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Zur Aussprache der Velarlabialen kp und gb.
Von M. Heepe.
Durch die Beschäftigung mit dem Jaunde, einer Bantusprache
Südkameruns, sah ich mich dazu veranlaßt, den für so viele Sudan¬
sprachen charakteristischen und auch im Jaunde vorhandenen Velar¬
labialen genauere Beachtung zu schenken. Die genaue Wiedergabe
dieser Laute kp und gh ist von jeher sehr erschwert gewesen durch 6
die fiir den Europäer ungewohnte enge Verbindung der znr richtigen
Bildung der Laute notwendigen Velar- und Labialartikulation, über
deren Art und gegenseitiges Verhältnis man sich auch bislang noch
nicht genügend Rechenschaft gegeben hat. P. Nekes bezeichnet in
seinem Lehrbuch der Jaunde-Sprache, S. 12, kp nicht unrichtig als lo
ein .volares p* und gb als ein ,velares i". Er faßt die Laute
aber nicht anders auf als der Erforscher der Sudansprachen, Wester¬
mann, dessen ausführliche Beschreibung dieser Laute in seiner
Grammatik der Ewe-Sprache er S. 12 wörtlich anführt. Wir
werden darauf unten noch weiter einzugehen haben. i6
Nach unserer Beobachtung wird man aber nicht zu einer
richtigen Bildung der Laute kommen können, wenn man der dort
gegebenen Anleitung folgt.
Diese Darstellung ist übrigens nicht die einzige, die wir von
Westermann haben. Es findet sich schon eine ganz ähnliche 20
Formulierung in dem zwei Jahre früher erschienenen Wörterbuch
der Ewe-Sprache Bd. I, S. 18*, mit dem allerdings bemerkens¬
werten Unterschied, daß hier von einem , Velarverschluß', und nicht
wie in der späteren Fassung von einer „Velarverengung* gesprochen
wird. Vielleicht ist diese spätere Form als Ergebnis der phone- 2s
tischen Konferenz anzusehen, von der Carl Meinhof in seinem Buch
,Die moderne Sprachforschung in Afrika' S. 56 f. spricht, und an
der auch Eduard Sievers und Hermann Gutzmann teilgenommen
haben. Jedenfalls ist für die Westermann'sche Auffassung typisch,
daß immer von einem p und b ,mit velarem Ansatz' gesprochen so
wird. Und ganz in die gleiche Richtung weisen die Äußerungen,
die wir von Meinhof aus dem Jahre 1910 haben. Er sagt*) unter
1) Ergebnisse der afrikanischen Sprachforschung, Archiv fiir Anthropologie, Neue Folge, Bd. IX, S. 184.
584 Heepe, Zur Aussprache der Velarlabialen kp und gh.
ausdrücklichem Hinweis auf Westermann: ,In den Sudansprachen
gibt es eine .... Artikulation velarlabialer Laute , bei denen ein
p mit vorhergehendem Ansatz zum k, ein Ä mit vorhergebendem
Ansatz zum g gesprochen wird." An anderer Stelle ^) nennt er
5 die Velarlabialen , Laute, bei denen man erst so tut, als wollte
man ein k sprechen, spricht dann aber ein p, oder man setzt zum
g an, spricht dann aber ein b." Ähnlich heißt es im Grundriß ^
S. 6: »Man tut so, als wollte man ein k hezw. g sprechen, spricht
aber ein p bezw. b." Diese letzte Ausdrucks weise findet sich
10 wörtlich übernommen auch bei Nekes „Minlaii mi Bibel" 1911,
S. VII. Und Westermann hat sie sich in seinem neuesten Büchlein
über das Ewe'') gleichfalls angeeignet: S. 17. 18.
