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s kann passieren, daß meh- rere Ärzte über die Ver- handlungsfähigkeit eines Angeklagten unterschiedlicher Ansicht sind; dann braucht man weitere Gutachter. Darum geht es dieser Tage bei dem Versuch, dem Kölner Exban- kier Iwan D. Herstatt, bekannt geworden durch die bis dahin (1974) spektakulärste Bank- pleite Deutschlands seit dem Kriege, kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist doch noch den Prozeß zu machen.Verhandlungsunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen spielt nun schon seit Jahren eine Rolle in der Herstatt-Affäre. Der Chef-Devisenhändler der Bank, Danny Dattel, blieb deshalb ganz außen vor. Der Vorstands- vorsitzende des Gerling-Kon- zerns, der als Zeuge aussagen sollte, ist in der Schweiz in ärzt- licher Behandlung. Nunmehr hat der inzwischen 70jährige Iwan Herstatt in Köln einen Herzschrittmacher eingesetzt bekommen. Das Kölner Landge- richt hatte zunächst beschlos- sen, die Verhandlung ohne den Angeklagten fortzusetzen.
B
eim gerade abgelaufenen„Interdisziplinären Forum"
der Bundesärztekammer vertrat ein Referent die An- sicht, man greife in Deutsch- land vielleicht schneller als an- derswo zum Herzschrittma- cher. Aber immerhin: Das Ein- setzen eines Herzschrittma- chers ist ein ärztlicher Eingriff,
Salus aegroti
der — neben der Zustimmung des Patienten — nach aller ärzt- lichen Ethik seine medizini- sche Notwendigkeit auf Grund einer ärztlichen Diagnose vor- aussetzt. Dies muß ein Gericht berücksichtigen, bevor es ein- fach den Klinikaufenthalt des Patienten Herstatt als „unnö- tig" wertet und damit den be- handelnden Arzt als Mittäter an einer angeblich versuchten Strafvereitlung hinstellt.
Solange nicht in jedem einzel- nen Fall das Gegenteil bewie- sen ist — das erfordert eine wis- senschaftliche Beurteilung in dem dafür vorgesehenen recht- lichen Verfahren —, solange hat jeder davon auszugehen, daß ein Arzt im Interesse der Erhal- tung oder Wiederherstellung der Gesundheit seines Patien- ten handelt. Auch die Justiz Nordrhein-Westfalens sollte nicht den Verdacht aufkommen lassen, sie halte sich nicht dar- an. Dem verantwortlichen Arzt sollte andererseits in einem so heiklen Fall von Anfang an be- wußt sein, daß er notfalls zwei- felsfrei erläutern muß, aus- schließlich im gesundheit- lichen Interesse gehandelt zu haben.
M
an kann nur hoffen, daß die Affäre sich nicht wei- ter zuspitzt. Sonst könnte die Frage laut werden, warum die Kölner Justiz überhaupt erst fünf Monate vor Ablauf der zehnjährigen Verjährungsfrist plötzlich darauf pocht, daß Iwan Herstatt seinen Prozeß gesundheitlich durchstehenkönnen müßte. gb
Aktuelle Politik
SPD-Gesundheitspolitik:
Brückners Rundum-Schlag 253
Nachrichten
Aus Bund und Ländern: Hauptthema des Ärztetages 1984: Suchtprobleme — Sach- kunde für Arbeitsmedizin: Assistenzperso- nal — Schwerpunktthemen für die ärztliche Fortbildung 84/85 — Vizepräsident der Ärz- tekammer Berlin, Becker, abgewählt — Koordinierung der Notarztdienste — Neuzu- lassungen in Hessen: fast verdoppelt — Krankenhaus-Symposium zum elften Mal — Europa: Ärztestreik in Krankenhäusern — Erleichterungen für Jungärzte 255
Die Reportage
AIDS kam wie gerufen 257
Einreise nach Persien (III)
Norbert Jachertz
Bekanntmachung der Bundesärztekammer Phenylbutazon- und oxyphenbutazonhalti- ge Arzneimittel: Zulassung für 65 Präparate widerrufen, Indikationen für 206 umgestellt Möglicherweise AIDS-kontaminierte Faktor VIII- und Faktor IX-haltige Arzneimittel .... 260
Kurzbericht
Arzneimitteltransparenz:
Modell-Start in Dortmund 261
Der Kommentar
Kindervorsorge ohne Kinderärzte 262 Effektivität gravierend verschlechtert
Die Glosse
Realitätsrecht 263
Rudi von Poldenko
Themen der Zeit
Streit um den Notfallpatienten 264
Dr. med. Michael Popovit
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung
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Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 5 vom 3. Februar 1984 (1) 245