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Archiv "Jammern" (24.01.2003)

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Schäfer: Wir stellen als Marktführer im Bereich der Abwicklung von Privat- liquidationen fest, dass Rechnungen über 2 500 Euro nur einen verschwin- dend geringen Anteil der Privatliquida- tionen insgesamt ausmachen. Es han- delt sich um rund ein Prozent aller Pri- vatliquidationen von Krankenhausärz- ten. Damit verliert die Aussage der AXA Krankenversicherung schon per se an Gewicht und deutet an, dass hier nur medienwirksam argumentiert wer- den soll. Nach unserer Erfahrung wer- den keine 80 Prozent der Rechnungen von den Kostenerstattern beanstandet beziehungsweise sind auch nicht fehler- haft, wobei zu definieren ist, was eigent- lich fehlerhaft ist. Im stationären Be- reich liegt der Rechnungsdurchschnitt bei circa 640 Euro mit sinkender Ten- denz, da die Krankenhausaufenthalte immer kürzer werden.

Der Anteil der Gebührennummern, der aufgrund einer besonderen Schwie- rigkeit, eines besonderen Zeitaufwan- des oder besonderer Umstände bei der Leistungserbringung (vergleiche § 5 der GOÄ) mit einem höheren Steige- rungsfaktor als 1,8fach bei medizinisch- technischen Leistungen und 2,3fach bei ärztlichen Leistungen angesetzt wird, liegt im stationären Bereich bei fünf Prozent, was im Übrigen die auch häu- fig vorkommende Aussage der Kosten- erstatter relativiert, bei Chefarztlei- stungen würde generell ein höherer Faktor angesetzt.

Bei denjenigen operativen Verfah- ren, die sich im Laufe der medizinischen Technik wesentlich verändert haben (zum Beispiel Herzchirurgie, Neuro- chirurgie,Augenheilkunde, Interventio- nelle Maßnahmen und anderen), tritt zutage, dass die Verstärkung des Ziellei- stungsprinzips in § 4 Abs. 2 a der GOÄ vom 1. Januar 1996 im Widerspruch zur Struktur des Leistungsverzeichnisses steht. Dies gilt insbesondere für die nicht überarbeiteten operativen Ab- schnitte.

Lediglich bei der Gelenkchirurgie wurde im Zuge der Novellierung vom 1. Januar 1996 eine restriktive Be- schränkung bestimmter operativer Maß- nahmen vorgenommen, und auch die Leistungslegenden wurden so ange- passt, dass es zu keinen Streitigkeiten mehr hinsichtlich Teilleistungs-/Ziel-

leistungsprinzip kommen kann. Da ab- weichend vom „Zielleistungsprinzip“

in der GOÄ zahlreiche Einzelleistun- gen verankert sind, die nur Bestandteil einer Leistung sein können, ist auf- grund der Entwicklung in der Medizin und des weiterhin unverändert beste- henden Leistungsverzeichnisses die Frage des Inhalts und Umfanges einer Leistung sowie die zusätzliche Berech- nungsfähigkeit einer anderen Leistung jeweils vor dem Hintergrund des medi-

zinischen Sachverhaltes zu klären. Da die Fassung des § 4 Abs. 2 a GOÄ mit der Struktur des Leistungsverzeichnis- ses nicht kompatibel ist, muss man bei der Berechnung der infrage kommen- den Leistungsnummern eine Abwä- gung zwischen den gebührenrechtli- chen Anforderungen und der Art und Weise der ärztlichen Leistungserbrin- gung vornehmen, wobei die medizini- sche Sichtweise ausschlaggebend sein sollte. DÄ-Fragen: Dr. rer. pol. Harald Clade P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 424. Januar 2003 AA161

W

ährend in grauer Vorzeit das Diktat des Fressens und Gefressenwerdens über Sein und Nichtsein entschied, die Klaue eines Dinos oder der Säbel eines Tigers schwächelnde Existenzen dahinraffte, so hat heute der Mensch als Krone der Schöpfung den Nachteilsausgleich erfunden. Unsere Sozi- algesetzgebung ist das Manifest, das uns von den niederen Tierarten abhebt, in- dem es die vom Leben Bestraften schützt. Haben wir doch für jeden erdenklichen Nachteil, den uns das Schicksal zugefügt hat, einen Ausgleich zu erwarten. Heer- scharen von Juristen sind damit beschäftigt, dies in die Tat umzusetzen und den kleinsten Makel durch pekuniäre und andere Wohltätigkeiten zu verhindern; man muss nur lautstark sein Unglück beklagen, sofort wird das Füllhorn des IX. Sozi- algesetzbuches ausgeschüttet.

Aber genau hier liegt das Problem: Wir haben eine miserable Jammerkultur.

Ich muss immer wieder feststellen, dass sich hierzulande niemand, rein gar nie- mand um einen gekonnten Jammerauftritt bemüht. Meine letzten Haare (siehe Bild links unten) muss ich mir ausraufen, wenn Kollegen in der S-Klasse bei der Kassenärztlichen Vereinigung vorfahren, um die Armut ihrer Praxis zu beklagen.

Verzweifelt versuche ich den Vater, der die Unterhaltsklage wegen Mittellosigkeit abschmettern will, davon abzuhalten, den Gerichtssaal im Armani-Anzug zu stür- men. Nicht zu entschuldigen ist der GdB*-Suchende, dem bei der Begutachtung die Zehner-Karte fürs Fitness-Studio aus der Jogging-Hose fällt. Unglücklich bin ich mit meinen Patienten, die schon bei der telefonischen Anmeldung einfachste Regeln missachten: „Mir geht’s so schlecht, ich brauche dringendst eine Untersu- chung!“ „Kommen Sie bitte sofort vorbei.“ „Sind Sie noch bei Trost? Ich bin im Nachthemd!“ „Gut, heute nachmittag, mit etwas Wartezeit.“ „Wartezeit? Dafür geht’s mir aber zu schlecht!“

Viele Beispiele, liebe Kolleginnen und Kollegen, die ein bezeichnendes Licht auf die grassierende Unfähigkeit werfen, ein stilsicheres, in sich schlüssiges Bild des Jammers abzugeben. Aber gerade in den heutigen Zeiten ist es überaus wich- tig, dies nicht durchgehen zu lassen: Haben Sie schon daran gedacht, dass unsere Regierung einen Nachteilsausgleich für Staaten, quasi einen Gesamt-GdB für die Bundesrepublik, durchsetzen könnte? Unsere Nachbarn würden uns vielleicht mitleidig mit „Les mise´rables“ oder

„german whimpering disease“ etikettieren, aber: wir bekä- men aus Brüssel Milliarden Euro, die unser dahinsiechen- des Wachstum für Jahre kompensieren würde.

Jetzt wünschen mir manche sicher einen Säbelzahntiger an den Hals. Richtig fürchten tue ich den allerdings nicht:

Ich bräuchte nur anfangen zu jammern – und er würde sich

totlachen. Dr. med. Thomas Böhmeke

*GdB = Grad der Behinderung

Jammern

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