjährigem Besitz ab, son¬

dern aus der Vergabe an seinen Vater. Die abweichende Meinung M. San Ni¬

colos zum Rechtsgrund beruht auf einer anfechtbaren Lesung von Z. 21 der

Urkunde, welche W. Farber zugunsten des bedeutungsvolleren suküsum be¬

richtigt hat (39). Allerdings findet sich mitunter anläßlich eines Besitzstrei¬

tes der Hinweis auf langjährigen Besitz. Dieser mag vielleicht einen gewis¬

sen Vorzug bei der Vergabe von Versorgungslosen gewähren (40), ist jedoch

allein kein Rechtsgrund für den Fortbestand des Besitzes. Bezeichnend hier¬

für ist ein Brief Hammurabis an Siniddinam (41). Danach hat sich ein Müller

beschwert, er besitze seit alters ein Feld, welches nunmehr von einem Orts¬

vorsteher beansprucht werde. Bevor Hammurabi anweist, den Streitfall zu

(5)

untersuchen, teilt er mit, daß im Verzeichnis des Palastes tatsächlich 30 iku

Feld für jenen Müller eingetragen seien. Auch in anderen Versorgungsland

betreffenden Briefen wird häufig auf die Vergabeurkunde oder das Verzeich¬

nis des Palastes verwiesen (42) und deren Bedeutung für den Besitzstand da¬

mit klargestellt.

Die Berufung auf die verstrichene Zeit als ein ausgeformtes Rechtsinstitut

mit verbindlicher materieller oder prozessualer Wirkung ist den Keilschrift¬

rechten demnach unbekannt. Dennoch scheint es, als ob langjähriger Besitz

im Streitfalle nicht imbeachtet bleiben muß. Bei den attischen Rednern ist ein

beliebtes Argument, daß eine verzögerte Klagerhebung von vorne herein ge¬

gen die Wahrheit des Klagvortrages spreche (43). Demosthenes etwa formu¬

liert dies dahingehend, daß die verstrichene Zeit an die Stelle eines Zeugen

trete (44). Zwar ist dies nur ein rhetorischer Topos (45), doch liegt auf der

Hand, daß der behauptete Anschein besteht, und vielleicht entspricht einer

solchen Überlegung verschiedenes Vorbringen, welches sich in den bereits

erwähnten, Versorgungslose betreffenden Briefen findet. Mehrfach wird dort

nämlich eine Beschwerde darauf gestützt, daß ein vindiziertes Grundstück

sich schon lange im Familienbesitz befinde; hierauf ordnet Hammurabi an,

die Angelegenheit unter Prüfung und Berücksichtigung dieses Umstandes zu

verhandeln (46). Es ist möglich, daß auch in einem ordentlichen Prozeß die

langjährigen Besitzverhältnisse (oder eine darüber ausgestellte Urkunde) (47),

bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden können und für das Besitz¬

recht sprechen. Die Freiheit der Richter in der Prozeßführung wäre groß ge¬

nug, um einen solchen Anscheinsbeweis zu gestatten (48). Wie frei die ba¬

bylonischen Richter in der Beweiswürdigung sind, beleuchtet beispielsweise

das Prozeßprotokoll CT VIII 12b (88-5-12, 16o) (Sippar, Hammurabi) (49).

In dem dort geschilderten Rechtsstreit gaben sich die Richter mit den Zeugen¬

aussagen nicht zufrieden und zogen deswegen die Beklagte zum Parteieid he¬

ran. Es leuchtet daher nicht ein, daß dem Gericht bei seiner als sorgfältig

belegten Verfahrensweise (50) neben den üblichen Beweismitteln einschlie߬

lich des Parteieides nicht auch der Recours auf den rechtsbestätigenden An¬

schein des Zeitablaufs offen stehen sollte. Einen positiven Beleg hierfür be¬

sitzen wir m.W. jedoch noch nicht.

