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Archiv "Hypernephroides Nierenkarzinom" (10.10.1974)

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Hypernephroides Nierenkarzinom

Strahlenbehandlung und Chemotherapie*)

Peter Brühl, Wolfgang Scheef, Hannelore Albert und Egon Bücheler

Aus der Urologischen Universitätsklinik Bonn (Direktor: Professor Dr.

med. Winfried Vahlensieck), Strahlenklinik Janker Bonn (Direktor: Dr.

med. Hans Hoefer-Janker) und Radiologischen Universitätsklinik Bonn (Direktor: Professor Dr. med. Peter Thurn)

Therapie der Wahl bei hypernephroidem Karzinom ist die ultraradi- kale Tumornephrektomie mit anschließender Hochvoltbestrahlung.

Neuerdings wird zusätzlich zur Kurzzeitvorbestrahlung geraten mit einer Herddosis von 1500 bis 2000 R. Damit soll präoperativ eine Devitalisierung von Tumorzellen erreicht werden. Der Einsatz von Zytostatika ist bei diesem Karzinom zwecklos; hypernephroide Tumoren sind gegen Endoxan resistent. Gelegentlich kann bei ge- ,

neralisierten Karzinomen mit Gestagengaben für längere Zeit eine Rückbildung der Metastasen oder eine Stagnation des Tumor- wachstums erreicht werden.

KOMPENDIUM:

Hypernephroides Nierenkarzinom Zum Krankheitsbild der ankylosierenden Spondylitis

Früherfassung

bronchitischer Syndrome

WISSENSCHAFT UND PRAXIS:

Geschlechtskrankheiten

TECHNIK IN DER MEDIZIN:

Elektronische Blutdruckmessung

AUSSPRACHE:

Behandlung

akuter Entzündungen der Nebenhöhlen

Umwelt und Lebensweise der Zentenare

DIAGNOSTIK IN KÜRZE:

Spina bifida und Anenzephalie

Akute Harnwegsinfektionen

Hypernephroide Karzinome (Abbil- dung 1) sind die häufigsten Nie- rentumoren; sie machen etwa drei Viertel aller bösartigen Nierenge- schwülste aus. Die Hämaturie ist das häufigste Leitsymptom. Uro- graphie (Abbildung 2) und Nieren- angiographie (Abbildung 3) sichern in der Regel die Verdachtsdiagnose.

Die Behandlung basiert auf der ul- traradikalen Tumornephrektomie, möglichst unter Mitentfernung der regionären, auch kontralateralen Lymphknoten bis zur Aortenbifur- kation (Abbildung 4). Die Hoffnung, daß mit der Bestrahlung allein eine kurative Maßnahme bei diesen

Tumoren zur Verfügung steht, erfüllte sich auch in der Ära der Hochvolttherapie nicht. Ihre geringe Strahlensensibilität bei relativ gut differenzierten Zel- len und die radiotherapeutisch schlecht erreichbare Lage der Nie- ren im Retroperitonealraum erlaub- ten es nicht, sicher tumorwirksa- me Herddosen bei ausreichender Schonung des gesunden Gewe- bes einzustrahlen. Als ergänzende Maßnahme zur Operation wird al- lerdings die Bestrahlung des hy- pernephroiden Karzinoms von den

*) Herrn Geheimem Sanitätsrat Professor Dr. med. C. E. Alken, Homburg, zum 65. Geburtstag gewidmet.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 41 vom 10. Oktober 1974 2919

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Abbildung 1: Hypernephroides Nierenkarzinom

meisten Autoren befürwortet. Weit- gehend uneins ist man unter Klini- kern über den Bestrahlungsmodus und den zeitlichen Einsatz der Ra- diotherapie (vor oder nach der Operation).

