Kapitel 10
Elemente der
Infinitesimalrechnung
Gegenstand sind die infiniten Prozesse im Bereich der reellen Zahlen. Grob gesagt wird “das Unendliche” (ob unendlich klein oder unendlich groß) mit in die Betrach- tungen einbezogen. Anfangsgr¨unde der Infinitesimalrechnung wurden von I. Newton und – etwa zeitgleich – von G.W. Leibniz formuliert. Ausformulierung erfolgte durch A.L. Cauchy und Zeitgenossen.
10.1 Zahlenfolgen, Konvergenz und Grenzwert
Sie erinnern sich: Eine Zahlenfolge ist eine auf N definierte Funktion mit Werten in R, sofern es sich um eine reelle Folge handelt, und Werten in C, sofern es sich um eine komplexe Folge handelt. Statt a(n) f¨ur den Wert der Folge an der Stelle n, wie
es f¨ur Funktionen ¨ublich ist, notiert manan, genannt das n-te Glied der Folge. Die Folge selber schreibt man dann auch (an) oder einfacha1, a2, . . ..
Definiton “konvergent”: Eine Folge (an) heißt konvergent, wenn es eine Zahl a gibt, die die Eigenschaft aufweist, dass zu jedem ε > 0 ein Nε ∈ N existiert, so dass
|an−a|< ε f¨ur alle n > Nε (10.1) Die Zahla heißt Grenzwert oderLimes der Folge, notiert
nlim→∞an =a bzw. an →a f¨urn → ∞ (10.2) Der Ausdruck n → ∞ ist dabei nicht zu lesen “wenn n den Wert ‘unendlich’ er- reicht” (eine Zahl mit einem solchen Wert gibt es nicht), sondern “n w¨achst ¨uber alle Grenzen” (es l¨asst sich keinN ∈N angeben, so dass f¨ur alle n gilt n≤N).
Geometrisch kann die Konvergenzbedinung f¨ur komplexe Folgen formuliert werden, dass alle Folgengliederan mit n > Nε in einer Kreisscheibe
Uε(a) :={z ∈C| |z−a|< ε} (10.3) der sog.ε-Umgebung vonaliegen. F¨ur reelle Folgen ist dieε-Umgebung das Intervall Iε(a) :={x∈R| |x−a|< ε}.
Eine Folge mit Grenzwert 0 heißt auch Nullfolge. Die Folge (1n) beispielsweise ist eine Nullfolge: f¨ur vorgegebenes ε > 0 setze Nε := 1/ε. F¨ur alle n > Nε ist dann 1/n <1/Nε=ε, wie f¨ur eine Nullfolge gefordert.
Hat man eine konvergente Folge an mit Grenzwert a, also an → a, so ist (an − a) offensichtlich eine Nullfolge. Eine Folge, die keinen Grenzwert aufweist, heißt
10.1 Zahlenfolgen, Konvergenz und Grenzwert 117 divergent. Die Folge (2n), beispielsweise, ist divergent. Aber auch die Folge ((−1)n)
konvergiert nicht, gilt daher als divergent.
Der Grenzwert einer konvergenten Folge ist eindeutig bestimmt. Seien n¨amlich a, b Grenzwerte der Folge xn und ε > 0 beliebig. Da die Folge nach Voraussetzung konvergiert gibt es ein n > N mit |xn−a|< ε,|xn−b|< ε, woraus
|a−b|=|(xn−b)−(xn−a)| ≤ |xn−b|+|xn−a|<2ε (10.4) folgt. Und daεbeliebig, insbesondere beliebig klein (und positiv), ista−b= 0 bzw.