Eine Begründung dafür, daß der umfangreiche rechtsgeschäftliche Verkehr

Mesopotamiens auf die Ersitzung zu verzichten vermochte, ist schwerlich zu

finden. G. Cardascia (51) - in der Annahme einer unbedeutenden Rolle der

Ersitzung - hat vermutet, die verbreitete Schriftform habe sie im wesent¬

lichen entbehrlich gemacht. Dies mag zutreffen, doch spricht dagegen, daß

sicherlich die Rechtsverhältnisse Roms zur Zeit der XII Tafeln nicht unüber¬

sichtlicher waren als die im Athen der Redner oder im Gortyn des 5. verehr.

Jahrhunderts; in keinem dieser Orte dürfte die Schriftform gebräuchlicher als

in einem der andern gewesen sein, dennoch konnten in Rom alle (privaten)

Sachen ersessen werden, ist in Athen die Verjährung auf einige besondere

Tatbestände beschränkt gewesen und schweigt das Gesetz von Gortyn gänz¬

lich zu einer entsprechenden Wirkung der Zeit. Vielleicht ist Grund für das

Fehlen eines Reehtsinstitutes "Ersitzung" lediglich das formfreie Gerichts¬

verfahren in Mesopotamien, in dem die Richter nach Belieben auf den Par¬

teieid und - möglicherweise - auch auf den Anscheinsbeweis zurückgrei¬

fen konnten ( 52).

Es bleibt, abschließend noeh einen Blick auf § 6 Tf. B MaRb zu werfen. Er

(6)

betrifft die Veräußerung von Grundstücken in Assur und sieht dafür ein Auf¬

gebotsverfahren vor in Form eines dreimaligen Heroldsausrufes binnen Mo¬

natsfrist, wonach ein möglicher Berechtigter von seinem Rechte ausgeschlos¬

sen ist (53). Es handelt sich dabei jedoch um keine Ersitzung, sondern um

einen Fall der Verwirkung (54). Für diese ist die Zeit grundsätzlich kein be¬

stimmender Faktor, obgleich sie dafür mitbestimmend sein kann, daß der Be¬

rechtigte sein Recht verliert. Maßgebend dafür ist jedoch die (möglicherwei¬

se nur scheinbar) verzichtsgeneigte Haltung des Berechtigten, welche sich

in langfristigem Stillhalten spiegeln oder zumindest dadurch bestätigt werden

kann. Dies ist jedoch erst eine Weiterentwicklung des ursprünglichen Gedan¬

kens der Verschweigung eines Rechtes; zunächst wird der Berechtigte von

seinem Rechte dadurch ausgeschlossen, daß er der offenkundigen Aneignung

desselben durch einen Dritten nicht widerspricht. § 6 Tf . B MaRb zeigt einen

hiervon bereits entfernten Rechtszustand, in dem die Offenkundigkeit auf¬

grund Kundbarkeitsfrist und Heroldsruf fingiert wird - eine Rechtsentwick¬

lung, wie sie auch das germanische Recht kennt, wo aus dem unmittelbar

wirkenden Friedebann des Königsgerichts die Verschweigung nach Jahr und

Tag hervorgegangen ist (55).

Korrektur Zusatz: Gelegentlich des 30. Kongresses der SIDA, 24. - 28.9. 1975

in Oviedo, teilte mir Herr Professor Cardaseia mit, daß die in seinem Vor¬

trag gemachten Äusserungen mehrdeutig seien. Er habe einheitlich den Aus¬

druck "prescription" verwendet, unterscheide aber dennoch zwischen "pre¬

scription acquisitive" ( = Ersitzung) und "presciption extinctive" ( = Ver¬

wirkung) und postuliere lediglich die Existenz der letzteren. Leider erwies

es sich als unmöglich, das druckfertige Manuskript noch im Hinblick auf die¬

se Mitteilung abzuändern. Den eingenommenen Standpunkt, daß das sumerisch

babylonische Recht der Zeit keine Rechtswirkung beigemessen habe, zu ver¬

lassen besteht kein Anlaß.