Grundlagen der Strahlentherapie Jede Zelle wird durch ionisierende Strahlen geschädigt. Die radiolo- gisch wesentlichste Noxe manife- stiert sich in Brüchen des DNS- Stranges und in chemischen Ver- änderungen an seinen Basen. Das Ausmaß dieser Schädigung zeigt eine direkte Korrelation zur Prolife- rationstendenz der Zellen. Diese Tatsache wurde wie folgt definiert:

Die Röntgenstrahlen wirken mit ei- ner um so größeren Intensität auf die Zellen ein, je größer die repro- duktive Aktivität der Zellen ist, je länger ihr karyogenetischer Werde- gang andauert und je weniger ihre Morphologie und ihre Funktionen festgelegt sind. Diese Aussage wurde zur Grundlage der gesamten Strahlentherapie.

Der Effekt der Bestrahlung hängt von verschiedenen Faktoren ab:

O Vom Zeitpunkt der Bestrahlung (die Überlebensrate bestrahlter Zellen ist am geringsten, wenn die Bestrahlung während der Mitose oder am Beginn der DNS-Verdopp- lungszeit erfolgt);

43 Von der Strahlendosis (die Überlebensrate bestrahlter Hela- zellen nimmt bei Dosen über 300 rad exponentiell ab);

O von der Sauerstoffversorgung der Zellen (hypoxische Zellen brauchen eine höhere Dosis zur Vernichtung);

O von der Fraktionierung der Ge- samtstrahlendosis in unterschied- lich viele Einzeldosen.

Die Strahlendosis kann auf ver- schiedene Arten angegeben wer- den:

O Als die lonendosis, welche in einem Luftvolumen erzeugt wird, ausgedrückt in R (Röntgen),

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Mypernsphroldes Kurmndm:

gel »uhrektumla und Bestrahlung relativ 9.4 Prognose

O als die Energiedosis, die bei Strahlenabsorption im Gewebe frei wird, ausgedrückt in rad (radiation absorbed dose).

Der Umrechnungsfaktor von Rönt- gen in rad beträgt 0,877, das heißt 1 R = 0,877 rad. Bei der Dosiser- mittlung im Weichteilgewebe kann mit genügend großer Annäherung 1 R = 1 rad gesetzt werden.

Für den erwünschten Bestrah- lungseffekt, nämlich die Verhinde- rung der DNS-Reduplikation proli- ferierender Tumorzellen, ist es un- erheblich, ob die dazu erforderli- che Strahlendosis in Form konven- tioneller Röntgenstrahlen oder un- ter Supervoltbedingungen appli- ziert wird. Aus technischen Grün- den sollte heute das hypernephroi- de Nierenkarzinom aber unter Hochvoltbedingungen bestrahlt werden. Dieses Postulat basiert auf folgenden Fakten:

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Bei geringen Quantenenergi- en ist durch die vorherrschende Photoabsorption des Kalzium die relative Knochenbelastung stärker

als die der umgebenden Weichteile (also auch des Nierentumors). Eine Angleichung erfolgt erst bei Quan- tenenergien über 200 kV. Radione- krosen der Knochen lassen sich folglich durch die Verwendung hochenergetischer Strahlen ver- meiden.

O Bei einer Photonenenergie von über 1 MeV erfolgt ein Dosisan- stieg von der Oberfläche zur Tiefe durch die den Primärstrahl beglei- tenden Compton-Elektronen langer

Reichweite. Durch diesen „Aufbau- effekt" werden radiogene Haut- schäden weitgehend vermieden.

• Nach Supervoltbestrahlung nimmt die Zahl der Leukozyten we- niger rasch ab als nach Behand- lung mit konventionellen Röntgen- strahlen gleicher Dosis.

O Die schärfere Bündelung von Supervoltstrahlen verringert die Gefahr der Bildung „heißer Punk- te" (hot spots) infolge Überschnei- dungen der Strahlenkegel.