a=b. qed
Summe, Differenz, Produkt und Quotient zweier – allgemein: endlich vieler – kon- vergenter Folgen sind gliedweise erkl¨art. Die resultierende Folge konvergiert dann gegen einen Grenzwert, der gleich der Summe, Differenz, Produkt oder Quotient der urspr¨unglichen Folgen ist (eine Ausnahmen ist die Division durch 0). Beispiele:
nlim→∞
! 1 + 1
n
"
= lim
n→∞1 + lim
n→∞
1
n = 1 + 0 = 1 (10.5)
lim
! n+ 1 2n+ 3
"
= limn→∞
#1 + n1$ limn→∞
#2 + n3$ = 1
2 (10.6)
Das ist typisch Mathe: ausgehend von einem “Basisobjekt” (hier : Zahl) f¨uhrt man zun¨achst ein “Metaobjekt” ein (hier: Zahlenfolge), vereinbart “Metametaobjekte”
(hier: Grenzwert von Zahlenfolge), und sucht dann die Verkn¨upfungen, die auf der Ebene der Basisobjekte bereits eingef¨uhrt sind (hier: die Arithmetischen Operatio- nen Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division), auf die Ebene der Me- taobjekte zu erweitern (hier: die “Addition” zweier Folgen wird ¨uber die bereits etablierte Addition von Folgengliedern= Zahlen definiert), so dass sich die Erweite- rung auf die Ebene der Metametaobjekte fortsetzen l¨asst (hier: Limes einer Summe zweier Folgen ist die Summe der Limiten der beiden einzelnen Folgen).
Eine Folge (an) heißt
• beschr¨ankt, wenn es eine reelle Zahl K ≥0 gibt, so dass f¨ur alle Folgenglieder
|an| ≤K,
• monoton wachsend, wenn f¨ur alle n gilt an+1 ≥an,
• monoton fallend, wenn f¨ur alle n gilt an+1 ≤an.
Jede konvergente Zahlenfolge (an) ist beschr¨ankt – aber Beschr¨anktheit ist lediglich notwendige Bedingung f¨ur Konvergenz, nicht hinreichend. Die Folge (−1)n, bei- spielsweise ist beschr¨ankt, aber keineswegs konvergent. Notwendig und hinreichend ist Beschr¨anktheit allerdings f¨ur solche Folgen, die monoton wachsen oder fallen.
Folgen eignen sich auch, um Zahlenmengen zu charakterisieren. Etwa so: Eine Teil- mengeM von R oderC heißt
abgeschlossen, wenn jede konvergente Folge von Elementen an ∈ M einen Grenzwert a inM hat.
beschr¨ankt, wenn es eine Zahl R gibt, so dass |x| ≤R f¨ur alle x∈M kompakt, wenn M abgeschlossen und beschr¨ankt ist.
Die mit Abstand nettesten Mengen sind die kompakten Mengen – in ihnen bleibt immer allles sch¨on endlich und man st¨oßt in ihnen nicht auf ¨Uberraschungen.1. So ist beispielsweise jedes abgeschlossene Intervall [a, b] ⊂ R abgeschlossen (gut so –
1Eine ¨Uberraschung bietet beispielsweise die Folge (1 +n−1)n. Das ist n¨amlich eine Folge in der Menge der rationalen Zahlen zwischen 1 und 3, und die ¨Uberraschung ist, dass der Grenzwert – die Eulerzahle– keine rationale Zahl ist. Oops . . .
10.1 Zahlenfolgen, Konvergenz und Grenzwert 119 abgeschlossene Intervalle sind abgeschlossen), und – da beschr¨ankt – auch kompakt.
Hingegen ist das rechtsseitig offene Intervall [a, b[ zwar beschr¨ankt, aber nicht ab- geschlossen – der Grenzwert der Folge a+ (b−a)/2n ist b, und liegt somit nicht in [a, b[ – und somit auch nicht kompakt.
Eine reelle oder komplexe Zahl h heißt H¨aufungswert der Folge (an), wenn jede Umgebung Uε(h) von h unendlich viele Folgenglieder an enth¨alt, wenn also gilt
|h − an| < ε f¨ur unendlich viele n. Eine konvergente Folge hat demnach genau ihren Grenzwert als H¨aufungspunkt, die nicht-konvergente Folge ((−1)n) hat die H¨aufungspunkte 1 und −1, . . . und eine surjektive Folge N → Q hat jede(!) reelle Zahl als H¨aufungswert (da jedes Intervall unendlich viele rationale Zahlen enth¨alt).