Mir scheint aber mit allen diesen Angaben das Wesentlichste
bei der Aussprache der Velarlabialen noch nicht getroflfen. Zwar
15 gehen sie wohl alle von der Voraussetzung aus , daß es sich bei
diesen Lauten um eine untrennbare Lauteinheit handelt. Und
Meinhof sagt Grundriß S. 6 ausdrücklich, daß es Laute sind „bei
denen man einen bilabialen Laut zugleich mit velarer Artikulation
entstehen läßt", ähnlich wie Prietze früher bereits diese Laute
20 „Simultanlaute" genannt hat*). Aber Meinhof hat nirgend gesagt, wie er sich das „zugleich" denkt, und seine ausdrückliche Berufung
auf Westermann lehrt, daß man diesen Ausdruck nicht pressen darf,
denn sonst würde er sofort in Gegensatz zu Westermann treten,
dessen Beschreibung, wie eine genauere Betrachtung zeigen wird,
25 tatsächlich nicht zum Ziel , nämlich einer wirklichen Lauteinbeit,
führt. In Wirklichkeit handelt es sich um eine Verbindung velarer
und labialer Artikulation in der Weise, daß der Gaumen- und
Lippenverschluß gleichzeitig geöffnet wird. Zum besseren Ver¬
ständnis der Auffassung Westermann's seien hier die Anschauungen
30 früherer Autoren in kurzer Übersicht zusammengestellt.
Schon vor 100 Jahren berichtet Nyländer *) von der Schwierig¬
keit der Aussprache des gb im BuUom und macht zugleich auf
eine Erfahrung aufmerksam, die man auch heute noch machen
kann, daß nämlich der velare Bestandteil des Lautes von Land-
86 fremden oft vernachlässigt wird. Crowther zuerst hat ausdrücklich darauf hingewiesen, daß gb und kp, die er zwar „double consonants'
nennt, eine Einbeit darstellen Und später *) hat er dem Rechnung
getragen, indem er im Yoruba für kp einfach p schrieb, worin ihm
1) Die moderne Sprachforschung in Afrilia, S. 57.
2) Metoula-Sprachführer.
3) ZAOS., Bd. III (1897) S. 22.
4) G. R. Nyländer. Grammar and Vocabulary of the Bullom language, London 1814. S. 3 'gb is a very difficult pronunciation: wherefore g is often¬
times omitted by strangers''.
5) S. Crowther, Vocabulary of the Yoruba language, London 1843, S. 2 'The two together — b and g, and k and p — make one consonant".
6) S. Crowther, A grammar and vocabularv of the Yoruba language, London 1852, S. 3.
Heepe, Zur Aussprache der Velarlabialen kp und gb. 585
Boch andere gefolgt sind Dagegen behielt er gb bei um es von
b zu unterscheiden. Die Erkenntnis einer vorliegenden Lauteinheit
ist seither in Geltung geblieben, indem Zimmermann die enge Ver¬
bindung besonders betonte ^) , Koelle *) und Schön *) bereits die
Terminologie gaben , die dann auch von Lepsius "*) angenommen &
vyurde, wonach es sich bei diesen Lauten um „guttural modifications of p and b' handelt. (Vgl. „Kehllippenlaute" bei Schlegel«).)
Über die Art, wie die Verbindung des volaren und labialen
Elements zu einer Lauteinheit bei der Aussprache herzustellen sei,
finden sich nur wenige Angaben in der Literatur. Crowther ver- lo
mied s. Z. absichtlich eine Beschreibung '). Henrici und nach ihm
Delafosse waren die ersten, die eine kleine Anweisung zur Bildung
dieser Laute gaben. Aber erst Westermann hat sich um eine
phonetisch genaue Beschreibung bemüht, wie er denn überhaupt
einer genauen Beobachtung der Laute seine besondere Aufmerksam- is
keit geschenkt hat (vgl. Vorwort der Ewe-Grammatik).
a) Bereits fiir Henrici war die „lautphysiologische Seite der
Sprache" (a. a. 0., Vorwort, S. IX) nicht ohne Interesse , und so
findet sich denn eine Angabe bei ihm, die für die richtige Bildung
der Laute wesentlich ist. Er sagt: „am richtigsten wird der 20
Europäer das gb sprechen, wenn er zu einem g ansetzt, aber, bevor
noch der Verschluß sich öfihet, zu b übergeht"*). Danach wird
der Lippen Verschluß gebildet vor der Öffnung des Velarverschlusses;
unerwähnt bleibt, wann diese stattfindet.