Unter Supervolttherapie wird jede Strahlenbehandlung mit Photonen, die eine Energie von über 1 MeV haben, verstanden. Für diese The- rapie stehen als Strahlenquellen die mit Kobalt-60 geladenen Fern- bestrahlungseinheiten (Gammatron) und das Betatron (Abbildung 5) zur Verfügung.

Bei dem letzteren werden Elektro- nen in einem magnetischen Wirbel- feld zuerst stark beschleunigt und prallen dann auf eine Antikathode auf. Therapeutisch verwendet wer-

Abbildung 2: Intravenöses Urogramm: Raumfordernder Prozeß der linken Niere; Blutkoagel In Kelchen und Harnleiter

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 41 vom 10. Oktober 1974 2921

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Abbildung 3: Selektive Nierenangiographie links (arterielle Phase): Pathologische Gefäße und frühzeitige Tumoranfärbung; hypernephroides Nierenkarzinom

Abbildung 4:

Schema der Lymphdrainage der Nieren und ihrer kolla- teralen Ver- bindungen den in diesem Fall die austreten-

den Bremsstrahlen. Diese Behand- lungsform ist bereits mit einem 16 MeV-Betatron durchführbar.

Strahlendosis

Die zur Bestrahlung eines Nie- rentumors erforderliche Herddosis

soll nicht unter 4000 R liegen. In unseren Kiniken wird die Applika- tion von 6000 R angestrebt.

Gefahren der Bestrahlung

Auch wenn mit einer modernen Su- pervolttherapie-Anlage das Gebiet des Nierentumors und der regionä- ren Lymphknoten homogen durch- strahlt wird, besteht für das umlie- gende gesunde Gewebe die Ge- fahr, daß die Strahlentoleranz

überschritten wird. Besondere Auf- merksamkeit ist der gesunden Nie- re zu widmen. Mit der in der Litera- tur angegebenen maximalen tole- rierbaren Strahlendosis von 2000 bis 2500 R sollte man die Restniere nicht belasten, da während des Stadiums der Anpassungshypertro- phie mit einer gesteigerten Prolife- rationsaktivität gerechnet werden muß, die die Empfindlichkeit des Nierenparenchyms gegenüber ioni- sierenden Strahlen sicher steigert.

Das Risiko einer radiogenen Schä- digung der Restniere mit der fata- len Folge der Strahlennephritis, bei der die Mortalität 42 Prozent be- trägt, sollte man auf keinen Fall eingehen. Soll eine Strahlenmyeli- tis vermieden werden, darf man das Rückenmark nicht mit mehr als 3000 R belasten.

Die Funktion der Leber wird durch die Bestrahlung eines rechtsseiti- gen Nierentumors nicht einge- schränkt, da aufgrund ihrer hohen Regenerationsfähigkeit die Tole- ranzgrenze von 3500 R unbedenk- lich überschritten werden kann;

Voraussetzung ist allerdings, daß nur ein Teil der Leber innerhalb der Bestrahlungsfelder liegt. Da mit irreversiblen Schäden am Ga- strointestinaltrakt erst nach Dosen von mehr als 4500 R zu rechnen ist, lassen sich derartige Komplikatio- nen relativ leicht vermeiden.

Ein stärkeres Absinken der Leuko- zyten kann gelegentlich zu einer Unterbrechung der Bestrahlungs- serie zwingen, sofern die Leukope- nie nicht sofort durch Kortikostero- id- oder ACTH-Gaben zu beseiti-

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gen ist. Besondere Aufmerksamkeit ist der Zahl der Leukozyten bei der Bestrahlung linksseitiger Nierentu- moren zu widmen, da sich in die- sen Fällen in der Regel eine Strah- lenbelastung der Milz nicht ganz vermeiden läßt.