Anmerkungen

*) Das hethitischen Recht (vgl. §§ 35 und 175 heth. Gesetze) ist in die Be¬

trachtung nicht einbezogen worden. - Die Abkürzunggen folgen den bei

von Soden, Akkad- Handwörterbuch I, Wiesbaden 1965, S. X ff. und II,

Wiesbaden 1972, S. I f. verzeichneten. Von den in den Anmerkungen beim

ersten Zitat jeweils aufgelösten Abkürzungen sowie denen der geläufigen

rechtshistorischen Zeitschriften abgesehen wurden ferner folgende Siglen

verwendet: CE = Codex Esnunna, CH = Codex Hammurabi, CL = Lipitestar,

MaRb " Mittelassyrisches Rechtsbuch.

1. S. dazu Enneccerus-Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts

II, 11. Aufl. Tübingen 1959, § 230 III (S. 1401 f.); Westermann, Sachen¬

recht, 5. Aufl. Karlsruhe 1973, § 51 I (S. 243); Enneccerus-Nipperdey,

aaO. § 228 IV (S. 1392 ff. ) und §§ 229 f. (S. 1397 ff. ).

2. S. zum usus auctoritatis XII T. 6.3. und Käser, Das römische Privatrecht I

2. Aufl. München 1971, § 34 (S. 135 ff.); zur longi temporis praescriptio

s. Käser, Das römische Zivilprozeßrecht, München 1966, § 73 II 2 ff. (S.

385 ff. ) und Nörr, Die Entstehung der longi temporis praesriptio, Köln und

Opladen 1969, passim.

3. S. Ogris, Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte, Berlin 1971 ff.

(7)

s.v. "Gewere" II 2 e (Sp. 1664) und "Aufgebot" (Sp. 247 ff. ); Schmachten- berg, aaO. s.v. "Ersitzung" (Sp. 1006 ff.), jeweils m.w.N.

4. S. Kränzlein, Eigentum und Besitz im griechischen Recht des fünften und

vierten Jahrhunderts V. Chr., Berlin 1963, S. 118 ff.; Nörr, aaO. S. 9 ff .;

Wolff in: Eranion Maridakis I, Athen 1963, S. 87 ff.

5. S. Seidl, ZSS Rom.Abt. 91, 1974, S. 360 ff.

6. S. SaN Nicolo, Die Schlußklauseln der altbabylonischen Kauf- und Tausch¬

verträge, München 1. Aufl. 1922, 2. Aufl. 1974, S. 229 f.; derselbe, RIA

s.v. "Ersitzung" (S. 471 f.); zustimmend Koschaker, Anm. zu HG VI

1755.

7. In einem unveröffentlichten Referat "L'influence du temps sur les rapports

juridiques deins les droits cuneiformes", gehalten 1961 auf dem Kongreß

der SIDA in Split (Resümee: Nicosia, RIDA 3 ser. 9, 1962, S. 481, der

Cardascia jedoch eine Verneinung der Ersitzung unterstellt) und am 2.

2. 1962 im Institut de droit romain de Paris. Herr Prof. Dr. G. Cardascia

war so freundlich, mir das Manuskript der zweiten Veranstaltung nebst

Mitschrift der sich anschließenden Diskussion zur Einsicht zu überlassen,

wofür ich an dieser Stelle danken möchte. Trotz des abweichenden Ender¬

gebnisses ist ein Teil meiner Überlegungen durch Carsascias Ausführun¬

gen bestätigt worden.

8. E. Grant, Babylonian Business Doeuments of the Classical Period (EG),

Philadelphia 1919, Nr. 27; U(mschrift): San Nicolo, Schlußklauseln S. 229

(nach einer Transkription von Landsberger; U ( bersetzung ): Koschaker-

Ungnad, HG VI 1755.

9. S. Farber in einem Nachtrag zu San Nicolo, Schluß kl auseln^, S. 230; Nä¬

heres s. unten Anm. 38 f. und Text dazu.

10. Vgl. Driver-Miles, The Babylonian Laws (BL) I, Oxford 1968, S. 138 und

162.

11. S. Koschaker, Reehtsvergleichende Studien zur Gesetzgebung Hammurapis,

Leipzig 1917, S. 99; vgl. Driver-Miles, BL I S. 101 ff.