b) Bei Delafosse , dem Henrici's Äußerung vorlag , finden wir 25
die richtige Erkenntnis dieses einen Punktes schon wieder ver¬
dunkelt, wenn es heißt: „Pour le bien rendre, il faut commencer ä
prononcer un g dur, et articuler un b avant que remission du g
ne soit achevöe". Man sieht, daß hier eine gewisse Ähnlichkeit,
wenn nicht gar Abhängigkeitsverhältnis vorliegt. Schwierigkeit so
macht aber die Bestimmung des Zeitpunktes: „avant que remission
du g ne soit achevee". Henrici's Angabe (Öffnung des Velar¬
verschlusses) war genau. Hier kann man zweifelhaft sein, ob das¬
selbe wie bei Henrici gemeint ist, oder nicht. Wenn nicht, so
1) Vgl. z. B. Essai de grammaire en langue Yoruba, Lyon 1884, S. 5:
,Le p se prononce kp',
2) J. Zimmermann , A grammatical sketcb of the Akra- or 6ä-languagc, Stuttgart 1858, S. 8 "... kp, gb . , . are close combinations, originating in simple sounds".
3) S. W. Koelle, Outlines of a grammar of the Vei language, London 1851, S. 17 f.
4) J. F. Schön, Grammatical elements of the Ibo language, London 1861, S. 5.
5) C. R. Lepsius, Standard Alphabet, London 1863, S. 276.
6) J. B. Schlegel, Schlüssel zur Ewe-Sprache, Stuttgart 1857, S. 13 f.
7) Siebe Crowther, A Grammar and Vocabulary of the Yoruba language, London 1852, S. 3: "a peculiar sound . . ., which can only be learnt be hearing".
8) Ernst Henrici, Lehrbuch der Ephe-Spracbe (Ewe), Berlin 1891, S. 14.
Zeitschrift der D. M. G. Bd. 68 (1914). 38
586 Heepe, Zur Aussprache der Velarlabialeu kp und gb.
kommt man nach dem genauen "Wortverständnis, bevor ,1'emission
du g' vollendet, bezw. die dazu nötige Luft vollends ausgeströmt
ist, zu der vom Ziele abführenden Anschauung, die nun bei Wester¬
mann tatsächlich vorliegt.
6 c) Seine erste Darstellung aus dem Jahre 1905 lautet: „Kp
und gb entstehen, indem zunächst am Velum ein Verschluß gebildet
wird, und, während man diesen öffnet, alsbald ein neuer Verschluß
an den Lippen entsteht, so daß die durch den Velarverschluß ab¬
gesperrte Luft zunächst bis an die Lippen entweicht, wo sie von
10 neuem abgesperrt wird, um dann durch die Lippenöffnung vollends
auszuströmen. . .'
Man erkennt sofort den Vorzug dieser Beschreibung vor der
seiner Vorgänger: sie bezeichnet genau die Reihenfolge der Vor¬
gänge , wie sie nach seiner Meinung die Bildung der Laute be-
15 dingen : Velarverschluß und -Öffnung, Lippenverschluß und -Öffnung.
Zwar heißt es nicht, nachdem man den Velarverschluß geöffnet,
sondem „während man diesen öffnet", aber das gleich folgende
„alsbald", sowie das erstmalige Entweichen und dann Wieder-
abgesperrtwerden der Luft zeigen deutlich , daß es sich nicht um
20 eine Gleichzeitigkeit, sondern eine Aufeinanderfolge handelt. Hier
haben wir also die soeben aus den Worten von Delafosse nur viel¬
leicbt zu vermutende Anschauung in klaren bündigen Worten vor
uns. Ein Vergleich dieser ersten Fassung mit der zweiten aus
dem Jahre 1907 zeigt zunächst einige stilistische Änderungen; so
25 ist z. B. am Schluß das an Delafosse's „achevee" erinnernde und
im Zusammenhang tatsächlich überflüssige Wörtchen „vollends"
gestrichen. Sodann findet sich aber hier die bereits am Anfang
erwähnte sachliche Änderang: „Velarverengung" statt früherem
„Velarverschluß". Die Beschreibung von 1907 lautet: „Kp ... ent-
30 steht, indem zunächst am Velum eine Verengung gebildet wird,
und während man diese öffnet, alsbald mit den Lippen einen neuen
Verschluß bildet, so daß die durch die Velarverengung abgesperrte
Luft zunächst bis an die Lippen entweicht, wo sie von neuem ab¬
gesperrt wird, um dann durcb die geöffneten Lippen zu entströmen."