Bestrahlungstechniken

Die zum Teil äußerst komplizierten Bestrahlungstechniken variieren von Klinik zu Klinik stark. Um das Zielgebiet (Abbildung 6), also das Tumorbett und die regionären Lymphknoten möglichst homogen mit der angestrebten Herddosis zu bestrahlen, stehen mehrere Tech- niken zur Verfügung: Stehfeldbe- strahlung über zwei oder mehr Fel- der, Pendelbestrahlung und die Be- strahlung mit Teilrotation der Strahlenquelle um mehrere Achsen.

Für welche Technik man sich entscheidet, hängt in erster Linie von den Körpermaßen des Patien- ten ab, die auch immer wieder dazu zwingen können, das gewähl- te Therapieschema nach den spe- ziellen Gegebenheiten zu modifi- zieren.

Da solche Modifikationen bei hoch- differenzierten Bestrahlungstechni- ken nur nach umfangreichen Be- rechnungen möglich sind, ist im klinischen Alltag die Stehfeldbe- strahlung über zwei oder drei Fel- der immer noch das am häufigsten angewandte Verfahren. Eine befrie- digende Dosisverteilung ist mit die- ser Methode allerdings nur für das Tumorbett und die Lymphknoten der erkrankten Stelle zu garantie- ren. Sollen auch in die kontralate- ralen Lymphwege, die bekanntlich bis zum Hilus der Restniere rei- chen (Abbildung 4), tumorwirksame Dosen bei kalkulierbarem Risiko für die gesunden Gewebe einge- strahlt werden, kommen nur Be- strahlungstechniken in Frage, die das Vorhandensein eines Lokalisa- tions- und Simulationsgerätes so- wie einer automatischen Rechen- anlage mit hoher K-Speicherkapa- zität voraussetzen (Abbildung 7).

Abbildung 5: Modernes 42-MeV-Betatron

Zeitpunkt der Bestrahlung

Alleinige Vorbestrahlung mit Tumorvernichtungsdosen

Während der Streit über die ver- schiedenen Bestrahlungstechniken ausschließlich im Kreis der Radio- logen ausgetragen wird, beteiligen sich an den Diskussionen über die optimale zeitliche Korrelation zwi- schen Radiatio und Operation auch Urologen, Internisten und Theoreti- ker aus der experimentellen Onko- logie. Ihre Argumente variieren entsprechend dem jeweiligen Fachgebiet.

Nach der Literatur kann zum Wert der präoperativen Bestrahlung mit voller Herddosis keine fundierte Aussage gemacht werden. Da in den einzelnen Kliniken nicht nur unterschiedliche Bestrahlungstech- niken angewandt wurden, sondern auch die Indikationen zur Vorbe- strahlung sehr verschieden waren, sind ihre Resultate nicht miteinan- der vergleichbar. Es sind daher vorwiegend theoretische Überle- gungen, welche für und gegen eine präoperative Bestrahlung mit voller Tumordosis ins Feld geführt wer- den. Auch Tierexperimente liefern kein stichhaltiges Argument. Die

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 41 vom 10. Oktober 1974 2923

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Abbildung 6: Lage der Niere im Körperquerschnitt in Höhe erster Lenden- wirbelkörper (modifiziert nach Holfelder). Optimales Zielgebiet schraffiert

Abbildung 7: Neuer Elektronenrechner (Müller-Philips) für die Strahlendosisermitt- lung. Aufgrund der eingegebenen Körperumrisse, Bestrahlungstechniken und Ge- räteparameter wirft er dreidimensional sämtliche Isodosenverteilungen aus an Impftumoren und Zellkulturen

gewonnenen Erfahrungen sind für die Klinik menschlicher Spontan- tumoren und für hypernephroide Nierenkarzinome wertlos.

Alleinige Nachbestrahlung

Die postoperative Nachbestrahlung bösartiger Nierentumoren gilt heu- te als Standardmaßnahme. Das be-

deutet allerdings nicht, daß diese Methode allgemein und für alle Fälle akzeptiert wird. Oft wird nur deshalb nicht auf die Nachbestrah- lung verzichtet, um sich später nicht dem Vorwurf auszusetzen, man habe dem Patienten eine möglicherweise noch lebensretten- de Zusatzbehandlung vorenthalten.