12. Zu den in Betracht kommenden Rechtsfolgen s. Driver- Miles, aaO.

13. Der Zeitraum ist umstritten; vgl. Yaron, The Laws of Eshnunna, Jerusa¬

lem 1969, S. 46 f.; Korosee, Slowenska akademija znanosti in umetnosti,

Razprave II, Ljublana 1953, S. 35; von Soden, ArOr 18 (2), 1950, S.372;

Goetze AASOR 31, 1956, S. 124 f.; Szlechter, Les lois d' Esnunna, Paris

1954, S. 30

14. Yaron, aaO. S. 177 und 181 f.

15. RHD 1956, S. 191 f., und RA 51, 1957, S. 181 f.

16. Hierzu zuletzt Szlechter, RA 52, 1958, S. 76, der ein dem rämisehen In¬

terdiktenbesitz vergleichbares Herrschaftsrecht annimmt. Auf die Quali¬

tät des Besitzrechtes kann hier nicht eingegangen werden.

17. Die verbreitete Ubersetzung "nach drei Jahren" ist für § 18 CL wie für

§ 30 CH sprachlich und logisch falsch, mu-3-kam (Col. XIV 31 CL; Col.

Xa 62 CH) ist durch -kam als Ordinalzahl ausgewiesen (s. Falkenstein,

Das Sumerische, Leiden 1959, § 22 1 b (s. 41)) und kennzeichnet dem Ge-

gegensatz von § 30 und § 31 CH: Letzterer stellt klar, daß nur einjährige

Säumigkeit noch keinen Ausschluß vom Besitz nach sieh zieht, wohl aber

darüber hinausgehende Abwesenheit - Pflichtvergessenheit bis ins "3.

Jahr".

18. S. Driver-Miles, BL. IS. III f.

(8)

19. S. Cardascia, Les lois assyriennes, Paris 1969, S. 186 ff. und 219 ff.,

ferner eingehend Driver-Miles, The Assyrian Laws (AL), Oxford 1936,

S. 250 ff.

20. S. Tf. A Col. IV 86 ff., vgl. ferner Col. VI 50,61.

21. Wilcken, Urkunden der Ptolemäerzeit (UPZ) II, Berlin 1957, Nr. 161,

57 ff.; 162 Col. V 21 ff., Col. IX 21 f.; dazu zuletzt Nörr, aaO. S. 12 ff.

22. Vgl. UPZ 162 Col. IV 30 f. , Col. VII 18 f., Col. IX 27 f.; s. ferner

Seidl, Ptolemäische Rechtsgeschichte, 2. Aufl. Glückstadt u. a . 1962,

S. 127.

23. Col. II 12 (3.-2. Jahrh. V. Chr. ); s. Sethe-Spiegelberg, Abh.d.Bayer-

Akad.d.W., phil.-hist.Abt. NF 4, 1929, S. 4 und llf.

24. Seidl, aaO., zögernd zustimmend Wolff, aaO. S. 107 Anm. 49 a.E.

25. Eingehend hierzu Yaron, aaO. S. 132 f.

26. S. eingehend Driver-Miles, ALS. 212 ff., besonders S. 217 f.; ferner

Carascia, aaO. S. 181.

27. Der Möglichkeit einer Ehe kraft usus stimmen zu Koschaker, JCS 5, 1951,

S. 113 Anm. 26; Szlechter, Esnunna S. 50, der eine Aufhebung der bis

dahin bestehenden Möglichkeit einer Ehe kraft usus annimmt (ähnlich Klima,

JJP 4, 1950, S. 282), ablehnend San Nicolo, Orientalia 18, 1949, S. 259 f.

28. S. Käser, Privatrecht § 18 I 3 a (S. 78).

29. AaO. (Anm. 25).

30. S. Käser, aaO. § 34 (S. 134 ff. ).

31. Vgl. auch § 34 CE.

32. S. Wolff, aaO. S. 104 ff.

33. S. Käser, aaO. § 34 II 2 (S. 137); XII T.8.17.

34. Kopie/U/U: Thureau-Dangin, RA 9, 1912, S. 21 ff.; U/U: Schorr, VAB

V Nr. 317; U: Koschaker, HG VI 1748.