Das ist ziemlich cool – kann man doch die reellen Zahlen als die Menge aller H¨aufungswerte solcher Folgen rationaler Zahlen einf¨uhren!
Satz (Bolzano-Weierstrass): Jede beschr¨ankte Folge komplexer Zahlen besitzt mindestens einen H¨aufungswert. ¨Aquivalent: Jede beschr¨ankte Folge komple- xer Zahlen besitzt mindestens eine konvergente Teilfolge.
Definition “Cauchy-Folge”: Eine Folge (an) ist eineCauchy-Folge, auch genannt Fundamentalfolge, wenn es zu jeder positiven Zahl ε eine nat¨urliche Zahl Nε
gibt, so dass
|am−an|< ε f¨ur alle m, n≤Nε. (10.7) Bei einer Cauchy-Folge ziehen sich die Folgenglieder mit wachsendemnimmer mehr zusammen. Von einem Grenzwert ist dabei nicht die Rede. Es gilt aber der wichtige Satz: Eine Folge konvergiert genau dann in R (oder C) , wenn sie eine Cauchy- Folge ist (Ohne Beweis). Das ist eine wertvolle Einsicht, kann man doch ¨uber die Konvergenz (oder nicht-Konvergenz) einer Folge entscheiden ohne den Grenzwert angeben zu m¨ussen.
Cantor hat seinerzeit die rellen Zahlen als ¨Aquivalenzklassen von Fundamentalfolgen in den rationalen Zahlen konstruiert. Beispiel:en := (1 +n1)n ist eine Cauchy-Folge in den rationalen Zahlen. Der Grenzwert limn→∞en := e (Eulers e = 2,71. . .) ist allerdings nicht rational – er gestattet keine endliche Bruchdarstellung – ist aber Elemet der reellen Zahlen.
10.2 Reihen
Hat man eine beliebige Folge (an), kann man daraus eine neue Folge (SN) bilden, die Folge derPartialsummen SN =%N
n=1an. Hat die Folge (SN) einen Grenzwert, notiert man
S := lim
N→∞SN =
&∞ n=1
an. (10.8)
und nennt %
nan eine konvergente Reihe. Andernfalls heißt die Reihedivergent.
10.2 Reihen 121
Beispiel f¨ur eine konvergente Reihe (mit Hilfe von Partialbruchzerlegung)
&∞ n=1
1
n(n+ 1) = & !1
n − 1
n+ 1
"
(10.9)
=
&∞ n=1
1 n −
&∞ n=1
1
n+ 1 (10.10)
= 1 +
&∞ n=2
1 n −
&∞ n=1
1
n+ 1 (10.11)
= 1 +
&∞ m=1
1 m+ 1 −
&∞ n=1
1
n+ 1 (10.12)
= 1. (10.13)
Beispiel f¨ur eine divergente Reihe ist die sog. harmonische Reihe
&∞ n=1
1
n = 1 + 1 2 +1
3 +. . .=∞. (10.14)
wobei ∞ bedeutet “es gibt keine nat¨urliche Zahl N so dass %1
n < N”.
Reihen der Form %∞
n=0anzn, worin z eine beliebige komplexe (oder reelle) Zahl, heißenPotenzreihe. Eine gegebene Potenzreihe wird i.A. nicht f¨ur allezkonvergieren, sondern nur f¨ur solchezderen Betrag kleiner ist als der Konvergenzradius der Reihe.
Die geometrische Reihe beispielsweise
&∞ n=0
zn = 1
1−z, |z|<1 (10.15)
konvergiert nur f¨ur|z|<1. Es gilt n¨amlich (1−z)(1 +z+z2+· · ·+zN−1) = 1−zN, daher 1 +z+z2+· · ·+zN−1 = 1−z1−zN, im LimesN → ∞folgt die Behauptung sofern nur|z|<1.