Trotzdem plädieren zahlreiche Au- toren dafür, die Indikation für die Nachbestrahlung nicht allzu groß- zügig zu stellen. Sie gilt als nicht erforderlich, wenn ein sehr kleiner Tumor entfernt wurde, bei dem si- cher keine Lymph- oder Gefäßbe- teiligung bestand.

Im Gegensatz zur Vorbestrahlung mit voller Tumordosis liegen über die Nachbestrahlung in der Litera- tur zahlreiche Berichte vor, die — wenn auch mit einiger Vorsicht — gewisse Schlußfolgerungen über den Wert dieser Maßnahmen zulas- sen. Einem Vergleich der Resultate nach alleiniger Nephrektomie mit denjenigen nach Nephrektomie und Nachbestrahlung verschiede- ner Autoren ist zu entnehmen, daß fast alle Untersucher mit der Nach- bestrahlung bessere oder sogar wesentlich bessere Ergebnisse als mit alleiniger Operation erzielten (Tabelle 1). Eine weitergehende, insbesondere statistische Analyse dieser Ergebnisse ist nicht statt- haft, da die zusätzlich nachbe- strahlten Patienten nicht zufällig, sondern aufgrund bestimmter und darüber hinaus uneinheitlicher Kri- terien ausgewählt wurden. So las- sen sich auch die schlechten Er- gebnisse von Oßwald (1967) und Peeling (1969) erklären: In beiden Kollektiven stellten die nachbe- strahlten Patienten eine negative Auslese des Gesamtkrankengutes dar.

Wir haben 135 unserer Patienten, die zum Zeitpunkt der Operation noch keine Fernmetastasen hatten, nachkontrolliert. Ihre Absterbekur- ve in den ersten sechs Jahren

nach Tumornephrektomie mit nachfolgender Hochvoltbestrah- lung ist Abbildung 8 zu entnehmen.

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Abbildung 8: Absterbekurve beim hypernephrolden Nierenkarzinom in Be- ziehung zur natürlichen Absterbekurve (ohne Krebsmortalität) bei 135 Patienten (Bonn 1956 bis 1969) nach Tumornephrektomie mit nachfolgender Hochvoltbestrahlung ohne nachweisbare Fernmetastasen zum Zeitpunkt der

e Operation

70 Prozent dieser Patienten hatten histologisch nachweisbare Einbrü- che in das Gefäß-, Lymph- bezie- hungsweise Nierenbeckenkelchsy- stem oder in das perirenale Fettge- webe. In der Regel waren zwei der genannten Systeme betroffen.

Für jeden einzelnen Patienten wur- de aufgrund seines Alters und Ge- schlechts anhand der Sterbetafeln des Statistischen Bundesamtes sei-

ne natürliche Sterbewahrschein- lichkeit ermittelt. Das sich daraus ergebende arithmetische Mittel entspricht der „Gesamtmortalität"

eines entsprechenden Kollektivs der Durchschnittsbevölkerung für jeweils fünfjährige Altersstufen. In gleicher Weise wurden anschlie- ßend unter gleichen Bedingungen die Sterbewahrscheinlichkeiten an bösartigen Neubildungen für alle Patienten bestimmt; aus dem arith-

metischen Mittel ergibt sich die

„Krebsmortalität" eines entspre- chenden Kollektivs der Durch- schnittsbevölkerung. Die Absterbe- kurve wurde dann mittels der Diffe- renz zwischen „Gesamtmortalität"

und „Krebsmortalität" korrigiert.

Aus dieser Differenz geht hervor, wie viele unserer Patienten wäh- rend des Beobachtungszeitraums voraussichtlich an einer anderen Ursache als an bösartigen Neubil- dungen verstorben wären. Zum Zeitpunkt der „Fünfjahresheilung"

beträgt diese Differenz etwa acht Prozent.