35 In dieser neuen Passung ist die einheitliche und in sich geschlossene,
frühere Darstellung zerstört. Die Änderung ist ofifenbar erst sehr
spät vorgenommen, so daß ein Ausgleich der neuen Anschauung
mit der früheren unterblieben ist. Denn obwohl der Verfasser
jetzt nicht mehr „Velarverschluß", sondern „Velarverengung" an-
40 nimmt , spricht er noch von einem „neuen Verschluß" mit den
Lippen und läßt die Luft „durch die Velarverengung abgesperrt'
sein. Ebensowenig hat er die Schreibung der Laute mit den
Explosiven k und g geändert , wiewohl das nicht zu der nunmehr
behaupteten „Velarverengung" stimmt.
45 Man wird also bei richtiger Beurteilung der vorhandenen
ünterschiede sagen müssen : Westermann ist an der Richtigkeit
seiner klar formulierten Beschreibung von 1905 in einem Punkte
t, 3
ii_
Heepe, Zur Auesprache der Velarlabialen kp und gb. 587
zweifelhaft geworden; und zwar nicht hinsichtlich der erstmalig
von ihm aufgestellten Reihenfolge der Vorgänge, sondern hin¬
sichtlich der Art der velaren Artikulation, die er damit also eben¬
falls, m. W. erstmalig, zur Diskussion stellt. Er neigt zur Annahme
einer Prikativen, tritt aber nicht mit Entschiedenheit dafür ein. — 5
Man kann das etwa kurz dahin zusammenfassen : er ist unsicher
geworden, ob tatsächlich immer ein Velarverschluß vorliegt. Diese
Unbestimmtheit seiner Aussage über die Art der velaren Arti¬
kulation, ebenso wie die aufrecht erhaltene Behauptung einer Auf¬
einanderfolge der Artikulationen kommen in der Tat am kürzesten 10
zum Ausdruck in der bereits am Schlüsse der Beschreibung von
1905 sich findenden Definition, die auch noch in dem neueren
Werke Westermann's über „Die Sudansprachen' beibehalten ist:
„Man kann also kp. gb ein p, b mit velarem Ansatz nennen.'
Es ist nicht schwer, die Ünwahrscheinlichkeit der obigen Dar- 15
Stellung Westermann's über die Aufeinanderfolge der lautlichen
Vorgänge darzulegen. Sie steht meines Erachtens im Widerspruch
mit der seit Crowther fast allseitig vertretenen Annahme, daß es
sich hier um eine untrennbare Lauteinheit handelt. ünd diese
Ansicht hat auch Westermann, so viel ich sehe, nirgends bekämpft, 20
außer in der obigen Beschreibung. Befolgt man diese Anleitung
genau , so wird man sehr bald gewahr , daß man den Velar- und
Labiallaut, wenn auch noch so schnell hintereinander gesprochen,
immer fein säuberlich getrennt hält. Denn nach Westermann geht
ja nicbt nur der Velarverschluß , sondern auch die Velaröfinung 25
dem Lippenverschluß (und damit natürlich auch der Lippenöfinung)
voraus. Die Bildung des Velarlautes ist also vollendet, bevor die
Bildung des Labiallautes beginnt. Wie es sich da um eine un¬
trennbare Lauteinheit handeln kann, ist nicht einzusehen.
Indessen die Schwierigkeit dieser Laute ist gar nicht so groß, wie so
es nach dem bisherigen den Anschein haben könnte. Nur handelt
es sich um eine Art der Lautbildnng, die in den gebräuchlichsten
Handbüchern der Phonetik nicht vorgesehen ist. Zwar spricht
Bremer § 62 von gleichzeitigem Verschluß an verschiedenen Stellen,
denkt dabei aber an Nasen- und Mundverschluß (vgl. jedoch Anm. 2). S5
Bei den Velarlabialen handelt es sich nun um doppelten Mund¬
verschluß durch Zungen und Lippenartikulation. Es bedarf dabei
nur der einfachen Erwägung, daß Zunge und Lippen ja voneinander
unabhängige Organe sind, um in einfachster Weise den Ausweg aus
dem Dilemma zu finden, zu dem die konsequente Befolgung der 40
Anleitung Westermann's bei gleichzeitiger Behauptung einer Laut¬
einheit führt. Es handelt sich in Wirklichkeit um gleich¬
zeitige Öffnung der Verschlüsse. Dadurch sind die beiden
Artikulationen zu einer Lauteinheit verbunden. Es bleibt dabei
hinsichtlich der Verschluß bildung die Möglichkeit frei, entweder 45
beide Verschlüsse gleichzeitig oder in wechselseitiger Folge her¬
zustellen, nur die Öffnung muß gleichzeitig erfolgen.