Um zu entscheiden, ob eine gegebene Reihe konvergiert oder nicht greift man gerne auf einfach zu entscheidende Kriterien zur¨uck, das Majorantenkriterium beispiels- weise: Existiert f¨ur eine gegebene Reihe %
an eine konvergente Reihe %
bn = B und ist|an| ≤bn f¨ur fast alle n, so konvergiert auch %
an. Beweis via Absch¨atzung des Reihenrestes: |S−SN| = ''%∞n=N+1an
'' ≤ %∞
n=N+1|an| ≤ %∞
n=N+1bn → 0 f¨ur N → ∞.
Von praktischer Bedeutung das Quotientenkriterium: Eine Reihe %
an bei der der Quotient zweier aufeinanderfolgender Glieder die Ungleichung|an+1/an| ≤δ <1 fast immer (d.h. bis auf endlich viele Ausnahmen) erf¨ullt, ist konvergent. Aus|an+1/an| ≤ δ < 1 folgt n¨amlich |an| ≤ δn−1|a1|. Die geometrische Reihe %∞
n=1δn−1|a1| ist al- so eine Majorante von %
an. Sofern δ < 1 konvergiert die Majorante, nach dem Majorantenkriterium also auch die durch die Majorante majorisierte Reihe%
an.
10.3 Exponentialfunktion
Betrachte die Reihe %∞
n=0 zn
n! worin z irgendeine komplexe Zahl. Bildet man hier den Quotienten zweier aufeinanderfolgender Summanden, |z|n+1|z|n/(n+1)!/n! = n+1|z| erkennt man, dass es f¨ur jedeszeinN gibt (etwaN =INT(|z|), worinINT(x) die Aufrundung von x auf die n¨achst-gr¨oßere ganze Zahl), so dass n+1|z| <1 f¨ur allen > N, und also die fragliche Reihe f¨ur jedesz konvergiert! Sie ist damit eine Funktion,
exp(z) :=
&∞ n=0
zn
n! (10.16)
10.3 Exponentialfunktion 123 genannt die Exponentialfunktion.
F¨ur z, w zwei komplexe Zahlen berechnet sich das Produkt exp(z) exp(w) wie folgt,
( ∞
&
m=0
zm m!
)
·
( ∞
&
n=0
wn n!
)
=
&∞ m=0
&∞ n=0
zm m!
wn
n! (10.17)
=
&∞ k=0
( k
&
m=0
zm m!
wk−m (k−m)!
)
(10.18)
=
&∞ k=0
1 k!
&k
m=0
!k m
"
zmwk−m (10.19)
= &
k=0
1
k!(z+w)k (10.20)
kurz
exp(z)·exp(w) = exp(z+w). (10.21) Aus Gl. (10.21) folgt unmittelbar exp(z) exp(−z) = 1, und das ¨ubersetzt sich mittels () in die Identit¨at
exp(−z) = 1
exp(z) (10.22)
Abb 10.1 Die Exponentialfunktion f¨ur reelle Argumente nebst ihrer Umkehrfunk- tion ln(x) (deren Graph man durch “Spie- gelung an der Diagonalen” erh¨alt).
Die Funktionalgleichung (10.21) erinnert an die Identit¨at apaq = ap+q, und man schreibt daher
exp(z)≡ez (10.23)
worin e die Eulerzahl,
e:= exp(1) = 2,7182818 +R , |R|<2·10−7 (10.24)
Angesichts (10.23) nennt man die Exponentialfunktion auch diee-Funktion.
Zur Berechnung von ex mit x reell bestimmt man zun¨achst eine ganze Zahl g und nicht-negative reelle Zahl ξ so dass x = g+ξ, bzw. ex = egeξ. Zur n¨aherungswei- sen Bestimmung von e und eξ kann ein endlicher Abschnitt der Exponentialreihe verwendet werden. Die Absch¨atzung des Fehlers ergibt sich dabei wie folgt. Sei zun¨achst
ex =&
k=0
nxk
k! +Rn+1(x) (10.25)
dann gilt f¨ur|x| ≤1
|Rn+1(x)| ≤
&∞ k=n+1
|x|k
k! = |x|n+1 (n+ 1)!
