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Internationales Pomologentreffen in Reutlingen
In den Tagen vom 22. und 23.
November 2003 ist es unseren Kollegen in Süddeutschland ge- lungen, auf der ehemaligen Po- molgie in Reutlingen ein fach- lich hoch stehendes, internatio- nales Pomologentreffen zu or- ganisieren. Neben sechs weite- ren Ländern war die Schweiz mit sechs Fructus-Mitgliedern und je zwei Vertretern der Or- ganisationen «Edelchrüsler» und
«Retropomme» vertreten.
SCHWEIZ. Z. OBST-WEINBAU Nr. 1/04 17 KURZ-INFO
Einleitend hat Markus Zehn- der, Obstbauberater vom Land- ratsamt Zollernalbkreis, als Hauptverantwortlicher des Treffens die «Pomologie Reut- lingen» vorgestellt. Im Jahr 1860 hat hier Eduard Lucas die erste Lehranstalt für Obstbau in Deutschland gegründet. Das Institut erlangte weltweite Be- deutung. Heute ist daraus ein grosser Stadtpark entstanden, der immer noch den Namen
«Pomologie Reutlingen» trägt.
Auch der Name Lucas blieb er- halten, nämlich mit dem wohl bekanntesten Obstbaulehrbuch
«Lucas’ Anleitung zum Obst- bau», das im Frühjahr 2002 als 32. Auflage neu erschienen ist.
Als zweiten Referenten hat Eckhart Fritz von der Sortener- haltungszentrale der Uni Ho- henheim über die wichtigsten und auch über neu entdeckte, innere Unterscheidungsmerk- male von Obstsorten berich- tet. Seine Erkenntnisse hat er als Mitautor im neu aufgeleg- ten «Farbatlas Alte Obstsorten»
von Walter Hartmann (Ulmer) 2. Auflage eingebracht (siehe Kasten).
Ulrich Schroefel hat den 5000 ha grossen Streuobstbau aus dem Landkreis Reutlingen und die dafür laufenden För- derprojekte vorgestellt. In die- sem Gebiet, wo es keine Nie- derstammkulturen gibt, wer- den Fördergelder bezahlt für Bildung im Obstbau, Marktför- derung Produktentwicklung (Aufbau von Mostereien, mo-
derne, mobile Pasteurisieranla- gen usw.), Öffentlichkeitsar- beiten, Zusammenarbeit mit Tourismus (Lehrpfade).
Feuerbrandresistente
«Palmischbirne»
Seit fünf Jahren ist auch das Gebiet vom Feuerbrand befal- len. Am stärksten betroffen war bisher die Oberösterrei- cher Weinbirne. In einer Sor- tensammlung hat sich auch die aus der Schweiz stammende Egnacher Mostbirne als stark anfällig erwiesen. Als feuer- brandresistent wird die sehr al- te Mostbirnsorte «Palmischbir- ne» genannt, die auch in der Schweiz vorkommen soll.
Eine Exkursion in der Umge- bung von Reutlingen zu Sorten- gärten, zu einem «Obstgarten- schulzimmer» und einem Obst- lehrpfad sowie einer Sortenaus- stellung bildeten den Abschluss des Pomologentreffen. Zur Sor- tenschau wurden aus allen be- teiligten Ländern typische Sor- ten mitgebracht und vergli- chen. Das Hauptthema bilde- ten die verschiedenen «Luiken»
(Syn. Ludwigsapfel, Abb. 1). Die Luiken waren vor hundert Jah- ren die Hauptsorten in Baden- Württemberg und bestimmten danach den Mostobstmarkt, wurden aber auch als Tafelapfel genutzt. Diese rot gestreifte, kugelförmige Sorte wurde im Jahr 1795 erstmals beschrie- ben. Weil deren Samen früher zur Anzucht von Sämlingen ver- wendet wurden, gibt es heute
Farbatlas «Alte Obstsorten»
2. stark überarbeitete Auflage von Walter Hartmann, Ulmer Verlag (D), ISBN Nr. 3800131730. Der bekannte Zwetschgenzüchter Walter Hart- mann von der Universität Hohenheim hat zusammen mit einem Autoren- team ein wertvolles Buch für Obstliebhaber und Pomologen geschaffen.
Dieses Buch soll Anreize schaffen, die alten Sorten aus Deutschland wieder zu pflanzen, denn als altes Kulturgut sind sie erhaltenswert. Hin- weise auf Krankheitsanfälligkeit, Standortansprüche, Ertragsleistung und Verwertungseigenschaften erleichtern die Auswahl. In detaillierten Beschreibungen der Frucht und des Baums werden über 275 Sorten vor- gestellt.
Den grössten Raum nimmt entsprechend der Bedeutung und Verbreitung mit fast 150 Sorten der Apfel ein, gefolgt von der Birne mit mehr als 90 Sorten, ergänzt durch die wichtigsten alten Pflaumen- und Kirschensor- ten. Hinweise über die Vorgehensweise bei der Sortenbestimmung und zu wichtigen Unterscheidungsmerkmalen sowie naturgetreue Farbabbil- dungen sollen eine Sortenidentifizierung erleichtern. Dem Leser wird aus- serdem alles Wissenswerte über unsere alten Obstsorten mitgeteilt. Ge- schildert wird der lange Weg vom Wildobst zu Kultursorten und die Ent- wicklung des Obstbaus. Der Leser erfährt, wie Sorten zu ihrem Namen kamen und welchen Nutzen und Wert sie heute noch haben.
Abb. 1: Verschiedene Luiken. Abb. 2: Die Pomologen Simon Egger und Markus Zehnder im Gespräch.
viele ähnliche Typen, an denen sich dann die Sortenbestimmer jeweils schwer tun. Pfau-Schel- lenberg hat diesen Luiken im Jahre 1863 auch in der Schweiz beschrieben.
Nächstes Treffen im Elsass
Am Abend kamen auch die Gemütlichkeit sowie Fachge- spräche zwischen Sortenzüch- ter und -sammler nicht zu kurz.
Nicht nur viele Sorten sind in den Nachbarländern der Schweiz die gleichen wie bei uns, sondern auch die Proble- me. So wurde beispielsweise dieses Jahr in den eher exten- siv gepflegten Streuobstwie- sen zwischen Neckar und Do-
nau ein Kirschenfliegenbefall von bis zu 150% festgestellt.
Ein grosser Dank für die Durchführung dieser Fachtage gilt unseren Kollegen aus Ba- den-Württemberg.
Das nächste internationale Pomologentreffen wird vor- aussichtlich dieses Jahr im El- sass stattfinden. Als Hauptthe- ma sollen dann die verschiede- nen Reinetten behandelt wer- den. Die Verantwortung dafür haben einmal mehr die beiden Pomologen Markus Zehnder (D) und Simon Egger (CH) (Abb. 2) und natürlich die Kol- leginnen und Kollegen aus dem Elsass.
KLAUSGERSBACH, EFFRETIKON