88*
588 Heepe^ Zur Auagprache der Velarlabialen kp und gb.
Durch diese Erkenntnis, wird auch die allgemeine Phonetik
um ein Phänomen hereichert. Denn von den bisher bekannt ge¬
wesenen Lautverbindungen unterscheiden sich die Velarlabialen
ganz deutlich als Lauteinheiten. Für diese ist die Gleichzeitigkeit, 5 für jene die Aufeinanderfolge der Artikulationen charakteristisch.
Lautverbindungen liegen z. B. im Deutschen vor in der Affrikata pf
in „Knopf" ; bier verbindet sich mit dem labialen Verschlußlaut eine dentilabiale Frikativa in der Weise, daß mit der VerschlußöflPnnng
auch die Bildung der Frikativa bereits gegeben ist. Ferner bei
10 der Berührung zweier aufeinanderfolgender Verschlußlaute ver¬
schiedener Silben, wie z. B. in Packpapier, Egbert. In diesen
Fällen verbindet sich dem vorangehenden velaren Verschlußlaut
ein labialer in der Weise, daß während der Velarverschluß noch
andauert, die Lippen bereits geschlossen werden. Alsdann wird
15 der Velarverschluß aufgehoben und nur der Lippenverschluß
explodiert Der velare Verschlußlaut verliert hier also die
Explosion.
Der Vergleich einer solchen Verbindung zweier Verschlußlaute
mit der Artikulation der Velarlabialen ist lehrreich. In beiden
so Fällen handelt es sich um einen doppelten und gleichzeitig vor¬
handenen Verschluß ; aber während im ersten Palle die Bildung
nnd Lösung, bezw. Öffnung, der beiden Verschlüsse jedesmal
einander folgen, geschieht die VerschlußöfFnung bei den Velar¬
labialen gleichzeitig. Bei diesen fällt nämlich die Velarexplosion 25 nicht fort, sondern zeitlich mit der der Lippen zusammen.
Man könnte nun einwenden, wie wohl eine Lauteinheit denk¬
bar wäre, bei der die Verschlußbildung des einen Elements der
des andern zeitlich vorausgehe , und dabei etwa darauf hinweisen,
daß z. B. im Deutschen ein Verschlußlaut im In- und Auslaut
soauch ohne Explosion als fertiger Laut aufgefaßt werde; und ähn¬
lich ist es ja im Jaunde mit auslautendem k. Ein solcher Ein¬
wand übersieht aber , daß in den Sprachen , in denen die Velar¬
labialen vorliegen, diese Laute nur im Silbenanlaut erscheinen; wo
sie im Wortinnern auftauchen, glaubt freilich ein deutsches Ohr
36 zunächst eine Verbindung zweier Verschlußlaute wahrzunehmen.
Die tatsächlich vorhandene Explosion des Velarverschlusses gleich¬
zeitig mit dem der Lippen nötigt indes , von einer solchen Auf¬
fassung abzusehen. Jedoch erklärt sich auf diese Weise aus
phonetischen Gründen sehr einfach die insbesondere von Koelle
40 (und im Anschluß an ihn Steinthal) gemachte Beobachtung, daß
die velare Artikulation zwar im Satze (d.h. nach vorangehendem
Vokal) wohl immer, bei einem allein gesprochenen Wort (d. h. im
Anlaut) dagegen nicht immer wahrgenommen werde. Ob es sich
dabei weiter auch noch um „mundartliche" Verschiedenheiten
45 handelt, wie Henrici für das Ewe vermutet, ist mir nicht wahr¬
scheinlich, wäre jedenfalls im einzelnen Falle erst noch besonders festzustellen.