!
1 + |x|
n+ 2 + |x|2
(n+ 2)(n+ 3) +. . .
"
(10.26)
≤ |x|n+1 (n+ 1)!
! 1 + 1
2+ 1 22 +. . .
"
(10.27)
≤ 2 |x|n+1
(n+ 1)!, (10.28)
lies: f¨ur |x| ≤1 ist der Fehlerbetrag h¨ochstens so groß wie der doppelte Betrag des ersten weggelassenen Summanden. Verwendet man also zur Berechnung von e den Abschnitt 1 + 1!1 + 2!1 +. . .+ n!1, so ist der Fehler 0 < Rn+1(1) < (n+1)!2 . Dank der Fakult¨at im Nenner, konvergiert die Exponentialriehe f¨uresehr schnell. F¨urn = 10 beispielsweise istR11(1)<6·10−8, bzw. ewie in Gl. (10.24) unter Ber¨ucksichtigung der Rundungsfehler angegeben.
Aus der Reihendarstellung (10.16) folgt [exp(z)]∗ = exp(z∗) bzw. f¨ur z =x+iy mit x, y reell,
[exp(x+iy)]∗ = exp(x−iy) (10.29)
10.3 Exponentialfunktion 125
Insbesondere wenn z rein imagin¨ar, z =iϕ, ergibt sich
[exp(iϕ)]∗ = exp(−iϕ) (10.30)
und also|exp(iϕ)|= 1. Da jede komplexe unimodulare Zahl dargestellt werden kann cosϕ+isinϕ liefert der Vergleich von Real- und Imagin¨arteil von exp(iϕ) mit der Darstellung exp(iϕ) = cosϕ+isinϕ die Reihendarstellung der trigonometrischen Funktionen f¨ur reellwertig Argumente
cosϕ =
&∞ n=0
(−1)n ϕ2n
(2n)! = 1− ϕ2 2! +ϕ4
4! −ϕ6
6! +. . . (10.31) sinϕ =
&∞ n=0
(−1)n ϕ2n+1
(2n+ 1)! =ϕ− ϕ3 3! +ϕ5
5! − ϕ7
7! +. . . (10.32) Der Cosinus hat im Intervall [0,2] genau eine Nullstelle, bezeichnetπ/2, also cosπ2 = 0, angesichts cos2+ sin2 = 1 auch sinπ2 = 1. Die Euler’sche Formel liefert dann
iπ/2 = cosπ2 +isinπ2 =i, quadriert
eiπ =−1 (10.33)
eine der sch¨onsten Formeln der modernen Mathematik, vereinigt sie doch Eulers e, Euklids π Gauss’ i und die negative Einheit −1.
Es spricht nichts dagegen, f¨ur die trigonometrischen Funktionen auch komplexe Ar- gumente zuzulassen. Man erweitere einfach die Definitionen, und setze f¨ur beliebiges z ∈C
cosz := eiz+e−iz
2 , sinz := eiz −e−iz
2i . (10.34)
Die Reihendarstellung ist dann wie in (10.31,10.32) nur mit ϕ ersetzt durch z.