35. U/U: Schorr, VAB V Nr. 279; U: Kohler-Ungnad, HG III Nr. 722.

36. Kohler-Ungnad, HG III S. 251.

37. U/U: Schorr, VAB V Nr. 266; U: Kohler-Ungnad, HG III Nr. 714.

38. lu su-ku-us a-bi-ia.

39. AaO. (s. oben Anm. 9) statt lu su-ma sa(?) a-bi-ia. Zu suküsum s. von

Soden, Festschrift für W. Eilers, Wiesbaden 1967, S. 122 ff.

40. Vgl. z.B. BM 28436 (U/U: Ungnad VAB VI Nr. 134; Frankena, AbB Nr.

II 131); AO 8578 (U/U: Thureau-Dangin, RA 21, 1924, S. 16; Kraus,

AbB IV Nr. 16); AO 8330 (U/U: aaO. RA 21 S. 23; AbB IV Nr. 24); es

handelt sich jeweils darum, daß der Abkömmling einer Familie, die das

Landlos zuvor besessen hatte, sich um seine Bestätigung oder Wiederein¬

setzung als Halter bemüht.

41. BM 12821 (U/Ü: Ungnad VAB VI Nr. 6; Frankena AbB II Nr. 6).

42. AO 8314 (U/U: Thureau-Dangin, RA 21, 1924, S. llf.; Kraus, AbB IV Nr.

11); AO 8316 (U/U: aaO. RA 21 S. 9 f .; AbB IV Nr. 8).

43. Z.B. Lys. 3. 39; 7.42; Isai. 3.9,78.

44. Dem. 36.27.

45. Nörr, aaO. S. 11; Wolff, aaO. S. 103 f.

46. S. z.B. AO 8597 (U/U: aaO. (RA 2l) S. 36 und (AbB IV) Nr. 43). Die

Folgerung, langjähriger Besitz werde demgemäß allgemein berücksich¬

tigt, gestatten diese Quellen nicht: angesichts des besonderen Charak¬

ter des betreffenden Landes mag die Besitzdauer Anlaß zu einer könig¬

lichen Billigkeitsentscheidung sein, die einem Richter im Prozeß ver¬

sagt wäre.

(9)

47. In AO 8582 (U/U: aaO. (RA 21) S. 32-34 und (AbB IV) Nr. 40) berich¬

tet der Petend, auf die Vindikation hin seien "Samashasir, die Stadt und

die Ältesten (zusammen)getreten. Sie haben die Angelegenheit besagten

Feldes behandelt und festgestellt, daß (der Vater des Vindikanten) besag¬

tes Feld nicht in Besitz genommen hatte, (daß vielmehr) besagtes Feld

(immer) unser Besitz war, und haben mir eine Urkunde darüber gege¬

ben" (U: Kraus, AbB IV Nr. 40). In den NG ist der Urkundenbeweis zwar

nicht besonders häufig, aber zulässig, s. Falkenstein, NG 1 S. 72 f.

48. "Die wesentliche Tätigkeit des Gerichtes hat gewiß darin bestanden, da¬

für zu sorgen, daJi die Parteien für ihre Aussagen die erforderlichen Be¬

weise beibrachten, und die verschiedenen Aussagen gegeneinander abzu¬

wiegen." Falkenstein, NG I S. 63.

49. U/U: Schorr, VAB V Nr. 260; Ü: Kohler-Ungnad, HG III Nr. 713.

50. Vgl. Falkenstein, NG I S. 63. m.w.N.

51. In seinem Vortragsmanuskript.

52. Das griechische Recht kennt gleichfalls den (angebotenen oder zugescho¬

benen) Parteieid über Einzeltatsachen (s. Lipsius, Das Attische Recht

und Rechtsverfahren, Leipzig 1905-1915, S. 895 ff. ), während im rö¬

mischen Recht - vom Parteieid über den Klaganspruch vor dem Gerichts¬

magistrat abgesehen (s. Käser, Zivilprozeß, § 36, S. 197 ff.) - der

Parteieid im wesentlichen unbekannt ist; im Verfahren apud iudicem müs¬

sen die Parteiaussagen durch andere Beweise erhärtet werden (s. Käser,

aaO. § 53 IV I, S. 280 f. ).