Da die „korrigierte Absterbekurve"

vom vierten postoperativen Jahr an waagerecht verläuft, ist zu fol- gern, daß die prospektive Lebens- erwartung unserer Patienten derje- nigen der Durchschnittsbevölke- rung gleichen Alters und Ge- schlechts entspricht, sobald sie die Vierjahresgrenze erreicht haben (43 Prozent plus acht Prozent). Der Begriff der Fünfjahresheilung er- fährt daher zumindest für das hy- pernephroide Nierenkarzinom er- neut eine Aktualisierung.

Kurzzeitvorbestrahlung ultraradikale Nephrektomie und Nachbestrahlung

Um die Vorteile der Vorbestrahlung (Devitalisierung von Tumorzellen) zu erhalten, ihren wesentlichen Nachteil (lange präoperative War- tezeit) aber zu vermeiden, wurde eine „Kurzzeitvorbestrahlung" vor- geschlagen. Ihr sollten alle Patien- ten mit sicher diagnostiziertem Nierenkarzinom unterzogen wer- den.

Dabei wird innerhalb von drei bis vier Tagen unter Hochvoltbe- dingungen eine Herddosis von 1500 bis 2000 R verabreicht. Unmit- telbar anschließend wird dann die ultraradikale Tumornephrektomie durchgeführt. Die Bestrahlung bis zur vollen Tumorvernichtungsdosis ist fortzusetzen, sobald der Zu- stand der Operationswunde es er- laubt. Mit einer Erschwernis der

2926 Heft 41 vom 10. Oktober 1974 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Operation oder einer Häufung se- kundärer Wundheilungen ist dabei nicht zu rechnen, vom Patienten wird diese Behandlung gut tole- riert, sofern die Feldgröße 200 cm 2 nicht überschreitet. Obgleich nach diesem Therapiekonzept erzielte Fünfjahresergebnisse naturgemäß noch nicht vorliegen, erscheint doch die Argumentation zugunsten die- ser Methode so stichhaltig, daß sie heute bereits an mehreren großen Kliniken in der Bundesrepublik praktiziert wird. Auch an unserer Klinik verfahren wir bei allen ope- rablen Tumoren nach diesem Plan.

Chemotherapie

Alle Versuche, das hypernephroide Nierenkarzinom mit Zytostatika zu beeinflussen, sind bisher negativ verlaufen. Als Chemotherapeuti- kum der ersten Wahl wurde Endo- xan" in verschiedenen Dosierun- gen (hochdosierte Stoßtherapie, Dauertherapie mit kleinen Einzel- dosen) und in unterschiedlicher zeitlicher Korrelation zu Operation und Bestrahlung (intra operatio- nem, während der Bestrahlungsse- rien, im bestrahlungsfreien Intervall und während sogenannter Sicher- heitskuren) eingesetzt. Inzwischen steht fest, daß das hypernephroide Nierenkarzinom gegen Endoxan re- sistent ist; sein Einsatz ist daher nicht mehr gerechtfertigt.

In etwa 25 Prozent der Fälle mit fortgeschrittenem hypernephroiden Karzinom konnte über längere Zeit durch die Applikation hoher Gesta- gendosen —verwandt wurde vorwie- gend Medroxyprogesteronacetat (Clinovir® 100) — eine Rückbildung der Metastasen oder eine Stagna- tion des Tumorwachstums erzielt werden. Da die Gestagengabe nicht mit der Hypothek einer Immunsup- pression belastet ist — inwieweit sie zu einer Stimulation zellulärer Im- munreaktionen führt, mag dahinge- stellt bleiben — sollte man beim ge- neralisierten hypernephroiden Kar- zinom zunächst zum Gestagen grei- fen. Ob diese Medikation im An- schluß an die ultraradikale Tumor-

nephrektomie einen positiven Ein- fluß auf die Überlebenschancen des Patienten hat, steht noch nicht fest.