Nach wie vor gilt hier die Euler’sche Formel
eiz = cosz+isinz , (10.35)
der Satz des Pythagoras
cos2z+ sin2z = 1, (10.36)
und die Additionstheoreme
cos(z+w) = coszcosw−sinzsinw , (10.37) sin(z+w) = sinzcosw+ coszsinw . (10.38) Ebenso wie die trig-Funktionen k¨onne auch die Hyperbelfunktionen f¨ur komplexe Argumente definiert werden,
coshz := ez+e−z
2 , sinhz := ez−e−z
2 . (10.39)
Offensichtlich sind die Hyperbelfunktionen und die Trigonometrischen Funktionen verkn¨upft
coshz = cos(iz), sinhz =−isin(iz), (10.40) woraus sich mit Hilfe (10.38) Additionstheoreme angeben lassen,
cosh(z+w) = coshzcoshw+ sinhzsinhw (10.41) sinh(z+w) = sinhzcoshw+ coshzsinhw , (10.42) und es gilt der hyperbolische Pythagoras,
cosh2z−sinh2z = 1. (10.43)
Die Reihendarstellung entnimmt man (10.39) und Ber¨ucksichtigung von (10.16), coshz =
&∞ n=0
z2n
(2n)!, sinhz =
&∞ n=0
z2n+1
(2n+ 1)!. (10.44)
10.4 Aufgaben 127
10.4 Aufgaben
& Aufgabe 10-1 Zeigen Sie
n→∞lim
! n+ 1 2n+ 3
"
= 1
2. (10.45)
& Aufgabe 10-2 Zeigen Sie
n→∞lim 1
ns = 0 f¨ur jedes positivess ∈Q. (10.46)
nlim→∞
√n
a = 1 f¨ur jedes reellea >0. (10.47)
nlim→∞
√n
n = 1. (10.48)
& Aufgabe 10-3 Zeigen Sie
&∞ n=1
1
4n2−1 = 1
2. (10.49)
Hinweis: Eine Partialbruchzerlegung des Summanden k¨onnte sich als n¨utzlich erwei- sen . . .
& Aufgabe 10-4
Falls Sie sich jemals gefragt haben, wie man Wurzeln zieht (vulgo “√
2 ausrechnet”) – hier ist die Antwort: mit Hilfe der Rekursion
xn+1 = 1 2
!
xn+ a xn
"
(10.51)
worin a eine vorgegebene reelle Zahl gr¨oßer Null (deren Wurzel man berechnen m¨ochte).
(a) Berechnen Sie f¨ur den Fall a= 2 und Startwert x0 = 1 die drei ersten Glieder der Folge (). Lassen Sie sich anschließend die Wurzel aus 2 von Ihrem Taschen- rechner anzeigen und vergleichen Siex3mit der Anzeige Ihres Taschenrechners.
(b) Zeigen Sie: Bei beliebig gew¨ahltem Startwert x0 > 0 gilt xn ≥ √
a und die Folge () konvergiert ab n = 1 monoton fallend gegen √
a.
(c) Zeigen Sie, dass der Fehler fn := xn−√
a abgesch¨atzt wird |fn+1| ≤ 2√1afn2. Schließen Sie, dass f¨urx3 im obigen Beispiel|x3−√
2|<2−4·10−4. Auf wieviele Stellen (hinter dem Komma) approximiert also x3 die Zahl √
2?
& Aufgabe 10-5
Man skizzieren der Funktionsgraphen der Funktion 1+z12 (f¨ur reelle z = x) und beweise
1 1 +z2 =
&∞ n=0
(−1)nz2n, |z|<1. (10.55) Warum ist hier die Einschr¨ankung |z| <1 vorzunehmen? Was passiert f¨ur z → ±i auf der linken Seite und auf der rechten Seite der Identit—¨at (10.55)?
& Aufgabe 10-6 (Pythagor¨aische Weihnachen)
Zeichnen Sie ein regelm¨aßiges F¨unfeck (Pentagon), tragen die Diagonalen ein, er- halten so ein Pentagramm, und ¨uberzeugen sich davon, dass hier gilt
Diagonale : Seite = Seite : (Diagonale − Seite) (10.56)
10.4 Aufgaben 129 Hinweis: Die Diagonalen bilden in der Mitte wiederum ein Pentagon – hilft das
weiter?
Benennen Sie
g := Diagonale : Seite (10.57)
und zeigen dass g nicht rational.
Die Zahl g nennt man den goldenen Schnitt. Betrachten Sie zum Startwert x0 = 1 die Folge
xn+1 = 1 + 1 xn
(10.58) und zeigen Sie limn→∞xn =g mit
g = 1 2
*1 +√ 5+
. (10.59)
Gehen Sie auf Wikipedia, und lesen dort unter dem Stichwort “Pythagor¨aer” und
“Goldener Schnitt” nach, was es mit den beiden auf sich hat.