53. Dazu s. Koschaker, ZSS Rom. Abt. 41, 1920, S. 290 ff., der ausführlich

auf das germanische Recht eingeht.

54. Zur Verwirkung in den Keilschriftrechten s. San Nicolo, Beiträge zur

Rechtsgeschichte im Bereich der keilschriftlichen Rechtsquellen, Oslo

1931, S. 89 und 134.

55. Vgl. Ogris, aaO. (s. oben Anm. 3).

(10)

ZUM FORSCHUNGSSTAND DER SUMERISCH-BABYLONISCHEN LITERATUR-GESCHICHTE

Von W. G. Lambert, Birmingham

Das Studium der Keilschrift-Literatur - wir beschränken uns hier auf

sumerische und babylonische Texte - hat im Vergleich zu jüngeren Litera¬

turen drei besondere Schwierigkeiten: Einmal war das System der Keilschift

außerordentlich komplex, so daß in der sumerischen und babylonischen Ge¬

sellschaft die meisten Menschen weder lesen noch schreiben konnten. Daher

haben berufsmäßige Schreiber das niedergeschrieben, was uns von diesen

Literaturen erhalten geblieben ist; wir können aber nicht wissen, in wie weit

diese Texte typisch sind für die mündliche Literatur, von der wir annehmen,

daß sie von großen Teilen der Bevölkerung rezitiert bzw. angehört wurde.

Die zweite Schwierigkeit besteht darin, daß die Texte auf brüchigen Tontafeln

niedergeschrieben worden waren, die selten unversehrt geblieben sind: da¬

her beruhen die Textrekonstruktionen gewöhnlich auf mehreren Fragmenten

und nur wenige Texte sind in vollem Umfange erhalten. In vielen Texten feh¬

len entweder längere Passagen oder sind so schlecht erhalten, daß sie sich

unserem Verständnis entziehen. Obwohl erhebliche Fortschritte bei der Iden¬

tifizierung neuer Fragmente und der Rekonstruktion der Texte gemacht wurden,

muß davor gewarnt werden, zu viel in unvollständig erhaltene Texte hinein¬

zulegen.

Weil schließlich so viel Kleinarbeit erforderlich ist, neue Fragmente zu

identifizieren, hat man mit einem ernsthaften Studium der Literatur selbst

noch kaum begonnen; die meisten Assyriologen scheinen wenig vertraut mit

den Standardwerken über Literaturtheorie, Ästhetik und dergleichen wie sie

in anderen Disziplinen geläufig sind. So zum Beispiel hat erst neuerdings

Bendt Alster auf den Formular-Stil der sumerischen Literatur hingewiesen,

obwohl dieser Stil in anderen Literaturen bereits seit Jahrzehnten bestens

bekannt ist (l). Ebenso wurde erst kürzlich zum ersten Mal eine babyloni¬

sche Volkserzählung analysiert nach den allgemein anerkannten Kategorien

der Völkerkundler (2).

Andererseits hat aber die Keil Schriftliteratur den großen Vorteil, daß Ton¬

tafeln und Fragmente aus dem Zeitraum von über zwei Jahrtausenden erhal¬

ten sind und daß deren ungefähres Datum aufgrund paläographiseher und or¬

thographischer Kriterien jetzt recht genau angegeben werden kann. Auch die

Herkunft der Texte ist oftmals bekannt. Somit ist es möglieh, eine Studie über

die Geschichte der literarischen Uberlieferung zu entwerfen, die von Tatsa¬

chen und nicht von Theorien ausgeht. In der althebräischen Literatur bieten

Text-Varianten in Samuel den Büchern der Könige und Jeremia Ausgangs¬

punkte für literarische Analysen. Aber im allgemeinen müssen die Alttesta¬

mentler Vermutungen über die Entstehung der Literatur aus der einzig vor¬

liegenden endgültigen Fassung anstellen: Wieviel einfacher würde das Stu¬

dium des Pentateuch ausfallen, wären die Quellen, aus denen er kombiniert

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