Prognose

Die Prognose von Patienten mit hy- pernephroidem Karzinom hängt ne- ben der Dauer der Anamnese von Größe und Wachstumsgeschwin- digkeit des Tumors, dem Differen- zierungsgrad seiner Zellen und in besonderem Maße von seinem Ausbreitungsstadium ab. Letzteres ist gekennzeichnet durch mögliche Einbrüche in Gefäßsystem, Lymph- system, Nierenbecken oder perire- nales Fettgewebe und durch regio- näre Lymphknotenmetastasen oder Fernmetastasen. Gegenüber diesen Kriterien tritt für die Prognose die Bedeutung der verschiedenen The- rapieschemata in den Hintergrund.

Wir haben versucht, anhand unse- res eigenen Krankengutes und auf- grund von Literaturhinweisen der Therapieform approximativ einen Stellenwert für die Prognose zuzu- weisen. Für eine derartige Beurtei- lung ist die kooperative Zusam- menarbeit zwischen Hausarzt, Ope- rateur und Radiotherapeut ent- scheidend. Nur so ist eine Analyse der mit einheitlicher Behandlungs- methode erzielten Ergebnisse und damit der Prognose statistisch sinnvoll. Sie ergibt eine Fünfjahres- heilung von 43 Prozent, die sich nach Korrektur mit Hilfe der Ster- bewahrscheinlichkeit aus anderer Ursache auf 51 Prozent erhöht, wenn zum Zeitpunkt der Operation keine Fernmetastasen nachzuweisen wa- ren.

Literatur bei den Verfassern Anschriften der Verfasser:

Professor Dr. med. Peter Brühl, Professor Dr. med. Egon Bücheler 53 Bonn 1

Venusberg

Dr. med. Wolfgang Scheef 53 Bonn

Baumschulallee 12-14

Diagnostik

Spina bifida und Anenzephalie bei Feten lassen sich bereits pränatal durch Messung des mütterlichen Alpha-Feto-Proteins (AFP) mit Hilfe des Radioimmunessays unter Ver- wendung des anti-AFP der Beh- ringwerke diagnostizieren. Das ist durch eine Untersuchung des Edin- burgher Instituts für Humangene- tik in Verbindung mit der Geburts- hilfestation des dortigen General Hospital festgestellt worden. Die Plasma-Proben wurden zwischen der 15. und der 18. Woche der Gra- vidität entnommen und zeigten bei allen acht Fällen, in denen später ein anenzephales Kind zur Welt kam, stark über der Norm liegende AFP-Werte. Bei Spina bifida war die Prognose in drei von fünf Fäl- len möglich. Allerdings konnte mit Plasma, das vor der 15. Woche ent- nommen wurde, keine bindende Aussage erzielt werden. Die Auto- ren regen eine routinemäßige Un- tersuchung an. HH

(Brock, D. J. H., Bolton, A. E. und Scrigeour, J. B.: The Lancet 7861 [1974], S. 767-769)

Akute Harnwegsinfektionen nach gynäkologischen Operationen be- hindern die Spontanheilung und bergen die Gefahr einer chroni- schen Pyelonephritis in sich. Ne- ben allgemeiner und lokaler Infek- tionsprophylaxe sollten künstliche Blasenentleerungen, unabhängig von der Methode, auf ein Mindest- maß reduziert werden. Bakteriolo- gische Urinanalysen müssen unmit- telbar postoperativ und nach Mo- naten als Spätkontrollen wiederholt durchgeführt werden. Liegt eine In- fektion vor, sollte ein Chemothera- peutikum gewählt werden, das nach der Resistenzbestimmung am ehesten Erfolg verspricht. Allge- meine prophylaktische Chemothe- rapie ist nicht zu empfehlen. he (Koch, U. J., Küchler, R.: Geburtsh.

u. Frauenheilk. 34 [1974] 431-435)

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