Heepe, Zur Aussprache der Velarlabialen kp und gb. 589
Die im Vorstehenden beschriebene Aussprache der Velarlabialen
unter gleichzeitiger Öffnung des Velar- und Labialverschlusses habe
ich bei Vertretern dreier gänzlich voneinander verschiedener Sprach¬
gebiete beobachten können ; nämlich im Jaunde, einer Bantusprache
Südkameruns, im Ewe, einer Sudansprache Togos, und im Käte 6
(Kai), einer Papuasprache Neuguineas. Pür das Jaunde und Ewe
kann ich mich auf die Sprachgehilfen am Seminar für Kolonial -
sprachen des Hamburgischen Kolonialinstituts, Karl Atangana und
Viktor Toso , berufen. Die Kenntnis von dem Vorhandensein der
Velarlabialen im Käte verdanke ich Herm Oberstabsarzt a. D. lO
Dr. Otto Dempwolff, der im Wintersemester 1912/13 und Sommer¬
semester 1913 diesen Dialekt von dem Missionskandidaten, Herm
Flierl, aufgenommen hat. Da Herr Flierl in Neuguinea auf¬
gewachsen ist und die Sprache wie seine Muttersprache spricht,
so ist natürlich auch seine Aussprache als völlig einwandfrei zu 15
betrachten, und es war mir eine Freude, von ihm, der phonetisch
gut zu beobachten verstand, nach kurzem Hinweis auf das Problem,
das bestätigt zu erhalten, was ich auch selbst an seiner Aussprache
beobachten konnte, daß die Öffnung der Verschlüsse gleichzeitig
erfolgt. »0
590
Suaheli -nge- = -ngali-.
Von M. Heepe.
Zum Ausdruck der irrealen Bedingungssätze dienen im Suaheli
Verbalformen mit den Bildungssilben -nge- und -ngali-. Nach der
bisherigen Auffassung der Suaheli - Grammatiker besteht zwischen
beiden Formen ein Unterschied der Zeitsphäre : -nge- bedeute einen
6 Irrealis der Gegenwart und -ngali- einen Irrealis der Vergangen¬
heit. Allein, in Wirklichkeit liegt eine solche Unterscheidung
nicht vor; sie ist vielmehr erst unter dem Einfluß europäischer
Vorstellungen in das Suaheli eingetragen und wird auch heute
noch nicht von den Eingeborenen zur Anwendung gebracht, obwohl
10 sämtliche Grammatiken , soweit ich sehe , dem einmal von Krapf
und Steere aufgestellten Schema gefolgt sind.
Anlaß zu dieser irrtümlichen Unterscheidung gab wohl eine
Betrachtung der Zusammensetzung von -ngali-, das ja ohne weiteres
in die beiden Silben nga und li zu zerlegen ist. Da li — ein in
15 Relativsätzen noch häufig selbständig vorkommendes Verbum „sein"
— im Suaheli zum Ausdruck der Vergangenheit beim Verbum
dient, z. B. ni-li-penda, oder n-a-li-penda ich liebte, von penda
lieben, so lag es nahe, eine solche Bedeutung auch den Irrealsätzen mit -ngali- zuzuschreiben. Unaufgeklärt blieb jedoch die Zusammen-
20 Setzung von -nge- , dessen Entstehung auch bislang noch von
niemandem erklärt ist.
Vermutlich sah man in dem e von nge eine Erweichung des
a von nga, deren Ursache man auf sich beruhen ließ (vgl. Steere,
Handbook p. 138, Saleux, Dialectes Swahilis p. 176). Planert, der
»6 offenbar das Unbefriedigende eines solchen Zustandes empfand,
suchte die Sache von der entgegengesetzten Seite aus anzufassen,
indem er nicht nga, sondern nge als Grundform annahm und nga
in irgendeiner Weise aus einer Verschmelzung von nge und einem
anderen Element zu erklären versuchte. Wenigstens scheint mir das
30 aus seinen Worten hervorzugehen: .Auch sehe ich nicht ein, warum
nge bestimmt auf nga zurückgehen soll; seine heutige Anwendung
deutet vielmehr auf das Gegenteil , z. B. a-nge-ku-wa gegenüber
a-nga-wa' (s. Die syntaktischen Verhältnisse des Suaheli, 1907,
S. 21). In dieser Auffassung ist ihm Delius in seiner Suaheli-
4 3 *